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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.12.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190812181
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19081218
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19081218
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-12
- Tag 1908-12-18
-
Monat
1908-12
-
Jahr
1908
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wt krt««r». piliM, LvedUrurn «d N»«atz»eIUlle^k»t« Piftämtrr» «» Dt, «tiqM« N*m»n k»N« w R«»«rn»» «d »eschiktSNel« 8»h«m>«--sl, 8. F«r»kr<ch«r! I4ML l4«0, I4«4. »er«s».Prei» -h L«t»P« » » «*r»N» »««» »8«« «st«, AM«»« ». «ni»h»»ArI«v «st,»h«>l, *»N: «n» »« d«»ttch<i, , ««11. Hern« Kalte a. WpMrrTagMM Handelszeitung Amtsblatt -es Rates und des Volizeiamtes der Lladt Leipzig. Anzeigen-Breit Na »««»alten, VKÜNk 2d 4, ftaan,t«L» Nnpi,,» 3t) «Hamen l «« «»IN 30 rrn»»« U!v Anserat, ». vetz-rd«n « a»tltchen r«L40^. Natla^ltNr S ^e ». lansend qkl. N»ft- «b»hr. «^»»ft—njet^n an b«»«««t»r »all, t» »riiie «»»kt. «ab.« «ch«rtf AasNrtH«, NnstrLa« Nnnea »ich, ,e»o«n ««da». S«r »a« Iteschetnaa an kifttnünt« »««« »»d Vt»en wir» kein, G«MNtt« üb«nm»men. «»»»i-en.»«-»««! 8, »et ILmtlichen giltalmi u. allen «nnöncen» EipedManen da» In» und Nu»la»dN. verlt«: T«rl Duncker, Herzog!. vayr. Hostuch- handlunz, LüjMlrat« 1Ü. (r-levdan VI, Rr. 4«3). »auvt-Stllale Lraldr»: Leeftraie 4,1 (leleyhon 4621). Nr. 3O. Freitag 18. Dezember 1908. 192. Jahrgang. Da» wichtigste. * Die -weite Deputation der Ersten Kammer beantragt, dem Stempelsteuergesetz in der von der Zweiten Kammer an genommenen Form -uznstimm en. * Die Zweite Kammer hat in Uebereinstimmung mit der Ersten Kammer am Donnerstag die Mittel für einen Seminar neubau in Bischofswerda noch bewilligt. sS. Sachs. Landtag.) * Der feierliche Schluß des Landtags ist nach einem ihm -»gegangenen Dekret auf den 22. Ianuar mittag- 1 Uhr festgesetzt. * Landtagsabgeordneter Dürr-Leipzig ist auS der konser ¬ vativen Fraktion der Zweiten Kammer auS geschieden. sS. DtschS. R.) * AuS Lissabon wird gemeldet: Der Ministerrat beschloß, dem König die Demisfion sämtlicher Sabinettsmitglieder zu unter- breiten. Dieser Beschluß wurde im Hinblick auf die politische Lage gefaßt. * Der „Köln. Ztg." wird auS Washington gemeldet, daß der russische Botschafter Baron Rosen seine Rückkehr be- schleunigt, wegen dergegenRußlandgerichteten Spitze, welche daS Uebereinkommen der Vereinigten Staaten mit Iapan enthält. * Am gestrigen Donnerstag ist das türkische Parlament in Gegenwart des Sultans eröffnet worden. In der Thronrede wird der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die schwebenden politischen Fragen eine friedliche Lösung finden werden. sS. Leitartikel u. Letzte Dep.) Aur Eröffnung -es türkischen Parlament». Die Eröffnung deS türkischen Parlament- legt die Frage nahe, ob eine Regenerierung der Türkei im Sinne der modernen ecktvpRfchslk Institutionen möglich sei. Die öffentlich« Meinung Europas hat diese Frage ziemlich leichtherzig in bejahendem Sinne be antwortet. Kenner d«S Orient- halten mit ihren Zweifel» nicht zurück. Bisher hat daS Komitee — was auch Fürst Bülow sagen möge — terro ristisch regiert. Die Einführung der Verfassung selbst kostete zwar nur wenig Menschenleben; später aber wußte daS Komitee seine Macht mit einer Energie zu stabilieren, die an die blutigen Vorbilder der großen französischen Revolution erinnerte. Ein