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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend. Abonnementspreis beträgt vierteljährlich 1 Mark 20 Pf. prsönnmsranllo. Aiycher Inserate werden bis spätesten» Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit 10 Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. für Zwönitz und Umgegend. Redacteur und Verleger: C. Bernhard Ott in Zwönitz. 72. DmcrKag, den ZV. November 1876. 1. Jahrg. Bekanntmachung. Auf Antrag Frau Wilhelmine» Friedcrikcn verchel. Tippner in Burgstüdiel soll das derselben zugehörige, nahe der Bahn« stalion Zwönitz in einer holzreichen Gegend gelegene Bret- und Schneidemühlengrundstück, Folium 704 des Grund- und Hypotheken buchs für Elterlein, Nr. 93 keS Brandkatasters und Nr. 980 und 985 des dasigen Flurbuchs, welches ohne Berücksichtigung der Oblasten und einschließlich der 12'/^ Ellen umfassenden Wasserkraft auf 7SV» Mark -- gewürdert worden ist, unter den im Termine bekannt zu machenden und aus den im Mühlcr'schen Gasthofe zu Burgstädtel und am AmtS- brete aushängenden Anschlägen ersichtlichen Bedingungen Montag, den 4. Deccmber 1876 im Mühlcr'schen Gasthofe zu Burgstädtel meistbietend verkauft werden. Bieter haben sich am gedachten Tage, Vormittags 1! Uhr anzugeben und der Versteigerung gedachten Grundstücks zu gewärtigen. Bemerkt wird hierbei, daß der Inhaber der an 1. Stelle auf dem Grundstücke eingetragenen Hypothekforderung au 4950 Mark —- erklärt hat, dieselbe auf dem Grundstücke haften zu lassen. Scheibenberg, am 16. November 1876. Königliches Gerichtsamt. Suppe. Tagesgeschichte. — Lord Salisbury hat in Berlin schlechte Geschäfte gemacht. Tiefe Thatsache, die er in Letschen am Bußtage unserem Correspon- denten zu verheimlichen sich bemühte, wirb von Berlin aus verbreitet. Man hat es an der Spree nicht an ganz absonderlichen Höflichkeiten fehlen lassen, aber diese Artigkeiten dienten nur dazu, dem Engländer die Pille zu verzuckern. England wollte alle europäischen Mächte iter einen Hut bringen gegen Rußland. Bismarck hat aber erkläre, er selbst sähe in der Besetzung türkischen Gebiets durch Rußland keinen Anlaß, cinzuschreiten. Ist kies so zu verstehen, daß Deutschland seine neutrale Haltung so lange als möglich bewahre» will, so sind wir die Letzten, dies zu tadeln. Wir werken zwar stets darauf zurückkommen, daß seiner Zeit ernste Vorstellungen deutscherseits Rußland von Haus aus zu einer friedlicheren Politik hätten veranlassen können; nachdem ober diesen Dienst der Menschheit zu leisten versäumt wurde, soll wenigstens nicht unsererseits der Brand Nahrung erhalten. Nur regt sich in uns der Zorn über die Beleidigungen, die Rußland fortfährl, uns Deutschen zuzufügen. Auch die „Post" in Berlin empfindet es als unwürdig, daß der Zar in Livadia dem Lord Luflus gesagt: Rußland nnd England könnten, wenn sie einig wären, nicht bloS die Wirren im Oriente, sondern alle europäischen Fragen ganz nach ihrem Gusto ordnen. Dazu sind wir doch nicht die erste Militairmacht Europas geworben, daß man thut, als existirte so ein Ding, wie Deutschland, in der Welt gar nicht! Noch beleidigender als dieses Uebersehen ist für uns der Umstand, daß Rußland in der That, ohne uns auch nur zu begrüßen, seine Eingangszölle um 25 bis 30 Proccnt erhöht und damit unserer darniedcrliegeuden Industrie die Fähigkeit, sich durch Ausfuhr zu heben, schmälert. Wenn diese Dinge in einem Augen blicke möglich sind, da Rußland alle Ursache hat, uns in Gutem zu erhalten, wessen hat sich Deutschland von seinem „allerbesten Freunde" zu versehen, wenn, waö englische Hinterlader und der türkische Hand schar verhüten mögen, Rußland siegreich aus dem Kriege hervorgeht und von Constantinopel