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Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. .N 232. Mittwoch den 8. September. 1857. Erscheint tägl. Morg. 7 Uhr. Inserate die Spaltzeile zu b Pf. werden bis Abends 7 Uhr (Sonntags von 11—2 Uhr) angenommen. 1. Abon nement » Vierteljahr 1 Thlr., (69 Zeilen unentgeldl. Inserate); 2. Abonnement s Vierteljahr 15 Ngr. bei unentgeldl. Lieferung in's Haus. Für auswärts durch die Post ä Vierteljahr 19 Ngr. — Einzelne Nummern 1 Ngr. Expedition: Johannes-Allee 6 u. Waisenhausstraße S pt. Local- und Provimial-Nachrichten. Dresden, den 9. September. Se. M. der König hat sich gestern früh 7 Uhr nach Halle begeben. — Wie die „Weim. Ztg." vernimmt, hat der Groß- hrrzog den Künstlern, welchen Weimar die Dichterstatuen verdankt, Orden verliehen: dem Prof. Rietschel das Com- thurkreuz, dem Prof. Gasser und Hrn. v. Miller das Ritterkreuz des Hausordens vom Falken. Zugleich hat der Gemeinderath zu Weimar beschlossen, denselben Männern das Ehrenbürgerrecht der Stadt Weimar zu verleihen. Dem Schöpfer der Herderstatue, Prof. Schalter, sind be reits früher beide Auszeichnungen zu Theil geworden. — Bei dem Congreß der Augenärzte in Brüssel, welcher vom 13.—16. Sept. d. I. tagen wird, wird Dresden, wie man vernimmt, durch den K. Leibarzt Geh. Medicinalrath v. v. Ammon und durch v. Heymann ver treten werden. — Montag den 7. Sept. hielt die Pastorenconfercnz der Ephorie Dresden II. ihre erste Versammlung nach Be endigung der Kirchenvisitationcn. In derselben wurde dem Hrn. Superint. Steinert in dankbarer Anerkennung der Gewissenhaftigkeit unv Milde, mit welcher derselbe im Ver ein mit seinen beiden Herren Assistenten, Archidiac. Behr und?. Kranichfeld, sein schwieriges Visitatoramt in allen Gemeinden der Ephorie verwaltet hat, eine Eotta'sche Prachtausgabe der heiligen Schrift, mit einer lateinischen, von?. Wolf in Coswig entworfenen und von allen Geist lichen Unterzeichneten Dedication, von dem Senior der Con- fraternität ?. Löfler in Hosterwitz überreicht. In aufrich tiger Liebe und Hochachtung wurde diese Gabe dargebracht und mit »»geheuchelter Freude angenommen. — In der gestrigen Gerichtssitzung, welcher der be rühmte Criminalrechtslehrer 0. v. Abegg aus Breslau als Zuhörer beiwohnte, stand ein noch sehr junges Diebsgenie vor den Schranken, H. B. Schiller von hier, 14 Jahr alt, in Gemeinschaft mit dem der Partirerei angeklagten 70jährigen Uhrmacher I. Kaplan allhier. Schiller hatte in dem Hause der Frau Gräfin von Rex, wo sein Vater früher Hausmann gewesen, Zutritt, indem er dem Küchen personal in coulanter Weise sich durch kleine Gefälligkeiten angenehm zu machen wußte. Diese Coulanz verläugnete er aber gegen die bejahrte Köchin, aus deren unverschlosse nem Schlafzimmer er in zwei Posten 5 Thlr. entwendete, sowie gegen den Neffen der Frau Gräfin, den Herrn Oberleutnant Grafen von Rex, dem er aus seinem im Parterre befindlichen Zimmer eine kleine französische goldne Repetiruhr und ein Perspectiv stahl. Beim Verkauf einer anderweit von einer Wäscherin auf der Oberseergasse ent wendeten Uhr war er angehalten und arretirt worden. Der begangenen Verbrechen unumwunden geständig gab er an, die goldne Uhr zu dem Uhrmacher Kaplan auf der Wallstraße getragen und von diesem, der sie für eine tom- bakene ausgegeben, dafür eine silberne erhalten zu haben, nachdem er zuvor die ihm angetragene Barzahlung von 3 Thlr ausgeschlagen. Kaplan läugnet, die Uhr als eine goldne erkannt zu haben, obschon ihm eingehalten wird, daß eine tombakene doch niemals mit solchen Verzierungen und mit Schlagwerk versehen zu werden pflege, wie die fragliche Uhr, auch er als Sachverständiger wohl Gold von Tombak würde unterscheiden können. Auch will er sich der Worte nicht mehr erinnern, die er zu dem recher- chircnden Gendarmen geäußert, als dieser ihm vorgehalten, wie er von einem Bauerjungen habe eine goldne Uhr kau fen können: „i, jetzt haben die Baueriungen auch goldne Uhren." Erst später kam er auf die Ausrede wegen des Tombak, will auch die Uhr an einen „unbekannten" Händ ler für 3 Thlr. verkauft haben. Der Werth derselben wird jedoch durch den Uhrmacher des Herrn Grafen von Rer, der sie mehrmals in Reparatur gehabt, zu 18 Thlr. angegeben, auch von demselben versichert, es sei nicht mög lich, daß ein Sachverständiger sie wirklich für Tombak ge halten haben könne. Die Staatsanwaltschaft (Herr Held) bewies mit klaren und einleuchtenden Gründen die Ver schuldung Kaplans, und der Herr Vertheidiger desselben, Adv. Kretzschmar, gab sich große, wenn auch unbelohnte Mühe, seinen Clienten in dem Lichte der Unschuld darzu stellen, denn der Gerichtshof verurtheilte ihn wegen Par tirerei zu 3 Monaten, Schillern aber unter Rücksichtnahme auf seine Jugend zu 6 Wochen Gefängniß. — Der in Wien versammelte statistische Congreß, auf welchem der K. S. Reg.-Rath I). Engel wieder eine her vorragende Wirksamkeit entfaltet hat, ist am 5. Sept. mit einem Hoch! das der Genannte auf den Kaiser von Oester reich und auf Oesterreichs Neugestaltung ausbrachte, ge-