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Nr. 47« Schrlstt»I»»«g und Stschlsttftrl«: Zohannltgafi« Ar. 8 Sonnabend, den 18. Septemder F«rnspr«ch 4l»lchlub Rr. 1«S»2, l4«S3 und 11SS4 ISIS MW dtt Rüssen zwischen Mja nnd Rjemen Der deutsche Tagesbericht Das Wölfische Büro meldet amtlich: Gröhes Hauptquartier, 18. September. Westlicher Kriegsschauplatz Feindliche Schis fe, die sich vor Dünkirchen zeigten, wurden von unseren Fliegern angegriffen. Ein Zer störer wurde getroffen. An der Front ist die Loge unverändert. Die Franzosen versuchten vergeblich, das ihnen bei Perthes entrissene Grabenstück zurückzugewinnen. Oestlicher Kriegsschauplatz Heeresgruppe des GeneralfeldmarfchallS von Hindenburg: Fein-Nche Bvrstöhe bei Schlot» sind abgeschlagen; der Angriff aus den Brückenkopf vor Dünaburg wird fort gesetzt; Teile der feindlichen Vorstellungen sind genommen. Bei Wilna sind unsere Truppen im weiteren Vorgehen. Zwischen Wilija und Njemen wurde die russische Front an verschiedenen Stellen durchbrochen; seit heute früh ist der Feind im Rückzug. Es wurden 26 Offiziere und 5380 Mann zu Gefangenen gemacht und 16 Maschinengewehre erbeutet. Der rechte Flügel und die Heeresgruppe des Generalfeldmarschatls Prinz Leopold von Bayern: yaben starke Kräfte über die Szczara gebracht; der Feind beginnt zu weichen. Heeresgruppe des GeneralfeldmarfchallS , vonMackenfen: In der Gegend von Telechany, Logischin und süd östlich von Pinsk ist der Feind weiter zurück- gedrängt. Die Beute bei der Verfolgung auf Pinsk hat sich auf 21 Offiziere, 2500 Mann, S Maschinengewehre erhöht. Südöstlicher Kriegsschauplatz Aor den deutschen Truppen haben die Russen den Rückzug angekreten. Die Beute von Nowo-Georgiervsk beträgt nach jetzt abgeschlossener Zählung: 1640 Geschütze, 23 219 Gewehre, 103 Maschinengewehre, 160 000 Schuß Artilleriemunition, 7 098 000 Gewehrpatronen. Die Zahl der bei Kowno erbeuteten Geschütze ist auf 1301 gestiegen. Ein französischer Hilfskreuzer torpediert Telegraphischer Bericht w. Paris, 18. September. Der französische Hilfskreuzer «Indian* wurde im Golf vonRhodos von einem deutfchenllnterfeebook ver senkt. 11 Mann der Besatzung werden vermiht. Gegen den salschen Optimismus in England Telegraphischer Bericht vld. London, 17. September. Die .Morning Post' schreibt in einem Leitartikel über falschen Optimismus: Nach der Schlacht an derMarne sollte der Krieg bald beendet sein. Als die Russen die Karpathen erreichten, sollte Ruhland den Krieg beenden. Als die Russen zum Rück züge gezwungen wurden, wurde der Rückzug in einer Weise geschildert, die für ein siegreiches Borrücken übertriebenes Lob gewesen wäre. Als Kitchener erklärte, daß Mangel an Munition herrsche, leugnete Asquith cs ab. Als die Verbündeten an den Darda nellen die fürchterlichsten Verluste erlitten, sagte Churchill, sie ständen nur wenige Meilen vor dem Siege. Als Lloyd George er klärte, es sei notwendig, sofort alle nationalen Hilfsquellen zu ver- . wenden, sagte Haldane, die britische Flotte allein könne Deutschland be siegen, während Asquith die bloße Erörterung der Wehrpflicht ablehnte. Das Publikum erfuhr am Mittwoch von Balfour, daß die Ver - teidigung von London gegen Luftangriffe völlig un zureichend sei. Das Blatt tadelt Asquith, weil er am Mittwoch im Üntcrkause die Abgeordneten, die Offiziere sind, zur Vorsicht beim Reden ermahnte. Asquith sagte, diese Abgeordneten sollten sich daran erinnern, dass sie die Wählerschaft und nicht die Armee vertreten, daß die Armee ais solche keinen politischen Standpunkt habe und der Ztvilregierung ge horchen müsse. .Morning Post' sagt, Asquith habe damit die Armee