aus der Welt Gesetze vorschreibt? (Dr. N.) Verstimmt, wie schon Berlin, hat Lord Salisbury nun auch Wien verlassen. In Nom, wohin er sich jetzt begiebt, wird der britische Sendbote kaum bessere Geschäfte machen. Rußland ist unter allen Umständen entschlossen, die Bulgare! zu besetzen, angeblich als Faust pfand, damit die Pforte die versprochenen Reformen auch wirklich durchführe. Salisbury ist mit seinem Verlangen, gegen den Einmarsch russischer Soldaten in die Bulgarei zu prolestiren, in Berlin und Wien abge- wiese» worden. Nun steuert England auf eine gemeinsame Besetzung der Bulgarei hin. Es fragt sich nur, db die Türkei in diese Maß- i regel willigt. Die muhamedauische Bevölkernug dürfte fremdes, nament lich russisches Miljtair nicht mit freundlichen Augen betrachten. Eine I Quelle von Zerwürfnissen flösse da. Auf alle Fälle spitzt sich die Lage immer schärfer zu. In Constantinopel freilich bewahrt man äußerlich Ruhe und Würde. Den russischen Rüstungen schreibt man dort den Zweck des Demonstrativen in erster Linie zu, außerdem stattet man die Säle aus, in denen die Conferen; — und der neue türkische Reichstag sich versammeln soll. Denn das ist charakteristisch: mitten in allen Kriegswirren findet die Türkei noch Zeit, eine Ver fassung auszuarbeilen. Das türkische Parlament soll gleichzeitig mit der Conferenz tagen und zwar im Palaste des Unterrichtsministeriums. Berlin, 28. November. Der Reichstag setzte heute die 2. Be- rathung der Strafproceßordnung fort. Er nahm §8 18 bis 84 nach den Anträgen der Commission an. Längere Debatte rief 8 44 a hervor (Aufhebung des Zeugnißzwanges für Verleger, Redacteure, Drucker und das Hilfspersonal, zur Namhaftmachung des Verfassers eines Artikels, wenn auch der verantwortliche Redacteur einer periodischen Druckschrift als Thäter haftet). Diese Aufhebung des Zeugnißzwanges wurde von vcn Bundescommissaren lebhaft bekämpft und in nament licher Abstimmung mit 238 gegen 50 Stimmen in der CommissionS- fassung angenommen. (Bravo!) Auch wurde die Berechtigung der Aerzte zur Verweigerung ihres Zeugnisses in 8 43 vom Justizminister v. Mittnacht bekämpft. Berlin, 27. Novbr. Der Reichstag nahm in zweiter Lesung das Einführungsgesetz zur Civilproceßordnung an, das er nach den An trägen der Commission genehmigte; ferner in zweiter Lesung die all gemeinen Bestimmungen und die ersten 17 Paragraphen der Straf- proceßordnung in der von der Commission beantragten Fassung. Der Zusatz der Commission zu 8 l, wonach Preßdrlicte nur an dem Orte verfolgbar sein sollen, wo die bezügliche Druckschrift erschienen war, wurde von den Bundescommissaren bekämpft, weil darnach alle im Auslande begangenen Preßvergehen unbestraft bleibe» würden Der zu 8 l? gestellte Antrag des Abgeordneten Reichensperger, wonach solche Richter, die bei der Entscheidung über die Eröffnung des Haupl- verfahrenS milwirkten, bei dem Hauptverfahren vor der Strafkammer, dem Schwurgericht oder dem Reichsgerichte ausgeschlossen sein sollen (wäbrend der jetzige Compromißantrag der Commission zwei solcher Richter zuläßt), war nach längerer Debatte in namentlicher Abstim mung mit 154 gegen 115 Stimmen abgelehnt worden. Wien, 27. Novbr. Die Vorschläge behufs einer Vermittelung der zwischen England und Rußland hinsichtlich der Orientfrage be stehenden Differenzpunkle, betreffen, dem „Coresp.-Bureau" zufolge, lheils die Vertagung der Occupatio» für den Fall daß die Türkei selbst die Macht und Autorität hätte, die vereinbarten Reformen dnrch- zuführen, theils die Frage, welche Macht die Occupation bewerkstelligen solle. Innerhalb dieser Vermittlungs-Vorschläge dürfte sich ein Punkt finden, bis wohin auch England eine eventuelle Occupation billigen könnte.