Albanese hat einen Christen erschlagen: vierundzwanzig Stunden später wurde er aufgehängt. Ein anderer hat gestohlen: es wurde ihm die Hand abgehackt. Ein dritter wirb als Spion ertappt: eS wurden ihm beide Ohren abgeschnitten. So halten die Machthaber die notwendige Ruhe und Ordnung aufrecht. Auf die Dauer aber ist ein derartiges Regime unmöglich. Jetzt entsteht nun vor allem das Problem, wie die vielen Nationa litäten der Türkei „versöhnt" werden sollen.' Wenn man einen Blick auf Oesterreich wirft, wo doch die Nationalitäten im großen und ganzen auf einem weit höheren Kulturniveau stehen, so will eS fast als ein ver wegener Gedanke erscheinen, einem so bunt zusammengesetzten Parla ment die Macht in die Hände spielen zu wollen. Es ist nicht wahr- scheinlich, daß die wilden Arnautenhorden, die blutigen Kurden, die fanatischen Araber je freiwillig die Gleichberechtigung mit den Nicht muselmännern -«lassen werden. DaS neue Regiment wirb die ganze türkische Armee in eine blutige Guerilla, ja, in regelrechte Kriege ver wickeln müssen, um diese Volksstämme -um Verfassungsleben zu -Win- gen. Auch das ist fraglich, ob wegen der verschwindend kleinen Zahl der christlichen Abgeordneten die Griechen auf ihre „große Idee", die Konstantinopel zum Zentrum eines allgriechischen Reiches erheben möchte, die Bulgaren auf die Verwirklichung des San-Stefano-TraumeS und die Serben auf ihre grobserbischen Phantasien verzichten werden. In dem modernen türkische« Staate muß auch für die Christen die Militärpflicht eingeführt werden, und man wird ihnen daS Avancement doch wohl nicht verweigern können; werden die türkischen mohammeda nischen Soldaten daS Kommando der christlichen Offiziere dulden? In letzter Zeit ist -war offiziös erklärt worden, daß die Versöhnung der Nationalitäten und die demokratischen Prinzipien sich sehr wohl an dern Koran ableiten ließen. DaS ist sicher richtig, denn aus der Bibel, auS dem Talmud und auS alleu andere» grundlegenden religiösen Ge- setzbüchern läßt sich mit einiger AuSlegungSkuust alle- mögliche ab leiten. Tatsache aber ist, daß seit Jahrhunderten die Muselmänner im Sinne deS Koran- zu handeln glauben, wenn sie auf den Christen mit Verachtung als auf ein niedrigerstehendes Wesen hiuabblickea. Gewiß hörten alle Natioualitätenkämpfe bei der Verküudung der Verfassung wie mit einem Schlage auf; eS muß sich aber erst -eigen, ob die Worte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sich auch iu Zukunst als Zauber- Worte bewähren werden. Wir haben leider gesehen, daß die Einführung d«S allgemetuen Wahlrecht- die Nationalitätenkämpfe in Oesterreich nicht zu befchvichtigeu vermocht«. E» ist ferner nicht sehr wahrscheinlich, daß die Männer deS alten Regime-, die über Nacht gestürzt, verhaftet, geschröpft und dann wieder in Freiheit gesetzt worden find, daß die Tausende vou hohen Beamte» »ud Offiziere», die plötzlich au- glänzendem Reichtum in da- tiefste Elend gestoßen wurden, nicht den geringsten versuch ,« einer Gegen- revolutiou machen werden. Der Sultan mag «och so viele Bürgschaften für die Aufrichtigkeit seiuer Gesinnung gegeben habe«, und man wird sich doch nicht wnnder» dürfen, wen» er sich im stillen »ach der alten köstlich«, Zett -nrücksehut. Abdul Hamid ist ein seh, begabter, er fahrener und energifcher Man», dem da- Herrschen nnd Befehlen in Jahrzehnt« la«,« Regenteulaufbahn zur ,wetten Rat« gewordeu ist und heute ist « ein Gefangen« de- Komitee- und