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44 Mittwoch, den LS. Februar IVI« v. Jahrgang MchkschkUolksreitung Erscheint tSgltch nachm, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. AnSgnbe t.. Mit .Die Zeit In Wort und Bild- dterteliShrlt» 2.10 X In Dresden durch Boten 8 ,10 In gani Deutschland sret Hau« 8 88 ^ ^ ' «nSaabe Ohne illustrierte Beilage Viertels. I,8V-ik. I» Dresden d. Boten 8,10 In ganz Deutschland frei Hau» 8.22 ^ — Linzel-Nr. 10 S ZeitungSpreiSI. »r. «888. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« »erden die kgesvaltene Petit,eile oder deren Raum mit 18 Rellamen mit 80 .1 die Zeile berechnet, bet Wiederholungen entsprechenden Rabatt. Vuchdrnilrrel, Redaktion und «teschiistSsteklei Dresden, Pillntqer Strafte 1«. — Fernsprecher I««« FSrRilikgabe nnverlana«. Schriftstücke keineBerbindltchketl Redaktions-Tprechsinnde: II 18 Uhr. Rund der Landwirte. opo. Berlin, den 21. Februar 1818' Die Umgebung des Zirkus Busch in Berlin zeigte am Montag ein ganz ungewohntes Bild. Landwirtschaftliche Maschinen, Reklamezettel für landwirtschaftliche Artikel aller Art und nicht zuletzt eine große Anzahl von Gestalten, die man für gewöhnlich in d.-c Reichshanptstadt in so großv Zahl nicht zu sehen gewöhnt ist, s,„d :m Zirkus Busch zu sehen. Die Ursache dieser .mgewohnten Erscheinungen ist die alljährliche Generalversammlung ocs Bundes der Land wirte. die in dem weiten Raume des Zirkus Busch wie all jährlich stattfindet. Schon lange vor Beginn der Versamm lung war der Zirkus stark überfüllt und gar mancher mußst unverrichteter Sache innkehren. Die Versammlung wir? vom Vorsitzenden des Bundes Tr. Nocsicke, nachdem cr der Verstorbenen des Bundes g wacht hat. mit einem Refe rate über die Finanzrefocmkämpfe und seine Helgen eröff net. Neues hat der Redner eigentlich nullt gesagt, aber er weiß sein Referat doch so interessant zu gestalten, daß die Tausende wiederholt in stürmischen Bestall auslrechen. Er weist zunächst darauf hin, daß es gelungen sei, die der Land wirtschaft schädlichen Steuern zu Fall zu bringen. Mit Recht bezeichnet Redner den Hansabund geboren aus der Absicht, das mobile Kapital zu schützen vor den Versuchen, es zu den Neichslasten heranzuziehen Ter Bauernbund sei nur gegründet, um einen Kml in die Landwirtschaft zu trei ben. Der Bund der Landwirte vertrete die Interessen See gesamten Landwirtschaft und nicht, wie von den Gegnern behauptet werde, nur des Großgrundbesitzes. An der Einigkeit des Bundes der Landwirte würden alle Versuche, zu trennen und zu spalten, nutzlos abprallen. Ten Fürsten Bülow habe niemand gestürzt, er selbst habe sich das Grab gegraben. Beachtung verdient das, was Dr. Noesicke über den Reiclsskanzler von Bethinann-Hollweg sagt: „Als Be- rufsgenosse steht er uns nahe, als Politiker ist er iinsympn- thisch. In dein Bestreben, das Dekorative zu vermeiden, ist er ein Charakter, der nur in treuer Pflichterfüllung Ge nüge sucht: ober wir wollen uns nicht täuschen wie dieser, nicht glauben, daß er alle unsere Wünsche erfülle» wird: im Gegenteil, es könnte die Gefahr entstehen, daß er in dem Bestreben, gerecht zn sein, zu gerecht ist: aber wir bringen ihm Vertrauen entgegen." In diesen Worten liegt ganz unverkennbar ein gewisses Mißtrauen, das dem neuen Reichskanzler vom Bunde der Landwirte entgegengebracht wird. Mit einem begeistert aiifgenommcne» Hoch auf den Kaiser und die Biindesfürsten schloß Dr. Roesicke seine Aus führungen. Nach ihm spricht Freiherr von Wangenbein«. Auch er befaßt sich eingehend mit den Kämpfen um die Fi- nanzresorm, mit Hansabuud und Bauernbund. Von Inter esse ist der Dank, den Redner den Parteien zollt, die das schwierige Werk der Finanzrcform zustande gebracht haben. Dank gebühre dem Zentrum und den Polen vor allem, die unter Aufopferung mancher Forderungen au dem Znstande- kommeu der Steucrgesetze mitgearbeitet hätten und