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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.08.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000822017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900082201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900082201
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-08
- Tag 1900-08-22
-
Monat
1900-08
-
Jahr
1900
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DaS socialdemokratische Centralorgan führt nun diesen Mißerfolg darauf zurück, daß die Cottbuser Parteileitung in ängstlicher Leisetreterei bei der Wahlagitation das Wörtchen „Socialdemokratie" vermieden habe. Diese Taktik habe die Wähler nicht angezogen, sondern soaar zurückgestoßen. Wenn man diese Ausführungen deS socialistischen Blattes liest, so könnte man den Eindruck gewinnen, als ob das Vorkommniß in CottbuS etwas ganz Außergewöhnliches sei. Davon aber ist ganz und gar nicht die Rede. Vielmehr wird die Taktik das socialdemokratische Programm, vor Allem die revolutionäre Tendenz, die Religionsfeindlichkeit und den Antimonarchismus nach Möglichkeit im Dunkeln zu lassen, oft genug angewendet. Natürlich nicht in den großen socialistischen Centren, also vor Allem in den Großstädten und in den bedeutendsten Industrie bezirken, weil man sich da auf eine „aufgeklärte" und „ziel bewußte" Anhängerschaft verlassen kann, mit der man nicht nöthig hat. Versteckens zu spielen. Wohl aber wird auf die traditionellen Empfindungen der Bevölkerung Rücksicht ge nommen, wenn man sich bemüht, vorwiegend ländliche Wahl bezirke in den Bannkreis der Socialdemokratie zu ziehen. So sehen wir, daß die bayerische Socialdemokratie ihre Specialitäten hat, die auf die Denkweise der bayerischen Be völkerung zugeschnitten sind, die aber dem eigentlichen Wesen der Socialdemokratie durchaus widersprechen. In Bayern sagt sich eben die socialdemokratische Parteileitung, daß es nicht ge nügt, die verhältnißmäßig wenigen großen Städte zu erobern, sondern daß die Partei, wenn anders sie ein Machtfactor werden will, auch in den kleinen Städten und auf dem Platten Lande „moralische" Eroberungen machen muß. Und da die bayerische Bevölkerung voller Zähigkeit an der Dynastie hängt, so ist die Socialdemokratie, die doch ihrem ganzen Wesen nach anti dynastisch sein muß, so rücksichtsvoll gegen die Wittelsbacher Dynastie, daß man schon wiederholt halb im Scherz, bald im Ernst von einer „königlich bayerischen Socialdemokratie" ge sprochen hat. Im Grundzuge speciell der kleinbürgerlichen und bäuerischen Bevölkerung liegt ferner ein ziemlich stark aus gesprochener PartikulariSmus. In Folge dessen spielt sich auch die bayerische Socialdemokratie auf den PartikulariSmus hinaus und ist bei Kammerverhandlungen oft nicht ohne Erfolg bemüht, die Centrumsleute und die Bauernbllndler an PartikulariSmus und Preußenhetze zu übertreffen. Dabei stehen partikularistische Tendenzen doch wohl im krassesten Gegensätze zu den Auf fassungen einer Partei, die Tag für Tag den Internationalis mus predigt. Daß die Socialdemokratie bei jeder Gelegenheit, und wenn sie diese Gelegenheit auch bei den Haaren herbeiziehen soll, die Religion und demgemäß auch die religiöse Erziehung der Jugend bekämpft, ist allgemein bekannt. So hat letzthin die „Sächsische Arbeiterzeitung" den berüchtigten Potsdamer Mordproceß (Pro- ceß Jänicke) zu einer heftigen Philippika gegen den Religions unterricht benutzt, indem sie schlankweg behauptet, daß durch die Bibel der Aberglaube großgezogen werde: „Wer den Glauben an übernatürliche Dinge nährt, züchtet den Aberglauben. Von Moses, der mit seinem Stabe Wasser auS dem Felsen heraus schlägt, und der Hexe zu Endor bis zum Töpfer Jänicke ist nur ein Schritt. Lehrt man den Glauben an irgend ein Wunder, so züchtet man Opfer des Aberglaubens. . . . Bitter noth thun uns mehr Schulen und in den Schulen ein besserer Lehrstoff, der von übernatürlichen Dingen und manchem anderen Ballast frei ist." Wenn die Socialdemokratie aber in ländlichen Gegen den und ganz besonders in stark katholischen Bezirken agitirt, dann läßt sie von ihrer Kirchenfeindlichkeit möglichst wenig merken, indem sie diese mit dem schönen Satze bemäntelt: „Religion ist Privatsacht". Wenn man der Socialdemokratie ihren Jesuitismus vor wirft, so kann man wohl zu hören bekommen, daß keine Partei so offen wie der Socialismus die Ziele der Partei auf den Parteitagen erörtere. Gewiß, es kann sogar darauf hingewiesen werden, daß auf den Parteitagen Gesinnungsgenossen abge schlachtet werden, die die revolutionäre Tendenz der Partei nicht genug betonen. Aber auch darin liegt wieder ein gut Theil JesmtiSmuS. Wer liest denn die Dutzende von enggedruckten Spalten, die der „Vorwärts" und andere protze socialistische Organe über den Verlauf der Parteitage bringen? Doch nur ein ganz bescheidener Bruchtheil der „Genossen" in den grotzrn Städten, Parteifanatiker, denen man ohne Besorgnitz diese offenen Darlegungen bieten kann. Die Kleinhandwerker aber und die kleinen Beamten, die Kleinbürger und die ländlichen Arbeiter lesen derartige langathmige Erörterungen nie. Ihnen stellt sich die Socialdemokratie so dar, wie sie ihnen aus dem Munde beredter Agitatoren gekündet wird. Diese Agitation läuft viel weniger auf eine Darlegung der socialistischen Tendenzen, als auf eine unerbittliche Kritik der bestehenden Zustände hinaus. Jeder angebliche Justiz- irrthum, jeder Versuch, Lebensmittelzölle zu erhöhen, jeder Miss brauch der Staatsautorität u. s. w. wird ausgenutzt, um die Hörer gegen die bestehende Gesellschaft einzunehmen. Daß inner halb der eigenen Partei der größte Zwiespalt besteht, und datz schon dieser Zwiespalt in einem socialistischen ZukunftSstaat schwere Schäden Hervorrufen müsste, darüber geht man natürlich hinweg. Dieser Jesuitismus der Soeialdemokratie enthält eine be- herzigenswerth« Lehre sür die bürgerliche Gesellschaft. Wie die Socialdemokratir unermüdlich darin ist, die Schäden der be stehenden Gesellschaftsordnung an den Pranger zu stellen, so müssen die Führer der bürgerlichen Gesellschaft unermüdlich das Volk über Wesen und Tendenz der Socialdemokratie aufklären. Gewiss läuft man dabei Gefahr, sich zu wiederholen, aber auch di« Socialdemokratie schreckt vor dieser Gefahr nicht zurück. Der fünfte internationale Lociatiften-Congreß. DaS socialdemokratische Centralorgan veröffentlicht die Ein ladung zu dem fünften internationalen Sociatistencongreß, der im Anschluß an die Weltausstellung in Paris vom 28. bis 27. September statt find en soll. Wieviel „Nationen" daran theil- nehmen werden, ist noch nicht sicher. Die Einberufung geht von den fünf französischen, „die Gesnmmtheit der französischen