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Sächsischer Landes-Anzeiger : 24.06.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188606245
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18860624
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18860624
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-06
- Tag 1886-06-24
-
Monat
1886-06
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 24.06.1886
- Autor
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^LLLS.-S.3ahraana. AbonnemeutSprek»: Der unparteiische — jeden Wochentag Abend (mit dem Datum der folgenden Tages) zur, Versendung gelangende — Landes-Anzeiger mit Beiblättern kostet monatlich vO Pfg. bei den Ausgabestellen in Chemnitz und den Vororten, sowie bei der Post. tEingetraaen unter Nr. 4<»33.l mL-u-4. Quartal erscheintsür Abonnenten SchsischeS Eisenbahn.Fahrplanheft, im 4. Quartal erscheint für Abonnenten ahre-buch (veihuachrsbeigabe) d. Anzeigers. Sächsischer Verlag: Alexander Wiede, Buchdruckerri, Chemnitz. §«>>i>es-K»?kigtt mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Donnerstag, L4.3ml1188S JnsertiouSprei-r Raum einer schmalen KorpuSzeile 18 Pfg.z — Reklame (Ispaliige Petttzeile) SO Pfg. — BeiWiederholung großer Annoncen Rabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle man z (in Briefmarken) beifügen 9snsertionsbetrag (... > (le 8 Silben Korpusschrift bilden ca. 1 Zeile). Aimoncenannahme.' nur bis Bormittaa. Inserate nehmen außer der Verlag»« Expedition die Annoncen - Bureaux an. Expedition und Redaktion: Chemnitz, Theaterstraße Nr. ü. Telegramm-Adr.: Wiedel Anzeiger, Chemnitz. Fernsprech st eile Nr. 1ZS. MM«: „Tägliches Unterhaltungsblatt ' und himmPsch iilasimie; Smtazubialt ^Lustiges Bilderbuch". Unsere geehrten Most Abonnenten ersuchen wlr, da» Abonnement für da» neue Quartal möglichst bi» zum 27. Juni erneuern zu wollen, damit in der Zusendung der Exemplare kein« Unterbrechung eintritt. Bei verspätet hier eintreffenden Post-Abonnement» «Bestellungen erhebt di« Post für Nachlieferung bereit» erschienener Nummern eine Extragebühr von 10 Pf. Die Berlage-Expedition des Sächsischen Landes-Anzeigers. Amtliche Bekanntmachungen sächsischer Behörden. Aus Grund Gesellschaftsvertrags und Notariatsprotokolls vom 8. Avril und Anmeldung vom 31. Mai bez. 4. Juni 1886 ist heute auf Folium 384 des Handelsregisters für den Landbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts die Kommanditgesellschaft aus Aktien unter der Firma Kammgarnspinnerei Schäfer « Co- in Harthau eingetragen und dabei weiter verlautbarr worden, daß der Kaufmann Herr Paul Friedrich Schäfer tu Harthau als persönlich hastender Gesellschafter und die Inhaber der Aktien genannter Gesellschaft Inhaber der Firma sind, sowie, daß die Einlage der Kommanditisten Acht- hunderttausend Mark beträgt und in 80 aus Namen lautende Aktien zu je 10,000 M zerfällt. Hierüber wird noch Folgendes bekannt gemacht: Gegen stand des Unternehmens ist die Herstellung und der Verkauf von einfachem und gezwirntem Kammgarn und eventuell die Herstellung von gekämmter Wolle. Di« Dauer der Gesellschaft ist zunächst auf 15 Jahre festgesetzt. Das AuStreten des persönlich haftenden Gesellschafters hat die Auflösung der Ge sellschaft nicht zur Folge. Die Gesellschaft hat in Anrechnung auf die Ein lage des Kaufmanns Herr» Piul Friedrich Schäfer in Harthau dessen Grund stücke zum Preise von 72.409 M. 36 Pf. käuflich übernommen. Für die Gründung der Gesellschaft sind Entschädigungen oder Belohnungen nicht ge- währt worden. Der Aussichtsrath besteht