sich dadurch große Verdienste erworben hätten um das Vater land. (Stürmischer Beifall.) Besonders ausführlich beschäf tigt sich der Redner eingehend mit dem Bauernbund, dem es nie gelingen werde, den Bund der Landwirte niederzu- ringen. Dann erstattet Tr. Hahn den Gcscimftsbericht. Ter Bund zähle im Westen 178 000 Mitglieder. Ter Vorwurf der Gegner sei unberechtigt, daß der Bund nur ostelbische Großgrundbesitzer zu seinen Mitgliedern zähle. Dem Tank des Freiherrn von Wangenheiin an das Zentrum schließt sich Redner voll an, und das mit Recht, denn ohne die Hilfe des Zentrums stäke der Fiiianzkarre» wohl heute noch im Sumpfe. Symptomatisch für die gegenwärtige politische Lage ist der scl>arfe Ton, den Tr. Hahn gegen die Liberalen, namentlich die Nationalliberalen, auschlägt. Unerhört sei es, daß der Abgeordnete Bassermann, der mit Hilfe der Konservativen und des Bundes gewählt sei, alles aufgc- boten habe, um die der Landwirtschaft schädlichen Steuern, vor allem der Erbschaftssteuer, zur Annahme zu verhelfen. Die Abgeordneten Graf Oriola, Freiherr von Hehl und Lehman» hätten durch ihre Ablehnung der Erbschaftssteuer patriotisch gehandelt, während der Abgeordnete Bassermann und die um ihn auf diesen Ehrentitel keinen Anspruch hätten. Hansabuud und Bauernbund seien die Geschöpfe des Liberalismus, der sich jetzt auch nicht mehr scheue, mlt der Sozialdemokratie zu fraternisieren. (Pfuirufe.) Red- ner verweist auf Mülheim-Wipperfürth, wo die National liberalen 3500 Stimmen verloren hätten, die der Sozial demokratie zugewachsen seien. Wenn der Redner es als ein Verdienst des Bundes der Landwirte in Anspruch nimmt, daß er sich auch der Interessen des Mittelstandes auf das wärmste annehnie, dann möchten wir das doch nicht so ganz unterschreiben. Zum Schlüsse empfiehlt Redner eine Reso lution in der die Versammlung der Leitung des Bundes ihr Vertrauen ansspricht. TaS nächste Referat erstattet Professor Suchsland - Halle über: „Das wahre Gesicht der Steuer auf das Kinder- und Gatteuerbe." Redner macht mit Recht auf die Notwen digkeit aufmerksam, der Verhetzung und Irreführung des Volkes entgegeiizutretcn, die von Liberale» und Sozial demokraten in Szene gesetzt seien und die ihren Ausgangs punkt in der Ablehnung der Erbsa-aftsstener hätten. Red ner zeigt, wie zunächst auch die Nationalliberalen und Frei sinnigen sich gegen die Besteuerung des Kindes- und Gat tenerbes ausgesprochen, dann aber ans politischen Gründen ihren Widerstand aufgcgeben und den Bund der Landwirte wegen seiner konsequenten Haltung mit den schlimmsten Beschimpfungen bedacht hätten. In auffallend scharfer Weise polemisiert Redner gegen den Professor Delbrück wegen dessen Hetze, wie er sich ansdrückt, um die Erbschafts steuer' er schiebe dem Bunde der Landwirte wegen seines Widerstandes gegen diese Steuer das Motiv unter, daß er erkannt habe, daß mit der Nachlaßsteuer eine verschärfte Kontrolle geübt werden könne. Mit Recht weist Redner diese Unterstellung unter dem stürmischen Beifall der Ver sammlung zurück. Mit großem Geschick weist Redner daun dem Großkapital und dem es vertretenden Liberalismus nach, wie sie alles versucht hätte», um die das Kapital tref fenden Steuern zu Falle zu bringen, wie sie selbst über die geringfügigste Steuer Zeter und Mordio geschrieen und wie das Großkapital noch im letzte» Augenblicke versucht habe, die Talonsteuer zu umgehen. Endlich geht Redner auf die Erbschaftssteuer selbst ein. Das wahre Gesicht der Steuer auf das Kinder- und Gatteuerbe sei ein Gesicht mit einer krumme» Nase und vor dieser krumme» Nase sei der Libe ralismus auf die Knie gefallen. (Brausender Beifall und stürmische Heiterkeit.) Tie Erbschaftssteuer sei, so führte Redner mit vollem Rechte aus, nur deshalb so eifrig ver fochten, weil bei ihrer Annahme das Großkapital steuerfrei ausgegaugeu sei. Mit anerkennenswertem Freimute iicl>- tet