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MsdrufferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meisten, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzri,rnprkis: di- 8,-spalten- ri-umzeilc 20«pfg., die«gespalten- Zeil« d-ramtlichenBedanntmachmig-n «>««1^. Pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungrgebühr 20 Reichrp.enmge. geschriebeneErscheinuvgs- . Q »erden nach Möglichdeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzcige«. annahm-bis narm.ioUhr. — — — Für die Rtchligdet! dm durch Fernruf übermitteltenAnzei gen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag d«rch Klage eingezogen werden mutz oderderAuftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Ta,-blatt- -rschcin« an allen W-rdtag-v nachmittags S Uhr. B-zug-pr-is: B«i Abholung in d'" «usgabest-ll-n 2 AM. im Monat, bk, zustcllun, durch dir Botrn 2,30 RM., b-i Postb-st-llung uRpsg.«ll-Posi-nft°li«n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgeqend Poftdot-nÄllns"««^. vag-rund G-,ch°ftrst-Il-n — U n-hm-n zu j-d-r Z-it D-- entgegen. ^)M Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung »er Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingefandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Rr 58 — 88. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Montag, den 10 März 1930 SWts »M Vielleicht darf man als letzten, tiefsten Grund für den Schritt, den der Reichsbankpräsident Dr. Schacht jetzt ge tan hat, kann man als Beginn dieses Weges, der ihn schließlich zum Rücktritt führte, jenen Augenblick betrach ten, als Dr. Schacht — zum Politiker wurde. Oder werden mußte; denn gern ist er nicht nach Paris als Sachverstän diger für die Revision des Dawes-Planes gegangen. Er wußte genau — und der Bericht der Sachverständigen ge steht dies auch offen ein —, daß in Paris bei der Schaf fung des Aoung-Plans nicht allein nüchterne wirtschaft lich-finanzielle Erwägungen zum Ausgangspunkt werden, sondern daß auch sehr starke politische Unlerströmungen wirksam sein würden. Und so hat denn Dr. Schacht als Politiker unterschrieben, was er als Finanzmann und Wirtschaftler kaum billigen konnte. Aber — er hat unter schrieben, wich schon damals einer offenen Austragung dieses latenten Konflikts aus. Nicht zuletzt wegen der Gefahren, die damals der unter französischen Druck ge nommenen deutschen Währung drohten: beängstigend kurz war die Golddeckung geworden. Kredit- und Anleihe restriktion, vor allem aber natürlich das Nachgeben gegen über den Forderungen der Gegenseite vermochten den Ausbruch des offenen Konflikts hintanzuhalten. Anfang Dezember hat dann Dr. Schacht bekanntlich sehr scharf kritisiert, was an Resultaten bei den Verhand lungen über jene Fragen herausgekommen war, die von der Haager Konferenz besonderen Kommissionen zur Be schlußfassung übertragen worden waren. Deutsch-belgi sches Markabkommen, die Lösung der Liquidationsstreitig- keiten mit England und Polen vor allem waren Gegen stand dieser Kritik, die sogar von einer „Verfälschung" des Boung-Plans sprach. Die so viel Staub aufwirbelnde Erklärung Dr. Schachts, er als Reichsbankpräsident könne deshalb nicht an der Ausführung dieses Neuen Plans ver antwortlich mitwirken, war nur eine Konsequenz jenes scharfen Kritisierens, nur siegte dann wieder der Politiker über den Wirtschaftler, den Finanzmann: er zog die Er klärung insofern zurück, als er sah, daß die Reichsregierung dann aber andere für die eigentlich ihm gebührende Lösung der Aufgaben heranzog. Nun hat er auch den zweiten Schritt getan, den man eigentlich schon im Haag erwartet hatte. Noch in den letzten Wochen seiner Tätig keit mußte er einen schweren Kampf bei der Begründung der