zur Marionette -erabgewürdigt. Schwerlich wird « diesen Zustand läng« «trage», al- « ihn irgend «tragen muß, und so muß man stet- damit rechnen, daß die nn-ufrteden«, Element« sich «ch einmal zu «in« Gegenaktion auftaffen werden. Aber auch von außen her entstehen Gefahren. Oesterreich und Rußland haben seit zweihundert Jahren systematisch auf die Teilung der europäischen Türkei hingearbeitet. Italien hat in Albanien eine außerordentlich rege Agitation eingeleitet, um daS östliche Ufer deS Adriatischen Meeres für sich zu sichern. Frankreich muß fürchten, in einer parlamentarisierten Türkei alle die vorteilhaften Konzessionen zu verlieren, die eS jetzt besitzt. England aber hat so viele muselmännische Untertanen, daß eine mächtige, modernisierte Türkei, welche doch natür lich die keimende panislamitische Bewegung kräftigen würde, eine Lebensgefahr für die Weltmacht Englands bilden müßte. Eine sieg- reiche Verfassungsbewegung in Aegypten würde für England schon überaus unbequem sein. Die europäischen Mächte haben mehr oder weniger rasch und geschickt gute Miene zum bösen Spiel gemacht, aber eine starke Türkei ist keiner einzigen — Deutschland ausgenommen — wirklich willkommen. Nur für Frankreich kann man noch mit dem Hinweis auf sein starkes finanzielles Engagement annehmen, daß ihm mindestens äugen- blicklich eine Schwächung der Türkei wider den Strich ginge. Die Reformarbeit, die in der Türkei zu leisten ist, ist riesen haft und bedarf zu ihrer Ausführung wenigstens eines Jahrzehnts. Ob Europa geduldig warten wird, bis die Türkei erstarkt ist, das kann dem objektiven Betrachter zweifelhaft erscheinen. Die Aktion des Herrn von Aehrenthal spricht gegen eine solche Annahme. Wir Haden hier vor allem diezenigen Erwägungen betont, die sich dem Gelingen deS ungeheuren Planes in den Weg stellen. Indessen ist selbstverständ lich nicht gesagt, daß er deswegen scheitern müßte. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg, und wenn in der Tat die gebildeten Klassen der Türkei von der Notwendigkeit einer durchgreifenden Reform überzeugt sind, so wird diese Reform sich gegen eine ganze Welt von Hemmungen durchsetzen. Für uns Westeuropäer ist es sehr schwierig, hierüber ein Urteil abzugeben, denn jeder Einblick in die Seele des Mohammedaners bleibt uns versagt. Männer, die lange im Orient gelebt haben, erklären immer wieder, daß es fast unmöglich für uns sei, unS in das Gefühls leben des Muselmannes hineinzudenken. DaS Ponderable, die Schwie rigkeiten, die sich erheben, können wir ganz genau abschätzen, aber wir sehen die Imponderabilien nicht gut genug, und vielleicht ist im türki schen Volk eine solche Fülle regenerativer Kraft vorhanden, daß selbst da- scheinbar Unmögliche möglich wird. * Die Eröffn»»gszeremonie. fSiche auch Letzte Depeschen.) Ueber die Feierlichkeit der Eröffnung des zweiten türkischen Parla ments wird auS Konstantinopel unterm 17. Dezember gemeldet: Die Eröffnung des ottomanischen Parlaments verlief ohne Zwischenfall. Eine tausendköpfige Menge füllte alle Zufahrtsstraßen. Um 12 Uhr versammelten sich die Abgeordneten im Sitzungssaals. Vor der Präsidententribüne nahmen die Minister, die staatlichen und geistlichen Würdenträger, zur Rechten das diplomatische Korps und »ur Linken die Senatoren Platz. Die Uniformen und bunten Talare bildeten ein far biges, eindrucksvolles Bild, aus dem sich die in ein weißes Gewand ge kleidete Gestalt des Scheich ül Islam abhob. Das