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Wöchentlich erscheinen drei Rummein. BränumcraüenS- Prci« 22j Sgr. (; Thlr.) ricrleljährlich, 3 Thlr. kür Los ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man orLnumerirt aus Lieke« Reidlalt Ler 2llg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in Ler Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Prooinz s» wie im Ausland« bei den Wohllöbl. Posi-Aemtern. Literatur des Auslandes. 108. Berlin, Freitag den 8. September 18S7. Süd-Amerika- Robinson'S Insel „Juan Fernandez". Die Insel Inan Fernandez ist im gegenwärtigen Jahre auS der Südsee verschwunden. Einer vulkanischen Eruption halte sie, allein Vermutben nach, ihr Entstehen zu verdanken, und in einem Erdbeben bat sie ihren Untergang gesunden. So bezeichnen zwei gewaltige Kar rastropben den Ansang und da« Ende ihre« Lebenslaufe«, der still und geräuschlos gewesen ist und der Welt wenig zu reden gegeben hat. Die Spuren ihrer bescheidenen Existenz muß man au« den Erzählungen der Reisenden zusammensuchen, die von Zeit zu Zeil an den Gestaden der Insel gerastet haben, und es lohnt sich wohl der Muhe. Manches Menschenleben enthält nur einen auSgezcichnettn Tag, nur eine inhalis« schwangere Stunde, und um dieses Tage«, dieser Stunde willen wird sein Andenken nach dem Tode ausgesrischt. So ist auch mancher Fleck aus ter Erde, dem die Begebenheiten eines einzelnen Tage« oder Jahre«, einen Namen gemacht baden. Die Insel Jüan Fernande^ ist der Auscnlhalsort de« Matrosen gewesen, welchen Daniel de Foe mit dem Ramen Robinson Erusoc getauft und weltberühmt gemacht hat; darum verdient sie einen Nekrolog. Der Spanische Steuermann Juan Fernandez, welcher der Insel seinen Namen gegeben, Hal zu Ende de« I6len Jahrhunderts gelebt. Er machte gewöhnlich die Fahrt läng« der Westküste von Süd-Amerika, von Peru nach Chili hin und zurück. Auf diesen Reisen hatte er nur einen Feind, aber einen hartnäckigen und furchtbare,i, den Südsturm, der in diesen Gewässern herrscht, und durch welchen jede wiederholte Fahri zu einer barten Ucbungsschule in den Mübsalen und Wagnissen de« Sccmannslcben« wurde. Eine« Tage« kam der viclerprobte Steuer mann aus den Einsall, ob er diesen beschwerlichen Sturmen nicht aus- weichen könnte, wenn er sich weiter von der Küste ab gegen da« hohe Meer biclic. Er lhat's und befand sich wohl dabei; dem Bereiche der gefährlichen Küstcnströmungen entzogen, glitten und tanzten seine Schiffe über den plötzlich wie durch Zauber ruhig gewordenen Meeresspiegel dabin. So gelangte er im Jahre 1872, auf der Reise nach Chili, an eine unbekannte Küste, und, glücklicher als der große Colombo, gab er dem Eilande seinen eigenen Namen, den es drittbalb Jahrhunderte ge tragen bat. Nach seiner Rückkehr erzählte er viel .Herrliche« und Schönes von seiner neuen Entdeckung, aber für seinen Vorschlag, eine Kolonie dorthin zu führen, baue dir Regierung zu Madrid kein Ohr. Die Sce- herrschasl begann damals bereit«, den Händen der Spanier zu entgleiten, und je mehr die Regierung de« Mutterlandes ihre Macht schwinden fühlte, desto ängstlicher und mißtrauischer wurde sie. Jede Unterneh mung, wodurch die diusmerksamkeit ihrer Europäischen Nebenbuhler auf Westindien und den Süd-Ocean gelenkt werden konnte, schien ihr gc- sahrdrohend für die Amerikanischen Besitzungen. Stall die Feinde ent schlossen abzuwehrrn, zog