beleidigt, was Millionen Engländer nicht vergessen und vergeben würden. Die Abgeordneten, die Offizier« seien, sollten Asquith darauf antworten. Auflösung der Semstwos in Rußland Eigener Drahtberlcht (r.) Zürich, 18. September. Der «Tagesanzelger" meldet aus Petersburg: Die Re gierung veröffentlicht das Auflösungsdekrek für die Semstwos von Moskau, Perm, Kursk und Char kow wegen regierungsfeindlicher Kundgebungen und Beschlüsse. Hochverratsverfahren gegen DumamitgNeder Eigener Drahlbericht (r.) Ehristiania, 18. September. «Morgenblader" meldet aus Petersburg: Der Minister- rat trat sofort nach Goremykins Rückkehr aus dem Hauptqsar- tier zu einer auherordentllchen Sitzung zusammen. Einstimmig wurde beschlossen, die Vertagung der Duma, die Einleitung eines Hochverratsverfahrens gegen eine Anzahl Dumaabgeordnete auf Grund polizei licher Vorerhebungen und die Verschärfung des Belage rungszustandes über Petersburg sofort vorzunehmen. br. Christiania, 18. September. .Morgenbladet' meldet aus Petersburg: Mehrere Par teien haben nach lebhafter Debatte beschlossen, sich der kaiser lichen Verfügung über die Schließung der Duma ohne Kritik zu beugen, weil sie der Ansicht sind, daß eine offene Opposition die militärischen Operationen ungünstig beeinflussen könnte. Der Ministerpräsident Goremykin erzählte nach seiner Rückkehr aus dem Kaiserlichen Hauptquartier dem Präsidenten der Duma und Mitgliedern der Regierung, daß der Beschluß des Zaren un widerruflich sei und baß von einer weiteren Erörterung einer Aenderuug der Regierung keine Rede fein könne. Goremykin behaup tete, die Duma habe eine erhebliche Arbeit geleistet: ihre fortgesetzt« Ein mischung würde seht aber nur störend auf das Land wirken. Wenn die Mitglieder der Duma in der nächsten Zeit auch nicht zusammenblieben, werde die Regierung doch alle möglichen Maßregeln im Sinne des fort schrittlichen Blockprogrammes ergreifen. 3n Petersburg wurde gestern ein Aufruf des Generals Rußkts veröffentlicht, in dem darauf hingewiesen wird, daß die Er örterung politischer Dinge zum Teil zur Arbeitseinstellung in den Munitionsfabriken geführt habe. General Rußklj er innert die Arbeiter dringend daran, welche Bedeutung ihre Tätigkeit für alle ihre Brüder habe, die ihr Blut an der Front vergießen. Ser Kampf um die Wehrpflicht iu England Drahtb ericht "tb. London, 17. September. Bei der Beratung der Kreditbewilligung entspann sich im Un- kerhause eine ausführliche Erörterung über die Wehrpflicht. Bemerkenswert war die Rede von Thomas (Arbeiterpartei), der dem Eisenbahnerver band angehört. Thomas sagte: Fast alle Gewerkschaf ten dieses Verbandes nahmen die Entschließung gegen die Wehrpflicht an und teilten obendrein dem ausführenden Ausschuß mit, daß sie im Falle ihrer Einführung in den Ausstand treten würden. Der Gewerkschaftskongreß, der 3 Millionen Ar beiter vertritt, nahm einstimmig eine Entschließung gegen die Wehrpflicht an. Das Geschohgeseh konnte nicht gegen 200 000 Arbeiter durchgesetzk werden, wieviel weniger die Wehrpflicht gegen 3 Millionen. Wir wollen den inneren Sinn dieser Be wegung kennenlernen. Ist sie ein Zwangsmittel, um As- qulth zu stürzen? Wir befanden uns oft im Gegensatz zu ihm, aber wir sind überzeugt, daß er in dieser nationalen Krisis unersetzlich ist. Aber wenn der Premier nicht das Ziel ist, um was handelt es sich dann? Im Namen der Mütter, die ihre Söhne, und der Kinder, die ihre Väter verloren haben, bitte ich Sie, die Einigkeit der Nation nicht zu spalten. Angenommen, sie erzwingen sie niemals, was dann? Wollen Sie Soldaten qegen die Minderheit anwenden? Unsere Aufgabe wird sein, den inneren Frieden zu erhalten. Ich