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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerationt-Preii 22^ Silbergr. (t Thlr.) viertellShrlich, Z TIM. sür das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin jür die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Iägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post < Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 27. . Berlin, Sonnabend den 2. März 1844. M — — . Holland. Holländische Marinebilder. Don Heinrich Smidt. I. Kriegi (1682.) In dem großen Saale des Schlosses zum Gravenhaage waren die General staaten in einer stürmischen Debatte versammelt. Die talentvollsten Redner hatten nach einander das Wort ergriffen und die Gemüthcr auf daS Aeußerste erregt. Bald konnte der Einzelne sich nicht mehr vernehmbar machen, der Nachbar stritt mit dem Nachbar, cs bildeten sich Parteien; einzelne Gruppen nahmen drohende Stellungen an; die Erbitterung stieg. „Hier wird nichts Unrechtes verlangt!" rief Johannes van Geldern. „General Cromwell bietet uns freundlich die Hand; er will eine Erneuerung des Traktates von 1498, und die vereinigten Provinzen können nichts Un- klügeres thun, als wenn sie diesem Erbieten nicht Gehör schenken!" „Wir wollen nichts mit diesen Engländern zu schaffen haben!" schrie Abraham Werkcnthin von Dortrecht. „Weg mit diesen hündischen Puritanern! diesen Rundköpfen mit dem Worte Gottes auf den Lippen und dem Teufel im Herzen! In die Hölle mit ihrem Lord Protektor! diesem Königsmörder! diesem Dieb!" „Hört ihn, Brabanter!" rief Lorenz Berghcm. „Hört ihn genau. Ihr merkt's wohl, daß dieser offenb Haß gegen England nichts ist, als eine ver steckte Aufforderung zum neuen Anschluß an Frankreich, der jetzt eben so ver derblich seyn würde, als früher." „Wer wagt'S, mir das zu sagen!" entgegnete der Deputirte von Dort- recht. „Wer sagt's, daß wir ein Blindniß mit Frankreich wollen? Sind unsere Provinzen nicht stark genug, um auf eigenen Füßen zu stehen? Ich schleudere die Beleidigung auf Euer Haupt zurück, und bin bereit, meine Ehre mit meinem Degen zu Vertheidigen!" „Wir Alle!" schrieen die Anhänger deS kühnen Werkcnthin und schaarten sich um den Freund, während die Genossen des Lorenz Bcrghem sich um diesen drängten und ihn auffordcrtcn, die empfangene Beleidigung zu rächen. Mitten unter diesen streitenden Parteien stand kalt und unerschüttert der greise Mindert de FrijS. Er wehrte die zahlreich ihn umdrängende» Freunde von sich ab und sagte mit großer Ruhe: „Ihr se-d auf dem Punkte, Euch selbst zu Grunde zu richten. Ich will keine Parteien, ich will einen gemein samen Willen, und dessen Ziel muß das Wohl unseres Landes seyn. Wie soll Frieden bestehen im Lande, wenn seine Abgeordneten, die Träger seines Willens, uncinS find in Worten und Werken? Geht und sucht diese erhitzten Gemüthcr zu beruhigen. Schon ist die Botschaft adgegangcn, welche die eng lischen Gesandten noch einmal hier einführen soll, um unseren endlichen Be. schluß zu vernehmen! Geht, meine Freunde, und versucht, was Euer Ansehen, Euer Eifer vermag." Die Freunde des Mindert de FrijS zerstreuten sich nach allen Seiten, und es g^ang ihren redlichen Bemühungen, die Ruhe nothdürftig herzustellcn und einem Rcdner Gehör zu verschaffen, der mit glänzender Beredsamkeit darthat, wie das Heil der vereinigten Provinzen nur in cincm Bündnisse mit England zu suchen sey. Er fürchtete nicht, wie Manche thaten, daß dieser Traktat zum Nachtheil des jungen, noch minderjährigen Prinzen von Oranten gereichen könne, und bot alle Mittel auf,.die Hörer für.sich zu gewinnen. Aber die Furcht vor Englands Anmaßung war zu groß, der im Stillen genährte Haß gegen diese Republik loderte in Hellen Flammen auf, und lautes Geschrei über- täubte die Worte des Redners. „Wir wollen kein Bllndniß mit den Puritanern! Wir verachten sie und ihre Kopfhängerei!" „Führt ihre Gesandten ein und werft ihnen ihren Vertrag vor die Füße!" „Weg mit diesen Mantelträgern! In den Abgrund des Meeres mit dem britischen Königsmörder und scincm Anhänge!" Diese Stimmung der Volks - Deputirten hatte sich den Bürgern und dem Landvolke, welches schaarenwcise in die Stadt gekommen war und den Palast der Deputirten umlagert hielt, mitgetheilt. Als der englische Gesandte seine Wohnung verließ, ward er mit Zischen und Hohngelächter empfangen. Ein Haufe berittener Büchsenspänner geleitete ihn, und ihr Führer sagte