Volltext Seite (XML)
66. Jahr,«». 276 Frei«»,. 1«. Imri 1«r Segründel 1836 g»rnlpr»<d»r- Samm»lium>m»r 20 2ck1 Alur ftr «achtgckprilck«: 20011. Bezugs-Gebühr LV»W?°° Dt» I jpaUige 32 mm dr«U» 5«U» 7,— Nr, audrrhalb Sachlea» S,— «. FomtUen. anzckaen, Angela»» »n>«reieU»n. und W°,,»u»k,smardl. NvaUig» S1». und Der» Änzetgen-Preiie. KLuI.- di« 5»il»s.- M. Vor,ugsplS^e lau, Taril. AuowSrtt^e Aufträge gegen Dvrau-deznhlung. - - lg- A Sonntaguaiwgad» 2.— M. SchrtWeftung und l^nptgetchftsl,»^ »«rtenarntz, SS/ck0. Druck u. Bering von Nr»1ch » Betchnrdt >n D, Poftscheck-Konlo 1VSS Dr»»-»«. Nachdruck nur mft deuUIcher Quellenangad« ,„Dresdner Nachr."! »ulüftlg. - Unverlangte Schrtststvcke werden nicht ousdewrchri. Rtftg- jkatz« 14 Vornehmes Restaurant HonMsei Ilmberg prsgvr Slrsve 10 Lis ^isgsIrLliks öi^Mn Neue Regierungskrise in Sachsen. Die Kommunisten in -er Opposition. K» der Donnerstag-Sitzung des sächsischen Land tages wnrde das Kapitel 48 sPolizciämtcrj, mit Ausnahme des Kapitels Beiträge der s«hs Großstädte mit iS gegen 38 Stimmen abgelehnt. Gegen den Polizei- Etat stimmten außer den bürgerlichen Abgcord, neteu die Kommunisten, so dast die beiden sozialisti sche» Regierungsparteien in der Minderheit bliebe«. Be kanntlich ist seinerzeit anch der Justiz-Etat abgelehut worden. (Der Bericht über die LanLtagssttzuug befindet sich auf Seite 8.) * Ginge eS bei der gegenwärtigen sächsischen Negierung nur ein klein wenig nach Vernunft und politischem Feingefühl, dann müßte sie sich sagen, daß nunmehr ihre Stunde un wetgerlich gekommen wäre und daß sic auch nicht einen Augenblick länger auf dem Posten ausharreu dürfte, den Ke solange im Widerspruch mit den elementarsten Grund sätzen der Demokratie und des Parlamentarismus inne. gehabt hat. Es gehen aber Gerüchte um, daß sie auch jetzt »och nicht die einzig mögliche Folgerung aus der gänzlich verfahrenen Lage ziehen, sondern weiter am Amte kleben wolle, um den süßen Genuß der Macht bis zum allerletzten Tropfen auszukosten. Zu dem Zwecke, heißt es, wolle dir Regierung erst »och die Abstimmung über den Gesamtetar abwarten, und selbst dann, wenn dieser abgelehnt werde, wolle sie noch nicht von der Bildfläche verschwinden, sondern es mit einer Umbildung der Negierung auf der Grundlage einer Koalition mit den Bürgerlichen versuchen. Es ist für bürgerliche Begriffe schwer faßlich, wie eine solche unglaubliche Hartnäckigkeit beim Anklammern an die Regterungskrippe möglich sein kann. Freilich mutz man be denken, daß ja die ganze Lage der Negierung von Anfang an mit ihrer Abhängigkeit von den Kommunisten, ihrem ewigen Einberhumpeln auf kommunistischen Krücken eine «rdaueruüe Verleugnung der eigenen Würde voraussetzte, und es kann daher nicht wundernehmen, wenn jetzt auch der Abgang der Regierung sich nicht in Formen vollzieht, die von der bisher gewohnten Art des Verhaltens der leitenden Männer aüweicheu. Hätten die Mehrheitssozia- listeu und die Unabhängigen gegenüber den Kommunisten auch nur noch das geringste bißchen Mark tu den Knochen gehabt, so hätte sie zn den vier Forderungen — Amnestie, Verbot der Technischen Nothilfe, Entmilitarisierung der Polizei und Heranziehung der Bctriebsvollversammlungeu zur Gesetzgebung — ein glattes Nein sagen müssen. Statt dessen haben sie gefeilscht bis znm äußersten und sind den Kommunisten in den drei ersten Punkten weit eutgegen- gekommen, während sie allein den letzten, der zwingenden Not der Verhältnisse gehorchend, nicht dem eigene« Triebe, ablehneu mußte». Geholfen lzat ihnen auch dieses letzte Opfer der eigenen Selbständigkeit nichts. Die Kommunisten haben den Polizei-Etat abgelehnt, und es hat sie sehr gleich gültig gelassen, daß deswegen in der mehrheitssoziallstilchen und der unabhängigen Presse bereits vorher in Voraussicht, daß eS so kommen werde, alle Register des Zornes über das „verräterische Spiel mit den Arbeiter - Interessen" ge zogen worden sind. Arbeiter-Interessen! Wie