warne Sie. An dem Tage, wo die Regierung die Wehrpflicht einbringt, wird die in dustrielle Revolution da fein. "tb. London, 17. September. Der parlamentarische Berichterstatter des «Daily Telegraph" berichtet, die Rede von Thomas wirkte wie eine Explosivbombe. Seine Warnung bedeutet, daß an dem Tage, wo die Regierung einen einzigen Eisenbahner zwangsmäßig aushebk, der Eisen bahnverkehr aufhören wird. Es war eine frei mütig e W a r n u n g, aus der zu entnehmen war, daß ohnehin in der Eisenbahnerwelt eine gefährliche Unruhe herrscht, und daß die Lage auch ohne die Wehrpflichtfrage kritisch ist. Asquith und Churchill kamen, um den Schluß der Rede zu hören; sie hörten mit größter Aufmerksamkeit zu. In der heutigen Morgennummer hatten wir nach der «Daily News" die Namen der englischen Kabinettsmitglieder aufgezählk, die für Einführung der Wehrpflicht sind. Wir ergänzen diese Mitteilung durch Aufführung der Gegner der Wehrpflicht im Kabinett. Gegendie Wehrpflicht sind: Asquith, Grey, Balfour, Crewe, Buckmaster, McKenna, Simon, Runciman, Birrell, Mc- Kinnon-Wood, Harcourt, Henderson. Kitchener, der sich keiner Seite angeschlossen hat, glaubt augenblicklich nicht an die Notwendigkeit eines Zwangsdienstes. Der nordische Knoten " Mit dem ihm eigenen Brustton der Ueberzeugung hat dieser Tage Herr Asquith vor dem britischen Unterhaus erklärt, und die Lords und Gemeinen nickten verständnisinnig Beifall, daß Eng land gezwungen sei, in diesem Kriege seine ganze Kraft für die heilige Sache der Freiheit einzusehen. Nie ward, wir sagten es gestern schon, das Wort «Freiheit" ärger geschändet als in diesem Augenblick aus diesem Munde. Wie rücksichtslos trat England die Rechte des Griechenvolkes mit Füßen, als es, von seinem König geführt, sich nicht zum willenlosen Werkzeug britischer Pläne miß brauchen und zu Blutopfern zwingen lassen wollte, damit Albion seine Volkskraft schonen könne. Es hat den griechischen Handel lahmgelegt und griechische Inseln besetzt, als wären es seine eigenen, ohne vorher um die Erlaubnis zu fragen. Das tat die Regierung desselben Herrn Asquith, der vorgestern wieder die Welt mit dem Ammenmärchen zu betrügen suchte, als habe Eng lands Ehre es erfordert, für die Neutralität Belgiens das Schwert zu ziehen. Und genau so rücksichtslos wie im Mittelmeer tritt England in der Nordsee gegen die nordischenStaaten auf. Schweden besonders weiß ein Lied davon zu singen. Ein schwedisches Blatt schlägt soeben vor, alle schwedischen Schiffe durch Kriegsschiffe geleiten zu lassen, um sie vor der britischen Willkür zu schützen. Alle neutralen Schiffe, die von Amerika kommen, würden nach englischen Häfen geschleppt und dort monatelang liegen gelassen. Das schwedische Blatt meint, dieses Vorgehen sei mit der Würde Schwedens unvereinbar, und Schweden erstrebe ein gemeinsames Vorgehen der drei nordischen Reiche in dieser Angelegenheit. Ob das noch etwas helfen wird, darf man mit Recht bezweifeln, aber man sieht auch aus diesem Vorgang, was es mit dem Schutze der Freiheit durch England auf sich hat. Doch Schweden erlebt mutatck mutanäis auch in bezug auf die ihm vorgelagerten Inseln genau dasselbe, was Griechenland sich bieten lassen mußte. Schon vor einigen Tagen ging die Mel dung dnrch die Presse, daß Rußland die Alandsinseln stark befestigt habe, und Stockholms «Dagblad* erzählte, daß man zu diesen Befestigungsarbeiten die Bewoyner der Inseln, die sich anfangs weigerten, mit Militärgewalt gezwungen hat. Aus der Art, wie die Befestigungen angelegt sind, glaubt das Stockholmer Blatt schließen zu können, daß sie für die Dauer bestimmt sind und nach dem Kriege nicht wieder aufgelassen