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Tonntag. 20. Januar 1836. Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch dif Erpediiion in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. DkllWc Allgtmciiit ZtissiH Preis für das Vierteljahr 1 V'Numme? 2°Ngr^"e »Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zum Frieden. Leipzig, 19. Jan. Die gestern mitgetheilten berliner und wiener Nachrichten über di« von Seiten Rußlands erfolgte rückhaltlose An nahme der FriedenSbedingüngen werden heute auch durch Mitthci- lungen auS Paris und London vervollständigt und lassen wir dieselben hlir folgen : "Püris, 17. Jan. Auf der pariser Börse wurde heute eine Depesche des französischen Gesandten in Wien, Hrn. de Bourqueney, angeheftet. Die- selbe lautet ungefähr: „Wien, 16. Jan. Graf Esterhazy meldet heute auS Petersburg, daß der Reichskanzler Graf Nesselrode ihm die reine und einfache Annahme der Proposttionen, die im Ultimatum enthalten sind, angezeigt habe. Diese Propositionen sollen als Präliminarien zu Friedensuntcrhand- lüngen dienen." Das Journal des De'bats bemerkt, daß die obige Nachricht, die sich schnell in der ganzen Stadt verbreitete, überall den tiefsten und freudigsten Eindruck gemacht habe. Der Constitutionnel sagt: „Vivats nahmen obige Veröffentlichung auf und die Curse aller Werlhpapiere erfuhren alsbald ein Steigen, das, hlos durch leichte Reactionen unterbrochen, die 3proc. Rente am Schluß der Börse auf 67. 30 gebracht hatte. Von der Börse ver- breitete sich die Nachricht in der Stadt. Ueberall erregte sie die nämliche Frrüde. Man sah in dieser vorbehaltlosen Annahme der Vorschläge durch Rußland das Pfand eines nahen Friedens und die Frucht der von den Westmächten gezeigten Festigkeit und ihres klar ausgesprochenen Entschlus ses, vor keinem Opfer zur Erreichung des gerechten Ziels zurückzuschrecken, das sie sich vorgesteckt hatten." Das PayS sagt: „Die Rathschläge der Vernunft und Menschlichkeit sind von dem Zar angehört worden. Die erste Conscquenz des Beschlusses des Zar wird die Zusammenberufung von Konferenzen sein, um die An wendung der heut« von allen Parteien angenommenen Punkte zu reguliren. Wenn, wie wir hoffen, die-Zustimmung Rußlands von jedem Hintergedan ken frei ist, wenn keine ernsthafte Schwierigkeit wegen der Anwendung der zugelassenen Principien erhoben wird, so wird der Friede bald hergestellt sein. Ganz Europa wird sich Glück wünschen zu einem Resultat, welches man augenscheinlich der energischen Haltung Frankreichs, Englands und Oesterreichs und der loyalen Unterstützung eines Theils von Deutschland verdankt." Die Patrie ruft aus nach einigen Betrachtungen über die Verluste, die Rußland haben wird: „Gott sei Dank! der gesunde Verstand und die Klugheit haben den Sieg davongetragen. Daß Petersburger Cabinet hat den Frieden nicht von einigen Ortschaften und von ein oder zwei militä rischen Punkten abhängig gemacht, welche es auf einer langen Erdzunge aufgeben soll. Die Conferenzen werden wahrscheinlich binnen kurzem er öffnet werden; dieselben werden, denn wir wollen auch keinen Augenblick lang daS geringste Mistrauen haben, die Wiederherstellung des Friedens auf soliden und dauerhaften Grundlagen sichern." Die «Presse» nennt die Annahme der Propositionen von Seiten Ruß lands eine große und befriedigende Nachricht. Sie erkennt an, daß, wenn diese Nachricht auch noch nicht der Friede ist, dieser doch seit der Eröff nung der Feindseligkeiten nie wahrscheinlicher gewesen ist. -s-London, 17. Jan. Der Globe bestätigt die von der Times gebrachte Nachricht, Rußland habe unbedingt das österreichische Ultimatum als Basis zu Friedensuntcrhandlungen angenommen. Der Globe hofft freund- licheS Entgegenkommen von Seilen der Alliirten, und von Seiten Rußlands größere Aufrichtigkeilals früher. * Paris, 18. Jan. (Telegraphische Depesche.) Der Moniteur wie derholt heute Morgen, ohne alle Bemerkung, die gestern an der Börse angeschlagene Depesche. Die Fonds sind gestern Abend nach der Börse noch fortwährend gestiegen, die 3proc. Rente hat sogar den Curs von 69 Fr. überschritten. "London, 17. Jan. (Telegraphische Depesche.) Die englische Ne gierung hat von ihrem Botschafter in Wien, Sir Hamilton Seymour, folgeüde telegraphische Depesche erhalten: „Die russische Regierung nimmt die österreichischen Vorschläge als Grundlage zu neuen Unterhandlungen an," 3proc. Consols in diesem Augenblick 90. Wir finden in der Allgemeinen Zeitung folgende Erörterung über die Wichtigkeit der Gebietsabtretung in Bessarabien und die Stellung des Deutschen Bundes dazu: „Wie zurückhaltend der Deutsche Bund in seiiien Beschlüssen auch bisher gewesen, zwei Garantiepunkte hat er «im deutschen Interesse» sich ausdrücklich anzueigncn nicht versäumt, und der eine dstsrr Punkte ist die Freiheit der Donauschiffahrt. Die Erfahrung hat mehr als genügend bewiesen, daß die Freiheit der Donau so lange «ine Illusion l ist, als ein übermächtiges Reich auch nur Eine der Donaumündungen be» herrscht. Oesterreich will diese Freiheit zu