Redner au die evangelische Geistlichkeit, die zum größten Teile dem Bunde der Landwirte seine ablehnende Haltung gegen die Erbschaftssteuer übel genommen habe, die Auf forderung, den Avvell an die christlick>e Nächstenliebe zu unterlassen. Tic Gründe, die zur Ablehnung geführt hät ten, seien sittlicher und politischer Natur. Redner geht dann näher auf diese Gründe ein, die wir nicht zu wiederhole» brauchen, da sie ja hinreichend bekannt sind. Ganz entschie den müssen wir jedoch Protest einlegen, wenn der Redner sich die Ausführungen des Abgeordneten von Heydebrand zu eigen macht, daß einem ans der Grundlage des gleichen allgemeinen Wahlrechtes gewählte» Parlament eine so all gemeine Besitzsteuer, wie die Nachlaßsteuer sie darstelle, nicht in die Hand gegeben werden dürfe. Als direkt abge schmackt muß man es bezeichne», wenn er den Reichstag, bezw. den „Block von Bassermann bis Bebel" mit einer Katzeiwersamnilung vergleicht und meint, daß man im Reichstage angenscheinst b nickst Teutsch versteht. Wenn sich diese Bemerkungen auch auf den Liberalismus beziehen, so können wir einen salcl^n Ausfall doch nicht gut heißen, da er immerhin eine Verächtlichmachung des Reichstages bedeutet. Mit solchen Mitteln dient man doch wahrlich einer guten Sache nicht und es wäre wohl richtiger gewesen, wenn der Referent sich ans die sachliche Widerlegung der Gegner beschränkt hätte. In der Diskussion spielte begreif licherweise der Bauernbund eine große Rolle. Mit großem Geschick hat die Versammliiiigsleitnng die Tisknssionsred- ner audgewählt, es spracben Hofbesitzer ans allen Teilen Teutschlands, es sprachen Kleinbauern von überall her und es sprachen Ansiedler aus Posen und sie alle sprachen gegen den Bauernbund. Aber die Aussübi nnaen lassen doch auch erkennen, daß der Bauernbund seinen Namen nicht mit Reckt führt, den» der Widerstand in der Tiskussiou gegen die nationalliberale Schöpfung ist nnverkennbai' stark und tief, und es erscheint wirklich zweifelhaft, ob der Baiiernbiind in. den Massen unserer Ackerbau treibenden Bevölkerung unseres Vaterlandes jemals festen Fuß fasse» wird. Stürmisch begrüßt von der Versammln»» rechtfertigt Tr. Oertel noch einmal die Haltung des Bundes der Landwirte bei der Fiuanzreform und mit annerkennens- werter Entschiedenheit weist er dw Angriffe derer zurück, die dem Bunde einen Vorwurf daraus machten, daß er mit dem Zentrum zusammengegangeu sei; es sei doch keine Sünde, mit dem Zentrum zusammenznarbeiten (lebhafte Zustimmung), ihm, Redner, sei ein Zcntrumsman» viel lieber, als alle Nationalliberalen und Sozialdemokraten zu sammen. (stürmischer Beifall.) Mit tosendem Beifall empfangen, reitet Herr von O l d e u b u r g - I a n u s ch a u sein Kampfroß gegen die Sozialdemokratie und versichert, daß der Bund der Land wirte niemals eine TemvkratisierUng des preußischen Wahl- rechtes dulden werde. — Die von Tr. Hahn eingcbrachtc Re solution wird einstimmig angenommen. Mit einem be geistert aiisgenommenen Hoch auf den Kaiser wird die Ver sammlung geschlossen. Deutscher Reichstag. K. Berlin. Sitzung vom 21. Februar 1918. Auf der Tagesordnung steht der Etat des Reichsamts des Innern. Der Prästdentenstuhl ist mit einem schwarzen Trauerflor um- rahmt. Vizepräsident Dr Spahn (DaS Haus erhebt sich von den Plätzen) teilt das Ableben des Präsidenten Grafen Stolberg mit und hält eine kurze Gedächtnisrede. Das Hans vertagt sich zum Zeichen der Trauer auf Mittwoch 1 Uhr: Reichsamt des Innern. Die KomnussionSsitzungen fallen gleichfalls aus — Die Prä sidentenwahl ist kommende Woche. Politische Rundschau. Dresden, den 2t. Februar 1910. — Im preuß. Abgeordnetenhaus« widmete der Vize- Präsident Dr. Porsch dem verstorbenen Reichstagspräsidenten eineit kurzen Nachruf; alsdann wurde in die Besprechung des Antrages der Konservativen betreffend Verschärfung der Geschäftsordnung eingetreten. Die Konservativen