diplomatische KorpS hatte sich in der englischen Botschaft versammelt und fuhr in eorxorv vor, Botschafter Frhr. v. Marschall als Doyen an der Spitze. Kurz nach 1 Uhr erschien der Sultan, geleitet von mehreren kaiserlichen Prinzen und von der Versammlung stehend in lautloser Stille empfan gen. Der erste Sekretär des Sultans verlas die Thronrede, die ihm der Großwesir überreichte. Nach der Verlesung wurde ein Gebet ge sprochen, während die Kriegsschiffe im Hafen Salut schossen, Musik ein setzte und die Menge in Jubelrufe ausbrach. Nach Beendigung des Gebetes sprach der Sultan mit kaum hörbarer Stimme einige Worte, worauf er den Saal verließ. Die ganze Zeremonie hatte kaum eine Viertelstunde gedauert. Der Sultan, der den Weg zu Wagen zurück- legte, wurde auf der Hin- und Rückfahrt von der Bevölkerung stürmisch begrüßt. Die Grüße des Sultaus. Ein zweites Telegramm aus Konstantinopel meldet hierzu: Nach Verlesung der Thronrede begab sich Äalib Pascha in die Diplo matenloge und überbrachte dem diplomatischen Korps die Grüße des Sult ans, der auf die Unterstützung der Großmächte bei der Neugestaltung der Türkei hoffe. Der deutsche Botschafter dankte namens des diplomatischen Korps und sagte den Verstand der Großmächte zu. Der türkische Senat. Di« Frkf. Ztg." meldet aus Konstantinopel: Vorgestern er- olgte die Ernenn nngderSenatoren. Di« Zahl derselben be- chränkt sich auf 42 anstatt auf 80, bis zu welcher Zahl die Verfassung »inaufzugehen gestattet. Der Senat setzt sich aus älteren Beamten und Generalen zusammen, die fast sämtlich unter dem alten Regime eine Rolle gespielt haben. O Ei« Attentat ans de« türkischen Thronfolger? Unterm 17. Dezember wird nnS aus Konstantinopel gemeldet: Am vergangenen Montag versuchten zwei Personen vom BoSporuS-Kai aus unter Benutzung einer Leiter in das Schlafzimmer de- Thronfolger- i« Palais einzndringen. Bon gut unterrichteter Seite wird behauptet, daß eS sich um den versuch eines Attentats bandelt, während der Polizeiminister behauptet, daß eS sich um einen Einbruchs- oder Diebstahlsversuch handelt, an dem vielleicht irgendein Diener des Valais beteiligt sei. Der Sohn deS Thronfolgers bemerkt« di« Eindringlinge, di« auf seine Hilferufe entflohen. Di« dontfch«« Diplomaten. Al- Herr von T'chirschky und Bögendorff noch die Spitze de- an geblich leistungsfähigsten Rerch-amt- zierte, beschwichtigte Füist Bülow die Über Unzulänglichkeiten im au«wärligen Dienst murrenden Volksvertreter Lorch die Auküudignna von Reformbestimmnngea. Di« näheren Dar- legnuge» über die Ziele dieser Reform ließeq aber auf sich warten, bi- Herr von Schön Ttchirschktzs Erbe angeireten batte. Wenngleich nach de« Urteil der Presse dm dürftigen Maßnahmen, zu deuen sich die Regienrry verstanden hatte, nnr bescheidnen Ansprüchen genügten, and infolge der Dehnbarkeit ihre- Charakters nur gering« bichrrveitea für einen durchgreifenden Wandel boten, zeigte sich di« Mehrheit de-Reichstag- be friedigt. Die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit haben indr- aucb die allzu leicht Lertraueudeu wieder auf die Seite der Zweifler getrieben, »nd »ter Anwendung stärkerer Akzente, vor all« Dingen aber auch mit gesteigerter verechti-mig, drang der Reich«-«- auf einen um fassenden Wandel in unserem auswärtigen Dienst. Nicht auf die stolze Ahnenreihe, nicht auf schicke Gewandung und tadellose Haltung, nicht auf da- goldstrotzende Portemonnaie darf e- bei den Vertretern deutscher LebenSintereffen