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MOmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, »WU^druffrr Tageblatt" erscheint täglich nachni. S Uhr fSr den folgenden Tag. BrMgaprei,: Bei Abholung in der S»schLft»stell« und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,so Mk., bei Postbeftellung »Ag/ÄWAL Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Sien^L?^ träger und Geschäftsstellen ---——- . nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt. Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schristftk^e erfolgt nur. wenn Port» deiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anjkigrnprct«: di« «gefpaltkue riaumzrilk MDoldpstmüg, die 2g-spoItrnkZkiI- der amtlichenBcbanntmachungcn4« »old- pfcnnig, dir Z,«fpaltcneBkhla««,eNr im textlichen Tkil« 100 Doldpsennig. Nachweisungsgedühr 20 Soldpsennige. 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Das ist das Endergebnis, wie es sich bisher aus den Londoner Beratungen herauskristallisiert hat und das aus dem ganzen Charakter dieser Verhandlungen hervorgeht. Der unbedingte Wille, „etwas" zu schaffen, zu irgendeinem Resultat, aber zu einem Resultat zu kommen, hat zur notwendigen Folge, daß deutscherseits an dem mühsam ge schaffenen Resultat nichts mehr geändert werden, daran nicht gerüttelt werden darf. Gleichgültig, wie es sei, gleichgül tig, ob es mit dem Sachverständigengutach ten noch vereinbart werden könire — „die Deutscher» ! müssen sich beugen". Das hat man ja auch vor Versailles gesagt und man hat Lie Erfahrung von fünf Jahren hinter sich, Laß diese Hoffnung noch nie trog. Das ist das Resultat der von so vielen sehnsüchtigen Augen und Herzen in Deutsch- - land erwarteten Vorkonferenz, für die die Fortsetzung, also die Haupikonserenz, eigentlich ganz überflüssig geworden ist. Der Besiegte in London ist Macdonald und an seiner Niederlage trägt auch Amerika den wohlbemessenen Teil. Dessen Vertreter haben ja nur ein Ziel im Auge gehabt: dis schärfsten, sichersten Garantien für die Anleihe- i zeichner herauszuarbeiten, und sie haben sich bei diesen - Bemühungen 'den Teufel um den Sinn des Daves-Berichts gekümmert. Nirgends in der Welt gibt es ein so hartes Z Schuldrecht wie in Amerika, und man hat das Recht des amerikanischen Hypothekengläubigers, bei Ziusverzug dem Schuldner ohne weiteres das Haus über den Kopf s-ub- oastiercn zu lassen, auf das Reparationsproblem übertragen, - soweit es Lie Deutschland zu gewährenden Anleihen angeht. , Der Grundsatz: DemSchuldnerkeineSchonung, schnellstes, rücksichtslosestes Vorgehen gegen ihn ist berech tigt — hat den amerikanischen Delegierten veranlaßt, das politische Spiel Frankreichs in der Sanktionenfrage nntzu- machen, um bei einer „Verfehlung" Deutschlands, also bet einem Zinsverzug, sofort einen Gerichtsvollzieher zur Hand zu haben, der mit Hilse einer Exekution den Zinsendienst sicherstellt. IrgendwelchepolitischenBedenkengegen eine solche Exekution sind den Amerikanern außerordentlich gleichgültig, besonders da sie auch von dem bisheriger» „bösen Willen" Deutschlands, wie er ja von Frankreich seit Fahren in die Welt hinausposaunt worden ist, zweifellos überzeugt sind und infolgedessen der Ruhrexekution gar nichtso unsympathisch gegenüberstehcn. Daher ist infolge dieser französisch-amerikanischen Zusammenarbeit von den schönen „Voraussetzungen",^ denen Mac donald bei der Eröffnung der Konferenz sprach garnrchts mehr übriggeblieben, am wenigsten die wirtschaft liche und administrative deutsche Selbständigkeit, die ja wiederhergestellt werden sollte. Ist diese unter den Bestimmungen des Dawes-Berichts überhaupt ein Phantom, so wird sie es noch mehr durch die französisch-belgischen Bestrebungen, Deutschland zu zwingen, selbst bei einer Aufhebung