Volltext Seite (XML)
42. Jahrgang. ! Erscheint jeden Wochentag Nachmitl. K»6 Uhr für dm . . - - . , knd ^.mEtNck 7^ Sonnabend, den 19. Oktober. zwnmvnanlry I uic. vo Ps. uno einmonanicy /o Pf. " md Tageblatt. Amtsblatt für die kömMen M städtischen Behörden zn Freibng and Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Inserate werden bis Bormittag l I Uhr angenom- i men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile H . oder deren Raum lü Psg. Wider das Prassen. Fast zu allen Zeiten hat es Menschen gegeben, welche von Begierde zum Genuß taumelten, Geld und Gut verpraßten und dabei körperlich und geistig zu Grunde gingen. Wenn auch heutzutage die Mahnung zur Mäßigkeit gewiß sehr zeitgemäß und wohlangebracht erscheint, ist doch die Prasserei lange nicht inehr so groß wie vor etwa 1900 Jahren in Rom, wo die Mahlzeiten der Vornehmen Unsummen kosteten, wo auf den Tafeln Pfauen aus Samos, Kraniche aus Melos, Muscheln aus Chios nicht fehlen durften und die Eßlust auf unnatürliche Weise angeregt wurde. Die raffinirte Genußsucht hat heute andere Formen angenommen, aber sie zeigt trotzdem denselben Zug der Ueberreizung, der auf den einfachen und unverdorbenen Menschen einen anwidernden Eindruck macht. Daß das Essen und Trinken im Uebermaß nicht nur die Vermögensverhältnisse verschlechtert, sondern auch die Gesundheit zerstört und die Lebensdauer verkürzt, wird immer noch viel zu wenig beherzigt. Das jetzt lebende Geschlecht wäre allerdings kaum rin Stande so viel im Essen und Trinken zu leisten, wie die Altvordern im Mittelalter gethan haben, wo die Völlerei zuweilen aller Be schreibungen spottete. Unsere Zeit huldigt zumeist weniger groben Genüssen, wenn eS auch noch Leute genug giebt, die in Speise und Trank Unglaubliches leisten, dabei Hab und Gut, Kraft und Gesundheit verlieren. Die Opfer der Trunksucht sind trotz aller Mäßigkeits-Bestrebungen noch immer zahlreich genug. Die nachtheiligrn Folgen des Hangs zur Prasserei zeigen sich aber auch noch in anderer Weise, insbesondere in der rast losen Vergnügungssucht, die gerade in der Neuzeit such mHr, als das Uebermaß im Essen und Trink« bemMWr" wirb MM wahrhaft nervenzcrrüttend wirkt. Trotz aller Klagen über schlechte Zeiten und unzulänglichen Verdienst sind fast überall, besonders aber in den Großstädten, alle VergnügungSorte zahl reich besucht, oft sogar überfüllt. Immer glänzender werden diese Orte auSgestattet, immer mehr wird Gelegenheit zu kost spieligen Genüssen geboten, denen sich Viele gedankenlos hin- gel>en, ohne zu bedenken, daß sie den kurzen VergnügenSrausch niit harten Entbehrungen bezahlen müssen, wenn sie mit schwerem Kopf und leerer Börse nach Hause kehren. Nach übermäßig genossenen Freuden und Vergnügungen folgt eine tiefe Erschöpfung, welche den Menschen zur Arbeit und zur treuen Pflichterfüllung unfähig oder doch mindestens unlustig macht und ihn durch einen brennenden Durst nach neuen Genüssen quält. Fehlen zu diesen die Gelegenheit oder die Mittel, so entsteht im Gemüth eine tiefe Unzufriedenheit oder jener Zustand verbitterter Hoffnungslosigkeit, in dem so oft entsetzliche Selbstmord-Gedankeu keimen. Die traurige Flucht ans dem Leben ist weit seltener die Folge wirklicher Noth als des Widerwillens gegen ein entbehrungsreiches und freudenarmes Dasein voll strenger Pflichterfüllung. Jedem, verarbeitet, sind auch frohe ErholungsstundLn zu gönnen, nur der schädliche Aus wuchs, der den materiellen und sittlichen Untergang so vieler Menschen hcrbeiführt, sollte beseitigt werden. Dafür giebt es drei Mittel, erstens eine vernünftige Erziehung, welche die jungen Leute von dem Uebermaß der Zerstreuungen zurückhält, zweitens die möglichste Einschränkung der Gelegenheit zu kost spieligen Vergnügungen und drittens die Förderung harmloser und einfacher Freuden, an denen auch Minderbemittelte theil nehmen können. Zum Maßhalten im Vergnügen bedarf es vor Allem einer vernünftigen Erziehung, sonst