S>ocia- listenpartei bitoonden Organisationen" aus, die im Mai vorigen Jahres im Anschluß an den internationalen »tergarbeitercongres m Brüssel den Beschluß faßten, eine inrernatioi^le Tagung des Umsturzes mnzuberufen. Das mit der Borbereitung betraut« GeneralcomitS hat das Bevakhungsprogramm des Socialistencongresses bereits im April d. I. veröffentlicht. Neu« Positionen sino seither nicht hinzu ge kommen. Die Veränderungen, die in der neu adgedruckten Tages ordnung auffallon, sind nur stilistischer Natur. So z. B. heißt «S im Apriluxt: Internationaler Friede, jetzt Völterfriede, uno damals die Ero'berung der öffentkcyen Gewalten, jetzt dagegen die Eroberung der staatlichen Macht. Einen neuen deutschen Wortlaut hat nur der besondere Antrag der französischen socia listischen revolutionären Arbeiterpartei, der sogenannten Alle- manisten, erhalten; er ist jetzt also zu lesen: „Die zunehmende Loncentration des Eapidals; di« aus der Konkurrenz entstehende wirthschaftliche Planlosigkeit, die durch politische Mittel nicht beseitigt werden kann, uno in Folge da von die fortdauernde Verschlimmerung der Lage der Arbeiter, — führen sie nicht unentrinnbar zu einem unmittelbaren Zu sammenstoß zwischen Arbeit und Capital, der die Gestalt des Gen«ralstreiks annehmen wird?" Dieser Antrag ist, wie ebenfalls in diesem Frühjahr mitge- thöilt worden, mvt sechs von den elf „Nationen", die in Brüssel waren, auf die Tagesordnung gestellt worden; mehr sind seither nicht hinzugekommen; aber da die Mehrheit für die Berathung der Frage ist, die nach ihrer Form nur bejaht werden kann, wirs sie auf jenem Congreß mit oinigen Mooificationen auch bejaht wevden. Söeu ist in der diesmaligen Einladung eigentlich nur die Geschäftsordnung, aus der zu entnehmen ist, daß jeder Delegier« «ine unbegrenzte Anzahl von Mandaten innuhaden kann, daß aber di« Abstimmung nach Nationalitäten erfolgt, wenn es sich u-vj Prmciplensragen handelt, sowie — del jeder anderen Frage, so fern diese Wstimmungsart gefordert wird. Nach dem Berathungsprogramm zu urtheilen, hat der Con- greß reichlich Gelegenheit, sich mit den, von dem Parteigenossen L)r. Bernstein erbrachten Nachweisen zu beschäftigen: daß der Klein- und Mittelbetrieb nicht untergeht, sondern sich ver mehrt, die Mittelschichten nicht versinken, sondern aufsteizen; die Sicherheit der Existenz des Arbeiters fortwährend gewachsen ist; der Arbeiter sparen kann und die bürgerliche Socoalpotirik von den Arbeitern als sehr segensreich empfunden wird. Dazu würde alber diejenige WahriheitSlie^b« gehören, die man bsispiets- wöife in den letzten ossic-iellsn Berichten der deutschen Social demokratie — und die <oer anderen Länder ist nicht besser — ver gebens sucht. Daher ist von dem Pariser Congreß auch nicht mehr zu «vwarten, als von den bisherigen internationalen Ver anstaltungen gleicher Art: daß die durch die Thatsachen unhalt barer gewordenen revolutionären Phrasen in neue Formen ge gossen wevden. Im klebrigen Haven nach den bisherigen Er fahrungen di« Beschlüsse der internationalen Kongresse nur so weit Werth, als sich die Genossen in iden einzelnen Ländern darum kümmern. Die Engländer thun es überhaupt nicht; und selbst die deutschen Genossen haben es sich mehr als einmal überlegt. So haben sich beispielsweise wiederholt die internationalen Mai feierbeschlüsse gefallen Lassen müssen, daß