werden. Zwar hat sich die russische Presse beeilt, diese Mitteilungen abzustreiten, aber in Schweden wie in der ganzen Welt glaubt ihr niemand. Jedenfalls ist, wie sich die «Franks. Ztg." aus Stockholm berichten läßt, die Alandsfrage augenblicklich in Schweden sehr aktuell und wird täglich in fast allen Zeitungen diskutiert. Alle sind sich darin einig, daß die jetzige politische Stellung Alands für Schwe dens Sicherheit eine äußerst große Gefahr bedeute, und wünschen, daß Aland wieder schwedischer Besitz werde. Aber wie das geschehen solle, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die sogenannten Aktivisten und andere meinen, -aß Schweden durch ein direktes Eingreifen in den Krieg auf der Seite der Zentralmächte versuchen sollte, diese für Schweden wichtigen Inseln zu erwerben. Andere meinen, daß Schweden erst bei den Friedensverhandlungen kräftig seine Forderungen geltend machen solle, und wieder andere, mit «Stockholms Tidningen" an der Spitze, befürworten einen Kauf der AlcDrdsinseln, damit sie in Zukunft nicht eine ständige Bedrohung des Zugangs zur Hauptstadt Schwedens würden. «Wenn sich," so sagt ein Artikel in der genannten Zeitung, «Rußland weigerte, einem solchen An trag auf Verkauf entgegenzukommen, so würde Rußland damit deutlich zu erkennen geben, welches seine geheimen Absichten gegen Schweden sind, da ja Aland für Rußland nur als Aus gangspunkt einer gegen Schweden gerichteten Politik Interesse haben kann." «Göteborgs Handelstidning" macht auf die ehrlich neutrale Haltung Schwedens während des ganzen Krieges auf merksam und erwartet offenbar eine Räumung der Inseln durch Rußland. «Schweden weiß," so sagt die einflußreiche liberale Zeitung, «wonach es sich zu ricyten hat, falls eine solche Faust, wie die Befestigung Alands, uns ins Gesicht entgegengestreckt würde." Die Befestigung der Alandsinseln stellt ohne Frage eine Ver letzung des Pariser Vertrages von 1856 dar, der Rußland zu gunsten Schwedens eine Befestigung der Inseln verbietet, und das Stockholmer Blatt hat recht, daß eine solche Handlungsweise Rußlands nur als der Ausgangspunkt einer gegen Schweden ge richteten Politik betrachtet werden kann. Man ersieht jedoch aus den Mitteilungen der «Franks. Ztg.', daß man in Schweden selbst sich der drohenden Gefahr noch nicht völlig bewußt ist. Wie wäre es sonst möglich, daran zu denken, daß man den russischen Nach bar anders als mit den Waffen in der Hand dazu zwingen könne, von seinem Vorhaben obzulassen, oder daß es sogar möglich sei, ihn zum Verlassen der Inseln oder ihrem späteren Verkauf an Schweden zu veranlassen. Die Berufung aber auf die von Scywe- den bisher so ehrlich bewahrte Neutralität wird bei den russischen Gewalthabern höchstens ein mitleidiges oder verächtliches Lächeln Hervorrufen. M. A. Schiff-Drost trifft dos Richtige, wenn er in einem soeben im Verlag von Georg Stilke-Berlin erschie nenen Buch: «Der nordische Knoten" den Schweden ein dringlich die ganze Gefahr vor Augen hält, in der sie schweben, wenn sie die Gelegenheit ungenutzt verstreichen lasten, die ihnen jetzt geboten ist, die Gefahr im Anschluß an die siegreichen Zentral mächte für Immer zu bannen. Er weist darauf hin, daß diese Ge fahr nicht nur von den Alandsinseln nach Schweden herübergreift, sondern daß die deutlichen Absichten Rußlands, über Finnland in den Besitz des eisfreien schwedischen Hafens Narwik am Westfjord zu gelangen, noch viel gefährlicher sind. Es gibt in der Tat für Schweden nur zwei Wege: entweder es greift jetzt an der Seite der Zentralmächte in den Krieg ein und befreit sich durch die Eroberung Finnlands von der unmittelbaren Nachbarschaft des