aus den Herren Kommerzienrath Heinrich Richard Scheller in Dresden, Justizrath Heinrich Ulrich in Chemnitz und General-Konsul Christian Caesar Zachmann in Dresden. Chemnitz, am 19. Juni 1886. Königliches Amtsgericht- Das im Grundbuche auf den Namen Christiane Juliane verehel- Hänel, eb. Lößner, eingetragene, in Chemnitz an der Joscphinenstraße gelegene /auS- und Gartengrundstück, Folium 3484 des Grundbuchs für Chemnitz, Nr. 2085 k des Flurbuchs, 361 ^ VI. Abth. des BrandcatasterS für Chemnitz, geschätzt auf 42,100 Mk-, soll im hiesigen Amtsgericht zwangsweise versteigert werden und ist der 23. Juli 1886, Vormittags 10 Uhr, als Anmeldetermin, ferner der 13. August 1886, Vormittags 10 Uhr, als Versteigerungstermin, sowie der 23. August 1886, Vormittags 10 Uhr, als Termin zur Verkündung des VertheilungSplans anberaumt worden. Die Rcalberechtigten werden aufgefordert, die auf dem Grundstücke lastenden Rückstände an wiederkehrenden Leistungen/ sowie Kostenforderungen, spätestens im Anmeldetermine anzu melden. Eine Uebersicht der auf dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Rangvcrhältnisses kann nach dem Anmeldetermine in der GerichtS- schreiberei des Unterzeichneten Amtsgerichts eingesehcn werden. Chemnitz, am 21. Juni 1886. Königliches Amtsgericht. Telegraphische Stachrichten. Bom 22. Inns. Sm». Der Kaiser trank heute früh am Keffelbrunnen, wachte eine Promenade uud nahm eine» Vortrag Albedyl'S entgegen. Zum Diner find geladen: der Srbgroßherzog von Oldenburg, der Herzog Georg von Oldenburg, der Prinz Reuß XIII. Marburg. Der Oberbibliothekar der hiesigen Universität» bibliothek, Prof. vr. Laesar, ist gestorben. Ko bürg. Die Herzogin von Sdinburg ist an- Stuttgart wieder hier ringetroffen. Ratze bürg. Die Reichstagswahl für den 10. ReichStagSwahl krei» (Laueuburg) ist auf den 21. August d. I. festgesetzt. Als Kandidaten find Gras v. Bernstorff-Stiutenbnrg (kons) und Kammer rath Berliug-Büchrn (freisinnig) aufgestellt. Wien. Da- Abgeordnetenhaus hielt heute zwei Sitzungen uud erledigte in zweiter Lesung den Zolltarif sowie den darauf be züglichen Gesetzentwurf. Statt des Zollsatzes von b5 Fl. für türkisch roth gefärbte Baumwolleuwaaren wurden 70 Fl-, für Spinnmaschinen patt 4-/4 Fl- 3 Fl. festgesetzt Wien. Dar Abgeordnetenhaus hat den Zolltarif in dritter Lesung mit 1b7 gegen 86 Stimmen augeuommen. Ebenso wurde der Gesetzentwurf betreffend die nachmalige Verlängerung der Wirk samkeit de» SüdbahngesetzeS angenommen. Wien. Bei Chitilla bei Bukarest ist gestern Abend der Orient Exprrßzvg mit einem anderen Zuge znsawmeugestoßen, wobei mehrere Personen getödtetwurden. Bestimmter uud Nähere- ist hier noch unbekannt. Brüssel. Die belgische Regierung beabsichtigt, der Kammer mehrere socialpolitische Gesetzesvorlagen zu uutrrdreitcn; insbesondere find Maßregeln gegen die Trunksucht und für die Eiuschräuk»ug der Kinder, und Frauenarbeit In den Bergwerken in Aussicht genommen. Petersburg. ES verlautet, der deutsche Botschafter am hie sigen Hofe, Herr v. Schweinitz, werde Ende dieses Monats »inen Urlaub antreten. 