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Wöchentlich erscheinen tret Nummern. Pränumeranons- PreiS 22j Sgr. (- Ztlr.) vi-rteljilhrlilt, 3 Ih,x. für das ganje Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für bje Man prilnnmerirt auf dieses Beiblatt Ler Mg. Pr. StaatS- Zcilung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wir im AuSlande bei den Wohllötl. Post - Hennern. Literatur des Auslandes. 84. Berlin, Freitag den 14. Juli 1837. England. Schriftstellers Gemeinplätze. ES stieb! Buchstaben, die so häufig in Lerbindunst voikommen, dass die Schristgicßer eine eigene Form dafür zu Paten pflegen: so z. B. fl, si, ssi ii. s w. Man sollte diesen Grundsatz auch aus eine Menge von Phrasen anwenden, mit denen die Schriftsteller beständig versehen sind, um sie an paffenden Stellen anznbringen, und die so sicher wic- derkepren, wie irgend einer von den 24'Buchstaben des Alphabets. Was würde dadurch dem armen Setzer sür Zeit und Arbeit erspart, und wie manche Sachen, die, obgleich sie wenig mehr als solche Ge meinplätze enihalicn, doch mit Gewalt gedruckt feyii wollen, würden dadurch anss schleunigste abgelhan und dann ohne große Mühe in dein Staub und Schlaf der Buchhandlungen oder in dem geschäftigen Trei ben der Gewürzläden ein schnelles Ende finden. Eine große Zahl dieser Gemeinplätze stammt au« der heidnischen Mythologie, und ich würde hier vor Allem die Augen des Argus, Morpheus' Waffen oder Mohn, Jupiter'« Donner, Kupido'« Pfeile und Pandora'« Büchse zu solchen Typen cinpfchle». Außerdem giebt c« noch eine ganze Legion; zum Unglück aber kommen bei allen übrigen die Worte niemals in derselben Form und Stellung vor, und es würde j. B. sehr schwer sehn, die Reinigung der Augiasställe, die Blätter der Sibylle, den schönen Ganymed und Minerva, wie sie gewappnet und gerüstet au« dei» Haupte de« Zeus hcrvorspringt, in einen ganzen Typus zu bringen, der sür jeden Fall paßt und unverändert in die Reihen gestellt werden kann. Eben so bedenklich scheinen mir die Qualen des Tantalus, da« Rad de« Jrion und der Stim des Sisvpbus, und wa« Apollo mit den Musen und dem Pegasus betrifft, so fürchte ich, daß diese Dinge sür unseren Zweck ganz unbrauchbar sind, obgleich sie gerade am meisten von säst allen Dichtern wiedcrgekäut werden. ElwaS Ändere« ist es, wenn klassische Autoren von diesen Dingen mit unge wöhnlicher Emphase sprechen, und e« würde wohl der Mühe verlohnen, aus Shakespeare und wenigen Anderen ein ganze« Register solcher mythologischer Anspielungen zu sammeln, die sich vortrefflich sür den Stereotyp eigneten. ...Harmonisch wst Apollo« Lanie" — „eine i» Tbränen schwimmende Niobe" — „flüster wie de« Orkus Nacht" — „Proserpjna, die Blumen sammelt" — ,,ein Triton unter den Elritzen" — das sind nur einzelne Beispiele unter etlichen.Hunderten, welche alle einen besonderen Platz in de« Setzer« Kasten vcrejenen. Ferner dürfen wir nicht die Unzahl von Phrasen vergessen, die man zwar keinem großen Autor insbesondere Nachweisen kann, die aber desto mehr in dem Munde dcS großen.Hausen« sind, so daß, wenn diese stereolypirl wür den, man in Blei und Zink nur da« lhäte, wa« in ersterem Metall schon mehr al« jebntauscndmal geschehen ist. „Keusche Diana", al« Beiname für den Mond — „das Errolhen Aurora'«", uni die Mor gendämmerung zu beschreiben — „her trunkene Gott", zur Bezeichnung