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Cxpry. u. Rkdaktion Dresden-Arnstadt fs. Meißner Gasse 4. Tie Zeitung erscheint Ttenttaa, Dvnnerftag und Sannadend früh. AhonnemeutS- PretS: kiertcljährl. M. 1,80. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post anstalten und durch unsere Boten. Kei sreier Lieferung ins Haus erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Ps. älhsische V orh ntlMA. Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshaupttnannschaften DreSden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger «Herrmann Müller in Dresden. Inserate werden biS Monta Mittwoch n. Freitag Mittag angenommen und kosten: die 1 spalt. Zeile 20 Pf. Unter Eingesandt: 40 Pf. Jnferaten- rinnahmesteklen: Jnvalidendank, Haasenstein L Boglcr, Rudolf Mosse, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, Kesselsdors, Hugo Müchlei, Köpschenbroda u. s. w. Wr. 45. Dienstag, den 16. April' 1901. Arbeiterstand und Mittelstand. Wer sich heutzutage auf socialpolitischem Gebiete umschaut, der kann sich wirklich selbstgefällig auf die Brust schlagen und sich zugestehen, daß wir eS herrlich weit, bis an die Sterne weit gebracht haben. Seit bald zwanzig Jahren wogt in Deutschland die social- politische Bewegung, die das Wohl deS Arbeiter- bi- in die kleinsten Einzelheiten verfolgt und dafür mit Ver sicherungen, Wohlfahrtseinrichtungen und tausend ähn lichen gesetzlichen Vorschriften in einer Weise zu sorgen bemüht ist, die wohl im Stande wäre, den Neid anderer Klaffen hervorzurufen. Da entsteht nun die Frage, ob wir mit allen diesen Anstrengungen etwa- erreichen und die weitere, ob nicht vielleicht manchmal etwa- zu viel gethan wird. Gewiß ist, daß, wenn man die Sache bei Lichte be trachtet, wirklich bi- jetzt nicht allzuviel heraus kommen ist, denn jeder Besucher einer soctaldemokratifchen Versamm lung wird au- den übrigen- metstentheilS gut und mit wirk lichem parlamentarischen Geschicke geleiteten Verhand lungen als Grundton heraus hören, daß mau noch viel mehr erreichen möchte, daß die Verneinung unserer augenblicklichen Zustände zu den Pflichten eine- richtigen Genoffen gehört, kurz, daß AlllS noch beim alten ge- blieben ist seit den Tagen, an denen die warmherzige Botschaft Kaiser Wilhelm'- 1. den ersten Anstoß zu unserer heutigen Arbeiterschutz - Gesetzgebung gegeben hat. Wenn darin ausgedrückt werden sollte, daß eS der Wunsch der Reichsregierung sei, vielfachem Sehnen der Arbeiterklasse entgegen zu kommen und sie mit den uralten gesellschaftlichen Zuständen auSzusöhnen, die nur einem die Macht in die Hände geben, damit er als Vertreter der Gesammtheit über diese herrsche, so war der Zweck bei aller aufrichtiger und ehrlicher Meinung verfehlt; eS war nicht gerechnet worden mit dem menschlichen Verlangen, niemals zufrieden zu sein und immer mehr, schließlich das Unmögliche anzustreben. Erreicht haben wir also, wenn wir es uns ehrlich gestehen wollen, bi- heute wirklich nicht viel und e» bleibt nur die Hoffnung, daß eine spätere Generation die edle Abficht de- ersten deutschen Kaiser- bei der Grundlegung der Arbeitersürsorgegesetze erkennen und in diesem Erkennen den Pfad zu aufrichtigem mo narchischem Empfinden zurück finden möge. Die zweite Frage war aber, ob nicht