im AuSIanve in erster Linie anlommen : wir brauchen für solcbe wicktige Posten lediglich Männer, die ihren Volksgenossen und in er höhtem Maße den Nationen, zn denen sie gesandt werden, Achtung vor ihrem persönlichen Können, vor ihrer Beschlagenheit in wirtschaftlichen Fragen adnöligen. UnS kann nicht mit Leuten gedient sein, die in der Pflege böfiicher Beziehungen ihre Hauptaufgabe erblicken, die sich auf verwickelte Kunststückchen einer listenreichen KabinettSpolitik etwas zugute tun, die sich im „Gotha" auskennen; sür un- sind Leute nötig, die der Verständi gung von Volk zu Volk die Wege ebnen, die mit kluger Vorsicht und gewandtem Sinn den Vorteil ihrer Nation zu wahren wissen, ohne die anderen Völker unnötig zu rri.en, die kraft ihrer geistigen Tüchtigkeit wirklich etwa« leisten können. Frankreich, England und die Vereinigten Staaten von Nord amerika haben in Bcrücksichtiguug dieirr Grunvlätze ihre Ver treter im Au-lande sorgsam auögewählt und sind dabei auf ihre Kosten gekommen. Unsere deutsche Industrie hätte sich nimmermehr zu ihrer achiunggebielenden Stellung auf dem Weltmärkte auftchw ngen lönncn, wenn sie znm Abschluß ihrer Geschäfte im AuSlande nicht Leute verwandt hätte, deren Fähigkeiten und Kenntnissen sie unbedingte- Ver trauen schenken konnte. Untere ReichSregierung lätte aber nur diesem Beispiele, da- sich im Jnlande für die wirtschaftlichen Unternehmungen, im AuSlande für die staatliche Vertretung überhaupt so ausgezeichnet bewährt hat, folgen zu brauchen; aber sie hat bisher scheinbar noch nicht die Kraft zum Bruche mir unhaltbaren Vorurteilen, mit überdauerten Anschauungen gesunden, denn unsere bedeutungsvollsten Auslandsposten sind nach wie vor den Kreisen deS hohen und höheren Adels voi be halten, und gelingt wirklich einmal einem seltnen Bürgerlichen der Wurf, in eine verantwortung-reiche Stelle einzurücken, dann wird dem Mangel an Stande-gemäßheit ratch durch „Erhebung" des Beförderten in den Adelstand wenigstens äußerlich abgeholfen. In 38 Staaten sind wir durch Gesandte oder Botschafter vertreten; davon sind nur vier Posten — und zwar die sehr beträcht lichen Gesandtschaften in Abessynien, Marokko, Peru und Persien — durch Diplomaten bürgerlicher Abkunft beietzt. Keine der wichtigen Botschaften ist dem Träger eines bürgerlichen Namen» anvertraut, und in den Nebenämtern der BotichastSräie, GesanLtsckafiS- räte usw. wird man überhaupt vergeblich nach bürgerlichen Namen suchen. Es ist dieser Tage in der „Frkf. Ztg." der rechnerische Nach weis gelirsert worden, daß ganze 4 Prozent unserer auswärtigen Ver tretung in bürgerlichen Händen liegt! Natürlich wissen wir genau, Laß auch Ler Adel Per sönlichkeiten aufzuweisen hat, die sich durch die gewünschten Eigenschaften au-zeichnen; aber die politiiche Geschichte des deutschen Volke- während der letzten zwanzig Jahre hat nicht den Be weis sür die Notwendigkeit einer derartig einseitigen Bevorzugung deS Adel erbracht; wir glauben im Gegenteil nicht auf sonderlich starken Wider spruch zu stoßen, wenn wir auf diese Ausschließlichkeit, die bei Besetzung unserer wichtigsten Posten durch Adelige beobachtet worden ist, einen guten Teil der Mißerfolge dieser letzten Jahre zurücksühren. An beweg lichen Klagen über dieieS Nebel hat eS nie gefehlt, und deshalb ist eS höchste Zeit, wenn mit der Blutausfrischuug in dem auswärtigen Dienst nun endlich einmal Ernst gemacht wird, wenn man au» dem Stadium langsamer Erwägungen ,n da» Stadium zielsicher« Handeln übergeht. Der Reichstag hat e- in der Hand, seinen zu diesem Thema oft, aber augenscheinlich nickt nachdrücklich genug geäußerten Wünschen bessere Geltung zu verschaffen; er wird sich den Dank des ganzen deutscken Volkes verdienen, wenn er sich zu einem kraftvollen Entschlüsse ansrafft. Der Ssterveichische Ministerpräsident über die Valkanlage. Wie«, 17. Dezember. (Telegramm.) Bei Beginn der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses beant wortete der Ministerpräsident die Interpellationen über die auswärtige Lage auf Grund der ihm vom Minister des Aeußern gemachten Mitteilung folgendermaßen: Die Regierung hat nach den ihr zukommenden Informationen keinen Grund, die europäische Lage besorgnis erregend zu betrachten. Die bestehenden Differenzen sind nicht derart, daß sie nicht auf dem Wege der diplomatischen Verhandlungen ausgeglichen werden könnten. Von einer Kriegsgefahr ans dem Balkan kann nur insofern gesprochen werden, als seitens Serbiens und Montenegros gewisse auf denKrieg gerichtete Maß nahmen getroffen wurden, die unS bisher indessen nicht veranlaßt haben, unsere ruhige, abwartende Haltung zu ändern. Die von unserer Kriegsverwaltung angeordneten militärischen Ver fügungen verfolgen lediglich den Zweck, die sehr schwachen Truppen bestände Bosniens und oer Herzegowina zu erhöhen und sie für den er höhten Garnisons- und Sicherheitsdienst zu befähigen, um die Be ruhigung der dortigen Bevölkerung sicherzustellen. Die Durchführung dieser sich in den engsten Grenzen haltenden Maßnahmen liefert den Beweis dafür, daß nur die notwendigsten Schutzvorkehrungen beabsichtigt sind, denen ein aggressiver Charakter gänzlich feru liegt. Was den auf tza- gegenwärtige Stadium des Boykott» österreichischer und ungarischer Schiffe und Waren in der Türkei be züglichen Punkt der Interpellation Klofac und Genossen betrifft, muß leider konstatiert werden, daß diese Bewegung trotz der seitens unseres Auswärtigen Amts in Konstantinopel zu wiederholten Malen erhobenen Vorstellungen und trotz der daraufhin mehrfach erfolgten Zusicherungen der Pforte noch keine Abschwächung erfahren hat. Die K. K. Regierung sah sich daher veranlaßt, in den allerletzten Tagen eine Note an die Pforte zu richten, in der unter Berufung auf die der Monarchie nach dem Handels- und Schiffahrtsvertrag mit der Türkei vom Jahre 1862 gewährleisteten Rechte verlangt wird, daß die Pforte all« in ihre« Macht stehenden Mittel zur Anwendung bringe, um die Löschungsarbeiten der österreichischen und ungarischen Schiffe zu machen, sowie dem ^er und ungarischer ote wurde die Pforte daß sie für den Fall, daß sie aus irgend- österreichisch schützen, der Konnivenz der Zollbehörden eine Ende zu ma, Publikum daS ungehinderte Betreten österreichisch Kaufläden zu ermöglichen. In der betreffenden No darauf aufmerksam gemacht, du» >>* ,»«» vr» vag nc »»» irgend welchem Grunde etwa nicht imstande wäre, die von der Türkei in dem vorerwähnten vertrage übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen, für den daran- erwachsenden Schaden haftbar gemacht würde. Nachdem die türkische Regierung darauf Erklärungen abgegeben hat, welche unserem Standpunkt Rechnung tragen, erscheint da» prinzipielle Einverständnis »wischen unS und der Türket in dieser Frage hergeftellt. Auf diese Weise wurde e- unS ermöglicht, auch die unterbrochenen Verhandlung«.:,
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