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Nummer 178 — 27. Jahrgang «rIAelni «mal wSihenll.mil den illusir. Gratisbeilagen .Die «eit' im» „Für untere «einen Leute', sowie den rertbellage» ,Et. Benno-Blatt'. .Unterhaltung und Wissen'. .Die Well der grau' .Aerzliicher Ratgeber'. .Dar gute Buch' .glimrund. schau'. Monatlicher Bezugspreis S Ml. einlchl. Bestellgeld. Auzeluummer l« F. Sonnabend- ». Soimtagnummer «V Hauvttchrlltlelter: Dr. (S. DeSczhk, Dresden. SüchlWe Sonnabend, den 4. August 1928 BerlagSort, Dresden j «uzeigenpreise, Die tgeipaltene Petit,-tle »« ^.gamille» «n,eigen u-Stellengetuche »»F. Die Petitretlamezell«. Minraj »reit. I -». gtlr «n,eigen außerhalb des Verbreitungsgebiet«» 4« 4. die P-tilreNan, ezeile I.!«»-«. Offertengeb.So ^. Im Fall« HSHerer Gewalt erlischt iede VervNichtung aus Lieferung sowl« Erfüllung v. Anzeigen-Autlrügen u. Leistung v. Schadenersatz^ -Seichiiitlichm Teil: »Irtnr Le«,. Dresden. sSeschäftSftell«, Druckn.Berlag: Germania. A..A iür Verlag und Dnickeret.FilialeDreSdeu.DreSdeu.A.t. Poliersirak« t7. Fen,ru-2IliI2. Vostlchecklonlo Dresden 7701 Banttonta Etadtban» Dresden Ar «N71!> Für chrtsNiche Politik und Kultur Redaktion der Sächsische» Bolkszeitung «den-Altsiadi 1 Polierstrahc >7. lternru- SMIi DreSdeiu und 7I0I2. A. S. A. und die chinesische ZMoheit Von Wilhelm Nenner. Als Chamberkain Ende September 1925 der englischen Delegation für die Pekinger Zollkonferenz seine letzten Richtlinien in Form einer hochpolitischen Rede mit auf den Weg gab, nannte der „Manchester Guardian" diese Rede eine „versäumte Gelegenheit". „Wir sind bereit, China aus halbem Wege entgegenzukommen," hieß es in dieser Rede. Jetzt ist es klar, daß das liberale Blatt recht hatte, und daß England die Versäumnis nicht hat wieder gutmachen können. Wie mit einem gewaltigen Ruck hat die Aktion der U. S. A. bezüglich der Souveränitätsrechte des neuen China den dunklen Vorhang beiseitegerissen, hinter dem seit mehr als 80 Jahren von wechselnden Mächtesyndikaten mit gleichbleibenden Methoden über das Schicksal eines Landes entschieden und dieses Land zugleich zum Objekt und Schau platz gegenseitiger Rivalitäten und Intrigen gemacht wu de, wobei es gleichgültig ist, welches die augenblicklichen politischen und kommerziellen Hintergründe der amerika- nisipen Aktion sein mögen. Im Hintergründe der so plötzlich den- grellen Rampenlicht der grossen Politik ausgesetzten chinesischen Bühne aber dämmert wie an einem gewaltigen Nundhorizont das Morgenrot der Entscheidung über das Schicksal einer Erdhälfte auf. Grund genug zu einem Versuch, leidenschaftslos und sachlich — soweit der Charakter des Geschehenen das zulätzt — die historischen Grundlagen und Entwicklungslinien aufzuzeigen, deren Ergebnis das bedrohliche Bild ist. Am Anfang steht das Grauen, das — man ist mit diesem Ausdruck in Uebereinstimmung mit Staatsmännern wie Gladstone: Verbrechen. England zwingt China zur weiteren Duldung des O p i u m l a st e rs. Wenn der sehr ehrenwerte Sir Frederick Whyte in seiner Uebersicht über die Geschichte der Fremdmächte in China behauptet, das; der erste englisch-chinesische Krieg nur etwa mit demselben Rechte Opiumkrieg genannt werde, wie wenn man etwa den Welt krieg als den Serajewokrieg bezeichnen wollte, so straft er selbst diese Behauptung einige Seiten weiter Lügen, wenn er sagt, daß dieser Krieg in der Tat „verursacht wurde durch einen Konflikt über die Frage des Opiumimportes" (von Britisch-Jndien nach China). Richtig ist allerdings, daß England sich der nun einmal gegebenen Gelegenheit be diente, um nicht nur sein indisches Opiumgeschäst in China zu sichern, sondern um — imFriedenvonNanking (1842) — zugleich auch noch die Abtretung Hongkongs, die Oeffnung der Häfen Kanton, Amoy, Flichau, Ningpo und Shanghai zu erzwingen. Ein Zusatzabkommen brachte 1843 England die Meistbegünstigung, ein Vorrecht, in dem ihm 1844 Frankreich und die Vereinigten Staaten, späterhin die anderen Fremdmächte folgten. Vis 1850 stieg der Opiumimport nach China (1800: 5000, 1820: 10 000, 1835: ca. 35 000 Kisten) bis auf mehr als 50 000 Kisten (1860: ca. 85 000), dazu trat die Zunahme europäischer Seeräubereien in chinesischen Gewässern, Ein fälle europäischer Sklavenhändler, immer brutalere Me thoden der europäischen Kaufleute in den Vertragshüfen — ein neuer Krieg brach aus, diesmal rvar es China, das gegen England und Frankreich aufstand und erst nach vier Jahren (1856—1860) niedergerungen werden konnte. 