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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrönumcrmionS- PreiS 22j Sgr. Thlr.) vierttßöhrlich, Z Thlr. für Laö ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf dieses Literalur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. SlaalS-Zeitung (Fricdrichsstr. Rr. 72); in Ler Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post-Aemlern. Literatur des Auslandes. 121. Berlin, Mittwoch den 7. Oktober 1840. Q st i n - d i e n. Möhl's Indische Briefe.') Kasten-Vorurtheile und Religionsverhältnisse an der Küste von Coromandel. In einem Briefe aus Tranquebar schreibt der Dänische Geistliche, Herr Möhl: „Den 2«>. Januar 1833 brach ich über Majäveram nach Tandschore auf, um der bischöflichen Visitation und einer Prediger- Ordination beizuwohncn, welche den 3lsten Jan. stattfindcn sollten. Die Gemeinde war in einer schismatischen Verfassung, veranlaßt durch die strengen Maßregeln des Bischofs zur Ausrottung des Ka stenwesens unter den eingeborenen Tamulischen Christen. Es ist be kannt, daß der Kastenuntcrschied niemals ganz aufgehört hat, beson ders zwischen Tamulcn und Pariahs, auch haben die Tamulcn selbst die alten Gewohnheiten bei ehelichen Verbindungen nach ihren eigenen besonderen Familienklassen nicht aufgegeben. Sie legen sich nach wie vor einen gewissen Rang je nach der Abthcilung des großen Volks verbandes bei, in die sie gehören, und bestimmen danach ihre Sitze in der Kirche, den Gang zum Altäre bei der Kommunion u. s. w. Mit den PariaHS wollen sie durchaus nichts gemein haben, sondern sie fordern die eine Seite der Kirche ansschließlich für sich eingeräumt. Darum sind auch eine lange Zeit zwei Kelche bei der Kommunion in Tranquebar nöthfg gewesen, bis sich endlich die Tamulen darein fanden, aus demselben Becher zu trinken, wie die PariaHS, doch unter der Bedingung, daß sie stets das Abendmahl vor diesen genössen, so daß bei jever Kommunion immer zwei Abtheilungcn sind. Die Pa riaHS sind an solche Zurücksetzungen so gewöhnt, daß sie nie die ge ringste Einwcnvnng dagegen machten, nach den Tamulen zu trinken, und sogar eine eigene Kapelle und eigene Schulen halten, in denen kein Tamulc erscheinen mag. Ihre Familienfeste werden ebenfalls nnr von ihrer eigenen Klaffe besucht, denn die Tamulc» würden um keinen Preis mit einem Pariah oder von einem Mahle speisen, wel ches ein Pariah zubereitete. Doch wie keine Regel ohne Ansnahme ist, hat man oft Beispiele, dass Tamulische Pionen (die Diener aus besserer Kaste), von Europäern Speise und Kuchen annchmcn, die bei den von PariaHS bereiteten Mahlzeiten übrig bleiben, um sic zu Hause mit ihren Familien zu verzehren; eben so machte die Tamu lische Warteschule in der Mission eine Ausnahme, indem arme Kinder, sowohl von Tamulcn, als von PariaHS, in derselben Unterhalt und Schulunterricht genossen. Jndcß ist das entgegengesetzte Extrem anch nicht selten zn finden. Ein arretirter Kannägappel oder RechnungS- führer hungerte im Gefängnisse, so lange man ihm keine andere Speise geben wollte, als die von Pariahs bereitete. Bei der Armen- Kommission habe ich einen Pion sich weigern sehen, ein Geldstück vom Boden auszuhcbcn, weil es von einem Pariah verloren war. Wenn man nach dem Grund dieses hohen Grades von Aversion fragt, antworten die Tamulcn, daß die PariaHS Aas und Abgänge essen; und wenn dies auch nur von den allerärmstc» gilt, die keine bessere Nahrung haben, so wissen die Tamulen sich doch stets auf einen guten Grund zu ihrer Verachtung zu berufen, indem sic beständig anführcn, die PariaHS wären ihre Sklaven; so brauchen sie auch Vie Worte Sklavensohn oder Sklavenküib als ein entehrendes Scheltwort. Unter den verschiedenen Ständen der Tamule» selbst geht der Kasten- Unterschied bisweilen bis zu demselben Extreme. So hing sich vor einigen Jahren ein Tamulc auf, weil er eine Ohrfeige von einem Barbier erhalten hatte, welche Schande er nicht überleben mochte. Eben so hatte der bekannte Aufruhr in Tranquebar I822 seinen Grund darm, daß ei» unberechtigter Gebrauch des Palankins, der Pantoffeln, eines Parapluis ». s. w. einem reichen eingeborenen Ta- mulcn von einer geringeren Kaste gestattet worden war. Jin Gespräch und der Anrede äußert sich auch immer dieser Rangunterschied durch Apa (Herr), Pillav (Kind), worauf ausschließl.ch die höheren Kasten Anspruch machen, während die anderen bloß bce ihren Rainen gerufen wcrven. Ma» sicht nicht minder aus ihren äußeren Höflichkeits-Bezeu gungen, wie viel Ehre sic einander schuldig zu scpn glauben, invem der Eine sich vor dem Anderen mehr oder weniger erhebt, wenn dieser cin- trilt; in der Art, Salam mit nur einer oder mit beiden Händen, in einer mehr oder weniger gebückten Stellung zu machen; im Beiseitesetzen der