wird der Begriff in der Sprache der Partcipolitik verdreht Md verschandelt! Es pfeifen doch die Spatzen von den Dächern, daß gerade die wahren Arbeiter-Interessen cs sind, die bei der ganzen sozialistischen Macht- und Zweck politik unter den Schlitten geraten. Die Haltung der Bürgerlichen wurde von dem vvlks- parteilichen Abgeordneten Blüher dahin gekennzeichnet, daß sie das Kapitel über die Polizei nicht aus Gegnerschaft gegen diese, sondern deshalb ablehnten, weil es das geeignete In strument sei, um der gegenwärtigen Regierung zu zeigen, daß ihre Politik am Ende sei. Das ist die Wahrheit und ein Ende muß nun werden mit dem jetzigen unhaltbaren Zu stand um jeden Preis. Tritt die Regierung freiwillig zurück und löst sich der Landtag aus, so ist das die einfachste und natürlichste Lösung, die dem parlamentarischen Branche entsprechen würde. Airdernfalls gel>e das Volksbegehren seinen Gang und Regierung und Landtag werden durch den Willen des Volkes gezwungen, das zu tun. was sie in Ver kennung ihrer moralischen Pflicht und im Widerspruch mit dem Geiste des Parlamentarismus längst aus süß selbst heraus hätten tun müssen. Die Eröffnung der Haager Vorkonferenz. Der holländische Auhenminisrer Vorsitzender Haag, IS. Juni. Anläßlich der heutigen Eröffnung der Haager Konferenz begrüßte der Minister des Aeußcren van Sarnebeck die Teilnehmer im Namen der niederländi schen Regierung mit einer Ansprache, in der er das Ziel der Konferenz in Erinnerung brachte. Die niederländische Re gierung habe den Vorschlag angenommen, die in Genua nicht entschiedenen Probleme vorzuberaten. Sie sei der Meinung, daß es sehr vorteilhaft sein könnte, aufs neue zu versuchen, das Problem der Wicderaufrichtung Rußlands und des Wiederaufbaues des Friedens auf einer gemeinsamen ttzrundlage zu lösen. Die niederländische Regierung be trachte cs als ihre Pflicht, sich ihrer Tradition getreu mit allen Mitteln in den Dienst dieser Sache zu stellen. Der Minister wies auf die Schwierigkeiten hin, die sich aus den tiefgehenden Unterschieden in den Prinzipien und Methoden Soitzjctrnßlands und denen Ser Verwaltungen der übrigen Staaten ergeben, sowie darauf, daß daS in Rußland herrschende System den wirtschaftlichen Wiederaufbau dieses Landes zu hindern scheine. Nach der bedeutungsvollen Konferenz von Genua sei eine neue Periode cingctreten, in der es darauf ankvmme, die grund legenden Tatsachen zn sammeln und den Versuch zu machen, sie zu studieren und zu gliedern. Der Weg zur ruhigen Ueberlegung sei geöffnet. Der Minister schloß mit einem herzlichen Willkommen. Die Versammlung wählte darauf »an Sarnebeek einstimmig zum Vorsitzenden der Vorkonferenz. England gegen die Terrorisierung der Konferenz. London, 1ö. Juni. In unterrichteten politischen Kreisen wird versichert, daß die Haager Konferenz nicht ohne Positive Ergebnisse enden werde. England und die große Mehrzahl der teilnehmenden Staaten seien fest ent schlossen. stchkeineTerrortsierung von irgendwelcher Seite gefallen zu lassen. Die englische Regierung sei bereit, Opfer zu bringen, um den Wiederaufbau Europas zu be schleunigen. nicht aber, um die Sabotierung einer Friedens- voltttk zu unterstützen. Lloyd George habe in Genua ver sprochen, dahin zu wirken, daß ein großer Teil -er rassischen Kriegsschulden annulliert werde. Tschilscherin über die Kaager Konferenz. Land»«, iv. Juni. Tschitscherin erklärte in einer Unterredung mit dem Berliner Berichterstatter des „Man chester Guardian", wenn man mit Unparteilichkeit an das russische Problem herantrete, so müsse man die Unmöglich keit der in Genua vorgeschlagcnen Lösung cinsehen. Die Haager Konferenz müsse die russische Frage gründlich und ohne Haß untersuchen. Rußland wünsche, mit den übrigen Nationen zusammcnzuwirken, halte jedoch sein neues System im Innern aufrecht. Die russischen Ver treter gingen nach dem Haag, um zn einem für beide Seiten vorteilhaften Uebercuickommeu