von Bacchus — „Asträa, die in den Himmel zurückfliebi", zur Dar stellung des eisernen Zeitalter« auf Erden — „Momus ordnete die Stunde", zur Beschreibung eine« fröhlichen Feste« (besonders geeignet für Zeiliingsbcrichle) — ferner „der von seinen .Hunden zerrissene Älläon" -- „da« ewig brennende Feuer der Vesialischcu Jungfrauen" — „Plu- 1u«' Rcicbibüiner" — Hvmen'S Altar" — „die hundert Zungen der Fama" (mit einer ergänzenden Huidculung auf das „viron acnnnit -mnil»" des allen Birgst) — „Pböbus, wie er in Thetis Schoost finkt" — „die Scheeren der Schicksalsschwestern" — „der sterbende Schwan, der sein eigene« Todicnlied singt" — „wild und grimmig, gleich zehn Furien" — „Nektar und Ambrosia" — und „der Olymp, der bei Jupiter s Kovfschüllcln in seinen Grundvesten erbebt", diese und manche andere Ableger der Art find eben so allgemein und gewöhnlich, wie Sternchen und AuSrufungSzeichen. Einen schönen Jüngling „Adonis" und einen eitcln „Narcissut" nennen, hübsche Sängerinnen „Sirenen" lausen und dem Becher der Freude da« Prädikat „Eircäisch" beilegen, La« find allerbekannlestcn und häufigsten Gemeinplätze, sür die e« aber leider nicht erst verlohnt, besondere Typen zu gießen, da bei ihnen die Anlpstlung nur in einem Wort besteht. Dagegen wäre c« unstreitigem bencideiiSwürdiger Vorthcil, wenn man so „einen aus den Ossa gcthürmten Pelton", „einen au« der Asche steigenden Phönix" und „einen Saturn, der seine eigenen Kinder verschlingt", gleich fettig für' den Druck liegen Halle. Die Topographie, die Geschichte und die Lileralur Griechenlands haben unsere Autoren nur einer «ich, kleineren Zahl von Anspielungen versehen, welche jetzt schon alle ein sehr ehrwürdiges Aller erreicht haben. Jede« reizende Thal muß „ein Tempe", jede« von Dichtern vielbesun gene Land „ein Arkadien" scyn. Ist Jemand recht stämmig, tapfer und kriegerisch, so bekömmt er den Titel „Hektor", ist er alt, „Nestor"; jeder Weise ist ein „Solon", jeder gerechte Staatsmann ein „Aristide«". Kritiker heißen die „Nachfolger Aristarch's", und jeder Tadler gilt für „einen zweiten Zvilus". Ein kriegerischer Dichter, oder vielmehr ein Verse machender Eapuain, ist der „Tvrtälw" seine« Eorp«. Ein Publi zist, der da« Wort führt, ist der „KorvphäuS" der Literatur. Der Witz in einem Aufsatz ist sein „Attisches Salz", und ein einfältiger Mensch hat ein „Böolisches Gehirn". Ein Dichter, der in der Volkssprache schreibt, „bläst sein Dorische« Rohr". Gcrichtsdicner und Landrichter werden die „Myrnudoncn de« Gesetzes" genannt. Ein kühne«, rasches Mittel, verwickelte Fragen und Schwierigkeiten zu lösen, heißt „den Gordischen Knoten durchschneidcn". Zweideutige Antworte» sind „Del phische Orakelsprüche"; ein wackerer Esser ist ein „guter Epikuraer" und ein lustiger Kerl ein „Schüler Demokrit'«". Grausame Verord nungen beißen „Drakonisch", unk Dinge, die aller Mannigsalligkcit und alles' Wechsel« entbehren, sind gleich „den Gesetzen der Meder und Per ser". Wo gab cS je einen ehrgeizigen Feldherrn, der nicht „weinen wollte wie Alexander, weil e« nur eine Wett zu erobern gäbe!" — und welchen krummen Fluß kann man uns nennen, der nicht schon von seinem schlangenarligc» Laufe den Beinamen „Mäandrisch" bekonimen hätte! Auch Rom hat seine Literatur und Geschichte uns herqebtii müssen; haben wir nicht von Rom den „Fabius Eunclalcr", und die „Gänse, welche