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Venedig scheint er nur selten verlassen zu haben, freilich ist seine Biographie so gut wie unbekannt. Bis 1740 komponierte er etwa 50 Opern, von denen jedoch kaum etwas erhalten ist. Seine Bedeutung für unsere Zeit liegt in der Fülle seiner Instrumentalkompositionen (Sinfonien, Konzerte, Triosonaten, Violinsona- ten). Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in völliger Zurückgezogenheit, zuletzt zwei Jahre ans Bett gefesselt. Daß Johann Sebastian Bach Albinonische Themen bearbeitete und seinen Schülern Generalbässe zu Albinonischen Werken aussetzen ließ, zeigt die Wertschätzung, deren er sich erfreute. Albinonis Opus 7 erschien 1715 in Amsterdam. Es umfaßt vier Orchesterkonzerte, vier Konzerte für e'ne Oboe und vier Konzerte fü zwei Oboen. In unserem heu tigen Programm erklingt aus dieser Werkgruppe — von der Solotrompete ausge führt, was bei der Großzügigkeit der alten Aufführungspraxis kein ungewöhn licher Vorgang ist - das dreisätzige Konzert B - D u r o p. 7 Nr. 3. Es macht deutlich, daß die kraftvolle, ausdrucksgeladene Tonsprache Albinonis, seine leb haft gegliederte Konzertform Wesensverwandtes in Bach berührt haben muß. Dem französischen Komponisten Albert Roussel, Lehrer u. a. von Eric Satie und Bohuslav Martinü und Anreger zahlreicher namhafter Komponisten des 20. Jh., ist eine Bedeutung zuzumessen, die der von Maurice Ravel gleich kommt; bedauerlicherweise ist sein vielschichtiges, substanzreiches Oeuvre bei uns viel zu wenig bekannt. A. Hoeree analysierte die künstlerische Persönlich keit Roussels folgendermaßen: „Von der flandrischen Seite stammen Innigkeit und Neigung zur Träumerei, das ungezügelte Temperament, die Tanzrhythmen. Frankreich gab ihm die Klarheit, Mäßigung und jene verschleierte Zärtlichkeit, die unter einer lächelnden Oberfläche eine starke Sensibilität verbirgt." Rous sel war zunächst für die Laufbahn eines Marineoffiziers bestimmt, nahm jedoch — nach Schiffsreisen auf dem Atlantik, dem Indischen Ozean usw. - 1894 seinen Abschied und widmete sich ausschließlich der Musik, auch weiterhin seine Orient studien (bei mehrmonatigem Aufenthalt in Indien und Kambodscha z. B.) als Privatreisender fortsetzend. Er studierte bei E. Gigout sowie bei Vincent d'lndy an der Pariser Schola cantorum, wo er selbst von 1902 bis 1914 als Professor für Kontrapunkt wirkte. Die künstlerische Entwicklung Roussels verlief in drei Phasen: über die erste Periode (1898—1913), der das heute aufgeführte Werk entstammt, äußerte der Komponist, daß sie „neben einigen persönlichen Akzenten einen schwachen Einfluß Debussys, vor allem aber das Ringen um die solide, bei d'lndy erwor bene Satzkunst" zeige. Angeregt durch die damalige Mode, gesellschaftliche Erscheinungen auf das Tierreich zu projizieren (man denke an Maeterlincks „Leben der Bienen"), komponierte Roussel 1912 das Tierballett „Le festin de l'a raignee" (Das Festmahl der Spinne), das 1913 am Theätre des Arts in Paris uraufgeführt wurde und den Ruhm des Komponisten begründete. Die aus diesem Werk zusammengestellte Sinfonische Suite op. 17 „folgt nicht dem Ablauf der Handlung, sondern vereint die wichtigsten musikalisch thematischen Abschnitte. Das Prelude soll uns in das natürliche Milieu der han delnden Personen jener Ballettpantomime einführen. Es malt den Zauber des scheibar reglosen, heiter ruhenden Gartens. Man glaubt den Duft der Blüten einzuatmen, wenn die wiegende, schwebende Flötenkantilene einsetzt. Eine seltsam beklemmende Mischung aus trippelndem Gnomenaufzug und drohen dem militärischem Parademarsch stellt den Auftritt der Ameisen vor: In staunens werter Disziplin defilieren die Insektenregimenter am Hörer vorbei. Unheilvolle Akkorde lassen das Grausam-Unerbittliche im Daseinskampf der Tierwelt nicht vergessen. Dann setzt der freude- und lichttrunkene Tanz des Schmetterlings ein, dessen Übermut schließlich im Spinnennetz endet. Zuletzt lernen