Internationalen Bank durchführen, weil dort die Gegenseite zum Präsidenten des Verwaltungsrats aus gerechnet den Franzosen Quesney bestimmen wollte, der während der Pariser Konferenz jenen finanziell so be drohlich gewordenen, schließlich entscheidenden Druck auf Deutschland veranlaßt und geleitet hatte. Dr. Schacht ist eben — wenn man von seinen taktischen Fehlern, seinem bisweilen stark explosiven Verhalten, seiner nicht selten falschen Einschätzung ihm gegenüberstehender Kräfte im In- und Ausland — daran gescheitert, daß der Neue Plan nicht isoliert eine wirtschaftlich-finanzielle Institution ist, sondern auch sehr bedeutsame allgemein politische Hinter gründe hat. Dr. Schacht als Reichsbankpräsident, als „Hüter der Währung" — war er doch als Währungskommissar 1928 der ganz den politischen Rücksichten verfallenen Reichsbank aufoktroyiert worden —, Dr. Schachts Anleihe- und Dis kontpolitik mit ihren Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf die Finanzen, des Reiches, der Kommunen usw. usw. zu schildern, hieße fast die gesamte deutsche Wirt- fchafts- und Finanzgeschichte seit Stabilisierung der Währung schreiben. Daß er ein Mann war, der mit rück sichtsloser Energie die finanziell-wirtschaftliche Sanierung erzwang, ohne die großen Opfer zu scheuen, die das alles kosten mußte, geben auch seine Gegner zu, deren Zahl in den letzten Fahren besonders deswegen wuchs, weil er sich den Wünschen recht vieler Kommunen, dann sogar des Reiches, Kredit im Ausland zu erhalten, mit Schroffheit entgegenstellte. Man kann hier nur skizzierend erinnern an die rück sichtslose Kreditrestriktion der Jahre 1924 und 1925, die einen großen Teil der Jnflationsauswüchse an der deutschen Wirtschaft tilgte, an den Stoß gegen das Hausse gebäude der Börse im Mai 1927 am „Schwarzen Freitag", aber auch an seine glücklichen Versuche, mit den Noten bankpräsidenten Englands und Amerikas engere Verbin dungen anzuknüpfen. Er hat sich, was auch seine Gegner nicht bestreiten, im Ausland sei unseren Gläubigerstaaten den Ruf geschaffen, daß bei ihm der Schutz der deutscher Währung in guter, auch Opfer sticht scheuender Hand lag. Sein Konflikt mit dem Reichskabinett im Dezember 1929 geht ja letzten Endes darauf zurück, daß auf die Stabilerhaltung der deutschen Währung die Lage der Reichsfinanzen, die Balancierung des Haushalts, von größtem Einfluß ist. Dr. Schacht hat sicherlich in manchen! fehlgegrifsen, aber auch seine Verdienste sind groß und unbestritten. Die Unbestreitbare Energie dieses Mannes, der auf einen der einflußreichsten Posten in Deutschland gestellt war, leine Machtfülle hat ihm bei manchem Fehler doch schwere Hindernisse aus dem Wege räumen helfen, auf dem Deutschland sich nach der Inflationszeit zu einem un bestreitbaren Aufstieg emporarbeiten konnte Sie WUMerWlWell Mkitrrt Vor einer Auflösung des Reichstages? Schwierige Nnanzbchrechungen. Die Parteiführer beim Reichskanzler. Nach langwierigen Beratungen hatte sich das Reichs kabinett vor mehreren Tagen endlich über den Etat 1930 geeinigt und Finanzminister Dr. Moldenhauer hatte sich beeilt, sein neues umfangreiches Steuerprogramm, das er zur Balancierung des Etats für notwendig hielt, der Öffentlichkeit und den Regierungsparteien zugehen zu lassen. Die Regierungsparteien aber sind mit den Be schlüssen ihrer Vertrauensleute im Kabinett wenig zu frieden und machen von neuem Schwierigkeiten, die deutlich bei den Verhandlungen zum Ausdruck kommen, die Reichskanzler Müller mit den Führern der Fraktionen der Regierungsparteien führte. Die Vertreter der Bayerischen Volkspartei wandten sich scharf gegen die B i e r st e u e r, gegen die auch bereits der der Bayerischen Volkspartei angehörende