2k«s den geheimen Akten gegen Honig Ludwig. HI Chemnitz, deu 23. Juni. Wie schon von nur erwähnt wurde, fand vorgestern in München eiu« Sitzung der ReichSräthe statt, in der ein Auszug aus de» geheimen Akte«, welche dar Ministerin» Lutz angeblich seit über zehn Jahren gegen den unglücklichen König Ludwig gesammelt hat, zu» Kenutuiß der Räthe gebracht wurde. Alles hat mau auS Pietät gegen den König «icht sagen wollen, aber selbst das, was wir er- fahren, reicht hin, um das Vorgehen de- Ministeriums Lutz, wenn auch, wie wir denken, nicht in der Form, so aber doch dem Sinne nach zu «echtfertigen. Daß jenes Ministerium eine sehr schwierige Stellung dem irre» Könige gegenüber einnahm, ist erklärlich, und wir wolle« nach de» «ns heute vorliegende» Nachrichten dahingestellt sein lassen, ob ein früheres Einschreiten der Minister möglich gewesen und nicht Näher« in weittragende iuuere Wirren gestürzt haben würde, die jedenfalls ein energische- Einschreiten de- Reiche- noth- wendig gemacht hätten. Durch die verhältnißmäßig rückhalt-lose Offenheit, mit welcher da» Mluifierium über deu Charakter und das ine Treibe« des König», der allgemeine» Bolksstimme und der freifinnigen Presse folgend, Bestimmte» »itgetheilt hat, gtwiunt man vielfach ein« andere Anschauung über die thatjächlichen Berhältuisse. welche dem Ministerium Lutz bei Weitem günstiger ist. E, bestätigt fich auch hier wieder, daß B-Hrimnlß. kräulerei auch in Staat-fachen meist verhäugnißvoll. rückhaltSlose Offeubeit aber ein Borlheil der Regierung uud ei« Segen für das Voll »st. Banz abgesehen davon» daß die Bayern ein Recht hatte», Wahrheit und Offenheit zu verlangen, wäre auch nicht «lnzusehen gewesen, weshalb da» Ministerium, nachdem der Schleier von so manchen traurige» Verhältnissen in Bayern in letzter Zeit gehoben ist, fich noch mit de» Dunkel des Geheimnisse» hätte umgeben sollen. Da», wa» wir nachstehend au- der ReichSrathSsitzuug, in welcher der Regentschaft zugestimmt wurde, mittheile«, ist nicht da» Schlimmste, was mau über den lobten König i» letzter Zeit lesen konnte: vr. von Neumeyer referirte: Derselbe bemerkte, er glaube sich darauf beschränken zu können, über die mit den Ereignissen zu sammenhängenden politischen Maßnahmen und über die zur Recht- sertiguug derselben dienenden Thatsachen dem Hause soweit Bericht zu erstatten, als dies zur Beurtheilung und Entscheidung der staats rechtlichen Fragen geböte» erscheine. Bon dem von der Regierung vorgelegten Beweismaterial verlas der Referent zuerst das bereit» bekannte ärztliche Gutachten über den geistigen Zustand de» König» Ludwig mit seinen Ergänzungen und Nachträgen, dann die ganze Reihe derjenigen BeweiSmaterlalS, welches die den ersten ärztlichen Gutachten zu Grunde gelegten Thatsachen documentirt, so insbesondere die Angaben au» den eidlichen Vernehmungen der früheren LabiuetS- Seeretäre Ziegler »ud Müller» der Diener deS Königs, Hessel- chwerdt, Mayer und Welker, de» Stallmeisters Horn uud vieler andere« Personen. Die Scheu de» König» vor dem Verkehr: mit Mensche« habe sich, nach den Aussagen der Cabinet» - Sekretäre, chließlich so gesteigert, daß dieser Verkehr de« König« entsetzlich wrgekommen sei. Daher rührte seine große Aufregung vor jed-r Uebersiedelung von Hohenschwangau nach München; der König hatte einem solchen Tage mit größter Angst entgegeugesehen. eben deshalb vermied er auch jeden persönliche» Verkehr mit den obersten Hofchargen und deu StaatSministeru, sprach in den letzten Jahre» nie mehr mit dem CabiuetS- oder Hossecretär uud sah den Hossecretär Klug niemals. De» ganze persönliche Verkehr de» König» beschränkte sich auf die untergeordnete Dienerschaft, welche seine Aufträge überm ittelte. Lin» der charakte ristischen Merkmale der Paranoia sei er, daß der König Aeußerungen vom CabinetS-Secretär gehört haben will, welche nicht gemacht wurden. Oftmals wurde eoostatirt, daß der König bei Schneegestöber glaubte» ich am MeereSgestade zu befinden. Die Sachverständigen legen auch ein große- Gewicht aus deu Umstand, daß der König nicht vorhandene