zu gelangen. Es sei daher unvereinbar mit dem Erfolg der Friedensbemühungen, wenn von Rußland die Zurückziehung des Memoran dums gefordert werde, das seine Grundsätze enthalte. Eine solche Forderung vorzubi ingcn, bedeute von vornherein, die neue Konferenz zum Scheitern zu verurteilen. Kein ernster Mann könne gegenwärtig an die Möglichkeit eines Sturzes der russischen Negierung glauben. Sie werde au der Macht bleiben. Die Leute, die den Frieden mit Ruß land zum Scheitern brächten, fügten den Interessen der Massen bei allen Völkern den größten Schaden zu. Das russische Volk werde sein politisches und soziales System nickt umgeben. Es hofse jedoch, unter voller Gleichberechti gung und Gegenseitigkeit mit den anderen Böllern beim Werke des Wiederaufbaus mitzuhelfen. Wenn der neue Berjnch, zu einem Uebereinkommen zu gelangen, keinen Er folg habe, so werde die Verantwortung dafür nicht auf Ruß land fallen. sW. T. B.) Lloyd George über das Zujlimdekommeri -es Rapallo-Vertrages. Die vorhergehenden Informationen. London, 15. Juni. Im Unterhause richtete William Thorne an den Premierminister die Anfrage, ob Reichs minister Dr. Rathenau in Genua vor der Unterzeich nung des Vertrags von Rapallo drei Versuche gemacht habe, eine private Zusammenkunft mit Lloyd George zustande zu bringen und ob eine Zusammenkunft zustande gekommen sei. bevor Dr. Rathenan und die Russen den Vertrag von Rapallo Unterzeichneten. Lloyd George antwortete, die Genueser Konferenz sei am 10. April er öffnet lurd der Vertrag von Rapallo am 1». April unter zeichnet worden, und erklärte dann wörtlich: Ich habe Dr. Rathenan in de« ersten Tage« der Woche wenige Minuten gesehen, und La ich den Gin« von zwei Mitteilungen, die mir Lnrch Vermittlung eines meiner Privatsekretäre gemacht worden waren, wohl ,« deute« wußte, so sagte ich, ich würde mit Dr. Rathenan «nd dem Reichskanzler zusammentresfe«, sobald die erste anstrengenbe Periode -er Konscrenzarbeit vorüber sei. Es wnrde auch völlig kla» gemuckst, baß keinerlei Krage«, di« Deutschlands besou» Leres Interesse berührte«, in Abwesenheit der deut schen Vertreter behandelt werde« würde«. Ich versuchte nunmehr, ei« Zusammentresfe« mit de« Reichskanzler «nd Dr. Rathenan zu Oster» znstande zu bringen. Aber die Ab, Wesenheit De. Rathenans, der sich in Rapallo befand, ver hinderte dies. Shirley Denn fragte, ob der Premierminister eine Information darübe erhalten hätte, baß das Abkommen vor Genua zustande gekommen sei. Lloyd George antwortete wörtlich: Ich hatte Informationen, daß derartige Ver handlungen in Berlin geführt worden waren und daß in Rapallo lediglich die letzten Stadien znm Abschluß gebracht werden würden. Warum der Laag gewählt wurde. Von Genua nach dem Haag, von der hochragenden Terrassenstadt am Ligurischen Meerbusen mit dem sprühen den südlichen Temperament und der 'Neigung zu Prunk und Glanz ihrer Bewohner nach der Hauptstadt des nordischen Flachlandes, in dem die Mynheers mit ihrer bedächtigen und geruhsamen Lebensaussassung regieren: der Gegeusan kann nicht größer sein. Dementsprechend wird sich anch das ganze Drum und Dran der Konferenz gestalten. Im Haag soll — die holländische Presse hat darüber keinen Zweifel gclasien — ausschließlich gearbeitet werden, rein sachlich und, wenn mau will, langweilig. Es geht nur um das russische Problem in seiner Dreiteilung: Schulde», An erkennung und Sicherstellung des Privateigentums, an Rußland zn gewährende Kredite, uud darüber ist schon im Zusammenhang mit der Genueser Konferenz so viel und so gründlich geredet und geschrieben worden, daß selbst der beweglichste Geist diesem abgestandenen Thema keine neue Seite mehr abgewinnen könnte. Höchstens wird mau ge spannt sein dürfen, wie sich die Russen verhalten, ob sie «icht endlich zu der Einsicht gelangen, daß sie in der Frage des Privateigentums doch etwas Mehr Entgegenkommen als bisher zeigen müssen, wenn sie wollen, daß die Taschen der