1858 schon glaubten die Mächte am Ziel zu sein, aber die Friedens- vedingungen, die sie China auferlegten (Vertrag von Tientsin), waren so ungeheuerlich, daß die Empörung noch einmal blutig ausbrach, zweijährige Kämpfe bei den Taku- forts, bei Tientsin und Peking (Zerstörung des Kaiser palastes) folgten, und dann traten die Tientsin- Verträge von 1858 und Zusatzverträge von 1800 in Kraft. Chinas Kraft war gebrochen: die Vorrechte der Fremden in China erhalten ihren verwaltungstechnischen Unterbau, das Unrecht der ungleichen Vertrüge wird legiti miert: die drei Grundpfeiler der territorialen Sonderrechte, des Exterritorialitätsprinzips und der Zollbevormundung sind seine Träger. Das System, dessen Werden im histori schen Zusammenhang — der fast immer den gleichen Ablauf zeigt — auf so engem Raum nicht darstellbar ist. bewährt sich. Aus den territorialen Konzessionen werden Settle - men t s, die immer mehr der chinesischen Souveränität ent zogen werden, Pachtgebiete werden auf „99" Jahre, teil weise auch nur auf 25, China entrissen. Niemand ist sich unklar darüber,,daß keine der Mächte die Pachtzeit vor dein St. Nimmerleinstag ablaufen lassen will. Noch einige Male begehrt China auf, aber jeder Krieg (mit Frankreich 1884-85, nrit Japan 1894-95, Boxeraufstand 1900-01) — vom Zaun gebrochen von fremden Mächten oder Erhebung gegen die Fremdherrschaft resp. gegen die korrupten Negie rungen, die die Fremden immer stärker Futz fassen liehen, verstrickt China tiefer in das Netz der Verträge. Immer kümmerlicker werden die Reste der Souveränität, immer »»»I Bedeutsame Reden beim Empfang des französischen Kultusministers Kerriot auf -er Pressa Die heutige Nummer enthält das S». Benno-Blatt, has Sonntagsblatt für die Diözese Meißen. Köln, 3. August. Der französische Unterrichtsminister Herriothat gestern als offizieller Vertreter der französischen Regierung die Pressa besichtigt. Die Besichtigung fand unter Führung des Oberbür germeisters von Köln Dr. Adenauer und des Ne'chskom- missars für die Presse Dr. Külz statt. — Am Abeud wurde im Gürzenich ein Empfang durch die Stadt veranstaltet. Oberbürgermeister Dr. Adenauer dankte Herriot für sein Erscheinen. Der Besuch Herriots hänge nicht zusammen mit den akuten Fragen der Politik. Trotzdem ist er. so fuhr Dr. Adenauer fort, von politischer Bedeutung. Ich bin kein Diplomat und kein Ncgierungsvcrtrcter Ich bin ein freier Bürger, ich kann daher frei und offen sprechen Wir haben Furchtbares erlebt. Wir haben gesehen, welches Geschick der Menschheit droht, wenn die Mittel einer fortgeschrittenen Technik, wenn die Menschenmassen unserer Zeit, wenn die Organisationsfähigkeit unseres Zeitalters zu Zwecken der Ver nichtung gebraucht wind. Das alte Europa liegt in Trümmern. w>r stehen an der Schwelle eines neuen Zeitalters, einer neuen Epoche der Menschheit. Dieses neue Zeitalter kann ein besseres werden und muh ein besseres werden, wenn die Gutgesinnten aus allen Ländern es wollen und dafür arbeiten, in der sicheren Ueberzeugung. das, der Gedanke des Frieden- und der Verstän digung siegen musi. wenn nicht Europa untergeben soll. Die Gedanken der Aechtung des Krieges, der Abrüstung, der Ver ständigung, der friedlichen Beilegung aller Streitpunkte, der Sammlung aller Völker in einer Gesellschaft gleichberechtigter Mitglieder marschieren, wenn auch zunächst langsam. Trotz mancher grohen und tiefen Enttäuschung glaubt mit verschwin denden Ausnahmen ganz Deutschland, dah