einer Wahrheit machen. Dies ist, wie eS uns scheint, die Rücksicht, welche auch Deutschland bei seinem Urtheil über diesen Theil der Federungen voranstellen muß. Aber Rußlands Ehre, demonstrirt man uns, wird dadurch verletzt und Rußland ist, trotz aller Er folge der verbündeten Heere, noch nicht so tief heruntergebracht, daß eS g«> nöthigt sein könnte, seiner Ehre etwas zu vergeben. Aber, antworten wir, hat Frankreich, hat England, hat Oesterreich oder Preußen an seiner Ehre Schaden gelitten, weil zu dieser oder jener Zeit Theile des französischen, des englischen, deä österreichischen, des preußischen Territoriums abgetreten worden? Rußland ist nicht besiegt, und weil es nicht besiegt ist, kann eö um so sicherer, ohne an seiner Ehre einzubüßen, dem Frieden der Welt ein Zugeständniß machen, für das ihm ein mehr als genügendes Aequi7 valent in der Rückerstattung der zahlreichen Küstenstriche und Plätze ge boten wird, welche durch das Recht der Waffen in den Besitz des Fein des übergegangen. Mit diesen kostbaren «Pfändern» in Händen und nach dem sie ungeheure Opfer an Menschen und Geld gebracht, willigen die Al liirten gleichwol in den Austausch ihrer Eroberungen gegen einen Landstrich, der lediglich ein allgemeines oder, wenn ein specielles, lediglich ein spcciell deutsches Interesse zu sichern bestimmt ist und der für Rußlands Defensive auch nicht den geringsten Werth hat. Und Deutschland sollte noch un schlüssig sein, was cs jetzt zu thun hat? Der Deutsche Bund will den Zweck — er muß auch die Mittel wollen; und diese Mittel liegen zur Hand. , Deutschland hat nichts zu thun als jetzt noch, einig und entschlossen, zu, Oesterreich zu stehen. Oesterreich mit ganz Deutschland hinter sich hat keine Weigerung zu befahren. Deutschland aber ist die letzte Gelegenheit gebo ten zur Wahrung seiner handgreiflichen Interessen, die Oesterreich seither nahezu gegen Deutschlands Willen vertreten, sein Gewicht in die Wag- schale zu werfen. Steht es auch jetzt noch unthätig beiseite, so darf es sich nicht wundern, wenn Oesterreich sich verpflichtet, fühlt, zunächst als euro päische Großmacht seine eigene Stellung zu wahren. Deutschlands Neu tralität hat dem Kriege keinen Einhalt gethan, sie hat ihn nur zu immer größern Dimensionen anschwcllen lassen, denn thalsächlich ist sie, weil sie Rußlands Achillesferse deckte, Rußland zugute gekommen. Wenn Deutsch, land ernstlich den Frieden will, muß es aufhören neutral zu sein. Roch ist es ihm gestattet, seine Verbündeten zu wählen, wie sein Interesse «S bedingt. Aber es könnte eine Zeit kommen, wo das nicht mehr der Fall ist, und dann würde sein Interesse höchstens noch der Kampfprcis sein für die Sieger hüben oder drüben, und könnte die Controverse, ob die Donau ein deutscher Strom, sich in einer Weise erledigen, welche selbst die Mög lichkeit einer bejahenden Antwort vollständig ausschlösse." Deutschland. Preußen. -^Berlin, 18. Jan. Die unbedingte Annahme der westmächtlichcn FriedenSbedingüngen durch Rußland war etwas, wa« man in allen diplomatischen Kreisen ohne Unterschied so wenig erwartete, daß man, als die erste Nachricht davon durch den Telegraphen bekannt wurde, es nicht glauben wollte und eine Mystifikation voraussetzte. Alle Zweifel sind indessen durch die feststehende Thatsache zu Boden geschlagen worden. Das Geschichtliche ist Folgendes: Vorgestern Vormittag ahnte man selbst in Wien noch nicht das Geringste von der bevorstehenden Wen dung, und da alle Versuche zur Verhütung des diplomatischen Bruchs mit Rußland fehlgeschlagen waren, so hatte Graf Esterhazy durch den Telegra phen nochmals die Weisung erhalten, daß er, wenn er nicht ausdrücklichen Gegenbefehl erhielte, nach seinen Instructionen zu thun, d. h. Petersburg am 18. Jan. zu verlassen habe. Im russischen Gesandtschaftshötel in Wien dachte man darum auch noch kaum an etwas Anderes als an die Abreise-, Die Diener des Fürsten Gortschakow waren mit Packen beschäftigt. Diese Details, welche hierhergemeldet worden, sind nicht minder interessant für die Geschichte der letzten Tagt, als sie erklärend sind für bas Mistrauen, mit welchem man in den Kreisen der Diplomatie der ersten Kunde yon der erfolgten Annahme der Friedensbedingungen durch Rußland begegnete. Da erhält Fürst Gortschakow eine an demselben Tage Mittags von Pcteröbur- abgegangene telegraphische Depesche, in welcher ihm, als Antwort auf seine telegraphische Depesche, in welcher er seinem Hofe angekündigt hatte, daß Oesterreich auf der unbedingten Annahme bestehe und im Fall der Nicht annahme seinen Gesandten definitiv abberufen werde, die Anzeige gemacht wurde, daß Kaiser Alexander, um seinem Lande und Europa den Frieden wlederzugebcn, sich entschlossen habe, die Friedensbedingungen einfach (pure^ ment vl simpikinOnt) anzunehmen. In den auS Petersburg hicihcrgc- langttn telegraphischen Depeschen über die Angelegenheit heißt cs cbcnfalltz, daß die Annahme purvmont vt simplvment erfolgt sei. Von den Ver» trelnn Preußen- und der deutschen Mittelstädten ist in den letztirn Tagen