sich -die Internationalste der Internationalen, die deutsche, einfach — weil sie den Beschluß nicht durchführen konnte, nicht darum kümmerte. Was im Uebrigen von dem Internationalismus zu halten ist, sagen mehr als alle Zusammenkünfte von Theoretikern uns Agi tatoren di« 'internationalen Longress« solcher Organisationen, die sich wirklich auS Arbeitern zusammensitzen. Das war der letzte Bergarbeitercongreß m Paris und der letzte Textilarbeiler- congreß in Berlin, der kaum vier Wochen alt ist, und auf dem auch nach Nationalitäten abgestimmt wunde, und zwar auch über die Hauptfrage deS Pariser Socialistencongresses, die Streik- frage. In richtiger Erkenntniß d«r alten Wahrheit, daß zum Streiken vor Allem Geld gehört, wurde, und zwar deutscherseits, vorgeschlagen, man solle «inen internationalen Streikfonds schaffen, und bei Ausständen, die mindestens 2000 Personen um fassen und vier Wochen dauern, von jeder Organisation eine Steuer von 10 H auf den Kopf erheben. Selbst dieser Beschluß hat „vertagt" werden müssen; statt deS Brodes erhielt man Sterne; statt des Geldes wurde aus 'der Mitt« des Kongresses herb über oie „Ziele, di« in den Wolken liegen", gesprochen, und die Träumer, die sich damit abfinden lassen. Das ist sehr lehr reich dafür, waS di« deutsche Soeialdemokratie von internatio nalen Kongressen zu erwarten hat; daß si« mit ihrer „Wolken gängerei" majorisirt wird und 'ihr Anhang sich im Jahr« nach Ausweis der „neutralen" G«Wirtschaftsorgane die internationale Solidarität ungefähr ein« halbe Million Mark weiter wird kosten lassen müssen. Dx Gegenleistung sind löschpaplerene Resolu tionen, die inan in eigener Regie viel billiger Herstellen könnte. Vie Wirren in China. Ueter sie Einnahme Pekings wird uns aus Tokio, 2t. August, telegraphirt: Nach einem aus Tientsin am 16. August abgegangenen telegraphischen Bericht, der »om General Aamazuelhi in Peking am IS. August aufgegeben worden ist, hat die Besetzung der Wälle und der Einmarsch der Truppen nach einer vorausgegangenen Beschießung acht bi» neun Stunden gedauert. Der Feind »oz sich in die kaiserlich« Stadt zurück. Eine starke Trupvrnmacht, die dorthin zur Besetzung entsandt war, stieß aus einen sehr starken Widerstand. Der japanisch« General und sein Stab zogen in di« japanisch« Gesandtschaft ein. Die japa nische Division ist hauptsächlich in den Dörfern außerhalb des Autingevr-Tbores, das zur Tartarenstadt führt, einquartirt. Der .New Kork Herald" berichtet aas Peking unter dem 17. d. M.: Die Befehlshaber der russischen Truppen rückten vor und besetzten am 14. August die erste Thür deS östlichen Thore». Ain Morgen gelang es ihnen aber nicht, die zweite Thür zu nehmen. Am 14. August, 2 Uhr Nachmittags drangen die britischen und amerikanischen Truppen in das Thor ein, das sich in der Nähe der Gesandtschaften befindet; sie trafen dort nur auf schwachen Widerstand. Die Japaner stießen auf ernsteren Widerstand an dem oberen östlichen Tbore. Dort vertheidigten sich die Chinesen den ganzen Tag. Um Mitternacht sprengten die Japaner das Tbor in die Luft und rückten in die Stadt ein. Viele Chinesen wurden getödtet. — Der amerikanische Gesandte Cong er tbeilt mit, daß die Chinesen am Tage vor dem Einzuge der Verbündeten in Peking versucht hätten, die Gesandten und die anderen Aus länder zu vernichten. Prinz Ts ch in g hätte zwar