wir die Eintagsfliege kennen. Ihre Geburt wird mit mysteriösen Klängen untermalt; dann schwingt sich das Tierchen zu sorglosem Reigen auf, denn sein kurzes Leben will es ungetrübt genießen. So fällt dieser Walzer denn auch ein wenig über spannt, fiebrig aus. Es naht das Unvermeidliche! Die Fliege hat ihre Kräfte ver braucht, sie bricht zusammen. Ihr zu Ehren und Gedenken erklingt ein Trauer marsch, in dem das einst so beschwingte Thema als bewegende Klage zu Herzen geht" (Chr. Rüger). Die Suite wurde schon bald ein internationaler Erfolg und hat größere Lebensfähigkeit bewiesen als das Ballett selbst. Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfnie D-Dur KV 385 (Haffner- Sinfonie) - nicht zu verwechseln mit der sechs Jahre früher geschriebenen Haffner-Serenade KV 250 - entstand aus einer zweiten Serenade, die der Kom ponist im Sommer des Jahres 1782 auf Wunsch seines Vaters für die befreundete Salzburger Familie Haffner schuf, und zwar diesmal zur Feier der Nobilitierung (Erhebung in den Adelsstand) des gleichnamigen Sohnes des Salzburger Bürger meisters Sigmund Haffner. Mozart komponierte das Werk Ende Juli und Anfang August in größter Eile während dringender Nacharbeiten zu seiner im Juli urauf geführten Oper „Die Entführung aus dem Serail". Als ihm Leopold Mozart die Festmusik im Februar des folgenden Jahres zurückschickte, konnte sich der Sohn bereits gar nicht mehr an diese Komposition erinnern: „Die Neue Haffner Sin fonie hat mich ganz surpreniert — denn ich wußte kein Wort mehr davon; — die muß gewis guten Effect machen", äußerte er in einem Brief an den Vater vom 15. Fe bruar 1783. Wir kennen das liebenswürdige Werk, zu dem ursprünglich noch ein am Anfang und Schluß erklingender Marsch und ein wohl verlorengegangenes zweites Menuett gehörten, heute nur noch in der Form als viersätzige Sinfonie, in der es der Komponist — unter Hinzufügung von Flöten und Klarinetten in den Ecksätzen — am 23. Februar 1783 in einer seiner Akademien in Wien aufführen ließ. „Recht feurig gehen" muß nach Mozarts Angabe das Einleitungs-Allegro, dessen Verlauf fast ausschließlich von dem unisono einsetzenden, durch seine kühnen Sprünge sehr charakteristischen Kopfthema bestimmt wird. Dieses rhythmisch prägnante, mit seinem Umfang von über zwei Oktaven erstaunlich weit aus holende Thema, in seiner Anlage etwas betont prunkvoll und leicht theatralisch, wird in dem reich gearbeiteten Satz mit ungewöhnlicher kontrapunktischer Kunst durchgeführt. — Anmutig gibt sich das liebliche, melodisch schlichte Andante. Es folgt ein festliches, kraftvolles Menuett mit einem wirksam kontrastierenden, gra ziösen Trio-Teil, das der Mozart-Forscher Alfred Einstein als den hervorragend sten Satz der Komposition bezeichnete und bereits mit dem Menuett de' berühm ten späten Es-Dur-Sinfonie KV 543 von 1788 verglich. — Das schwungvolle Finale, ein Presto-Satz in Verbindung von Sonaten- und Rondo-Form (nach Mozart „so geschwind, als es möglich ist" auszuführen), besitzt wie der erste Satz teilweise ein wenig opernhafte Züge. Das hübsche Hauptthema des Finalsatzes zeigt Ver wandtschaft mit der Osmin-Arie „Ha, wie will ich triumphieren" aus der „Ent führung", so die Entstehung der Sinfonie im gedanklichen Umkreis dieser Oper demonstrierend. VORANKÜNDIGUNG: Mittwoch, den 24. Januar 1979, 20.00 Uhr, Freiverkauf Donnerstag, den 25. Januar 1979, 20.00 Uhr, AK (J) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 4. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Peter Schreier, Dresden/Berlin Solist: Theo Adam, Dresden/Berlin, Baß Chor: Philharmonischer Kammerchor Einstudierung: Herwig Saffert Werke von Händel, Bach und Schumann •Inillnamnonie^ 3. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1978/79 Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit: 1978/79 - Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck; GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 3 T. ItG 009-72-78 EVP 0,25 M