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Montag, 26 Dezember IW». M iirr S8VV ndlnie U»i«i«! Nr. MS. vierter Jahrgang. 5luer Tageblatt und Anzeiger iür das Erzgebirge ' R«tzakti»k: rett, »Nldria. Zä« »i« Inserat« «raukoortlich: Witwe ffnuu. B«ld« in Ao« t. Lrzg«b. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Lonntagsblatt. Suchst»»»« d« R«Laktöm mit »«nahm« der Sonntag« nachmittag» von 4—» Ahr — LtItgramm-A-reff«: Tageblatt Ao«. — Fernsprecher w. Für onverlangt «ingesandt» Manuskript« kann Gewähr nicht -el«ifiet werden. Druck and Verlag U«e »NM. ».ver m. b. s. in Ao« i. <Lrzg«d. Diese Nummer umfaßt S Zeilen. Politische Tagesschau. Ber Bombenfund aus der Zaren y acht Stan dort hat zur Entdeckung einer wettveizweigien Verschwörung gegen den Zaren geführt. Ganze war eine Farce, wie sie ärger nicht gedacht werden konnte, und wohl selten ist jemals in der Geschäftsordnung eines Parla mentes ein solcher Mißbrauch getrieben worden. Kein Wunder, daß sich in der Bewölkerung Helle Wut gegen ein solches Ge bühren des Parlaments bemerkbar macht, daß man sogar so weit ging, den Abgeordneten vorzurechnen, was ihr unnützes Verhal ten den Staat ko sie. Der ganze Vorgang ist bezeichnend für die heutigen Zustände in Oesterreich, die einer neuen Krlsis ent gegenzustreben scheinen. Mag man sich für den Augenblick auch wieder geeinigt haben, es steht doch außer Frage, daß der Zwist über kurz oder lang wieder hervorbricht und man zu einer ge deihlichen Arbeit für die Monarchie nicht kommt. Gs ist der leidige Nationali tätenhader, der nicht verstummen will und der ja schon mehr wie einmal schwerste Er schütterungen über die Donaumonarchie gebracht und bewirkt hat, daß Oesterreich-Ungarn in der Reihe der Großmächte immer mehr zurücktrat und aus dem Gebiete der auswärtigen Politik noch eine irgendwie ins Gewicht fallende Rolle spielte. Auf die Dauer ist ein derartiger Zustand unhaltbar und die Regierung wird zu Maßnahmen ihre Zuflucht nehmen müssen, die eine Aen- derung herbeiführen. Freilich ist das eine Sisyphusarbeit, die sich nicht von heute auf morgen verrichten läßt. Aber sie muß doch einmal in Angriff genommen werden. Herr von Bie ne r t h mag ein ganz guter Verwaltungslbeamter sein, ein Mann von großer Weitsicht und Initiative scheint er dagegen nichtzu sein. Aber freilich, wer würde sich so leicht finden, die traurige Erbschaft anzutreten und selber sein Heil zu versuchen? Es würde damit vielleicht in d:r österreichischen Reichshälfte ähn lich werden, wie man es augenblicklich in Ungarn sieht, wo die Krisis nun schon an dreiviertel Jahren währt. Auch in Transleithanien spielt der Nationalitätenhader eine Rolle, die Kroaten in Ungarn stehen sich auf das schroffste gegenüber und die schärfsten Zusammenstöße sind an der Tagesordnung. Man geht dabei sogar soweit, die Kroaten des Hochverrats zu beschul digen, indem man ihnen nachsagt, mitSerbienzu liebäugeln, um sich von der österreichisch-ungarischen Monarchie loszureißen. Einen tiefen Einblick gewährt auch der in Wien sich abspielende Prozeß Friedjung, der aus einer Beleidigungsklage wegen einer Broschüre hervorgegangen ist, die in Las Treiben der Kroaten hineinleuchtete, um durch Aufdeckung der Agramer Pläne auf die von dort drohende Gefahr hinzuweisen. Natür lich wird es von Len Kroaten so dargestellt, als ob kein Engel so rein sei wie sie und selbstverständlich wird behauptet, daß die Bei russische Mini st er des Aeußeren Iswolski ist unter Belassung auf seinem Poüeuzum Mitgliev de» Reichsrales eruanut worden. « ,-„E Nie Beisetzung des KönigsLeovold ist auf nächsten Mittwoch festgesetzt