die Spanische Macht sich furchtsam in sich selbst zusammen, und hätte sich gern durch Wüsten isolirt. Ob dem Juan Fernandez sein Begehren geradezu abgeschlagen worden, wissen wir nicht; es scheint, die Insel gefiel ihm so wohl, daß er den Ent schluß faßte, sich auf eigene Faust daselbst niedrrzulassen. Aber die Geduld ging dem unruhigen Seemann« bald au«. Die Wellen de« Ocean«, die ab und zu an da« Gestade rauschen, die Fluth, die Bran dung sprechen zu dem Seefahrer, der mit ihnen vertraut geworden, eine eigene, gcbeimnißvolle Sprache, und er widersteht der Verlockung nicht. So räumte denn Juan Fernandez sein kleine« Königreich, u»h ließ die Insel im Besitze etlicher Ziegen, die sich in der Freiheit de« wilden Leben« zahlreich sortpflanzlkn. Er bestand noch viele Fahrten und Abenteuer zur See, und eine nicht hinlänglich verbürgte Sage nennt ihn den Ersten, der aus einer Reise durch den Süd-Ocean die Küsten von iccu-Seeland gesehen. Aber, so wirb erzählt, er behielt da« Er- hennmtz Nic sich; äuch seiner Schiffsmannschaft sagte er nichts davon» sondern hütete es bi« an seinen Tod. Das Wesen der damaligen SpanUchcn Politik, ihre verdachtvollc Eifersucht, ihr Argwohn gegen Lie eigenen besten Diener zeichnet sich recht sichtbar in dieser Sage von dem kühnen Seefahrer ab, der einen neuen Kontinent entdeckt und cS verschweigt, als erwartete er Strafe dafür oder Undank, als sähe er voran«, daß der Neid und die Mißgunst der nächsten Eesährtcn ihni doch den Ruhm verbittern und die Ehre der Entdeckung rauben würde. Diese« Dcrhältniß zu einer Regierung, dj« jh» argwöhnisch nicdcrbielt, hat dem Charakter und den Abenteuern de« Juan Fernandez einen ge- hcimnißvollcn und beinahe sagenhaften Anstrich verliehen, und der weile, wenig bekannte Süd-Ocean wurde in der Phantasie der Seefahrer zum Schauplatze wunderbarer Geschichten, in denen jener Spanier mit seinen Gefährten, oder Andere seine« Gleichen eine Nolle spielte». Aller Befürchtungen, der abergläubischen sowohl al« der politischen, und aller Anstalten, wodurch die Spanische Regierung die Inseln und Küsten Amerika'« gegen fremde Fahrzeuge abzusperren suchte, spotteten im I7lcn Jahrhundert die Flibustier. Sie schwärmten zahlreich an der Westküste Süd-Amcrika'S einher, und wenn ihre Fahrzeuge vom Sturme entmastel, ihre Lorräthe aufgezchrt waren und der Skorbut unter ihrer Mannschaft grassirle, war ihnen die Insel Juan Fernandez ein will kommener Landungsort, wo sie Ueberfluß an frischem Wasser, heilsame Pflanzenkost, köstliche Fische und Ziegen in großer Menge fanden. Hier dielten sie Rast, Iheiltcu ihre Beule, und hausten wie vollbercchligle Erben und Nachfolger de« ersten Besitzer«. Die Spanischen Kriegs schiffe, di« längs der Küste gegen die verwegenen Pirolen kreuzen sollle», trascn feilen mit ihnen zusammen, und hallen manchmal da« Zusam- wenlreffen zu bereuen. In dieser zügellosen und gar nicht ehrbaren Gesellschaft treffen wir um da« Jahr 1080 einen Englischen Seemann, dessen Name mit Recht berühmt ist, William Dampier. Er war ein Steuermann, der weit und breit seine« Gleichen suchte, von Sillen roh und läppisch wie ein Malrose, voll Mulb und unerschütterlicher Willenskraft, aber ein unruhiger, abenteuerlicher Geist, der sich in ein Wagniß über da« andere einließ. Er war eigentlich nach der Campeche j Bap gefahren, um dort heimlich Farbehölzcr zu