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LUDWIG GOTTLER wurde 1943 in Sosa geboren. Nach dem Abitur stu dierte er 1961 bis 1965 an der Leipziger Musikhochschule. Von 1965 bis 1969 wirkte er als Solotrompeter am Händel-Festspiel-Orchester Halle, seitdem ist er Solotrompeter der Dresdner Philharmonie. Er gastierte bei vielen Orchestern der DDR und konzertierte 1969 mit dem Leipziger Bach-Orchester in Italien. 1971 führte ihn eine Gastspielreise in die CSSR, 1973 in die Sowjetunion, 1974 nach Japan. das wenn auch nicht klanglichen, so erstmalig doch technisch hohen Anforde rungen genügte. Haydn, stets allen Neuerungen begeistert zugewandt, griff die vielversprechende Erfindung sofort auf und zeigte in seiner Komposition das neue Instrument von seiner charakteristischen Seite - ein weiterer Beweis für seine bis ins hohe Alter unverminderte Aufnahmefähigkeit und Beweglichkeit des Geistes. In dem dreisätzigen Konzert (Allegro-Andante-Allegro) werden an die Beweg lichkeit des Soloinstrumentes hohe Anforderungen gestellt. Selbst in der tieferen Lage begegnen wiederholt chromatische Gänge, und in den Allegrosätzen sind Sechzehntelgänge nicht selten. Bereits neun Jahre nach der erst im reifen Alter von 43 Jahren vollendeten 1. Sin fonie schuf Johannes Brahms seine 4. und letzte Sinfonie. Unmittelbar nach der „Dritten" entstanden, erlebte die 4. Sinfonie e-Moll o p. 9 8 ihre Uraufführung unter der Leitung des Komponisten am 25. Oktober 1885 in Meiningen. Das machtvolle Werk bedeutet zuchtvollste Zusammenfassung seiner sinfonischen Ausdrucksmittel, die noch einheitlicher, verdichteter, viel sagender erscheinen als in den vorausgegangenen Sinfonien. In der Rückbesin nung auf altklassische und klassische Traditionen der Tonkunst, auf das deutsche Volkslied, auf alte Tanzformen, fand Brahms das stilistische Fundament für sein bekenntnishaftes Werk, dessen erster Satz (Allegro non troppo) sogleich mit einem getragenen Thema der Violinen einsetzt, von den Bläsern begleitet. Das zweite Thema, in den Bläsern zunächst trotzig erklingend, verstärkt den elegi schen Grundzug, der schon dem ersten Gedanken eigen ist. Eine Cello-Kantilene, tröstende Holzbläsermotive, Geigenfiguren, mahnende Rufe der Trompeten füh ren zur dramatischen Durchführung und schließlich zur Coda, in der sich die trotzige, aber auch verzweifelte Kampfstimmung des Satzes eindringlich aus drückt. Dramatisches und Episches verbindet sich in der logisch-organischen Ent wicklung des bildhaften melodischen Materials. Eine Hörner-Devise eröffnet den zweiten Satz (Andante moderato), dessen für Brahms so ungemein typischer herbsüßer Klangcharakter aus dem Gegensatz von Phrygisch und E-Dur erwächst. Die wehmutsvolle Anfangsstimmung wird von Vio- linen-Melodik überwunden. Ein „Schicksalsthema'' erklingt, das an das Bläser thema des ersten Satzes erinnert. Aus ihm entfaltet sich — wiederum als Cello Kantilene — ein zweiter tragender musikalischer Gedanke, der vor allem in der Reprise zu Wort kommt. Die müden Klarinettentöne des Beginns und das Devisen motiv beschließen den Satz. Mit einem lärmend-heiteren C-Dur-Thema beginnt der dritte Satz (Allegro giocoso), der in deutlichem Gegensatz zur elegischen Grundhaltung des voraus gegangenen angelegt ist. Anklänge an die Hauptthemen des ersten Satzes be legen auch hier die erreichte Einheit in der musikalischen Gestaltung der ganzen Sinfonie. Die zur Schau getragene Heiterkeit, absichtsvolle Lustigkeit und Wirblig- keit, der fast grimmige Humor des Satzes deuten an, daß der eigentliche Kampf um die Entscheidung noch bevorsteht, Im Finale (Allegro energico e passionato) griff Brahms auf eine von den Kompo nisten des 17. und 18. Jahrhunderts hochgeschätzte, aus Spanien stammende Tanz form im Dreivierteltakt zurück, auf die Chaconne, bei der das (meist im Baß er scheinende) Thema in den Oberstimmen mannigfaltig verändert und umspielt wird. Dem Thema, das zu Beginn des Satzes in gemeißelter Wucht und Klarheit ersteht, folgen hier einunddreißig Variationen, wobei trotz allen Gestaltwandeis der großartige, aufrechte Charakter des Grundgedankens erhalten bleibt. Zu den eindrucksvollsten Momenten des unerhört einheitlichen Satzgeschehens gehört jene E-Dur-Stelle der Posaunen und Trompeten, die an die „Ernsten Gesänge" (O Tod, wie bitter bist du) gemahnt. Nach einer Stretta-Steigerung (Piü allegro) kommt es zum unerbittlichen Schluß des Finales, das keine Überwindung der dunklen Gegenkräfte bringt - das ist dem spätbürgerlichen Künstler im Unter schied etwas zu Beethoven nicht mehr möglich jedoch ein festes Sichbehaupten, symbolisiert durch die Kraft des Chaconne-Themas. Dr. habil. Dieter Härtwig Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1974/75 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2,85 ItG 009-25-75 InilHamnonie^ 8. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1974/75