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VoigllänMjtr Anzeiger. Kiekemmdsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Rcdaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Diese« Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und jwar Dienstag«. Donnerstag- und Sonnabend«. Jährlicher A » s n n e m e nt Spr e i«. auch bei Beziehung durch die Post. 1 Lhlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Mittags 12 ttbr eingehen. werden in die La^S darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit I Ngr. für die gespaltene EorpuS-Zeile berechnet. 7. October 185«. Dienstag. Kurze Geschichte der Kirche zu Plauen. . (Fortsetzung.) <Lo war bis in das 14. Jahrhundert hinein „die Stätte unseres Heiligthums — wie der Prophet einst sagte — allezeit fest geblieben" — da brach im Jahre 1430 ein furchtbarer Sturm über unser GotteShauS und über unsere ganze Stadt herein. Am 25. Jannar des genannten Jahres eroberten die Hussiten aus ihrem Rache- und Raubzug durch das Meißner- und Osterland zuerst das feste Schloß — ob mit Gewalt oder durch Verrath, ist ungewiß — metzelten die dorthin geflüchteten Adeligen, Geistlichen und Bürger nieder, plünderten dann unter Verübung der ent setzlichsten Gräuelthaten die wehrlose Stadt und steckten sie bei ihrem Ab zug noch in Brand. Auch die Kirche mit dem Comlhurhof (von dessen Bewohnern Einige lebendig von den Hussiten begraben worden sein sollen) ging in Feuer auf. Wie lange sie damals in Trümmern lag, darüber fehlt uns jede Nachricht. Doch läßt sich wohl annchmen, daß der Wieder aufbau von den deutschen Herren mit allem Eiser betrieben wurde; nur scheint er wenigstens nicht in allen Theilen mit der gehörigen Festigkeit ausgeführt worden zu sein, da im Jahre 1473 der vordere Thurm wuder einsiürzte, ohne jedoch Schaden anzurichten. Gegen das Ende des 15. Jahrhunderts finden wir in unserer Kirche 5 Altäre, an denen theils die Priester des deutschen Ordens (deren cs um das Jahr 1500 im hiesigen deutschen Hause 10—12 gab), theils auch andere Weltgcisiliche den Got tesdienst verrichteten: den Hauptaltar St. Johanuiü — den Altar deS heiligen Fabian und Sebastian, an welchem die Seelenmessen der hier be stehenden Ealendbrüderschafl gelesen wurden, daher auch der Ealeudaltar genannt, dem Nicolaus Hüler im Jahre 1496 bestimmte Zinsen von seinen Besitzungen legirtc, — den Altar zu unserer lieben Frauen Em- pfängniß, von der Familie Faßmann gestiftet und später von einer anderen geistlichen Brüderschaft zum Frohuleichnam wieder in besseren Stand ge bracht, — den Altar St. Anna, für den im Jahre 1509 von der Familie Pestel ein Legat gemacht und eine Wohnung deS Altaristen am Comthur- hof gekauft wurde, — den Altar St. Laurentii. Die Collatur über die 4 Nebenaltäre stand fast ausschließlich dem hiesigen Stadtrath zu, nachdem im Jahre 1492 die Landesherrschaft (Churfürst Friedrich der Weise) die Eollatur über den Altar zu unserer lieben Frauen Empfänglich an den Stadtrath abgetreten hatte und in Betreff deS Altars St. Anna daS Uebereinkommen getroffen worden war, daß die Collatur wcchselsweise vom Stadtrath und vom deutschen Orden ausgeübt werden sollte. Zur Kirche gehörte auch die von den deutschen Herren begründete Schule; bei den an den verschiedenen Altären täglich zu lesenden Messen halten „der Schul meister und seine Schüler," die auch als „des CompturS Chor-Schüler" bezeichnet werden, zu singen. DaS Schulgebäude befand" sich in der un mittelbaren Nähe deS ComthurhofcS an der Ecke unseres jetzigen Sänck- dergS und KirchplatzeS, welcher letztere von der Zeit der Erbauung der Kirche an bis in die Mitte deS 16. Jahrhunderts zugleich zum Begräb- nißplatz der Parochianen diente. Seit dem Jahre 1521 fand das Wort und Werk deS Mannes, der am 3l. Oetobcr 1517 mit seinen Hammcrschlägen an die Schloßkirche zu Wittenberg so Viele auS ihrem Geistesschlummer geweckt, auch in unserem Plauen seine Freunde und Anhänger. Besonders werden nns zwei Män ner genannt, die gerade vermöge ihrer Stellung viel zur Verbreitung des Lichtes der evangelischen Wahrheit, das Luther mit kräftiger Hand unter den Scheffel hervorgezogen, in unserer Stadt und Gemeinde beitragen konnten; es waren Georg Eulner, der Comthür (Vorstand) des deutschen Dauses, und Georg Raute, ein Mönch im