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ANNEROSE SCHMIDT studierte nach langjähriger Ausbildung bei ihrem Vater an der Leipziger Musik hochschule bei Hugo Steurer und bestand nach drei Jahren 1957 das Staatsexamen mit besonderer Aus zeichnung. Sie ist Preisträgerin des V. Internationalen Chopin-Wettbewerbes 1955, 1. Preisträgerin des Piani stenwettbewerbes Leipzig 1955, an dem sich Pianisten aus beiden deutschen Staaten beteiligten, und 1. Preisträgerin im Internationalen Schumann-Wettbe werb 1956. 1961 erhielt die Pianistin den Kunstpreis sowie 1965 und 1984 den Nationalpreis der DDR. Kon zertreisen führten Annerose Schmidt in sämtliche Mu ¬ sikzentren Europas, des Nahen Ostens sowie Japans und der USA. Bei der Dresdner Philharmonie ist die prominente Künstlerin ständiger Gast. Wir danken Frau Schmidt, daß sie die Inter pretation des Klavierkonzertes von Maurice Ravel in unserem Konzert kurzfristig für die erkrankte Pianistin Laura de Fusco übernom men hat. • pielten Komponisten der Weltmusikkultur, i Mozart und Beethoven, neben Brahms und Tschaikowski. Mahlers Aufstieg hat also offensichtlich weni ger mit der Favorisierung einiger Kompositio nen zu tun, wie dies etwa bei Tschaikowski wei terhin der Fall ist. Vielmehr scheint es Mah lers Musik als Ausdrucksphänomen zu sein, ihr „Ton", welcher in einer Art Wahlverwandtschaf ten Nervenpunkte unseres Lebensgefühls an rührt. Diesen „Ton" zu fassen oder gar zu be schreiben, fällt nicht leicht. Möglich, daß es jener vielbeschworene „sprechende Gestus" der Musik ist, der faszinierende Eindruck, als ob Musik uns unmittelbar und unablässig vom er sten bis zum letzten Klang „anspreche", uns, jeden einzelnen wirklich meine. Sie bietet uns gleichsam, ohne die geringste Spur von An biederung und damit von Zurücknahme des ästhetischen Niveaus, ein brüderliches „Du" an, nicht zuletzt durch die extreme Sprachähn lichkeit, für welche die Symbiose von Lied und Sinfonie keineswegs nur ein äußerliches Zei chen bildet. Ein weiteres Merkmal dieses „Gestus" könnte darin gesehen werden, daß sich in ihm auf aae ebenso unverwechselbare wie suggestive Aggressivität und Besänftigung, appel- latorischer Anruf und tröstender Zuspruch ver binden. Mahler ist darin ein getreuer Nachfah re der Wiener Klassik und ihrer menschenver brüdernden Utopien, er vermag allerdings nicht mehr deren illusionsvollen Entrückungen zu fol gen. Das macht, daß bei Mahler sowohl die gesteigerten Konflikte der Gegenwart als auch heraufziehende Katastrophen künftiger Zeiten thematisch werden. (Aus einem Artikel von Matthias Hansen in „Musik und Gesellschaft" 7/85). Die 1. Sinfonie D - D u r, aus den Jah ren 1884 bis 1888 stammend, wurde am 20. November 1889 in Budapest uraufgeführt. Der Komponist hatte der Sinfonie, zu der er durch Jean Pauls Roman „Der Titan" angeregt wor den war, für die zwei nachfolgenden Auffüh rungen in Hamburg und Weimar ausführliche programmatische Erläuterungen beigegeben, die er jedoch später nicht mehr vertrat, da er sie (nach einem Brief vom März 1896) einer seits für nicht erschöpfend hielt und anderer seits fürchtete, das Publikum dadurch auf fal sche Wege zu leiten. Bei der Uraufführung trug das Werk noch die Bezeichnung „Sinfonische Dichtung in zwei Teilen". „Die Sinfonie hat die typische einmalige Ge walt des genialen Jugendwerkes im Über schwang des Gefühls, im unbedingten und un bewußten Mut zur Neuheit des Ausdrucks, im Reichtum der Erfindung; es blüht in ihr von musikalischen Einfällen, und es pulst in ihr das heiße Blut der Leidenschaft - sie ist Musik und sie ist erlebt", so charakterisierte der Mahler persönlich eng verbundene große Dirigent Bru no Walter dessen erste sinfonische Komposition. In sehr vielen Zügen ist dieses Erstlingswerk aber auch bereits typisch für den späteren Stil des Komponisten. Wir finden hier die freie Er weiterung und Überspielung der Sonatensatz form im Sinne der sinfonischen Dichtung, die starke innere Verbindung einzelner Sätze mit einander in Stimmung und Thematik; wir finden schon den engen Zusammenhang zwischen Mahlers Sinfonik und seinem Liedschaffen, die bewußte, von romantischer Sehnsucht