vielleicht manchmal etwa- zu viel gethan worden sei. DeS Guten k^AN man ja niemals zu viel thun, auch wenn eS al- ' ticheS verkannt und verschmäht wird. Wenn man aber hiedurch die mannigfachsten Gesetze und Vorschriften ge schützte Laufbahn deS Arbeiters betrachtet und mit ihr die Durchschnittsexistenz eines Mitgliedes de- Mittel standes vergleicht, so kommt man unwillkürlich, aber auch unabweisltch zu der Ueberzeugung, daß, wenn etwa- sür jenen zu viel gethan sein sollte, die- ganz sicher diesem abgezogen worden ist. Der Mittelstand ist der Stand, der in unserer Zeit, welche die Gesellschaft immer mehr in zwei scharf kontrastirende Halsten zu spalten droht, am meisten de- Schutzes bedarf und manchmal sogar nach einem solchen schreit, ohne Ge- hör zu finden. Die Aufhebung de- Jnnung-zwange-, die Freizügigkeit, daS waren schwere Schläge, die gegen seinen Bestand geführt wurden und die jetzt, wo man zur Einsicht gekommen ist, nicht so leicht wieder rück gängig gemacht werden können, als man eS wohl möchte. Dem Mittelstände der Stadtbevölkerung kam man schon darin, wenn auch schüchtern genug, entgegen, daß man nach dem Grundsätze, daß nur der Meister sein soll, der etwa- kann, sich nunmehr dem Befähi gungsnachweise zuwendet und den Handwerker zwingt, sich einer Innung anzuschließen, einer Einrichtung, die erst vor wenigen Jahren al- ein veralteter Zopf ab geschnitten und zur Seite geworfen wurde. Unter der Freizügigkeit seufzt die Landwirthschaft. Es ist wahr haftig nicht nothwendig, im zwanzigsten Jahrhundert die deutschen Verhältnisse nach mecklenburgischem Muster einzurichten, allein, wenn im Interesse de- städtischen Mittelstandes bereit- ein Rackgreifen auf alte, einst mißachtete Einrichtungen möglich gewesen ist, we-halb sollte die- nicht auch möglich sein zu Gunsten des wahrhaft bedrängten Mittelstandes auf dem Lande? Lassen wir endlich einmal die Arbeiterschaft sich der ihnen gewährten Schutz- und Fürsorgeeinrtchtungen erfreuen und sie in deren ruhigem Genüsse zu ihrer richtigen Beurtheilung kommen und wenden wir un- nachdrücklicher einem Stande zu, der de- Schutze- und der Fürsorge so dringend bedarf, wie keiner. Politische Weltscha«. Deutsche- Reich. Am heutigen Tage nimmt nach beendeten Osterferien der Reichstag seine Arbeiten wieder mit der Berathung der ersten Lesung deS Gesetz entwürfe- betreffend die Versorgung der Krieg-invaliden und der zweiten Lesung deS Urheberrechte- auf. Der vorliegende ArbeitSstoff des Reichstage- reicht bis Pfingsten auS; dann hofft man die Session schließen zu können. Als neue Vorlage ist vorläufig nur noch da- Süßstoffgesetz zu erwarten. Am Sonnabend Abend hat der Kronprinz deS deutschen Reiche- und von Preußen auf 63. Jahrgang die Einladung de- Kaiser- Franz Joseph hin eine Reise nach Wien angetreten. Zu seinem Empfange sind in der Donaustadt außerordentliche Vorbereitungen getroffen worden, denen man da- auf österreichischer Sette herrschende Bestreben anmerkt, die unerschütter- liche Freundschaft, die die Häuser Hohenzollern und Habsburg und damit auch daS deutsche Reich und Oesterreich verbindet, zum Ausdruck zu bringen. Wenn der Kronprinz auS Wien zurückgekehrt sein wird, soll er nach dem Vorgänge seines kaiserlichen Vater- die Universität Bonn beziehen, um