hiesigen Dominikanerkloster. Durch ihre Bemühungen, die nicht ohne große persönliche Opfer für sie möglich waren, sowie bei der Bereitwilligkeit, mit welcher auch Obrlgkett und Bürgerschaft sich ihnen anschlossen, gelang gar bald die Einführung der evangelischen Lehre in Plauen,' deren Folge natürlich eine völlige Um gestaltung der bisherigen kirchlichen Einrichtungen, Ordnungen und Stif tungen war/) Bald traten an die Stelle der 12 Priester des deutschen Ordens mit ihrem HauScomthur und den anderen Altaristen 5 evangelische Geistliche (ein Pfarrer, ein Prediger, ein Capellan für die Stadt, zwei Eapellaue für die Tochterkirchen Jößnitz und Straßberg und die erst nach der Reforma.ion begründete Parochie Oberlosa), um daS lautere Evange lium zu verkündigen; die Nebenaltäre blieben fortan unbenutzt und die geistlichen Brüderschaften lösten sich auf; eine neue von dem schon genann ten Georg Raut? bearbeitete Ordnung des Gottesdienstes wurde einge- *) Dir wichtigsten Momente in der ReformationSgeschichte Planens mögen hier nicht unerwähnt bieiben. 1521 treten der deutsche HauScomthur Eulner und der Dominikanermönch Raute (aus Gera gebürtig) als Anhänger LutderS auf; Raute wird „von der Bürgerschaft, von dem Adel und gemeinen Volk, so hinein gen Plauen gepfarret," gern gehört, findet aber dagegen in seinem Kloster den heftigsten Widerstand. 1524 im Frühjahr empfängt Raute, der Lutbern seinen Entschluß, daS Kloster zu verlassen, mugelhcilt, von diesem einen Trostbrief — im Spätherbst wird er von dem Herzog 7"'bann von Sachsen als evangelischer Prediger und Gehilfe EulnerS, -er sich jetzt verheiralhct, berufen und geht aus dem Kloster. 1525. Die Reaction der Dominikaner steigert sich und erbittert die Bürger Plauen- so, daß sie unter Anführung des Nalhsherrn Wringet am 3. Mai das Kloster erstürmen und die Mönche verjagen; der Stadtrath fragt hierauf bei Lutber an, wie die Ge bäude und Güter deS verlassenen Klosters zu verwenden seien und Luther ertheilt darauf dem Rath die nöthige Anweisung. 1520 im Februar erfolgt die aus Cburfürlichen Befehl angeordnrte erste Kirchen- Visitation (unter der Leitung von Georg Svalatin) wobei der Eomthur Eulner zum Pfarrer bestellt, duS ganze Kirchen- und Schulwesen in evangelischer Weise geordnet und aus den Einkünften der geistlichen Stiftungen und Brüderschaften, sowie der Altäre in der Stadtkirche, des Klosters und ter Kapellen der Gemeindekirchkasten gebildet wird. In demselben Jahre schließt Ehurfürst Johann (der Beständige) mit dem Administrator des deutschen HochmeisterthumS, Walther von Cronberg, einen Vertrag auf 8 Jahre wegen Ucberlanung des deutschen Haufes und bestellt einen Verwalter über die (zum Theil auf Erbzins auSgegebeneni liegenden Grundstücke, Güter und Einkünfte, die zu Erhaltung deS Kirchen- und Schulwesens verwendet werden. 1533 findet die zweite Kirchenvisitation, gleichfalls unter SpalatinS Leitung statt, bei welcher die feste Errichtung der geistlichen und' Lehrerstellen (Schulmeister oder Rec tor, Eantor und Baccalaureus) erfolgt. 1538 stirbt Eulner. Raute folgt ihm als Pfarrer nach und wird zugleich Superin tendent über die zum Amte Plauen gehörigen Pfarreien. 1543 wird auf dem Landtage zu Altenburg die Säkularisation deS deutschen Hauset bestätigt; der Cbursürst Johann Friedrich der Großmüthige zieht die dem deutschen Hause gehörigen Waldungen an sich und weist dafür andere Amlseinkünftc zur Besoldung der Geistlichen und Lehrer an. 1547. Raute stirbt am 12. April — nach der Schlacht bei Mühlberg befiehlt Kaiser Karl V. die Rückgabe des deutschen Hauses an den deutschen Orden und die Wiedererstattung aller auf den evangelischen EultuS verwendeter Einkünfte der Stiftung ; doch unteibleibt die Ausführung des kaiserlichen Befehls durch Vermittelung deS Chur- füift Moritz von Sachsen. 1548. Der neue Landcsfürst, Burggraf Heinrich der V., errichtet ein eignes Con- sistorium oder geistliches Gericht zu Plauen, daS bis zum Jahre 1583 meistens zur Ent scheidung in Ehesachen besteht. 1552 wild eine besondere Kirchenordnung für die burggräflichen Besitzungen im Voigtlande von Sup. M. Lorbinian Hendel entworfen, von den übrigen voigtländischen Superintendenten berathen und nach erlangter Bestätigung tz« Land'gherrn am 20 August in der Pfarre zu Plauen publicirt.