worden. (S. Art. i. Big u. Tel.) König Manuel hat die Demission des Grasen Lima angenommen. Für heute sind die Präsidenten der beiden Kammern zur Audienz gebeten. (S. pol. TgSsch.) von dem Angeklagten vorgetzegten Beweisdokumente gefälscht seien. Hiergegen aber hat Dr. Friedjung einen kräftigen Schlags geführt, indem er mttteilte, daß die vorgelegten Dokumente von den höchsten Stellen geprüft und für richig befunden seien, womit! er zweifellos auf den Thronfolger anspielte. Es schein» also, als wenn der Feldzug Friedjungs zum mindesten mit Einwilligung des Erzherzogs Franz Ferdinand geführt worden ist und dadurch gewinnt der ganze Prozeß an Bedeutung. Alle diese Vorgänge sind aber, wie gesagt, charakteristisch für die herrschenden Zustände in der Donaumonarchie, und es ist die höchste Zeit, daß ein jEnde gemacht wird, wenn der Staat nicht darunter leiden soll. Ane, 20. Dezember. Zur Angelegenheit der Schiffahrtsabgaben. ES steht nunmehr fest, daß die Angelegenheit der Schiffahrts abgaben vor dem Weihnachtsfcste nichl mehr die drei Ausschüsse des Bundesrates beschäftigen wird, an die seinerzeit die preußische Vorlage verwiesen wurde, obwohl Preußen, auch mit auf Drängen Bayerns, noch bis in die jüngste Zeit in eifrigster Weise darauf« hin arbeitete, die Sache wenigstens in den Ausschüssen noch vor Weihnachten zum Abschlüsse zu bringen. Den Hauptgrund diese* Verzögerung bildet die sächsisch-badische Denkschrift, die so vielerlei gewichtige Gründe gegen die Einführung von Schiffahrtsabgaben Leibringt, daß Preußen nicht umhin kann, die Gegenansichten eingehend zu formulieren. Dazu bedarf es immerhin einiger Zeit, zumal es außerordentlich schwer sein wird, gegenteilige Nachweise gegenüber den offenen und ehr lichen Darlegungen jener Denkschrift ins Feld zu führen. In unterrichteten Kreisen nimmt man nunmehr an, daß die Ange legenheit etwa im Januar die Ausschüsse beschäftigen wird. Ehe die Vorlage dann an das Plenum des Bundesrates gelangt, können noch einige Wochen vergehen, La eingehende Berichte der Ausschüsse über deren Verhandlungen herzustellen sind. Trotz dieser Hinausschiebung der ganzen Angelegenheit dürfen dis Gegner der Schiffahrtsabgaben keinesfalls lässig werden in der Abwehr, vielmehr immerfort die Augen offen halten. Das tu» besonders not angesichts der Tatsache, daß Preußen gegenwärtig die Thüringischen Staaten bereisen läßt, um diese durch Aner bieten in Eisenbahnangelegenheiten für die Zustimmung zu den >lt monatlich Anuahm« Ik. — Durch O -u mein Oesterreich! Ein eigenartiges Bild hat in den letzten Tagen das österreichische Abgeordnetenhaus gezeigt. Eine halbe Woche hin durch hat man bis zum Sonnabend um Mitternach (s. polit. Tagesschau) ununterbrochen Tag und Nacht die Verhandlungen fortgesetzt, stundenlang mußte man die einzelnen Redner an hören, notabene wenn man überhaupt etwas von ihnen vernahm, da es begreiflich ist, daß die Redner, wenn sie bis zu 13 Stunden sprechen, ihre Stimme ein bischen schonen wollen. Unter diesen Umständen gewährte der Sitzungssaal einen etwas eigentüm lichen Ausblick. Man sah eine übernächtigte Gesellschaft, ein Teil der Mitglieder schlief sogar, während die Parteigenossen des Redners sich abmiihten, ihn durch Lebensmittel zu unter stützen oder einen solchen Lärm zu machen, daß er sich mit einem keifen Murmeln unverständlicher Laute begnügen konnte. Das Das Wichtigste vom Lage. Be das österreichische Parlament wieder arbeits fähig ist, ist das Herrenhaus für den 20. Dezbr. ei ri tz r r u s en worden. (S Leitart. i, pol. Tgssch.) ! von Anzeigen bi» spätesten» Uhr vormittag». Für Aufnahme von