daselbst seine Studien zu beenden. Seine Immatrikulation al- Student wird am 24. April stattfinden, wobei der Kaiser zugegen sein wird. Ueber den Besuch in Wien äußern sich die Wiener Blätter sehr warm. Man hebt hervor, daß ebenso wie jüngst Kaiser Franz Joseph in Berlin, auch der deutsche Kronprinz in Wien sich wie in seiner Heimath fühlen können werde. Die bevorstehenden Festtage seien in erster Linie ein Familienfest und gerade die Aus schaltung aller Politik mache sie politisch denkwürdig. Die Politik könne nur Jntereffen-Gemetnschaften, aber keine HerzenSbündniffe stiften und keine Herzlichkeit diktiren. Em weiterer Beweis von der Freundschaft zwischen den Bevölkerungen beider Reiche liege in der gleiwzeitigen Anwesenheit der Kölner Sänger, die augenblicklich eine Sängerfahrt nach Wien unternommen haben und in deren überaus warmer Aufnahme in Wien. Der Kronprinz sei in Wien eines herzlichen Willkommen- sicher. Denn für die Wiener seien die Mitglieder deS Hause- Hohenzollern längst liebe Gäste, deren Kommen mit Freudigkeit entgegengesehen werde. Im Reichstage hatte der Reichskanzler kürzlich den Reichsinvalidenfond für bankerott erklärt und es wird jetzt ziffernmäßig bewiesen, daß dessen Lage aller. dingS eine unerquickliche ist. Der VermögenSstand de» nach dem Gesetze vom 23. Mai 1873 ursprünglich mit einer Kapitalsumme von 561 Millionen Mark auS- gestatteten Fonds stellte sich am 30. Juni 1900 auf 367,725,828 M.; aus dem Kapital des Fond- sind also bisher Zuschüsse in der Höhe von 193,274,172 M. geleistet worden. Der diesem Aktivbestand gegenüber stehende Kapitalwerth der Verbindlichkeiten des Fond- berechnet sich bei Zugrundelegung einer 3^«procentigen Verzinsung nach dem Stande am 30. Juni 1900 auf 385.367,298 M., eS ergiebt sich daher zum erstenmal ein Fehlbetrag in Höhe von 17,641,470 M. Dieser Fehlbetrag hat, abgesehen von der stetigen Veränderung des Zinsenertrag-, seinen Grund in den dem Fond durch eine Reihe späterer Gesetze über da- ursprünglich bestimmte Maaß hinau- fortdauernd auferlegten Neu- und Mehrbelastungen; in der Bilanz von 1900 er. Keuilleton. Der Schnellmaler von Dawson-City. Eine Geschichte au- Klondyke vonReinholdOrtmann. (Nachdruck verboten.) (7. Fortsetzung.) Nicht ganz so glücklich al- dieser erste Theil de» ProgromwS verlief W llie Hazeltme's Debüt al- neu erstandener BoSco. In der begreiflichen Aufregung de- Lampenfiebers wollten ihm einige seiner Taschen spieler-Kunststücke durchaus nicht glücken. Und auf die Ausführung desjenigen, von dem er sich die größte Wirkung versprochen hatte, wußte er ganz und gar verzichten, weil »S sich al- unmöglich erwies, die vier weißen Taschentücher, deren er dazu bedurfte, auS dem Publikum zusammen zu bringen. Aber die Kunst freunde von Dawson-Cuy waren in zu guter Laune, vm den Mißerfolg tiefer Nummer sonderlich Übel zu nehmen. Die gefürchteten duftigen Wurfgeschosse blieben aus und Willie zog sich mit einem liebens, würdigen Scherzwort so geschickt aus der Verlegen, heil, daß er schließlich noch die Lacher auf seiner Seite hatte. Dann trat eine Pause ein, während der man in- drffeu vorsichtiger Weife den eigensinnigen Vorhang nicht erst heroblieh und die von den Anwesenden zu arsgiebiger Stärkung mit WhiSky und anderen