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63 DomierSa«, de» A. Mai. - ÄM Frankenberger Nachrichtsblatt und Bezirksanzeiger. Amtsblatt der König!. Amtshauptmannschast Flöha, des König!. Gerichtsamts und des StadtrathS zu Frankenberg. Erscheint wöchentlich drei Mal. Vierteljährlich 1j Mark. Zu beziehen durch alle Buchbaudlmigen und Post-Expeditionen. aus unser Blatt für den Monat ^kn»i werden zum Preise von 45 Pfg. noch Vie Vxpeäitivll äes krsakeoberxer ModriedtsblLtt-s. entgegengenvmmen. OertlicheS und Sächsisches. noch gesucht bleiben, weil das Kaufen fertiger gezogen und gleichzeitig diejenigen Landwehl Waaren inicht Jedermanns Sache ist. Ferner männer, welche bei der 1876 erfolgten Eu m- und zum Verkauf der Fabrikate aufsuchen und abwarten, während der Handwerker im Kleinen und theurer einkaufen muß und entweder? von Bestellungen abhängt oder die unbestellte Waare aus Mangel an Raum oder Subsistenzmitteln meist schnell an den Großhändler verkaufen muß. Die Vorzüge der Fabrik zeigen sich ganz be sonders bei den für den ausländischen oder doch entfernten Absatz arbeitenden Gewerben. Da her sind bei manchen Erwerbszweigen die Hand werksmeister nicht mehr im Stande, in der Güte und Wohlfeilheit der Erzeugnisse mit den Fa briken Schritt zu halten, und es ist eine unauf haltsame Folge der Arbeitstheilung und der mit Hilfe von Maschinen und größeren Capitalmit- teln fortschreitenden Gewerbskunst, daß in ei nem Theile der Gewerbe das Handwerk von der Fabrikation verdrängt wird. Die Fabrik kann solchen Gehilfen und Lehrlingen, die in einer besondern Richtung in gewissen Handgriffen und Arbeitsleistungen speciell geübt sind, auch viel höhere Löhne zahlen und durch Ausnützen ihrer Fertigkeiten, sowie durch rasches Jneinan- dergreifen der so getheilten Beschäftigungen zahl reiche Gegenstände viel schneller, besser und bil liger Herstellen. Viele Knaben, die sich schon jung auf gewisse Handfertigkeiten einüben und es darin weit zu bringen suchen, werden da durch voraussichtlich für ihre Zukunft am besten sorgen, sohald sie sich nur gleichzeitig theoretische Kenntnisse aneignen, um ihre unvermeidliche praktische Einseitigkeit im Dienste der Industrie um so nützlicher zu verwerthen, um den Unter nehmer oder Werkmeister auf Verbesserung der Werkzeuge oder Methoden, auf Ersparnisse an Roh- oder Hilfsstoffen und auf solche Vortheile aufmerksam zu machen, die nur durch lange Uebung erkannt zu werden pflegen. Alle diese durch das Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern täglich erhöhten Vortheile der Großindustrie bewirken, daß die Menschen Frankenberg, 30. Mai 1877. — Unsere Mittheilung in letzter Nr. d. Bl- (welche wir einem sonst güt unterrichteten Leip' ziger Blatte entnahmen) hat dahin eine Aen- derung zu erfahren, daß Heuer 2 Jahrgänge der Landwehr zu einer 12tägjaen Uebung ein gezogen und gleichzeitig diejenigen Landwekr- jetzt weit leichter und billiger als sonst mit Gütern aller Art versorgt werden, und daß sich auch Handwerker und Arbeiter in Nahrung, Wohnung, Kleidung, Genuß, in Unterhaltungs- und Belehrungsmitteln jetzt doppelt so gut stehen, als vor 50 oder 60 Jvhren. Die Großindustrie hat direct und indirect auch bei den Erwerbszweigen, wo die Maschinen nichts zu thun haben, Vermehrung der Güter bewirkt. Ein Ankämpfen gegen die Fabrikation würde daher gegen das Wohl der mittleren und un teren Klassen sein. — Aber das Handwerk kann sich trotzdem in solchen Zweigen, bei denen die Vorzüge des großen Betriebs wegfallen, und überall da, wo persönliche Neigungen und Be dürfnisse des Käufers und locale Verhältnisse in Frage sind, noch längere Zeit behaupten. Gute Schneider, Schuhmacher, Schmiede, Schlos ser, Tischler, Tapezierer re. werden überall Die Lage des Handwerks. Der Handwerkerstand scheint jetzt beinahe in demselben Maaße, wie früher der sogenannte Arbeiterstand, zu den socialen Schmerzenskin dern zu gehören. Die Handwerker bilden den Kern des Kleinbürgerthums. Ihre Zahl ist trotz des Anwachsens der Großindustrie doch immer noch in den meisten Staaten weit bedeu tender als'die der Fabrikarbeiter. Alle politi schen Parteien im deutschen Reiche, von den Conservativen und dem Centrum an bis herab zu den Socialdemokraten, werben um die Bun desgenossenschaft des Handwerkerthums und ha ben sich jüngst bemüht, durch Neformvorschläge zum deutschen Gewerbegesetz ihr Interesse am Wohl der Handwerker zu