Grgenstände, z. B. Messer, liegen zu sehen glaubte. Es wmden ferner die ausschweifendste» Ideen de» Königs festgestellt. Namentlich pflegte der König Bäumen, Zäunen «nd Säulen Ver ehrung zubezekgeo »ud zwangAndese zu gleicherVer- ehrung. Stallmeister Horn wurde zweimal nach Capri geschickt, um die beste künstliche BeleuchtuugSart der dortigen blaue» Grotte Herstellen zu könne». Von deu Wahnideen de» König» zeige ferner der Befehl, eine Coalitio», einen über da» ganze Land verbreiteten Geheimbuud, zu gründen, welcher nach Art einer geheimen Polizei die Volksstimme überwache und über sie fortwährend berichte behuss Aufhebnug der Verfassung und Herstellung einer Art terroristischen Regiments. Auch hegte der König, wie eidlich auSge- sagt wurde, deu Gedanken, Bayern zu veräußern und ein andere» Land mit absolutistischem Regiment zu erwerben. Der Referent coustatirte ferner Wahrnehmungen bezüglich deS körperlichen GebahrenS de» König- beim Ankleiden vor de« Spiegel rc. Der König Hab« Befehle gegeben, ein« Reihe ihm mißliebiger Personen ans dem Laude zu jagen und zu tödten Mit Bezug aus Personen, zu denen der König «ine Zuneigung oder gegen die er eine Abneigung gefaßt hatte, trat plötz lich eiu Umschlag eiu, und zwar in der auffallendsten Weise, wo durch überschwengliche ausschweifende Briese an einen io Ungnade gefallenen LabinetSseeretär bewiesen wird. Die StaatSgeschäfte sind tagelang bei Dienern und ChevauxlegerS geblieben und die Befehle des Königs hierzu mittelst Zettel dem LabinetSseeretär zugeschickt worden. Der Bericht deS StaatSministerinm» vom 5. Mai d. I. wurde au Heflelschwerdt zn einem Strasvollzuge an den Ministern übergeben und sodann durch einen Friseur die Aufforderung a» Miuisterialrath Ziegler und Gehei»sccretär Thelemana erlassen, eiu Ministerium zu bilde». Einen Bediensteten befahl der König nach Amerika zu tranSportiren, weil er eine» Vogel nicht fangen konnte, eiu anderer durste rin ganze» Jahr lang nur mit schwarzer Marke erscheinen, eiu dritter sollte auf der Stirne ein Siegellack tragen, zum Zeichen, daß sein Gehirn versperrt sei. ES wurde ferner bestätigt, daß der König da» Dienstpersonal in sehr heftiger Weise mißhandelt hat. Heflelschwerdt erhielt von ihm fortwährend Aus- tiäge, mit Persönlichkeiten, von deren Reichthum der König meisten» au» Anlaß von Festlichkeiten Keuntniß erhielt, Geldgeschäfte zu uego- ciiren. Wa» die Auleheur-Affaire betrifft, von der so viel gesprochen wurde, so finde fich der Referent veranlaßt, näher darauf eiuz«gehen. ES wurde nämlich Im Ausschüsse ein beschlagnahmter Brief vorgelegt, de« ein GeschäftSageut in Pari» an den König gerichtet und in welchem er die Vermittelung einer AolehenS unter der Bedingung der Neutralität Bayern» bei einem deutsch.französische« Kriege augeboten hat. Der Brief enthalte durchaus keine Erwähnung von einer an deu Agenten ergangenen Anssorderung oder sonstigen Beraulafsung. Ferner wurde im Ausschüsse ein von unbekannter Hand geschriebener, von dem Könige conigirter Zettel vorgebracht, de» Inhalts, e» sei gleich au Heflelschwert zn schreibe», daß er im Falle eine» Einver ständnisse» mit dem Herzog von Broglie fich au die Familie der Orleans, insbesondere an den Grafen von Pari» wenden solle. ES wurde confiatirt, daß rin Nachweis über eine» erfolgten oder nur versuchten Vollzug diese» Aufträge- nicht vorliege. Der Referent kam nun abermals auf deu körperlichen Zustand und die Lebensweise de» Königs zu sprechen und sagte: AuS ZeugenanSsagen ist ferner zu entnehmen, daß der König lange Zeit über Druck und Schmerzen