laden; unterwcges gerielh er unter die Bukanier«, und ließ sich von ihnen zu einer Fahrt in die Südsee be reden. Ein Secräubcrschiff auf dem Meere ist seiner Verfassung nach eine echt demokratische Republik, wo die Leidenschaften nie zur Ruhe kommen und unter dem Deck inständig eine Verschwörung der Ge horchenden gegen die Befehlenden gährt. So brachen auch auf den Flibustier-Schiffen fast bei jeder Fahrt Verschwörungen aus; zuweilen aus offenem Meere, und der Capital» fand sich beim Erwachen auf seinem Lager gefesselt; öfter jedoch am Lande, an irgend einer ver lassenen Küste, wo man die Opfer der Verschwörung umbrachle oder hülsloS aussctzlc. So lange man sich am Bord befand, blieb die MannSzuchl und Subordination noch einigermaßen mächtig, und eine gewisse Scheu vor der gewohnten Ordnung hielt die Mculcrcr zurück; erst wenn man an« Land stieg und da« Schiff au« den Augen verlor, fühlte die Zügellosigkeit und die Nachlust sich aller Bande ledig. So ging auch da« Fahrzeug, woraus sich Dampier befand, mit einer Re volte schwanger, die ausbrach, al« man, um Wasser einzunchmen, auf Juan Fernandez landete. Der Capital» Sharp verlor da« Kommando und das Leben. „Weder sein Benehmen, »och seine Tapferkeit war zu loben", sagt Dampier, der über den Vorgang mit großer Kaltblütigkeit berichtet. „Während die Leute noch ganz und gar mit ihrem gelun genen Staatsstreich beschäftigt waren, kamen ihnen die Spanischen Kreuzer über den Hal«; mit genauer Noth erreichten sie »och ibr Schiff und stachen in die See. Bei dieser Flucht über Hal« und Kopf ver gaß man einen armen Teufel von Indianer, einen Mo«kito, der in die Berge auf die Ziegcnjagd gegangen war und jetzt allein auf der Insel zurückblieb." Die Leser werden zu wissen wünschen, wa« ein Moskito sey. Diesen Namen führt« eine kleine wilde Völkerschaft der Halbinsel Jucatau, in der Nähe de« Kap Honduras. Man war geneigt, sie für die letzten Abkömmlinge eines vormal« auf dem Kontinent heimisch gewesenen, edle ren MenschenstammcS zu halten; so sehr zeichneten sie sich durch hoben und kräftigen Wuch«, durch die Stärke und Behendigkeit ihrer Glieder, durch ihre Schnelligkeit im Lauf, ihre Geschicklichkeit in Jagd und Fisch fang, die Schärfe und Fernsicht ihres Auges, und durch andere physische und moralische Eigenschaften vor den übrigen Jndiancrstämmen au«. Den Spaniern trugen sie bitteren Haß nach, aber anderen Weißen, na mentlich den Engländern, leisteten sie gern und freundlich Dienste, ja sie waren den Reisenden »»entbehrlich. Jedes fremde Schiff, das die Amerikanischen Meere befuhr, hatte seinen Moskito an Bord, und die Seeleute sagten: „unser Moskito", etwa wie man sagen würde: „unser Provianlmeistcr, unser Koch." Die Vorstellung Hal etwa« Anziehende«, sich den Moskito als einen geächteten, in der Nothwehr erstarkten In dianer vorzustcllcn, der die Mühsal der Freiheit einer trägen Knecht schaft vorgezogcn bat, und sich den neuen Ankömmlingen anschließt, uni Beistand gegen die alten Unterdrücker zu finden. Der Moskito bewahrt« übrigens auch an Bord de« Europäischen Schiffe« seine volle Unabhän gigkeit, und that, was er that, auf seine Weise, nach eigenem Belieben. Er setzte sich allein auf fei» Kanoc und fuhr aus den Fischfang auS; wollte man ihn darin stören, so ließ er eigensinnig die schönsten Fische vorübcrziehcn, al« sähe er sie nicht. Bei seiner großen FassungSgabe