bethätigen. Weit entfernt, die Aufrichtigkeit irgend einer politi schen Partei in Zweifel zu stellen, halten wir uns doch verpflichtet, den Handwerkerstand in erster Linie auf seine eigene individuelle und genossenschaftliche Kraft und auf die klare Erkenntniß des im Gewerbeleben vollzogenen technischen und wirthschaftlichen Umschwunges zu verweisen. Politik und Gesetzgebung können gar wenig thun, und nur indirect Einiges zur He bung der Ordnung, zur Ausbildung und Erleichte rung von Organisationen beitragen. Die Haupt sache ist: daß jeder Einzelneseine Pflichten und Auf gaben gegenüber den inneren unabwendbaren Ver änderungen der modernen Industrie begreift. Vor Allem ist der Gedanke aufzugeben, daß der Staat das Handwerk gegen die Großindustrie schützen könne und sich in den Verzweiflungs kampf zwischen Kleingewerbe und Fabrikindustrie einmischen dürfe. Weil man in Deutschland die Gewerbefreiheit 50 Jahre zu spät eingeführt und die Entwickelung der Großproduction viel fach gehemmt hat, werden viele Dinge hier noch handwerksmäßig betrieben, welche in England und Amerika schon längst mit Maschinen oder mittels einer ins Kleinste gehenden Arbeitsthei lung hergestellt werden. Es wäre grausam, wenn man den Todeskampf einiger kleingewerb- licher und häuslicher Betriebszweige künstlich verlängern wollte, anstatt den Uebergang zu modernen Betriebsmethoden oder die Einfüh rung neuer Erwerbszweige kräftig betreiben zu helfen. Man muß sich vielmehr die gegenwär tige schwierige Stellung des Handwerks zur Großindustrie ganz unumwunden vergegenwär tigen. Die Fabrik ist für das heutige indu strielle Leben gerade so charakteristisch und tonan gebend, wie das Handwerk für das mittelalter liche Leben. Da, wo Fabrik und Handwerk mit einander concurriren, beruht die Ueberlegen- heit der Fabrik auf ihrer größern Arbeitsthei lung, auf Maschienenbenutzung, Capitalmenge und Handelsgeschicklichkeit, sowie auf den viel fachen Ersparungen, welche der Betrieb im Gro ßen zuläßt. Der Fabrikant kann Vorräthe sei ner Erzeugnisse anlegen und die vortheilhafte- < sten Gelegenheiten zum Ankauf der Rohstoffe! > werden alle mehr oder weniger örtlichen Ge- . werbe, wie Bäcker, Fleischer, Maurer, Zimmer- . leute, Dachdecker, Glaser, Schleifer, Maler, nie mals entbehrt werden können. Zahlreiche Hand werke können sich durch Ausbessern, Zusammen setzen oder Feilbieten von halb oder ganz fer tigen Fabrikwaaren erhalten, wie Uhrmacher, Juweliere, Buchbinder und Cartonarbeiter, Gürt ler rc. Während einige Handwerkszweige ein gehen, entstehen alljährlich neue Betriebszweige, die sich nur für den Betrieb im Kleinen eignen, wie Conditoren, Photographen, Friseure, Mo delleure, Kunstmaler, Musterzeichner rc. Der Handwerkerstand vermag daher den Kampf ge gen das Andringen der großen Unternehmungen wenigstens theilweise noch zu bestehen, sobald er sich nur bemüht, in Kenntnissen und Geschick lichkeiten den Anforderungen der gesteigerten Bildung zu genügen und zum Kunstbetrieb über zugehen oder durch das Genossenschaftswesen sich gewisse Vortheile des Großbetriebes ebenfalls anzueignen, z. B. durch genieinsamen Ankauf von Rohstoffen und gemeinsamen Verkauf fer tiger Waaren in gemeinschaftlichen Magazinen rc. Der Weg zur Fabrik geht immer noch theilweise durch das Handwerk. Viele kleine Handwerksmeister stehen sich in größeren Fa briken besser als in ihrer früheren scheinbaren Selbstständigkeit. Ein größerer Tapezierermei ster berichtete jüngst, daß sich an 50 Leute meldeten, wenn er einen Commis für seine Buchführung suche, aber nur 2—3 Leute, wenn er gute Gesellen verlange, obwohl die letzteren besser bezahlt werden müßten als ein Commis. Der Kaufmannsstand ist überfüllt. Man hat noch nie von einem Streik von Handlungsge hilfen gehört. Der allgemein beklagte Mangel an Gesellen und die hohen Löhne, welche guten Gehilfen jetzt fast überall bewilligt werden, be weisen, daß das Handwerk in gewisser Hinsicht noch immer einen goldenen Boden hat und daß es, wie auf allen Gebieten, nur des tüchtigen Lernens bedarf, um auch im Handwerk noch vorwärts zu kommen. Die Vorbedingung des allgemeinen Besserwerdens ist jedoch, daß die Meister den Gesellen und Lehrlingen mit gutem Beispiel vorangehen und sich nicht schämen, im Gebrauche der neuen Werkzeuge, Maschinen und Arbeitsmethoden, im Zeichnen und in der Aneignung theoretischer Kenntnisse selbst «Mer Lehrlinge zu werden. (Social-Corr.)