am Hinterhaupte klagte, EiSumschläge auch oft während de» Speisen» auwendete, daß er seit sechs Jahren überhaupt und seit zwei Jahren regelmäßig Schlafmittel auwendete, fich beim Essen die Kleider beschmutzte uud Ekel erregende Zustände gezeigt habe. Für di« Prüfung de» AnsschnfseS stand noch eine Meng« von Schriftstücken bereit, zu deren Verbrennung Mayer vom Könige am 10. Jnui den Auftrag erhielt; daun eine Menge von Zetteln, welche an Heflelschwerdt ge richtet find, und die Tagebücher, deren Verbrennung der König gleich, fall» angeordnet hatte. Der Ausschuß erachtete eine Prüfung dieser Scripta nicht für erforderlich; er glaubte auch von deren Einsicht nahme an» Gründen der Pietät Abstand nehmen zu müsse«. Referent erwähnt noch das Beihalte» de» König-Ludwig aus die Borstellungen de» StaatSministerinm». Politische Rundschau. " Chemnitz, de« 23. Juni. Deutsches Reich. Am Freitag tritt der Reichstag wieder zusammen und ma« meint, daß möglicherweise schon Tag» darauf di« zweite Lesung der Brauntweinsteuervorlage, über welche der Bericht in der betreffenden ReichStagSkommisfiou bereits festgestellt ist, beginne« wird. Ueber den AuSgaug kau« natürlich Niemand etwa» Sichere» Vorhersagen, denn wenn auch dl« Regierungsvorlage nicht angenommen wird, so scheint doch am ReichStag-himmel eiu Branntmeiu-Noth- Stener-Gesetz zu schweben. Vielleicht wird daran» etwas, vielleicht aber auch nicht». In der Hauptsache dürste das Resultat gauz vou der Stellungnahme der Reich»re»ieruug abhängen. — Ueber Paris wird gemeldet, daß zwischen Deutschland uud Rußland ernsthafte Unterhaudluuge» wegen der Erneuerung de» Drei-KaiserbündnisseS schweben, welche» i« März 1887 ab« laufe. Der Minister vou Gier» habe dabei allerdings manchen Widerstand de» Czareu zu besiegen! Das ist Schwindel, denn gegenwärtig besteht gar kein Dreikaiserbünduiß, sondern nur ein freund schaftlich«» Einvernehmen zwischen deu drei Kaiserreichen. — Während der Anwesenheit de» Fürsten Bismarck In Berlin in deu letzten Tagen ist nicht nur eine Reihe wichtige» Fragen zu» Erledigung gekommen, sonderu e» sollen auch schon die hauptsächlichste» Vorlagen, welche den Reichstag in der nächsten Session beschäftigen sollen, zur Entscheidung gelaugt sein. Dl« Nachricht klingt wenig wahrscheinlich. Denn bei gegenwärtigen Zeitläuften weiß mau auch in der Politik heute nicht, wa» in vier Wochen nothweudig sei« wird. Die überhasteten letzten Vorlagen der Regierung haben einen Beweis dafür geliefert. — Zu deu vou partikularistische» Seite vorgebrachteu Anzweif lungen, ob König Ludwig wirklich au» eigenster Initiative di« Kaiser würbe dem Könige Wilhelm angetragen, bemerkt di« »KöuigSb. H.-Ztg.*: Wir find in der Lage, folgende thatsächlich richtige Darstellung zu geben. Darnach ging der erste Vorschlag de» König» Lndwig dahin, König Wilhelm zum Kaiser vouNorddeutschland z« proklamire«. Dies wurde vom Kaiser ausdrücklich abgelehut. ES folgten weiter« Verhandlungen «nd schließlich da» entscheidende Schreiben de» Bayern- löuig». — Das amtliche „Dresdner Journal* schreibt: Di« „Rat.« Ztg." enthält eine Mittheiluug über die bevorstehende Gründung eine» Seminars für orientalische Sprachen an de» Universität zu Berlin, au deren Schluß die Behauptung ausgestellt wird» di« sächsische Regierung habe im BuudeSrath um deswillen gegen die bezügliche Vorlage gestimmt, weil sie fich sür di« Errichtung de» Seminars in Leipzig interesstre. Dem gegenüber ist zu bemerken, daß die sächsische Regierung ihre Abstimmung mit der zu Protokoll gegebenen Erllärnng motivirt hat, daß sie die Errichtung des projectirte» Seminars als von deu Interessen de» Reiche» erfordert anerkenne, daß sie aber »icht vermöge, sich mit de« in AnSficht genommenen Verbindung des Institut» mit einer Landesanstalt einverstanden z« erklären und daher genöthigt sei, gegen die Vorlage zu stimmen. La di« Universität Leipzig bekanntlich ein« Landesanstalt ist, würde fich die sächsische Regierung mit ihrer eigenen Erklärung in unlösbare« Widerspruch setzen, wen« die Behauptung der „Nat.