der Eisenbahnregie 4000 bis 5000 Franko-Belgier als Mamte im Eisenbahndienst zu belassen. Bekanntlich sollte die Konferenz sich ja mit politischen Dingen überhaupt nicht beschäftigen, also vor allem nicht mit den französischen ,Sicherungs"wünschcn. Trotzdem ist man, wie die Ver- uandlmig über, diese Forderung beweist, schon fröhlich da bei, wie man sich ausgiebig mit den Sicherungs, maß nahmen in jenen Gebieten beschäftigt, d i e laut Dawes-Bericht zu räumen sind. Das alles ist im 2. Ausschuß der Konferenz behandelt worden und man hofft, auch hierüber bald zu einer „Einigung" zu kommen, was in London nichts anderes heißt als An nahme des französischen Standpunktes. Und der französische Delegierte hat einfach erklärt, daß man „im Falle einer Mobilisation" (gegen Deutschland natürlich!) das Verfügungsrecht über die rheinischen und die Ruhrbahnen „brauche", und teilte dabei die inter essante Tatsache mit, daß es den französischen und belgi- schen Truppen Januar 1923 bei Beginn des Rnhreinbr-uchs nicht möglich gewesen wäre, an den Rhein 'heranzukommen, sie auch von Frankreich und Belgien völlig abgefchnitten worden wären, wenn die deutschen Eisenbahner mit ihrem Streik acht Tage früher begonnen hätten. Dem muß also nach französischer Ansicht gründlich durch die Beibehaltung jener 5000 französisch-belgischen Eisenbahner für zukünftige Fälle vorgebeugt werden, zumal Frankreich „das N e ch t habe, die militärische Besetzung im Ruhr gebiet aufrechtzuerhalten" und daher die Sicherheit seiner dortigen Trnppe gewährleisten müsse. Die Kom mission hat dann beschlossen — da die Engländer noch einigen Widerstand leisten —, daß die militärischen Dele gierten einen Bericht, also ein Kompromiß, ausarbeiten sollen. Wer darin Sieger bleibt — nun, diese fast schm albern gewordene Frage braucht man wohl erst gar nicht zu beantworten. Und der Dawes-Bericht? Und die Deutschen? Die — „müssen sich beugen". Damit ist dann die „Einigung" auch im letzten Punkt hergcstellt. Die Vollkonferenz hat dann ihre „Genehmi gung" dazu zu geben, die deutschen Delegierten werden, »vie vor fünf Jahren in Versailles, aufgesordert zu er- scpemen. den Füllfederhalter zu ziehen und zu unter?- W deine EWU in der FrW der SnnwM Zwei neue Vorschläge. (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes") London, 22. Juli. Lamont, der Vertreter der Morgan- Bank hatte nach einem offiziösen Havasbericht gestern nachmittag im Verlaufe einer zweieinhalbstündigen Aussprache im Reichs schatzamt folgende zwei neue Bedingungen im Namen der ameri kanischen Anleihegeber mitgeteilt: 1. dip Feststellung deutscher Verfehlungen dürste nicht von der Repko vorgenommen werden, da diese Körperschaft ihren moralischen Kredit in Amerika ein- gebüßt habe. 2. Die amerikanischen Finanzkreise widersetzen sich jeder selbständigen Aktion eines der Verbündeten, da durch die Sanktionen der Kredit Deutschlands geschwächt und gleichzeitig die Situation der Geldgeber gefährdet werden könnte. Der fran zösische Finanzminister Clementel und Ministerpräsident Theunis der ebenfalls an der Sitzung teilgenommen hatte, haben energisch gegen diese amerikanischen Forderungen protestiert und darauf hingewiesen, daß sie im Widerspruch zu dem Versailler Vertrag ständen. Belgien halte an der Aufrechterhaltung des Vertrages ebenso hartnäckig wie Frankreich sest. Im Anschluß an diesen Wortwechsel habe sich dann eine längere Debatte entwickelt, in deren Verlauf verschiedene Möglichkeiten geprüft wurden, um den Anleihegebern die beanspruchten Zusatzgarantien zu gewähren. Schließlich wurde folgende Formel angenommen: Die Repara tions-Kommission wird, wie ursprünglich vereinbart wurde, die Verschlungen feststeilen, dem Finanzkvmitee des Völkerbundes aber den Auftrag erteilen, die