hatten wenig Glück. Alle Redner ans dem Hause bedauerten das Auftreten der Sozialdemokraten, sahen darin aber keinen Grund, die Geschäftsordnung zu verschärfen. Dieser Antrag ging an eine besondere Kommission. Das HauS beschäftigte sich dann »och mit dem Etat der Zentral- genossenschaftskasse und einem Antrag auf Aenderuug des Arbeitsnachweises. Nächste Sitzung Mittwoch. Der österreichisch-ungarische Minister des Aeußern von Arhrenthal trisst heute Dienstag in Berlin ein, um den Besuch zu erwidern, de» der Reichskanzler von Bethmann- Hollweg im vorigen Herbste in Wien abgestattet hat. Hier zu schreibt die „Nordd Allgcni. Zeitg.": „Die Sympathien, mit denen wir seinem Besuch ent- gegeuseheu, werden vertust durch die 'riscl-en Erinnerun gen an Ereignisse von historischer Bedeutung, bei denen sich die Allianz zwischen Tcsterreich-tingarn und dem Deutschen Reiche bewährte. In dieser Periode ist dem Grafen von Aehranstcal eine weithin sichtbare Rolle be- schieden gewesen. Als snrctstloser und unerschütterlicher Verfechter der ihm anvertrauten Interessen der österrei- chiich-imgarisch'n Monarchie bat er sich einen Ehrenplatz in der Geschichte des habsbiirgischen Reiches erworben. Tie Psleae der Beziehungen zu Deutschland bat er alten Traditionen and eigener 1!el erzengung folgend init einem Vertrauen beb 'adelst das ebenso rückhaltlos erwidert wie gegeben wi'-d. Unter diesem seichen gegenseitigen Ver trauens iv'id auch sein Besiiw in der deutschen Hauptstadt sieben. Wie begrüßen den ausgezeichneten Staatsmann in Berlin und beißen ilm von Herzen willkommen." — Die Zentrumspartei in Mülheim - Wipperfürth arbeitet mit unermüdlichem Eifer. Am letzten Sonntag hielt sie 25 Versammlungen ab. 0 Zenlrumsabgeordnete waren aus Berlin herbeigeeilt. Abg. Erzberger sprach in Riesenversammlungen zu Bensberg. Berg, Gladbach und Mülheim. Abg. Nacken in Engelskirchen. Abg. Hebet in Rohn usw. Die Stimmung ist eine sehr gute. — Zur Ablehnung des Tolrranzantragcs bemerkt die „Kreuzzeitung": „Schon als das Märchen vom schwarz-blauen Block in diesem Sommer anfkani, haben wir voransgcsagt, daß es bei Gelegenheit des Toleraii.zantrages sich als bös willige Erfindung erweisen werde, und das ist eingetrof- fon. Bestände zwischen dem Zentrum und den Teutsck>- konservativen irgendwelche Verabredung oder auch nur die stillschweigende Absicht gegenseitiger Unterstützung, dann wäre dies bei einer solchen für das Zentrum über aus wichtigen Frage zutage gekommen. Hier hätte das Zentrum — wie die Liberalen iimncr verkündigten — „die Rechnung für seine Mitarbeit an der Finanzreform präsentieren" können. Das ist nicht geschehen, es würde auch bei den Konservativen kein Entgegenkommen gesun den haben. Trotzdem wird das Märchen vom schwarz- blauen Block weiter verbreitet werden. Ja, wir haben »ns überzeugt, daß die Freisinnigen wirklich selbst an ihre eigene Erfindung glauben. Während sie früher stets einstimmig für den Toleiaiizantrag gestimmt haben, der ihren Grniidsätzen durchaus entspricht, stimmten sie jetzt einstimmig «mit einer Stimmeiithaltniig) dagegen. Die ser überraschende» Stellungnahme lag lediglich die tak tische Erwägung zugrunde, den Konservative», wenn möglich bei der evangelischen Wählerschaft neues Miß trauen zu erregen, denn sie nahmen an, daß die Konser vativen diesmal für den Zentriimsantrag stimmen wür den. dann hätte man auf das sichtbar gewordene schwarz- blaue Bündnis Hinweisen können, hätte sagen können, die Zentrimisrechnilng sei auf Kosten des Protestantismus beaUchen worden, während sich hier doch einmal eine Ge legenheit geboten hätte, de» alten Block „zum Schutze des Protestantismus gegen Zentrumsgelüste" Wiederauf leben zn lasse», eine Gelegenheit, die die Konservativen, als Zciitrumsangehörige nicht hätten wahrnehmen kön- Wege« de- Bußtages erscheint die nächste Nummer erst Donnerstag den 24. Februar nachmittags.