wächst ein Geschlecht heran, daS sich in den Wahn hineinlebt, der Mensch sei auf Erden zu lauter Zeitvertreib, nur zum Vergnügen und zur Freude. Daß das Leben einen ernsteren Zweck hat, als „sich zu amüsiren", sollte früh gelehrt werden, damit man es nicht später durch trübe Lebenserfahrungen und harte Prüfungen zu lernen be kommt. Wie nöthig diese Lehre ist, das sieht man an so vielen Menschen, die immer etwas Neues und Schönes erleben möchten, etwas ganz Apartes genießen wollen und schließlich in den schlimmen Zustand der Ueberreizung gerathen, in dem nichts mehr gefällt, nichts mehr befriedigt. An dieser Krankheit leiden jüngere Leute häufiger als ältere, weil diese bereits durch das Leben nach und nach über die Nichtigkeit so vieler Zerstreuungen, über die Gefährlichkeit so mancher Genüsse belehrt worden sind. In unserer Gegend ist die Lebenshaltung aller Gesellschafts klassen mit geringen Ausnahmen immerhin eine verhältniß- mäßig bescheidene, aber es giebt Gegenden genug in Deutsch land, wo die jüngeren Leute keinen Sonntag vorübergehen lassen, ohne an einem bis spät in die Nacht dauernden Ver gnügen theilzunehmen. Da findet heute eine Fahnenweihe im Hcimathsort statt, am nächsten Sonntag ein Turnfest vier Stunden von der Heimath entfernt, in vierzehn Tagen ein Vcreinsausflug nach einem berühmten Denkmal, in drei Wochen die erste Kirchweihe, in vier ein Vergnügungszng nach der Landeshauptstadt: wer das Alles Sonntag um Sonntag mit macht, der muthet sich wahrlich noch mehr zu als ein Anderer, der sich durch alle Gänge einer reich besetzten Tafel ißt. Auch das hochentwickelte Vereinsleben bietet zuweilen Gelegenheit zu übermäßigem Genuß und zu Mißständen, die mehr oder minder grell zu Tage treten. Wie es damit an manchen Orten bestellt ist, ließ sich aus dem Briefe einer Hausfrau entnehmen, der kürzlich in einer Frauenzeitung veröffentlicht wurde. Darin hieß es: „Mögen unsere Männer ihren Vcreinspflichten als Schützen, als Turner und Sänger, als Staatsbürger, als ge meinnützige, hilfsbereite Glieder der menschlichen Gesellschaft und als in Fach und Beruf vorwärts strebende Bürger in allen Treuen gerecht werden, nach ihrer festen Ueberzeugung. Solches Vereinsleben an und für sich wird keine vernünftige Frau ihrem Manne zum Vorwurf machen. Eines aber läßt sich ernstlich fragen: Dient es etwa zum Wohle der Gesammtheit, zum Heile der Familie oder zur Vervollkommnung des Einzelnen, daß einer jeden Vereinssitzung eine obligate Kneiperei, ein nicht endendes Gelage nachfolgt?" Thatsächlich besteht das Heil für-die leibliche und geistige Gesundheit im vernünftigen Müßhalten, im richtigen Verhültniß zwischen Enthaltung und Genuß, zwischen Anstrengung und Ruhe. Deshalb ist aber auch Lie rastlose Jagd nach geistigen Genüssen verwerflich, jene vielverbreitete bedenkliche Hast, welche ein Sittenlehrer unserer Tage als das „ästhetische Prassen" be zeichnete. Man darf auch von der geistigen Nahrung nicht mehr zu sich nehmen, als man verdauen kann. Wie Viele giebt es aber, die alle neueren und neuesten schriftstellerischen Erzeug nisse mit einer Hast verschlingen, die jede innere Verarbeitung unmöglich macht, nur um in Gesellschaft sagen zu können, day ihnen das Neueste nicht unbekannt ist. Sie genießen K»mst- werke in solcher Zahl und so unmittelbar nach einander, daß Mdavon keinen inneren Gewinn, keine geistige Bereicherung Wdit» Kinnen. Sie machen Reisen, aber nicht mit bequemen Unterbrechungen, nicht mit längerem Aufenthalt an bedeuten deren Orten. Sie Hetzen sich mit dem Mischandbuch in der Hand förmlich ab und fliegen jetzt mit der Bahn, dann mit der Droschke von einer Stadt zur andern, von einer Sehenswürdig keit zur andern. Sie schauen Alle- nur flüchtig, wie der richtige Prasser, Vor viele feine Gerichte gestellt, von jedem nur etwas kostet. Sie wollen daher« an den langen Winterabenden erzählen, nicht was sie Alles gesehen haben, sondern nur, wie weit sie herumgekommen