Reichspost minister Schätzel im Kabinett protestiert hatte. Auch die Frage der Arbeitslosenversicherung konnte noch nicht bereinigt werden und führte zu neuen scharfen Auseinandersetzungen. Der Vertreter der Deutschen Volkspartei soll erklärt haben, daß seine Fraktion im Etat für 1930 keinen Kredit für die Arbeitslosenversicherung wissen wolle. Sie sei auch gegen eine Erhöhung der Beiträge über 3)^ Prozent, die ja auch nur bis zum 1. April bewilligt worden seien. Durch Einschränkung der Leistungen könnte leicht eine Ersparnis von hundert Millionen erzielt werden. Weiter wandten sich die volks parteilichen Unterhändler gegen die Zuweisung von fünf zig Millionen aus den Jndustrieobligationen an die Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung. Dagegen ver langten die Volksparteiler weitergehende Bindungen des Kabinetts hinsichtlich der Steuersenkungen im Jahre 1931. Die Demokraten ließen erklären, daß sie sich bei der Abstimmung über den Boun g-Plan der Stimme enthalten würden, falls auch das Zentrum, wie es das angekündigt hat, hierbei Stimmenthaltung üben würde. Das Zentrum hält noch immer an seiner Forde rung fest, daß vor Verabschiedung des Boung-Planes eine Einigung über die Sanierung der -Finanzen erfolgt sein müsse. Durch die Stimmenthaltung des Zentrums, der Bayerischen Volkspartei und der Demokraten würde das Abstimmungsergebnis über den Boung-Plan durch aus unsicher sein, so daß es sogar möglich wäre, daß sich im Reichstag eine Mehrheit gegen den Boung-Plan zu sammenfinden würde. Der einzige Punkt, über den man sich einigte, war der Verzicht darauf, die zuviel gezahlte Lohn steuer zurückzubehalten. Hierdurch wollte man im Etat 60 Millionen gewinnen. Es war aber bei allen Parteien die Meinung vertreten, daß eine solche Sonderbesteuc- rung arbeitsloser Lohnempfänger unmöglich sei. Man sieht also, daß Reichskanzler Müller es nickst leicht hat, seine Koalftionsgenossen zufriedenzustellen. Und am Sonntag sprach man auch schon wieder von einer Regierungskrise. Der Reichskanzler wollte es aber doch noch einmal versuchen . . . Auflösung des Reichstages? Die Besprechungen, die Reichskanzler Müller an; Sonntag mit den Fraktiimsfvhrern hatte, wurden nach kurzer Zeit abgebrochen, da die Fraktionen unverändert an ihren Meinungen festhielten. Die für Montag nach mittag vorgesehene Abstimmung über die Boung-Gesetze soll auf Dienstag verschoben werden, da man am Montag einen letzten Versuch zur Rettung der Lage machen will. Die Aussichten auf eine Einigung sind allerdings sehr schlecht. In parlamentarischen Kreisen wird infolge dessen eine Auflösung des Reichstages kür durchaus möglich gehalten. Meinungen um Schacht. Der Beschluß Dr. Schachts, von der Leitung der Reichs bank zuriickzutreten, Hal in der Öffentlichkeit, wie nicht anders ;u erwarten war, große Sensation hervorgerufen. Alle Par teiorgane beschäftigen sich mit der Persönlichkeit Schachts und seinem Wirken als Reichsbankpräsident. Der sozialdemokratische Vorwärts, der seit der letzten Haager Verhandlungen ständig den Rücktritt Dr. Schachts ge- sorderi hatte, meint, daß für die deutsche Wirtschaft ein neuer Reichsbankpräsident, der sich auf sein eigenes verantwortungs volles Arbeitsgebiet beschränkt und der die deutsche Währung schützt, ein Gewinn sein werde. Die deutsche Wirtschaft dars ausatmen, weil die Ara der Plötzlichkeiten an der Spitze der Neichsbank zu Ende ist! Die demokratische Vossische Zeitung charakterisiert den Reichsbankpräsidenten folgendermaßen: Schacht hat seine bedeutende Begabung, seine harte Energie, seine banktechnischen Fähigkeiten und seine Geschicklichkeit im Unterhandeln mit den stärkeren Kapitalmächten des Auslandes in den Dienst