zu dem Gesandten: „Eure Herrlichkeit fürchte sich nicht; wir find zu Eurem Schutze da!" Oberst Howe sah ihn stolz an und entgegnete kalt: „England ist ein Fels im Meere! Wie auch die Wellen toben, fic netzen doch kaum seinen Fuß." Als der Gesandte durch das Portal des Schlosses geschritten war, wuchs die Erregung der Menge. „Habt Jhr's gesehen?" «ief ein vierschrötiger Schmiedeknecht. „Ercellcnz, Mylord Pudding ist hinein. Nun werden sie daS Eisen schmieden, weil cS warm ist." „Der Kerl weiß nichts, als von seinem Hammer und seinem Glüheisen zu sprechen", sagte sein Nachbar. „Diese Herren schlagen nicht so massiv darauf los! die find gewohnt, ihre Angelegenheit feiner einzufädeln!" „Still, Schneiderseele!" unterbrach ihn ein Dritter. „Wir haben wich tigere Dinge zu besprechen. Hört! Unsere Edelmögenden Herren haben vor, uns an England zu verkaufen; das dulden wir nicht!" „Wir dulden es nicht!" rief die Menge. „So recht! Hört Ihr die Glocke? Jetzt beginnt der hohe Rath drinnen. Frisch, Ihr Männer, gebt ihnen einmal deutlich zu verstehen, was unsere Meinung ist." Die rohen Hausen erhoben ein lautes Gebrüll: „Nieder mit den Englän dern ! An den Galgen mit den Rundköpfen!" „So tst'S recht!" entgegnete der Aufwiegler und neigte sein Ohr zu einem kleinen verschmitzten Kerl in der Tracht eines Advokaten-Schreibers: „Wie steht'S?" „Alles gut!" flüsterte Jener. „Marquis Chateauneuf hat neuerdings hundert LouiS gegeben. Die Kerle find wie toll. Wenn die Gesandten herauS- kommen, fliegt ihnen ein Steinhagel entgegen; von ihrer Wohnung bleibt kein Stein auf einander. Gott befohlen!" Der Schreiber verschwand, und der Aufwiegler schrie: „Nieder mit Eng- land! ES lebe Oranten!" „Warum laßt Ihr nun Oranien leben?" fragte der Anführer eines Hau sens verwundert. „Was geht's Dich an? Du wirst bezahlt, also thue Deine Schuldigkeit! Vivat Oranien!" „Vivat Oranien!" brüllte der Haufe und zog vorüber. Die Gesandtcn erschienen auf der Schwelle deS Palastes, geleitet von einer Deputation der Generalstaatcn und empfangen von den Bewaffneten. Sie bestiegen ihre Pferde und ritten langsam durch die drohende Volksmenge. Anfangs vernahm man nur dumpfes Gemurmel, wie daS Meer bei dem Nahen des SturmcS aufzurauschen pflegt, aber die Wetterwolke war bereit, sich zu entladen. Ein Diener des Palastes flog die Freitreppe hinab und mischte sich unter das Volk, bevor die Gesandten sich in Bewegung setzten: „Sie find abge wiesen!" rief cr; „völlig abgewiescn! Der englische Vertrag ist zerrissen! ES giebt Krieg!" Wie ein Blitz flog diese Nachricht durch die Menge; fie ward mit einem maßlosen Jubel begrüßt. Schreien, Zischen, Pfeifen ward vernommen, die Volkswuth kannte keine Gränzen; Knittel und Aerte wurden geschwungen, Steine flogen durch die Luft: die Bewaffneten vermochten kaum, die Gesandten vor thätlicher Mißhandlung zu schützen. Als sich der Zug der Wohnung der selben nähert, ist die Zerstörung im vollen Gange. Die Thürcn find erbrochen, die Fenster zerschlagen, das Dach wird abgedeckt;- HauSgcräth, Papiere, Kleider slicen auf die Straße, und ein treuer Diener seines Herrn, der sich voll blinden Eifers dem Vandalismus widersetzen wollte, wird von dem Pöbel zerrissen. Da wandte sich Oberst Howe zu dem ihn begleitenden Hauptmann und sagte: „Führt mich sogleich zum Strande, wo die Schiffe unserer harren; nicht länger weile ich in einem Lande, wo daS Völkerrecht in solcher Weise mit Füßen getreten wird. Euren Deputirten aber sagt als letztes Wort von meinet wegen: „ES wird ein Tag kommen, wo sie uns um das bitten werden, was sie heute verworfen haben." Allmälig verstummen die Leidenschaften, die besonnene Vernunft gewinnt die Oberhand. Man fühlt, daß durch den Bruch mit England Vortheile ge opfert sind, die andererseits nicht wieder geboten werden. Vorwürse und Reibungen entstehen, bis endlich der gemeinsame, von der Nothwendigkeit be dingte Beschluß gefaßt wird, unter der Hand die Wiederaufnahme der Unter handlungen zu vermitteln. Die Generalstaatcn, diesmal vollkommen einig, wählen einige gewandte Unterhändler und entsenden fie nach London. Im Palast zu Whitehall werden fic empfangen. Man hört sie ruhig an, verspricht, ihre Vorschläge, in Erwägung zu ziehen, und legt ihnen nach einiger Zeit die Bedingungen vor, unter welchen man geneigt ist, einen neuen Handels-Vertrag abzuschließen. Laum haben die Gesandten diese Bedingungen vernommen, als