-Ztg." richtig wäre. — Herr Windthorst betonte in einer Rede, die er in einer Nrbeiterversammlnug in Dortmund hielt, die Nothwendigleit der Erhaltung der EentrumSpartei. Er sagte: „ES wäre ein Fehler, wollten wir jetzt die Hände in deu Schooß legen; denn jetzt gilt e», da» noch nicht Vollendete zu vollenden, da» Errungene zu wahren uud zu sorge», daß «n» das Gewonnene nicht wieder entzogen werde. Deshalb muß unsere Organisation fortdaneru l* — An» Berlin ist ein Restaurateur Weseuack, in dessen Lokal viele Sozialdemokraten verkehrte«, ans Gmnd de- Sozialistengesetze» auSgewieseu. Oesterreich-Ungarn. Da» neue Zollgesetz wird nun doch noch hinausgeschoben. Die ungarische Regierung will in Wien wegen des Petroleumzolles noch verhandeln und so ist die Fertigstellung de» Gesetze-, da das ungarische Parlament schon Ende dieser Woche ge schlossen wird, in dieser Session unmöglich. Frankreich. Der zum französischen Generalrefidenten von Tonkin und Annam ernannte Abg. Paul Bert giebt sich in Tonkin viel Mühe, die Ruhe völlig herzustellen, aber er hat mit den Osficieren seine liebe Noth, die ihn als Civilisten nicht groß respec« tiren und besonders nicht zugeben wollen, daß er auch in militärischen Dingen ein Wort mitsprcchen soll. Höchst lehrreich und für di« französische DiSciplin bezeichnend ist ein Bericht deS Journal» „TcmpS* aus Hue, in dem einige absonderliche Geschichten erzählt werden. Als Bert nach einem Empfange beim Oheim de» Kaiser» von Annam in Hanoi Volksbelustigungen veranstalten wollte, befahl er eine französische Regimentsmusik, die aber vom RegimentScommau« deur verweigert wurde und nicht kam. Der Resident stellte den Ofsicier eindringlich unter vier Augen zur Rede, und am nächsten Tage psisfen die Osficiere Spottlieder auf ihn. Bert that ver« stäudigerweise, als hörte er nichts. Weiter passirten noch einzelne Fälle, in denen die Osficiere Frau Bert sehr wenig Achtung be« zeugten. Kurzum, an Verdrießlichkeiten aller Art fehlte er nicht. England. Während seine Gegner aus Gladstone einen An griff nach dem anderen und einen noch schärfer als den andern richten, hält Gladstone in Schottland eine wahre Triumphreise und sein« Reden werden auf das lauteste bejubelt. Ein König kann nicht glänzender empfangen werden. Schottland scheint ihm also für di« Neuwahlen sicher zu sein, ebenso der größere Theil von Irland, aber in Altengland dürfte er gerade umgekehrt stehen und das giebt den Ausschlag. Freitag wird die Schlußsitzung deS Parlamente» stattfinden, und am Sonnabend soll die Beikündigung der AuflösungS- ordre erfolgen. — Die Nachricht von der Gefangennahme de» eng lischen Obersten Lockhardt durch einen eingeborenen Häuptling in Afghanistan bestätigt sich nicht. Orient. Der in die Verschwörung gegen den Fürsten Alexander von Bulgarien mit verwickelte russische Capitän Nabokow leugnet be harrlich jede Schuld. Inzwischen hat fich aber da» Belastungsmaterial gegen ihn so gehäuft, daß der russische Vertreter in Bnrga» ihn schwerlich dem bulgarischen Richter entreißen wird.
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