Folgen solcher Verfehlungen zu beurteilen. Außerdem soll der Sachverständigen-Ausschuß, der den Dawes-Bericht abgesaßt hat, wieder zusammen gerufen werden, um die aus den Verfehlungen Deutschlands zu ziehenden Konsequenzen festzulegen. Ein Beschluß konnte wegen der Mei nungsverschiedenheiten nicht gefaßt werden. — Nach Ausgang der Zusammenkunft begab sich Lamont nach dem Hyde-Park und hatte mit dem französischen Ministerpräsidenten eine nahezu vier stündige Aussprache. Lamont legte Herriot den Standpunkt der anglv-amerikanischen Finanzkreise in der Frage der geforderten Zusahgarantien dar. Herriot soll schließlich geantwortet haben, daß die innerpolitische Situation es ihm nicht ermögliche, die an geforderten politischen Garantien zu gewähren. In Londoner franco-belgischen Kreisen haben die neu ausgetauchten Schwierig keiten einen äußerst ungünstigen Eindruck gemacht und die in der Frage der Verfehlungen und der Sanktionen erzielte Verstän digung ist damit völlig zweifelhaft geworden. Noch 14 Tage Konferenz-Dauer. London, 22. Juli. Mit der Einladung der deutschen Delegation rechnet man in informierten Kreisen nicht vor Don nerstag kommender Woche. Man begründet den Widerstand da gegen besonders mit der wahrscheinlichen Notwendigkeit einer längeren Fortsetzung der Konferenz. Es ist mit einer weiteren Dauer von 14 Tagen zu rechnen. Der von sranzösischer Seite gemachte Vorschlag, die deutsche Delegation lediglich zum Zwecke der Unterschrift einzuladen, hat keine Aussicht aus Erfolg, denn es würde ein derartiges Verfahren in erster Linie die Begebung einer Anleihe von 800 Millionen erschweren, die eben nicht nur auf Zahlungssicherheit, sondern auch auf den guten Willen der deutschen Delegation basiert werden müßte. Besprechungen mit Sthamer. (Eigener Fernsprcchdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Paris, 22. Juli. Der Londoner Berichterstatter des „Temps" meldet, es hätten bereits offizielle Besprechungen mit dem deutschen Botschafter in London über die Einladung Deutsch lands zur Londoner Konferenz statlgefunden. Trotzdem werde aber die Einladung wahrscheinlich erst nach Verlaus einiger Tage abgehen. Dte 800-MillionenanLeihe Eigener Fornsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 22. Juli. Nach einer Meldung des „Temps" be gannen in London heute nachmittag vorbereitende Besprechungen der Finanzminister Englands, Frankreichs und Italiens mit ame rikanischen Bankiers über die im Dawes-Plan vorgesehenen An leihen. London, 22. Juli. Herriot hat gestern vormittag mit Theunis, Macdonald und Kellog eins Unterredung gehabt, die bis 1 Uhr dauerte und in der die Beschlüsse der ersten Kom mission grundsätzlich gutgeheißen wurden. Die Unterhaltung be zog sich in der Hauptsache auf die Anleihe von 800 Millionen. Es wurde darauf hingewiesen, daß Garantien den Anleihezeich nern gegeben werden sollen und daß weitere Garantien gegeben werden müssen. Die Bankiers bedenken. London, 22. Juli. Gestern nachmittag hat in den Bureauräumen des englischen Schatzkanzlers eine Zusammenkunft zwischen den amerikanischen und englischen Bankiers stattgefun den. Die Bankiers haben, wie bestimmt verlautet, Einwendungen gegen das Programm der ersten Kommission erhoben. Dienstag findet eine neue Besprechung statt. Die Sozialdemokraten bei Dr. Stresemann Berlin, 22. Juli. Anschließend an die Fraktivnssitzung der Sozialdemokraten begäben sich die Abgeordneten Müller- Franken und Dr. Breitscheidt zum Reichsaußenminister Dr. Stresemann. schreiben. Macdonald wird als zweiter Wilson präsidieren. Am Montag sind die Premierminister zu sammengetreten und haben der Vollkonferenz ein fertiges Programm vorgelegt. Zurzeit befinden sich Staatssekretär Dr. Bergmann, Dr. Schacht und Staatssekretär Vogt vom