fremden Kapitalisten sich ihnen öffnen. Im übrigen aber dürften die zahlreich aus aller Herren Ländern versam melten Journalisten im Haag wohl ihre liebe Not habe», ihre Berichte so abzusasscn, das; den Leser dabei nicht das Gähnen überkommt. Das Interesse, das die am gestrigen Donnerstag mit der Vorkonferenz eröffnete Haager Persammlung bietet, gravitiert nach einer anderen Richtung, als der des Pro gramms. Es vereinigt sich auf das politische Ikulissenspiel, das gleich nach Genua im Hinblick auf die Haager Veran staltung eingesetzt und sich so zugespitzt hat, daß in dem Augenblick des Zusammentrittes der Konferenz eine weitere Verschärfung des französisch-englischen Gegensatzes fest gestellt werden muß. Schon bei der Wahl des Konferenz ortes nahmen die französischen Quertreibereien ihren An fang und es lohnt sich der Mühe, die Vorgänge, die dazu geführt hoben, daß die europäischen Heilkünstler jetzt iui Haag tagen, bei dieser Gelegenheit einmal iu geschlossenem Zuge Revue passiere« zu lassen, nachdem sic bisher nur in vereinzelten Andeutungen in der Presse bekannt geworden und wobl kaum noch im Gedächtnis weiterer Kreise haften geblieben sind. Zuerst war es Lloyd George, der in Genua den Haag als nächsten Kvnsercnzort mit anderen Plätzen zusammen ganz nebenbei in die Debatte warf. Sofort griffen nun die Franzosen den Haag heraus und setzten ihre ganze Energie und ihre ganze Rührigkeit auf dem Gebiete der Hintertreppcnpolitik in Bewegung, um jede andere Möglichkeit bei der Wabl des Platzes auszn schließen. Dabei hatten sie alle Gegner Rußlands auf ihrer Seite, weil diese mit den Franzosen zusammen der Meinung waren, daß Holland den Russen so übelgesinnt sei, daß es ihnen auch nicht einen kleinen Finger reichen werde. Das Verhalten der holländischen Delegation in Genua hatte diesen Eindruck verstärkt, da die niederländischen Vertreter im Gegensatz zu denen Englands, Italiens und der Kleinen Entente nicht die geringste Miene machten, über ihren sach lichen Standpunkt gegenüber Rußland irgendetwas zu ver lautbaren, und da sic überdies nicht, wie die Abgesandten der genannten drei Staaten, in persönliche Berührung mit den Sowjetdelegierten zu kommen suchten, sondern jedem Ver kehr nnt ihnen geflissentlich aus dem Wege gingen. Per gcbens versuchten die Journalisten wiederholt, von den Holländern herauszubekommen, aus welche Seite Holland sich schlagen, wie es sich Rußland gegenüber stellen wolle: die Züge der Ausgcsragtcn blieben steinern und unbeweg lich und so wnrde denn in Genua schließlich allgemein ge glaubt, die niederländische Regierung sei geschworene Geg nerin jedweder Abmachung, die auch nnr entfernt wie eine tatsächliche oder rechtliche Anerkennung des Sowjetsystems aussehen könnte. Ans diese vermeintlich unbeugsame Anti pathie der Holländer gegen die Sowietisten bauten die Franzosen, als sie dem Haag ihre Stimme gaben und bei ihren Freunden mit Erfolg für die Wahl dieses Platzes warben. Sic kalkulierten dabei so, daß die ganze den Russen feindliche Atmosphäre im Haag eine allgemein dem französischen Standpunkt entgegenkommende Stimmung er zeugen und den englischen Einfluß zurückdrängen werde, ebenso wie bei der Konferenz in Genua, auf der die Syw pathien des die fremden Gäste empfangenden italienischen Landes mit den Russen gingen, die entgegengesetzte Er scheinung zu beobachte« war. Die Russen, denen es ja an natürlicher Schlauheit nicht fehlt, merkten natürlich sofort, woher der Wind bei der stark aufgetragenen Begeisterung der Franzosen für den Haag wehte, und sträubten sich daher zunächst mit alle», Kräften gegen die Wahl dieses Ortes. Sie machten allerlei Etnwände, wiesen auf den Hochstand des holländischen Gnl dens und auf die Tatsache hin, daß selbst reiche Amerikaner Holland als das augenblicklich teuerste Land der Welt er klärt hätten, uud bemängelten den weiten Weg, den man ihnen von 'Moskau nach dem Haaa zumute. Iuzwisch^p htz.