sein Wort gegeben, er habe den Ofsicieren unter Androhung der Todes strafe den Befehl crtheilt, das Feuer gegen die Gesandt schaften einzusullen, doch würden die Gesandten wahr scheinlich ums Leben gekommen sein, wenn die Entsatztruppe nicht eingetroffen wäre. Wie Conger weiter mittheilt, ist die ganz« gegen die Fremden gerichtete Bewegung von der chinesischen Regierung ausgegangen. Die Boxer seien nur als Vorwand benutzt worden; diese hätten nicht einnial Kanonen gehabt. Weitere Meldungen: * London, 21. August. (Telegramm.) Der Petersburger Berichterstatter der „Times" erfährt aus gut unterrichteter Quelle, Rußland wünscht, daß die mandschurische Frage den Gegenstand gesonderter Verhandlungen zwischen Rußland und China bilde. Die russische Flagge weht noch immer allein über den Vertragshafen Niutschwang. Am 13. August wurde der russische Konsul zum Civiladministrator und Vertreter der Russischen Bank zum Assistenten sür das Zollwejen ernannt. * Innsbruck, 21. August. (Telegramm.) Feldmarschall Graf Waldersee passirte gestern um 11V, Uhr Nachts den diesigen, festlich geschmückten Bahnhof, auf dem da» OfficiercorpS der Garnison, der Statthalter und der Bezirk-Hauptmann sich zur Bechrüßung «ingefunden batten. Rach einem Aufenthalte von zehn M linken fuhr der Zug nach Süden weiter. Ischl, 2l. August. (Telegramm.) Kaiser Franz Joseph telegraphirte an den Minister des Aeußeren Grafen Goluchowski: „Ich ersuche Sie, an Rostborn zu telegraphiren um ihm Meine Freude über seine, seiner tapferen Frau und unserer anderen Staatsangehörigen Rettung, sowie Meine Anerkennung seiner Haltung auszusprechen. Auch soll er Meine gleichen Gefühle den Ofsicieren und den Mannschaften des tapferen Marine detachements bekannt geben." Eine Unterredung mit deutschen Ofsicieren vom Kriegs schauplätze. Aus Vokohama, 12. Juli, wird der „Franks. Ztg." be richtet: Ter Norod. Lloyd-Dampfer „Köln", der von der deut schen Regierung als Transportschiff gechartert worden ist, kam vorgestern in Yokohama an und brachte fünf Lchwerverwundere, unter welchen sich Kapitän Lans von der „Iltis" und Ober leutnant v. Krohn von der „Gefion" befanden. Alle Ver wundeten wurden sofort nach dem deutschen Hospital hier ge tragen, wo sie jetzt in der Behandlung Les Oberstabsarztes Or. Koch stehen. Ihr Korrespondent hatte Gelegenheit, diese beiden Herren dort sehen zu tonnen, und hatte eine längere Unterredung mit beiden, die in Anbetracht des Umstandes, dass Kapitän Lans sich so sehr bei der Erstürmung Takus aus zeichnete, und Leutnant o. Krohn an der Expedition der inter nationalen Truppen unter Admiral Seymour theilnahm, von besonderem Interesse sein düx-^n. Oberleutnant v. Krohn, welcher in einem Angriff aus ein chinesisches gort im Auge verwundet wurde, lag aus einem Sopha, anscheinend mit Ausnahme seines verwundeten Auges ganz wohl, trotz seiner jchrecklich-n Erlebnisse in dem Feld zuge. Er sagte, daß die Kommandanten im Felde und über haupt fast Jedermann die Qualität der chinesischen Truppen ehr unterschätzt hätten, und er betonte besonders die Lhat- ache, datz die Chinesen durchaus nicht undisciplinirt seien, ondern ganz im Gegensätze eine ausgezeichnete Armee bilden; erner datz sie im Besitze der modernsten Feuerwaffen und Ka nonen seien und diese auch sehr gut zu verwenden wützten. Be sonders sei ihre Artillerie ganz vorzüglich; darin