dieser Weg der ein zige ist. der zur Wohlfahrt aller Völker in EnroM und auch zur Wohlfahrt unseres eigenen Landes führt. Die Presse aller Länder hat die Führerrolle auf diesem Wege. Zwischen Len Völkern Euro;x>s lagert eine Wolke von Mißtrauen, die zerstreut werden muh. Nicht böser Wille, sondern Unkenntnis, auf dieser Unkenntnis beruhendes Miß trauen hervorgerufene Furcht sind die größten Feinde einer Verständigung. Von einem verschwindend kleinen einflußlosen Bruchteil abgesehen, sind die weit, weit überwiegende Mehrzahl der Franzosen und der Deutschen friedliebende, ehrliche, zuver lässige Menschen. Nun denn, es wäre eine Tragik ohnegleichen, sin namenloses Unglück für unsere Völker, für Europa und die Menschheit, wenn diese beiden Völker, die Nachbarn sind, die sich in vielem gleichen, in vielem vortrefflich ergänzen, die aus wirt schaftlichem Gebiete keine Konkurrenten zu sein brauchen, die beide tapfer, treu und zuverlässig sind, nicht den Weg zueinan der, die Brücke, die sie miteinander verbindet, finden würden. Lernen wir einander kennen, glauben wir einander, ver trauen wir einander. Das ist der Weg zum Frieden, nicht zu einem Frieden, der auf Waffen und Heeren beruht und der da her niemals sicher ist. fondern zu einem wahrhaften und dauer haften. auf Vertrauen, auf Gemeinschaftlichkeit der Interessen, auf Menschlichkeit und Gerechtigkeit beruhenden Frieden. Frankreich hat die Möglichkeit, das Herz Deutschlands zu ge winnen, gebe Gott, daß es sie nütze. Nelchskonimissar Dr. Külz begrüßte den französischen Unterrichtsminister im Namen der Reichsregierung. Daß wir vom nationalen Siandpunktz aus stolz aus die große internationale Presseausstellung seien, werde niemand so sehr nachfühlen wie Herriot. von dem das schöne Wort stammt: „International kann nur wirken, wer zu nächst national fühlt." Wir leben gegenwärtig in einer Periode der größten Auseinandersetzungen in der Welt auf allen ble- bieten des menschlichen Gemeinschaftslebens. Die Schicksals frage ist dabei die, ob es gelingen wird, diese Auseinander setzungen. die sich im Zusammenleben der Völker „atn'-'eniäß ergeben, losznlösen von der Methode der mechanischen und phnsischen Gewalt und sie überleiten in eine Atmosphäre fried licher Verständigung. ..Für den Frieden kann nur wirken, wer innerlich fried lich gestimmt ist." Auch dieses wahre Wort stammt von Herriot. Ich wünsche, so fuhr der Redner ?ort, ansrichtig, daß seine An wesenheit bei uns ihn überzeugt, daß dieses Wort für uns zu trifft. und daß sich g„ch die Gesamtßeit des französischen Volkes von dieser Ueberzeugung erfüllen lallen möge. Die spontanen Aoußernnaen des deutschen Volkstums und deutschen Kulturwillons. wie sie sich ans dem deutsche» Sänger- fest in Wien und aus dem deutschen Turnsest in Köln gezeigt haben, hoben nichts Aggressives gegen andere Völker und Acha ten. im Gegenteil, auch sie stehen o-mmi so wie Pie Ausstellung im Dienste der friedlichen Menschheitsentwichlunn in, Dienste nationaler Strömungen. Die innerste Seele des deutschen Volkes gehört dem Frie- den. Größer noch als aller kriegerischer Ruhm bleibt vor dem Richterstuhl der Menschheit und der Gottheit der Dienst am Frieden. Selbst Napoleon bekannte auf St. Helena: .Es gibt zwei Gewalten in der Welt, das Schwort und die Idee, die Idee, aber hat sich immer noch als stärkere erwiesen. „Die große und beherrschende Idee der Zukunst bleibt: Friede auf Erden." Minister Herriot dankte sllr die herzlichen Worte der Begrüßung. Frankreich habe der Kundgebung nicht rernbleiben können, deren Zweck sei. die Beziehungen der Völker aktiver und wirksamer zu gestalten. Mit tiefer Bewegnng habe er die Warte des Ver treters der Reichsregierung vernommen, die den Friedenswillen des deutschen Volkes betonten Die Völker wollen den Frieden. Mit Dankbarkeit werden sic sie Männer begrüße», gleichviel, welcher Nationalität, die ihnen endlich Rübe brinoen. Ruhe für ihre Arbeit und dos Leben ihrer Kinder. Ihnen, meine