seiner Ausgabe gestellt und hat sie, solange es um die Stabilisierung der Währung ging, glänzend gelöst. Schacht war ein guter und brauchbarer Kommandant, als höchste Lebensgefahr für die Währung, für die Wirtschaft, für den Staat bestand. Seine Begabung war am falschen Platz, als die Wogen sich geglättet hatten und es darauf ankam, die Wirtschaft in ruhige Bahnen zu lenken. Er beruhigte nicht, sondern er schuf immer neue Unruhe, keiner sprach öfter als dieser Hüter der Währung vom drohenden Verfall der Mark, von den ewigen Gefahren für die Stabilität des Geldes, von der allgemeinen Katastrophe. Er mischte sich, auch wenn er selbst seine Tätigkeit für unpolitisch hielt, in sie große Politik und in die Tagespolitik hinein, schürte, auch wenn es unfreiwillig geschah, das Feuer der Radikalen, hielt die Regierung unter Druck und indem er an zuspornen glaubte, machte er ihr die fruchtbare Arbeit fast zur Unmöglichkeit. Das demokratische Berliner Tageblatt sagt: Es hieße Schacht überschätzen und die Vorgänge der letzten Monate sowie vor allem ihre Wirkung auf das Ausland außer acht lassen, wenn man für die deutsche Wirtschaft von dem Rücktritt des Reichsbankpräsidenten ungünstige Folgen befürchten würde Man wird Deutschland zu dem plötzlichen Rücktritt überall dort, wo man es gut mit ihm meint, nicht kondolieren. Das Zentrumsorgan, die Germania, kommt über Schachts Wirken zu folgendem Schluß: Niemand wird Herrn Dr. Schacht die Anerkennung absprechen, die ihm gebührt, wenn wir allein den Reichsbankpräsidenten beurteilen. Dem Politiker Schacht stößt das Mißgeschick zu, daß er unpolitisch ist oder zu politisch sein wollte. Tragik oder Schicksal? Das ist schwer zu entscheiden. Daß der Rücktritt von Dr. Schacht weder wäh rungspolitische Folgen hat noch überhaupt von der währungs politischen Seite aus angesehen werden darf, braucht doch wohl nicht erst ausdrücklich gesagt zu werden. Der Rücktritt hat damit nichts zu tun Die der Deutschen Volkspariei nahestehende Deutsche Allgemeine Zeitung vertritt die Ansicht, daß der Reichsbankpräsident zurückgetreten ist, weil er Vie Überzeu gung hat, daß in der Wetterführung der gegenwärtigen Finanz- und Tributpolitik die Reichsbank in Aufgalden verstrickt wird, die mit den von ihr bisher dokumentierten grundsätzlichen Anlckauunaen in Wtdersvruch sieben, insbesondere mit der im weitesten Sinne erfaßten Aufgabe der Neichsbank, Hüterin des nationalen Kredits im In- und Auslande zu sein. Der deutschnationale Berliner Lokal-Anzeiger schließlich schreibt: Völlig abwegig wäre es, den Rücktritt Schachts leicht zu nehmen Schacht hat sich im Jnlande und im Auslande einen Namen erworben, und sein Rücktritt hat auch im Auslande an den Börsen Bestürzung hervorgerufen. Es ist die letzte, aber auch wirklich sie allerletzte Mahnung zur Abkehr von der Erfüllungspolitik. Volksbegehren und Volks entscheid zeigen den Weg zur Rettung. Um Schachts Nachfolge Wahl am 11. März. Reichsbankpräsident Dr. Schacht hat die Mitglieder des Generalrats zu einer außerordentlichen Sitzung auf Dienstag, den 11. März, einberusen, in der über die Wahl seines Nachfolgers Beschluß gefaßt werden, soll. Dr. Lulber. In der Öffentlichkeit werden bereits eine Reihe prominenter Namen genannt, seren Träger Dr. Schachts Nachfolger werden sollen. Große Aussichten soll der ehe malige Reichskanzler Dr. Luther haben, Präsident der Reichsbank zu werden. Als weiterer aussichtsreicher Kan didat gilt der Hamburger Bankier Melchior. Es werden außerdem der frühere Reichsfinanzminister Reinhold, der frühere Staatssekretär Bergmann, der an sehr vielen finanzpolitischen internationalen Verhandlungen der letzten Zeit beteiligt war, und der preußische Finanz