da« Kapitol retteten", und den „Ucbergang über den Rubikon", und „Numa mit seiner Egeria", und „eine Römische Ma trone", und „den aus Karthago'« Rinnen sitzenden Marius", und da« „Bei Philippi werden wir uns Wiedersehen"? Nicht zu gedenken ter „Gothen und der Vandalen", und de« „Fallen in die Scylla, um die Ebarvbdi« zu vermeiden". Die einzige erträgliche Phrase, uni eine außerordentliche Seltenheit in der physischen oder geistigen Well zu bezeichnen, ist die „rara avis", und welchen besseren Ausdruck haben wir für einen Freund, dessen äußeres Erscheinen ungcinein hcruntergc- komnien, al« das: ,,Hsu izuanto mul-ttus -ch illn ljootoro!" Welch kräftigeren Gemeinplatz können wir auf da« Zeitalter anwenden, also ,.OK tempoo»! ob ninres!" und wie könnten wir zarter und pathe tischer einem Freund za versiehe» geben, daß er über unser früheres Unglück schweige, al« init „Inlaniium, regina?" Unsere stehenden Phrasen sind aber nicht ausschließlich au« der asten Mythologie und Literatur bcrgeleitct. ES giebt auch einige Er innerungen au« der neueren Geschichte, einige Stellen an« brr vater ländischen Literatur, die fast eben so bekannt und gangbar geworden sind, als die TValcii der heidnischen Götter und Göttinnen. Der „Schwan vom Avon" (Shakespeare) Hal allen Schriftstellern zweiten Range« eine ansehnliche Zahl Phrasen an die Hand gegeben, die sie jedem anderen AiiSdrnck desselben Inhalt« vorziehen. So find ihre eige nen überfeine» Idee» „Kaviar für das Volk", und liebreich gegen da« gemeine Volk handeln, neimen sie nach Shakespeare „sich goldene Mei nungen erkaufen." Kommt c« darauf an, eine recht scharfe Unter- suchlmg durch den Nimbus einer staunenden Unwissenheit niederzu- schlagen, ist da nicht die bequemste Phrast: „Es giebt mehr Dinge in der Well, Horatio, al« Deine Philosophie sich träumen läßt!" Auch von Pope baden wir eine Auswahl von AllerwellS-Phrasen. „Ein wenig Wissen ist gefährlich", das ist vielleicht die merkwürdigste dar unter. Jede Untersuchung in der Logik, die inan sich denken kann, wird in England durch ein Eilat au« Pope entschiede». Bon Gay stammt die Redensart, die bei jeder schwere» Wahl anwendbar ist: „Wie glücklich könnt ich seyn mit Beiden." Gray hat ferner folgende zwei gegeben: „Gedanken, die olbinen, und Worte, die brennen", und „Wo Unwissenheit ein Glück ist, ist'« thöricht, weise seyn." Au« der Englischen Geschichte können wir nur wenige weitverbreitete Gemein plätze ansühren. „Der lustige Monarch", ist bekannt genug. „I» den Tagen des lustigen Monarchen", welch köstlichen Asisang giebt da« sür eine interessante Erzählung oder Abhandlung. „Eine Abigail", al« ein stehen der Terminus sür die Magd einer Königin, ist, glaub' ich, ebensall« au« der Englischen Geschichte, indem dies der christliche Name der Mistreß Masbam war, der berühmten Magd der Königin Anna ") Sonst kann ich mich in diesem Augenblick keiner a»dcrcn Phrase au« unserer eige nen Geschichte erinnern, außer wenn wir die bekannten rhetorischen Figuren hierher rechne» wollen, al« da find: „unsere glorreiche Ver- In der Bibel scheint unser Autor nur wenig belesen zu se„n. sonst würde er wohl wissen, daß „Abigail" «röntg David'« Trost in seinen alten Tagen war llederhauvt wurde er dann iv»hl auch die heilige Sevrift al« eine der Hauptguelien unserer ost wieberkehrendcn Redensarten mit ungerührt haben.