an- "ß«vd«n Flüssigkeiten benutzt wurde. Da an der Kosse »och immer Billets in unbeschränkter Anzahl au-gegeben wurden, war eS jetzt im Zuschauerraum so voll, daß sich die zuletzt Gekommenen kaum noch zu rühren vermochten und daß die bei solcher Enge un vermeidlichen Ellenbogeostöße und mehr oder weniger absichtlichen Tritte auf benachbarte Hühneraugen hier und da zum Ergötzen der Unbethriligten lebhafte bilder reiche Wechselreden und anmuthige Faustkämpfe nach sich zagen. Uebereinstimmend war man der Meinung, daß man sich in Dawson-Etty kaum jemals so Mächtig unterhalten habe al- an diesem Abend. Und als nun ein phantastisch gekleideter Neger mit einer Staffelei, einer aufgespannten Malleinwand und einem geheim- nißvollen Kasten aus derBühre erschien, wurde er mit Zurufen und beifälligem Gelächter begrüßt, wie wenn seine stumme Verrichtung der köstlichste Spaß unter der Sonne gewesen wäre. Aber der Lärm verstummte und e» gab eine bei nahe feierliche Stille, als nun, von Willie HazeUine und Georg Herbert- geleitet, der große »Blitz- und Moment.Maler Signor Carlo" auS der Koulisse trat. Trotz seines Widerstreben- halte Charle- VSraud sich dazu verstehen müssen, ein in fliegender Eile her. gestelltes Rubenk-Kostüm anzulegen, da- ihn mit seinem feinen, blassen Gesicht und seinem dunklen Lockenhaar für die wackeren Bürger von Dawson-Cuy -um ganz unzweifelhasten Typus eine- genialen Künstlers machte. Er verneigte sich kaum nnd trat, dem Zuschauerraum den Rücken wendend, sogleich an die Staffelei, um seine Vorbereitungen zu beginnen. Willie Hazeltine aber verkündete dem Publikum in einer feurigen Ansprache, daß der große Maler, den man mit ungeheuren Kosten eigen- sür da- Olympia Theater in Dawson-City aus Rom habe kommen lasten, vor den Augen der An wesenden da- Bildniß eine- beliebig zu bestimmenden berühmten ManneS Herstellen werde und zwar in keiner längeren Zeit, als für ihn und Mr. George nöthig sei, um den verehrten Anwesenden da- Baoditenduett auS der Oper „Alessandro Stradella" und einige andere Kleinigkeiten zu Gehör zu bringen. »Hundert Dollar- gegen zehn — eS ist Humbug!" brüllte Einer au- dem Menschenknäuel an der Ein gangs thüre. Ab-r seine Wette wurde von Niemanden angenommen und er selbst sah noch vor Ablauf einer Minute statt der Balkendecke deS Olympia-Theater» den Sternenh'mmel von Alaska über seinem Haupte. Willie Hazeltine hatte ruhig die beschleunigte Ent- fernung de» Wettlustigen abgewartet, ehe er fortfuhr: „Nun, LarieS und Gentlemen, ist e» an Ihnen, die Persönlichkeit zu nennen, deren Portrait Sie zu sehen wünschen. Die Majorität wird entscheiden. »Ich stimme sür Johnny!" rief Jemand und ein halbes Dutzend von Spaßvögeln wiederholte den Ramen d:S allgemein bekannten Goldsucher-. Aber kaum war an einer anderen Stelle der Name Denny laut ge worden, al» er auch schon in brausendem Chor zur Bühne herauftönte, alle anderen Vorschläge mit seinem glorreichen Klange verschlingend. „Die Majorität stimmt für ein Portrait de» Admiral Dewey", erklärte Willie Hazeltine, der vatür- Uch nicht» Andere» erwartet hatte, feierlich. „Signor Carlo wird also die Ehre Haden, e» vor Ihren Augen zu malen." Der junge Künstler wandte sich noch einmal gegen da» Publikum und neigte zum Zeichen der Zu-