getrage ne Hinwendung zur Natur, zum Volkstum, seine im höchsten Maße ethische Auffassung der Mu sik als seelisches und weltanschauliches Be kenntnis. Wir finden jedoch ebenso bereits die tiefe Zwiespältigkeit und Zerrissenheit seines Wesens und damit seiner Musik, die in der Dis krepanz zwischen schlichter, liedhafter Melodik und Übersteigerung der äußeren Mittel, in jä hen Kontrasten, krassen Stimmungsumschlägen und eigentümlich zwielichtigen Episoden zum Ausdruck kommt. Der erste Satz des Werkes beginnt mit einer poetisch-stimmungsvollen Einleitung, die den er wachenden Morgen, den Sonnenaufgang mit vielfältigen Naturlauten schildert. Das danach erklingende frische Hauptthema, das einer Me lodie aus Mahlers „Liedern eines fahrenden Ge sellen" entspricht („Ging heut morgen übers Feld"), bestimmt in seiner phantasievollen Ver arbeitung, von Seitenthemen begleitet, den wei teren Verlauf des von fröhlicher, naturhafter Diesseitigkeit und kraftvoller Musizierfreude er füllten Satzes. Nach einer jubelnden Steigerung in vorwärtsdrängendem Tempo erfolgt unver mittelt der Schluß. Das folgende, echt österreichische Scherzo im Ländlerrhythmus nach Brucknerschem Vorbild läßt eine ausgelassen-bewegte dörfliche Tanz szene an uns vorüberziehen. Den Mittelteil bil det ein anmutiges, etwas zarteres Trio. In eine ganz neue Klangwelt führt uns der drit te Satz, mit dem der zweite Teil der Sinfonie — ursprünglich „Commedia umana“ überschrieben - einsetzt (je zwei der Sätze gehören innerlich zusammen). Eine für den Komponisten sehr cha rakteristische, seltsame Kombination von Me lancholie und Skurrilität herrscht in diesem merkwürdigen Satz, der verständlicherweise bei den ersten Aufführungen des Werkes Erstaunen VORANKÜNDIGUNGEN: Programmblätter der Dresdner Philharmonie Spielzeit 1985/86 Redaktion: Dipl.-Phil. Sabine Grosse Einführungstexte: Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig und Befremden hervorrief. Mahler wurde durch ein altes Bild, „Des Jägers Leichenbegängnis", zu dieser Komposition inspiriert. Zu einem schauerlich grotesken Trauermarsch geben die Tiere des Waldes dem toten Jäger das Geleit. Das thematische Material des gespenstischen Treibens, dessen Eindruck durch ein parodi stisch-triviales Zwischenspiel noch verstärkt wird, stellt der bekannte Volksliedkanon „Bruder Martin, Bruder Martin" dar. Für kurze Zeit spendet eine weitere Melodie aus den „Liedern eines fahrenden Gesellen" ein wenig Trost und Beruhigung; doch sie kann sich nicht durchset zen, bald ertönt wieder unheimlich-düster, hohnvoll und unerbittlich das Kanonthema des Anfangs. Unmittelbar schließt sich der stürmische, ^Mi sche Finalsatz an, den Mahler einst den 1W”- schrei eines zutiefst verwundeten Herzens" nannte. Heftige Kämpfe werden in diesem leidenschaftlichen Musikstück ausgefochten, dessen Bogen sich von „großer Wildheit" und überschwenglichen Ausbrüchen bis zum zarte sten Pianissimo spannt, und der von starken Klangkontrasten und ungeheuer gesteigerten Entwicklungen getragen wird. Auffallende the matische Reminiszenzen an den ersten Satz tre ten hier auf. Der sieghafte Schluß mit dem marschähnlichen Hauptthema in vollem Orche sterglanz kündet endlich den errungenen Triumph. Donnerstag, den 23. Januar 1985, 20.00 Uhr (AK/I) Freitag, den 24. Januar 1986, 20.00 Uhr (Freiverkauf) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Jin Belohlävek, CSSR Solist: Antonfn Pergier, CSSR, Violine Werke von Schostakowitsch und Dvorak Sonnabend, den 8. Februar 1986, 20.00 Uhr (Anrecht A 2) Sonntag, den 9. Februar 1986, 20.00 Uhr (Anrecht A 1) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Jlk Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Prof. Dr. ^^Ber Härtwig 6. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Siegfried Kurz, Dresden/Berlin Solist: Matthias Bräutigam, Dresden, Violoncello Werke von Haydn und Bruckner ACHTUNG! Vorverlegung des 9. Philharmonischen Kon zertes, Anrecht A 1, vom 27. auf den 25. April 1986! Fotos: Matthias Creutziger (G. Lehel); Künstleragentur (L. de Fusco) Druck : GGV, BT Heidenau III-2M6 2,85 JtG 009-81-85 EVP -.25 M 5. PHILHARMONISCHES KONZERT 1985/86