sind sie näm lich von ihren deutschen Jnstruclvren unterrichtet worden. Was die Qualität der Chinesen als Soldaten angeht, so ist Oberleutnant v. Krohn dec Meinung, datz dieselben ausgezeich netes Material seien, und, wenn sie bessere Officicre hätten, auch unbesiegbar wären; da aber ihre jetzigen Officicre zuerst fortlaufen, bleiben natürlich die Soldaten auch nicht stehen. Oberleutnant v. Krohn meint daher, datz es eine Thorheit sei, U glauben, daß die Verbüiideten mit 40-, 50- oder sogar 100 000 Mann nach Peking kommen könnten, sondern datz eine Macht von mindestens 150 000 Mann, besonders gute Artillerie und Kavallerie und ein umsichtig geplanter Feldzug nöthig seien, um dorthin zu gelangen. (Darin hat sich, wie die Thatsachen ergaben, Herr v. Krohn geirrt. Red.) Ter Feldzug der inter nationalen Truppen unter Admiral Seymour >ei ein großer Fehler gewesen, denn die Lfficiere hatten keine Kenntnitz vom Lande und keine Karten, die Truppen hatten nur für 8 Tage Proviant und vor allen Dingen nur sehr wenig Munition. Anfang» ging Alles ziemlich glatt, bis die Verbündeten nach Langfang kamen, wo die Eisenbahn zerstört war, so datz es einige Tage hätte währen müssen, um dieselbe wieder herzu stellen. In der Zwischenzeit wurde die Verbindung Seymours mit Tientsin abgeschnitten, und die Truppe war in völliger Un kenntnis dessen, WaS in Tientsin und Laku passirte. Da es unmöglich war, vorwärts zu gehen, so mutzte Seymour zuerst die Verbindung mit Tientsin wieder Herstellen. Aber er fand, daß die Eisenbahn auch nach dieser Richtung in einer solchen Weise zerstört worden war, datz e» unmöglich war, dieselbe zu rcpariren. Die Truppe mutzte daher ihre Wagen auf den Schienen stehen lassen, ihre Verwundeten auf Boote in den Fluss tragen und dann entlang dem Ufer des Flusse» zurück marschieren. Bi» dahin hatten die Truppen nur Widerstand feiten» der Borer gefunden. Diese Boxer sind nach Oberleutnant v. Krohn» Meinung nur Werkzeuge in der Sand de» Prinzen Tuan und einiger anderen Grotzen, welche die Mandschu-Ty- nastie stürzen wollen. Der Glaube der Boxer an ihre Unver- wundbarkeit sei etwas Ausserordentliche»; sie glauben sogar, datz, wenn sie verwundet oder getödtet würden, ihr Gott sie in ein paar Tagen wieder heil machen werde. AuS diesem Grund« nehmen di« Boxer auch immer Ihre verwundeten und Todten mit, denn sie meinen. Andere nach sich selbst beur- theilend, die „fremden Teufel" würden ihre Kopse abschneiden, in welchem Falle es viel schwerer für ihren Gott wäre, sie wieder ganz hcrzustellen. Im Anfang waren die Boxer nur mit, langen Messern bewaffnet (die Secte vom „Langen Messer") und liefen den Truppen gerade in die Gewehre hin, ein. Tie Boxer tragen als Abzeichen ein rothes Tuch um die Brust und rothe Tücher um ihre Futz- und Handgelenke. Oberleutnant v. Krohn sagt, datz es von diesen Boxern nicht Tausende, sondern Millionen gäbe, und Latz tatsächlich die ganze Bevölkerung Nordchinas Boxer seien. Die Bewohner werden nämlich dazu gezwungen, der Secte beizutreten. Zu erst gewinne die Secte einen oder zwei Einwohner in einem Dorfe, und diese machen dann während der Nacht das Zeichen des Blutes an alle Häuser in dem Dorfes das bedeute, datz die Einwohner eines so bezeichneten Hauses, wenn sie nicht binnen 24 Stunden der Secte beirreten, alle ermordet uud ihre Häuser niedergebrannt