find. Ein solches Prassen schwächt und erschlaff», es verdirbt den Geschmack und macht endlich selbst gegen das Schönste und Edelste gleichgiltig. Bei geistigen wie bei körperlichen Genüssen erweist es sich, daß allzuviel ungesund ist, daß nur Der wahrhaft genießt und glücklich ist, der Maß zu halten versteht und auf Vergnügungen freiwillig zu ver zichten vermag, welche mit seinen Verhältnissen und, Pflichten sich nicht ohne Nachtheile vereinen lassen. Tagesschau. Freiberg, den 18. Oktober. An den Berliner Magistrat gelangte folgendes Handschreiben des deutsche« Kaisers: „Es ist mir angenehm gewesen, wahr zunehmen, wie während der Anwesenheit Seiner Majestät des Kaisers von Rußland die Ordnung in den Straßen vermöge des Entgegenkommens der Bevölkerung bei Ausführung der polizeilichen Anordnungen überall eine musterhafte gewesen ist, so daß ungeachtet des großen Verkehrs und der nothwendigcn polizeilichen Einschränkung desselben kein Unfall zu beklagen ist- Ich spreche dem Magistrat meiner Haupt- und Residenz stadt hierüber meine besondere Befriedigung aus. Berlin, 14. Oktober 1889. gez. Wilhelm, U. — Im engereu Kreise der deutschen Kaiserfamilie fand Mittwoch Abend im Neue« PalaiS zu Potsdam eine Vorfeier des Geburtstages der Kaiserin statt, welche sich bekanntlich am 22. d. M. bereits mit dem Kaiser zur Beiwohnung der Vermählungsfeierlichkeiten aus der Reise nach Athen befindet. Gestern Vormittag gegen 8 Uhr unter nahm der Kaiser zunächst einen längeren Spazierritt in die Umgegend des Neuen Palais. Von demselben zurückgekehrt, berieth der Kaiser alsdann von 10 Uhr ab längere Zeit mit dem Kriegsminister und arbeitete dann mit dem Generallteutenant von Hahnke. Mittags hatte der Monarch eine längere Konferenz mit dem Staatsminister von Bötticher. Um 12 Uhr 54 Min. kamen der Kaiser und die Kaiserin mit ihrer nächsten Um gebung von der Wildparkstation aus Mittels Sonderzuges vom Neuen PalaiS nach Berlin und begaben sich direkt in daS Palais der Kaiserin Friedrich. Demnächst verweilten der Kaiser und die Kaiserin noch einige Zeit im Berliner Schlosse und kehrten darauf nach Potsdam zurück. Abends 11 Uhr ge dachten der Kaiser und die Kaiserin alsdann über Magdeburg, Nürnberg, München, Kufstein rc. ihre Reise mittels Sonder zuges nach Verona, Mailand und Monza, Genua und Athen rc. anzutreten. Morgen Vormittag wird daS deittsche Kaiserpaar in Monza erwartet, wo der König von Italien die hohen Gäste ani Bahnhofe empfangen will. Für Sonntag ist eine Spazierfahrt auf dem Comosee inAussicht genommen. AmMontag soll Frühstück im Kgl. Schlosse zu Monza und Abends Hofkonzert stattfinden. — Die Abreise derKaiserinFriedrich und der Prinzessinnen Töchter nach Venedig und von da nach Athen wird morgen früh 8 Uhr 50 Minuten vom Anhalter Bahnhose in Berlin aus erfolgen In Leipzig wird erste Station gemacht, um das Gabelfrühstück einzunebmen. Dann soll die Reise über Hof nach Regensburg fortgesetzt werden, wo das Diner eingenommen wird. Am Sonntag früh langen die Herrschaften in Bozen an. Dann geht es weiter über Ala nach Verona, wo Mittags ge speist wird. Ankunft in Venedig Sonntag 3 Uhr Nachmittags. Vom Bahnhof direkt werden sich die hohen Herrschaften an Bord des Dampfers „Jmperatrix" begeben. Die Abfahrt von Venedig erfolgt 20. Oktober Abends, Ankunft in Korinth Freitag 25. Oktober früh, in Kalamaki Mittags, Landung im Piräeus Nachmittags. In Begleitung der Kaiserin Friedrich werden sich der Erbprinz und die Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen und ein zahlreiches Gefolge befinden. Der deutsche Bundesrath hat in seiner gestrigen Sitzung den Ausschußberichten, betr. die Gesetzentwürfe der Verwaltungen des ReichsheereS und der Marine zum ReichshaushaltS-Etat für 1890/91 zugestimmt. Den offiziösen „Berliner Politischen Nachrichten" zufolge beschloß der BundeSrath erhebliche Abände rungen des ReichshaushaltSetatS für 1890/91 bezüglich der Zolleinnahmen und der