Zerren, kan» ich die Versicherung geben, daß das revubtiknnilchr Frank reich von der Notwendigkeit einer stabilen Oraani'allan Euro pas und der Well durchdrungen ist. Es Kot im Laille der Feiten selbst zu sebr gelitten, »in nicht ni wünschen, daß der Wett bewerb der Nationen sich iin friedlichen Eifer aus Wirtschaft und Wirtschaftsleben konzentrieren möge. lFortsetzung nächste Seiten schwächer die Position der Regierung, in unabsehbare Ferne rückt der Augenblick, in dem die Mächte China feine Rechte wiedcrzugeben sich immer aufs neue verpflichten: der der Wiederherstellung, einer effektiven Zentralgewalt mit modernen Methoden. — Woher diese Wirkung? Wären die Folgen nicht so schwer gewesen, so mützte man der Jnstinktsicherheit und dem wirtschaftlichen Weit blick grenzenlose Bewunderung zollen, womit England be reits 1842 begann, an der Kette zu schmieden, in die später hin die Mächtesyndikate Chinas Wirtschaftsleben legten: dasSystemderZotlbevormunoung. Prmzlplcu ist die Handhebung dieses Systems bis zur Zeit der Er hebung Kantons — in den wichtigsten Teilen Chinas bis heute — die gleiche geblieben, von einigen unerheblichen Modifizierungen zugunsten Chinas und zahlreichen sehr erheblichen, aus dem Schwanken von Marktpreisen und Gold- resp. Silberwert automatisch sich ergebenden Ver schiebungen zuungunsten Chinas abgesehen. Die Seezoll- verwaltungcn der Fremdmächte — mit einem zu ca. 50 Proz. englischem Personal in den leitenden Stellungen — erheben auf alle nach China eingeführten und von dort ausgeführten Waren einen Zoll von 5 Prozent des Wertes. Durch die eben angedeuteten Verschiebungen fiel der wirk liche Wert der erhobenen Zölle zeitweise ans 2(4—3 Pro zent, eine Entwicklung, der — wie man sehen wird — die fremden Finanzdiktatoren keinerlei Ursache hatten, ent gegenzuwirken. Dazu traten später für die Importe nach China 2(4 Prozent Binnenzoll, wofür diese Waren von der Erhebung des „Likin" (chines. Binnenzoll) auf ihrem weiteren Weg durch China frei bleiben. Die Folgen dieser Ordnung der Dinge: der riesige chinesische Absatzmarkt wurde ein Dorado für den Export der Fremdmäckte. die ibre Vre««« geaen iaalicke Ilrnvorte aus jeglicher Richtung nach Belieben u»o Bedarf offnen ober sperren. So liegt auf dem chinesischen Tee in England ein Einfuhrzoll von ca. 25 Prozent, auf chinesischer Seide in Japan ein solcher von 30 Prozent, in U. S. A. desgleichen steigend bis 60 Prozent, auf chinesischem Tabak in Japan 350 Prozent. China mutz Waren, die es dringend braucht und gern zollfrei entlassen würde, um 5 Prozent höher be zahlen, kann andererseits seiner Industrie über jene 5 Pro zent hinaus keinen Schutz angedeihen lassen. Außerdem stehen nach der sehr zuverlässigen Statistik des Professors der Pekinger Reichsuniversität Ma Pin-to der chinesischen Jnlandsproduktion resp. ihrer Verwertung im Vergleich zu den erwähnten 2(4 Prozent Binnenzollablösnng für Waren ausländischer Herkunft, Binnenzölle von 26—27 Pro zent gegenüber. Man könnte einwenden, daß dieses Likin-System — es gibt in China nicht weniger als 735 Erhebungsstellen für diese Binnenzölle — resp. seine Abschaffung eine'rein interne Angelegenheit Chinas sei. Das märe sie thoretifch in der Tat, allein mit dieser Frage hängt aufs engste die nach dem Verbleib der Erträge der Seezoll verwaltung zusammen. Diese Einkünfte dienen erstens zur Bestreitung der Unkosten der Seezoll- verwaltung. die sich aus annähernd 50 Seezollämtern mit ca. anderthalbtausend leitenden europäische» Beamten und mehr als 6000 chinesischen Angestellten znsaminensetzt, zweitens dem Zinsendienst für die ausländischen A n - leihen, deren Gesamthöhe auf etwa 3,26 Milliarden NM. zu beziffern ist, drittens und also erst in letzter Linie den Bedürfnissen der chinesischen Regierung, der der ver bleibende Rest zuflietzt. Daraus erklärt sich nun leicht, war um den Fremdmächten jegliche Zollerhöhung unerwünscht ist, die den Ertrag der Seerölle über die iür die Beiriedi-