Pantoffeln u. s. w. Um diese lächerliche Etikette in ihren vielen ') Dgl. Nr. iu des M»gu,ln§. Nüancen wahrzunehmen, muß man ein aufmerksames Auge haben und die Tamulen aus ihrem Umgänge kennen. Unter den Getauften gicbt cS nur wenige einzelne Beispiele von Ehen zwischen Tamulen und PariaHS; ein gewisser Seghansden aus Tranquebar soll eine Pa riah gcheirathet haben. Von eincm anderen Tamulen, Jesudäsun auS Madras, erzählte man, daß er Sadeikaren (ein Jacke-Mann) wurde und, später in Diensten bei den Wesleianern in Bangalore war. Diese Art, die Europäische Tracht anzunehmen, ist nämlich unter den Pariahs sehr gebräuchlich, und damit wechseln sic dann zugleich Sprache und Sitten und werden zu den Portngiescn gerechnet, was stark bei- getragcn hat, Letztere bei den Tamulen allgemein verachtet zu machen und mit den Pariahs in eine Klasse zu setzen. Ein solches Gemisch von Volk findet sich jetzt fast überall in den christlichen Gemeinden in Indien, und wenn man nun die mangelhafte Erziehung, die einge wurzelten Vorurthcile, die angeborene Apathie, den Jndifferentisnius in religiöser und moralischer Hinsicht, und hierzu die Armuth und das Elend der Meisten bedenkt, so kann man sich vorstellen, wie schwierig eS hier für einen Missivnair ist, zu wirken." — So weit dieser Brief. Nicht uninteressant ist ferner, aus einem anderen Briefe von der Küste von Coromandel wahcznnchmen, wie nahe sich hier auf engem Raume Dänisches Luthcrthum, Englisches Episkopalwesen und Fran zösischer Katholizismus, ferner der aus West-Asien cingewanderte MuhammedaniSmus, der einheimische Brahmanismus und endlich sogar auch Spuren vom Budbhaiümus begegne». Herr Möhl er zählt in eincm seiner Briefe: „Den 2V. April 1833 begab ich mich zu Pferde, in Gesellschaft meines Freundes, Nev. Mr. Shmid, ans den Weg von dem Dänisch- lutherischen Tranquebar nach dcm Französisch-katholischen Karikal, dcm Muhammcdanischen Nagvre n»v dcm ehemals buddhistischen Ncgapatnam «Orte, die etwa 2 — 3 Meilen von einander entfernt sind), um bei der dort stqttfindeudcn Visitation der Englischen Frei schulen gegenwärtig zu scpn. Von den Englische» Schulen an diesen Orten gilt dasselbe, was ich früher von der zu Mapaveram gesagt habe; die Kinoer lesen allerlei kleine Erbauungs-Schriften und Theile des neuen Testaments, den Kirchen-KatechismuS (tkuxcb cakoobi^m) u. s. w., nachdem sic den wechselseitigen Unterricht auf die ursprüng lich Indische Weise, thcils in Sand, thcilü nach Spelling-caxt« (Buchstabier-Tabellen), durchgemacht haben. Aber die gewöhnliche Unordnung, die Sorglosigkeit und Unwissenheit der Lehrer, der un regelmäßige Schulbesuch der Kinder und die nicht zu berechnenden Versäumnisse machen, daß die Fortschritte sehr gering und bei den allermeisten ganz mechanischer und unersprießlicher Art sind. Nur einzelne Schüler, deren Acltern sich für Erziehung und Unterricht intcressiren, erlangen einige Fertigkeit, fließend zu lesen und da» Gelesene zu »erstehen. In der Französischen Kolonie Karikal kam ein junger sehr zu dringlicher Bramine an mich heran. Er orückte sich halb Französisch, halb Tamulilch aus, um besser verstanden zu werden, was zur Folge hatte, daß ich lange nicht ausfindig machen konnte, was er eigentlich wollte. Er sprach beständig davon, daß er meinen Nämen auf seinen Kopf setzen wolle, vermutlich anstatt des Bramincn-ZcichcnS, das er an dcr Stirn trug, unv brauchte eine ganze Menge eben so unterthänigcr als künstlicher Redensarten, nm mich zu rühren, da mit ich ihm meine Protection verspreche, von der er sich wahrschein lich allerhand hohe Begriffe machte. Um seine Fähigkeiten zu zeigen, fing er zu wiederholtcn Malen mitten im Gespräch an, auS einem Manuskript auf Palmblättcrn (Ollisbuch), welches er in Händen hielt, zu lesen. DaS Ganze lief darauf hinaus, einen Platz zu er halten, welches er mir mit den» Tamulischen Artikel Oxa (Einen Plag, Herr!) zu erkennen gab, ohne daß ich lange begreifen konnte, daß lla>t das Französische place scpn sollte. Nach der Examination der Englische» Schulen besahen wir die Tamulischen Schulen dcr Franzosen. Jever Schnier hatte ein eigenes Buch. Von Französischen Klassenbüchern zu gemeinschaftlichem Schulgcbrauch war keines cingcführt, so daß der Unterricht lucht anders als sehr beschwerlich und unzweckmäßig scpn konnic. Doch sollen mehrere Zöglinge ganz gute Fortschritte in d>> Französischen Sprache gemacht haben, einige sogar so weit, daß sie im Stande waren, ziemlich korrekt Französische Briefe zu kouzipircn. Biclc finv als Kopisten bei den Französischen Beamten am Orte angcstellt. Jndcß räumte man ein, daß die Schule» sich mit dem Kollegium in Pondichery nicht vergleichen können, welches von den Jesuiten errichtet ward und lange Zeit unter dcn tüchtigsten Lehrern blühte.