geißel»n Anzeige« an bestimmt*« Stellen kann nur dann gevürgt werden, wen« st« am Tqg« vorher bei un» «ingrhrn. Jnsertionspreis: Di« fi»bengrspalt«n« Rorpurzril« odrr d«r«nstkaum 10 Pfg^ R«klam«n r» pfg, Sri grdßrrrn Aufträgen entsprechende» Rabatt. NeHV'Nei» Durch unftr« Sott« frtt in» hau» monatlich so st» kA »rchentlich ,0 Pf» - Set der Post bestellt und , ... MA Briefträger frei in, Bau» vierteljährlich >.gr Mk. — Einzeln« dumm«» >0 pfg. — Drutschrr Postzeitung», katalog. — Erscheint täglich tt, den Mittagsstunden, mit Aainahm« von Soun- und Feiertagen. Zugführer Maatzen. , "'V Eine Skizze von Josef Buchhorn. (Nachdruck v«rboteu.) Wie oft habe ich nicht die armen Menschenkinder bedauert, die hinter den grauen Mauern wohnen, zwischen denen sich die Vorort- und Fernzüge hindurcharbeiten. Dasselbe Bild zur Linken wie zur Rechten vom Bahnkörper aus, wie tote Wände, die mit einem schmutzigen Kalküberwurf bedeckt sind,- hier und da stand eine grellfarbige Reklame: Jndianertruppen, die in «inen Zirkus lockten; Dienstleute, die schwere Teppichrollen schleppten und für ein Bacuumreinigungsinstitut ReName mach ten, »der Grimassen, die die Wunder irgendeiner Kaffee- oder LikSressenz anprtesen. Und dann und wann war -wischen den Plakaten ein Fenster, das auf die Schienen sah. Kleine Gar« di ne« davor und, selten genug!, ein paar Geranicnstöcke hinter de» Scheiben. Wie ein Gefängnis kam mir das Gänze vor, in dessen steile Mauern nur ab und zu ein Strahl von jenem Lichte heretnfällt, das Leben gilbt und Leben ist — und wie atmete ich immer auf, wenn erst der Zug zwischen Felderweiten und vaumgruppen lief, wenn sich der Arm irgendeines Sees zeigte, der sich neugierig an den Bahndamm wagte! Dann ließ ich wohl die frische Luft in mein Abteil hineinblasen, daß der Staub von den Polstern aufflog, oder hielt den Kopf in den Wind, daß er mein Haar zerrte und zauste. — O, ihr Armen! dachte ich, 0 ihr Armen — wie fern seid ihr von all dem Glück, da» uns die freie Natur zu bescheren vermag! Wte fern dem Himmel und wie fern der Sonne, dem lachenden Grün und dem Segen der Tristen und Auen! — Ihr Armen! — so dachte ich und hatte Mitleid mit ihnen. Seit gestern steh« ich zweifelnd vor den hohen Mauern mit dem schmutzigen KaNÜLerwurf. Wohnen dahinter wirklich lauter Arme? Wenn auch nur ein Teil von ihnen von der Art meine» Zugführers Maaßen ist, dann — glaub' ich sogar an die Sonn« im Dunkel, den Himmel in den engen Stuben und an Wtefen- Iriln und Lerchenschlag inmitten schmalbrüstiger Asphalthöfe.— Schau doch mal nach meistem Bat«, (schrieb mir da ein Schul- Hreuntz, den ich seit Jahren schon am» den Nutzest verloren hatte), ich bin an Moskau gebunden und komme zunächst nicht nach Deutschland zurück. Ein paar Zeilen von dir, daß es meinem Alten nicht sihlecht geht, würden mir eine gewisse Rühe geben, zumal er seit dem Unglück, das ihn betroffen hat — du weißt ja schon! (ich wußte nichts!) — ziemlich wortkarg geworden ist usw. — Zugführer Maaßen? Ich erinnerte mich des Mannes ganz gut. Er war noch einer aus der großen Zeit, der in drei Feldzügen im Feuer gestanden und sich das Eiserne Kreuz geholt hatte — eine straffe Gestalt mit ernsten Zügen und von einer Rauheit, hinter der sich ja vielleicht sehr viel Lied« verbergen mochte, die uns aber mehr, als er wohl wollte, von seiner Schwelle fernhielt. Also ich ging zu ihm und arbeitete mich tapfer durch ei» Gewirr von Gäßchen, und nachdem ich das Haus, in dem er wohnte, gefunden hatte, tapferer durch einen Haufen von Höfen, in dem ganze Kinderschulen spielten, Drehorgeln quietschten, Weiber klatschten, Männer