Reichsverkehrs- ministerium in London, um die letzte Hand an die Aus arbeitung der Entwürfe über die Industrie ob ligation en, die Goldnotenbank und die zukünftige Form der Reichs bahn zu legen. Da braucht doch ein deutscher Minister nur zur Empfangnahme der Befehle nicht erst hinüberzu- fahren! SLiMeräiAgr «»snnrdinbar. Die Londoner Sanktionsbeschlüsse. Wenn ein Blatt wie die „Zeit", die dem Außen minister nahesteht und für die Dr. Stresemann selbst Artikel schreibt, über eine außenpolitische Frage eine Zu schrift „von besonderer Seite" veröffentlicht, so kann man sich ungefähr denken, von wem sie verfaßt oder mindestens beeinflußt ist. Wir geben daher die folgenden Sätze hier im Wortlaut wieder: „Diese Vorschläge (die Vorschläge Peretti della Roccas und Snowdens zur Sanktionsfrage) müssen deutscherseits mit größter Besorgnis betrachtet werden. Es ist unverständ lich, wenn man sich auf der Gegenseite vorstellt, daß die Änderung derartig elementarer Vertragsbestim- mungen durch einen einseitigen Beschluß der Alliierten auf Grund des Artikels 22 überhaupt möglich sei. Aus diese «Weise können die Alliierten unter Umständen über haupt alle nur denkbaren Sanktionsmaßnahmen über den Vertrag hinaus beschließen. Der englische Vor schlag sucht zwar den französischen zu verbessern, ist aber ebenfalls äußerst bedenklich. Auch er läßt territoriale Sanktionen grundsätzlich zu. Das steht in frappan tem und völlig unverständlichem Widerspruchzuder englischen Rechtsausfassung, wie sie in der englischen Note vom 11. August 1923 im besonderen niedergelegt ist. Eine derartige grundsätzliche Anerkennung territorialer Sanktionen wäre fürdie deutsche Auf fassung schlechterdings unannehmbar. Es ist ferner äußerst bedenklich, daß auch der englische Vorschlag nicht mehr zum Ausdruck bringt, daß nach Fest stellung der deutschen Verfehluirgen Sanktionen gegen Deutschland nur von allen Alliierten gemeinsam beschlossen werden dürfen. Dadurch wird mindestens indirekt Lie These Herriots anerkannt, wonach Frankreich seine Handlungsfreiheit behält, wenn eine Miierten- verständig-ung nicht erzielt wird. Die behandelten Frager» sind von solcher Bedeutung, daß sie die Öffentlichkeit in hohem Maße bewegen müssen, da von der endgülti gen Entscheidung dieser Punkte auch die Stellung der deutschen Regierung zum Sachverständigen gutachten mit beeinflußt wird." MM. Herm» für Nachteile und Vorteil«. Von einer Amerikareise zurückgekehrt, hat der früher- fteichsfinanzminister Hermes in Aachen über das Sach verständige n g u Lachten gesprochen. Er erwähntS preist die Nachteile des Manes, vor allem die z« Hohs ziffernmäßige Belastung Deutschlands. Sch Mil liarden Goldmark -vom fünften Jahre an, das könnte Deutschland nicht leisten. Auch die vorgesehene Kon trolle bedeutet einen außerordentlichen scharfen Erngrifß in unsere Verhältnisse. Aber das Gutachten bedeutet doch endlich ein Abgehen von der bisherige» Methode der Entschüdigungspolitik. Es gibt uns dis wirtschaftliche Freiheit zurück, es bringt uns die internationale Anleihe von 800 Millionen Goldmark und ermöglicht damit die Stabilisierung der Währung. Alles in allem, meint Dr. Hermes am Schluffe: Es wäre unverantwortlich, das Gutachten abzuleh nen, ja wir müssen alles darairsetzen, den Plan so schnell wie möglich in die Wirklichkeit umzusetzen. Da Dr. Hermes als Zentrmnsabgeordneter und als Minister sehr stark der Rechten zuneigende Anschauungen bekundet hat, ist seine entschiedene Stellungnahme für den Dawes-Plan immerhin bemerkenswert. Es bleibt aber die Frage offen, ob dieser mit den Londoner Beschlüssen gleichbedeutend ist. Die Opposition gegen das Gutachten an sich hat wesentlich nachgelassen, sie richtet sich gegen die tu London ausgeheckten neuer» Bedrohungen Deutschlands.