würden. Sollte sich ein ganzes Torf weigern, Boxer zu werden, so kommen die Bewohner der umliegenden Dörfer und brennen und ermorden Alles in dem Dorfe. Unter diesen Umständen sei es leicht begreiflich, datz die ganze Bevölkerung in Waffen steht, und da ihr Motto „Tos den Fremden" ist, so sei die Sachlage eine sehr gefährliche. Erst aus dem Wege zurück von Langsang fanden die Ver bündeten, datz sie nichr nur mit den Boxern Krieg hatten, son dern auch mit den chinesischen Truppen" welche mit modernen Gewehren, meist sehr kleinen Kalibers, bewaffnet waren. Da sie wegen ihrer Verwundeten gezwungen waren, den Fluß entlang zu gehen, mußten sie jedes Dorf im Sturme nehmen; an einem Tage nahmen sie sieben, und am nächsten Tage sechs, bei welcher Gelegenheit sie von 3 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends kämpfen mußten. Ta die Chinesen rauchloses Pulver benützen, so war dies ein sehr gefährliches Geschäft, denn die Chinesen feuerten von Häufern und von Bäumen, wo man sie nicht sehen konnte. Aber alle Dörfer wurden eins nach dem andern genommen und niedergebrannt, welch' letztere Arbeit meistens den Russen überlassen wurde. Aus eine Frage, was die Chinesen mit ihren Weibern, Kindern und Greisen ansangen, antworte» Oberleutnant v, Krohn, datz die Nichtcombattanten, wenn möglich, vorher immer mit Hab und Gut ausziehen; nur in einem Falle, als die Verbündeten ein Dorf umzingelt hatten und das Ausziehen unmöglich war, tödteten die Chinesen alle Weiber und Kinder, schnitten ihnen die Köpfe ab und war fen sie ins Wasser. Bei dieser Gelegenheit erzählte Ober leutnant v. Krohn, daß, während er am User des Flusses unter halb des Dorfes saß, mindestens 20 Frauenleichen ohne Köpfe vorübrrtrieben. So ging es denn weiter, bis fie an ein Fort kamen, Namens Siko. Hier machte eine Kolonne von ungefähr 1000 Mann Halt, da die Airderen etwas zurückgeblieben waren. Ein englischer Dolmetscher ging an das User des Flusses und ries hinüber, ob ein Officier da wäre, mit dem er sprechen könnte. Die einzige Antwort, die er erhielt, war ein Schutz aus einer der grotzen Kanonen, welchem eine große Kanonade aus Kanonen und Gewehren folgte, und zwar auf eine Ent fernung von nur 100 Metern. Das Erste, was die Leute thun konnten, war Schutz hinter einer Mauer zu suchen, und dann, da sie fast gar keine Munition mehr hatten, war es nur den Ofsicieren und Unterofficieren erlaubt, zu feuern. Die chinesischen Kanoniere bedienten ihre Geschütze mit großer Schnelligkeit und Präcision, und in Anbetracht der geringen Entfernung und der enormen Masse von Metall, die auf die internationalen Truppen verschwendet wurde, ist es merk würdig, datz nur so verhältnißmäßig wenige derselben getödtet oder verwundet wurden, unter den Letzteren bei dieser Gelegen heit auch Oberleutnant v, Krohn selbst. Es wäre unnütz ge wesen, nach den Soldaten in dem Fort zu schießen, denn diese waren durch Wälle sehr gut gedeckt. Aber die Kanoniere waren nicht so geschützt, und die einzelnen Lfficiere machten es sich zur Ausgabe, diese abzuschictzen. Aber sobald einer fiel, er schien ein Anderer, um seinen Platz einzunehmen, und er selbst, sagte Oberleutnant v. Krohn, habe mindestens zwanzig an einer Kanone weggeschossen, ehe er selbst verwundet wurde. Aber endlich wurde Ordre gegeben, zu stürmen; die englischen Royal Engineers versuchten