schimpften. —- Gottlob! daß ich endlich die Stiege faßte, di« zu seinen zwei Zimmern führte. Bevor ich anklopfte, mußte ich ein wenig verschnaufen. Die Luft, die über den Höfen und in den Treppen lag, war zum Er sticken! Entsetzlich! Schade, daß Dante nicht auch die Bekannt- schatf irgendeiner von diesen Großstadtkasernen gemacht hat — seine unsterbliche Hölle wäre zweifelsohne um einen Gesang be reichert worden. Dann aber faßt« ich mir ein Herz uiü» pochte an. Herein! erklang es von drinnen. Ich trat ein, nannte mei nen Namen; er entsann sich meiner sogleich — und ich trug ihm die Grüße auf, die sein Sohn bei mir für ihn bestellt hatte. In der Stube drückte eine Tabakswolke auf die andere; unwillkür lich bekam ich einen Hustenreiz. Dem vnÄen wir gleich abhelfen l lachte er und humpelte durch den schmalen Raum zum Fenster, das er ausstieß. Von drunten hört« ich Räderrollen, gelle Pfiffe, Fauchen, Prusten, Stampfe«. — Sie wundern sich, daß ich so durch die Gegend stelze? — Ich nickte. Da» -«deutete den Ab schluß meiner Beamtenlaufbahn, meinte er wehmütig: Schad«, «in paar Jahr« wäre ich noch gern gefahren. Aber das fft nun 'mal nicht zu ändern! — Ich fragt« nach der Ursache diese» Schaden». Er «ehrt« ab: Abah — wte der Assistent den Zug hinausläßt, stürzt sich noch (ein Weib auf irgendein Abteil, kommt zu Fall »tch schein» verlor«». Ich springe schnell zu» hebe sie, und mein rechter Fuß war zum Teufel. Wie das alle» im Handumdrehen vor sich ging, weiß ich nicht mehr. Seither! pensionierten sie mich und ich bekam die Rettungsmedaille und den Kronenorden. Und nun («r nahm einen langen Zug au» seiner Shagpfeife), nur sitze ich hier und warte, bis man mich zum Eeneralappell abruft. Ich machte ein paar Redensarten, wie man sie in derartige«» Sachlagen wohl zu machen pflegt, und er nahm sie mit der Ge lassenheit eines lebensklugen Alten auf. Da war wieder da» Rollen, Fauchen, Prusten, Stöhnen, Stampfen, wieder gellten Pfiffe, wieder — Halten Sie denn diesen ohrenzerreißende» Lärm Tag für Tag hier aus, ohne aus der Haut zu fahren? — Nun lachte er, daß die Stube dröhnte. — Herr, Lärm nennen Sie das?! Das ist Musik —1 das ist wie so'n Marsch, der einen an den Feind führt, daß man alle Furcht hinter sich hat und die Kugeln pfeifen läßt, ob sie einem auch um die Ohren fahren und zischen. Das ist mein Leben, was dort vorüber stöhnt, vorüberjagt — mein Leben, was da aus den Schienen gellt und aus den unförmlichen Kaminen in weißen und grauen Wolken wider den Himmel bläst. — Ich staunte und wundert» mich über den lauten Freudenausbruch des Alten. Ich sah nichts sonderlich Aufregendes vor mir; ich sah nur die gegen überliegende graue Häuserwand, und zwss.h-n ihr und der, die mich trug, Züge, Züge, Züge — V-Zlige, Vorort-Züge — — dann und wann rollten Güterwagen vorüber, rangierte «in Leerzug auf ein totes Gleis. Schen Sie da, und der Alte wies auf einen O-Zug, der nach Berlin einfuhr, der kommt von München über Stuttgart, Nürn berg, Jena, Halle. Wenn Sie wüßten, was der mir alles vor die Augen stellt? In München wär ich 'mal als kleiner Jung« mit meinen Eltern — damals hab' ich da» groß« Frauenzimmer auf der Theresienwtese, die Bavaria, gesehen »ich tonnt» vor lauter Wundern meinen Schnabel nicht mehr zumachen. UH und der Englisch« Garten und die Schlösser da drunten und die prächtigen Alleen! In Jena hat mein Junge studiert. Eiste» Tages hatte ich Aufenthalt dort; ich wurde abgelöst. Da-efMht« ich metnen Karl. Und er hatte ein« Freud«, al» er strich sah — eine Freude sage ich Ihnen! Am Abend nahm er mich «ist auf die Kneip« seiner Turnerschaft, und alle warm» «eit DU