Verbrauchssteuern, als auch bezüglich der Ausgaben für die Heeresverwaltung. — Ueber die nächsten ReichstagSwahleu schreibt die „Nativnalliberole Korresp.": „Die letzten Wochen und Tage vor Eröffnung der Reichstags session werden von den Abgeordneten unserer Partei vielfach noch benutzt, um vor ihren Wählern Rechenschaft über ihr Ver halten im Reichstag während der abgelaufenen Sessionen ab zulegen und sich mit ihnen über die künftigen gesetzgeberischen Aufgaben zu besprechen. Aus verschiedenen Wahlkreise« Hane uns Berichte über solche in jüngster Zeit stattgehabte Ver sammlungen vor. Der Eindruck derselben ist durchweg em günstiger und ttitt allenthalben die Ueberzeugung hervor, daß es gelingen werde, die oft in heißem Kampf erstritteuen Mandate auch bei den nächsten Wahlen zu behaupt»«. Freilich wird überall auf die außerordentlichen Anstrengungen der Gegner hingewiesen upd den nativnalgesinnten und regierunnpfhelmd- lichen Parteien zur Pflicht gemacht auch ihrerseits früHeitßg um energisch an die Arbeit zu gehen und den höheren vateen lqndischen Interessen, soweit es, legend angeht, Partei unterschiede von geringerer Bedeutung unterzuordnen. Unter dieser Vor aussetzung dürfe man mit gutem Vertrauen auch tp «inen schweren Wahlkampf gehen. Mehrfach ist in den neuerdingtz abgchaltenen Wählerversammlnngen namentlich auch der be stimmten Erwartung Ausdruck gegeben worde«, die Reichstags- mehrh«t werde sich mit den Regierungen rasch Wer «ue dauernde Regelung der Sozialistenfrage verständigen. Der Wunsche diese Angelegenheit aus der Wahl- und Parteiagitatiou ausscheiden zu sehen, ist, selbst in „entschieden liberalen" Kreisen, ein ebenso tveitverbreiteter, als die Ueberzeugung, daß wir wirk samer Abwehrmittel gegen die sozialen Umsturzbeftrebungen zur Zeit noch nicht entbehren können. ES zeigt sickz. daß eS den oppositionellen Parteien an wirksamen Schlagwörtern und Agitationsmitteln sehr gebricht. Alles berechtigt zu gute« Hoff nungen für die bevorstehende Entscheidung." — Nach einer Meldung aus Bremen erhielt Konsul Meier an seine« 80. Ge burtstag von der nationalliberaben Fraktion eine kunstvolle, höchst anerkennende Adresse; unterzeichnet haben dieselbe die Abgeordneten v. Benda, v. Bennigsen, Hobrecht, v. Cuny, v. Marquardsen, Miquel, Hammacher und Oechelhausev. — Wie auSPosen berichtet wrrd, ist ein für Rußland bestimmter großer Pack sozialistischer, meist in Zürich gedruckter Schriften, uuweit Skalmierzyce durch preußische Grenzgendarmen beschlag nahmt worden. Zwei Schmuggler wurden verhaftet. — In München trafen gestern Vormittag 10 Uhr 20 Min. der König und die Königin von Dänemark nebst dem Großfürsten-Thron» folger von Rußland mittelst KourierzugeS ein. Der Großfürst- Thronfolger frühstückte im ASuiaSsaw« des Münchener Bahn hofes und trat um 10 Uhr 48Mm. di«Weiterreise nach Brindisi an. Die dänischen Herrschaften sind in dem Hotel „Zu den vier Jahreszeiten" abgvstiegon u«d beabsichtigen, am Freitag zu nächst nach Bologna weiter zu reisen, wo dieselben einen Tag zu verweilen gedenken. Der Kaiser von veftevrvtch empfing gestern Vormittag den «ngnvisth«» Ministerpräsidenten Tisza, der zu den ge meinsamen Minister-Konferenzen in Wien eingetroffen war. Unter dem Vorsitz des Gwfe« Kalnoky fand bereits gestern itt' der Wiener Hofburg eine Minister-Konferenz statt, woran außer de« gemeinsamen Ministern auch die österreichischen Minister Taaffe, Ialkenhayn und Schön, sowie die ungarischen Minister TiSza, Szapary und Szilagyi theilmchmen. Don Gegenstand der Be sprechung bildeten laufende Ressort-Angelegenheiten dringlicher Natur. Der Kaiser Franz Joseph begab sich gestern Abend zum Besuche der Kaiserin Elisabeth nach Meran. — Prinz Friedrich August von Sachsen ist gestern Vormittag in Wien eingetroffen und hat sich gestern Abend zum Besuch seiner Schwester, der Erzherzogin Maria Josephn, nach Reichenau, begeben. — Das Mitglied des österreichen Herrenhauses, Frei»