es zuerst allein, wurden dann aber von den Deutschen verstärkt, und mit einem kräftigen Hurrah ging es auf das Fort los, und richtig, die Chinesen liefen bei dem Hurrahgeschrci auch Alle fort. Aber weder Todre noch Verwundete wurden in dem Fort oorgefunden. Unsere Leute waren jedoch erstaunt, eine stattliche Anzahl großer Kanonen, theilweise von Krupp und theilweisc andere moderne europäische Fabrikate, nebst Lausenden von Mauser- und anderen Ge wehren, und ganze Massen von Munition dorr vorzufinden. Sobald das Fort erstürmt war, wurden die noch eben von Chinesen bedienten Kanonen aus die fliehenden Horden gerichtet, aber an eine systematische Verfolgung war natürlich nicht zu denken. Glücklicherweise sanden die alliirten Truppen hier Ver bandstoffe. Mcdicin und auch etwas Provision vor, was ihnen sehr zu Statten kam. Es wurden auch einige Gefangene ge macht, und von diesen erfuhren fie, Latz sic 6000 Chinesen aus dem Fort hinausgcworfen hatten; auch erhielten sie die er freuliche Nachricht, datz Tientsin und die Taku-Forrs in den Händen der Verbündeten seien. Es war in einer der Zeitungen hier im Osten gesagt wor den, Latz die Russen die Verwundeten mit ihren Gewehrkolben todtschlugen; Ihr Korrespondent fragte Herrn v. Krohn, ob das wahr sei. Er erwiderte, datz es nicht ganz so schlimm gewesen sei, aber in diesem Kriege fei es kaum möglich, Gefangene zu machen, da die Chinesen sür eine solche Art, Krieg zu führen, noch nicht civilisirt genug seien. Auf ihrem Wege seien sic genöthigt gewesen, alle Verwundeten mit den Bajonetten zu tödten, da fie sich derselben nicht annehmen konnten, und La ein verwundeter Chinese, so lange er noch eine Hand heben kann, nach dem Leben der Europäer trachte. Im Anfang sandten sie sogar verwundete Borer nach den Hospitälern in Tientsin, aber fie fanden bald, datz dies ein Fehler sei, und später wurde eine Ordre erlassen, alle Chinesen, die aufrecht jtehen bleiben, zu tödten und auch die Verwundeten nicht zu schonen, besonder ader absolut keine Gefangenen zu machen. Häufig nahmen nämlich die Borer ihre rothen Tücher ab und thaten, al» ob sic sich nicht an dem Kampfe betheiligt hätten; aber da» wurde bald herausgefunden und daher die erwähnte Ordre gegeben. Tie Chinesen dagegen schneiden die Köpfe aller Europäer ab, welche unglücklicherweise in ihre Hände fallen. Leutnant Friederich z. B„ der auf dem Schlachtfelde verwundet wurde und nicht gerettet werden konnte, wurde später ae- sunden, den Kopf von dem Körper getrennt. Bei einer Ge legenheit wurde ein italienischer Unterofficier mit 8 Soldaten von den Boxern umzingelt, und obgleich eS vier Mann gelang, sich durchzufchlagen, wurde der Unterofficier mit den Anderen von der Menge einfach überwältigt und in Stücke gehauen. Als v. Krohn später die Leiche des italienischen Unterofficier» sah, war sein Kopf viermal gespalten und an seinem ganzen Körper kein heiler Fetzen. Admiral Seymour blieb im Fort Siko vier Tage; da sie aber einsahen, datz sie sich gegen den Angriff einer größeren Masse der Feinde nicht halten könnten, ,o machten die Royal EngmeerS Vorrichtungen zur Sprengung, und die nächste Nacht um 2 Uhr, al» die Alliirten einige Meilen entfernt waren, sahen sie das ganze Fort in die Luft sprengen. Leider konnten st« keine der Kanonen mitnehmen.
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