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Druck u. «erlag: Lievlch » «eichardt, Dresden. Poftlcheck-ltto. lass Dresden Nachdruck nur mtt deull.Quellenangabe <D«e«dn. Nachr.) Unverlangt« Schriftstücke werde: nicht aufbcwahrt «-»ugrsebühr vom 1«. dt» »1. Aull «30 bet tllgltch »n>«tn»aU«er Zustellung stet Han» ».« Ml. Postb«,ug»»rei« für Monat IM 3.40 Mk. einfchl. „ P,g. Postgebühr lohn, Post»ustellmrg,g«bühr>. Einzelnummer io Psg. AnietgenPreife: Die Anzeigen werden nach Boldmari berechnet: die etn- Ipaltige 30 mm breit« Zell« 8d Pfg., für autwäriS 40 Psg. FdmUienanzeigen und Stellengefuche ohne Rabatt 1b Pfg.. außerhalb Lb Psg.. di« so mm breite Rellamezetle soo Psg., außerhalb »So Pfg. vssertengebühr 30 Psg. Auswärtige Austräge gegen «orausbezahlung Drahtanschrift: Nachrichten Dresden Fernsprecher-Sammel,lummer: ssssl Nur sür Nachtgespräche: Nr. suoil Schristleitung u. Hauptgeschästsstelle: Dresden - A. 1, Marienftraße 33/43 Der Reichslag aufgelöst Berlin, 18. Juli. Im Reichstag wur-e am Freitag nachmittag über den sozialdemokratischen Antrag aus Aushebung der Notverordnung entschieden. Für den Aushebungsantrag stimmken Sozial' demokraten, Kommunisten, Nationalsozialisten und der größte Teil der Deutschnationalen. Der Aushebungs- antrag wurde mit 236 gegen 221 Stimmen angenommen. Rach der Abstimmung erhob sich Reichskanzler Dr. Brüning und erklärte: Ach habe dem Hohen Hause eine Verordnung -es Herrn Reichspräsidenten mitzuteilen: „Nachdem der Reichstag heute beschlossen hat, zu verlangen, -aß meine aus Grund des Art. 48 -er Reichsversasfung erlassenen Ver ordnungen ausgehoben werden, löse ich aus Grund des Art. 25 -er Reichsversassung den Reichstag aus."- Die solgenden Sätze -er Kanzlererklärung bleiben unverständlich, weil die Kommunisten laut rusen: „Rieder mit dem Reichspräsidenten!" Als -er Reichskanzler nach 1 Ahr geendet hat, verläßt Präsident Löbe feinen Platz, und die letzte Sitzung dieses Reichstages ist damit formlos geschlossen. Die Neuwahlen zum Reichstag finden voraussichtlich am 14. September statt. Brünings Gidkmmf «m »ir vradtmsläong nasor« vorUnor 8elnl1tl»l1ario Berlin, 18. Juli. Punkt 1 Uhr nachm, hat der Reichspräsident durch den Mund des Reichskanzlers Brüning den Reichstag auslüscn lassen. Unter großer Erregung nahm bas über besetzte Haus davon Kenntnis. Noch bis zum letzten Augen blicke hatte die Regierung gehofft, daß sich eine Mehrheit gegen die Aufhebung der Notverordnungen des Reichs präsidenten würde finden lassen. Diese Hoffnung hat ge trogen. Die Hilfs stell«» g, z« der sich ein Teil der Deutsch- nationalen, unter Führung des Grasen Westarp, in letzter Stunde entschlossen hatte, war z« schwach. Die Regierung blieb mit 221 :236 Stimmen in der Minder heit. Die Kommunisten stimmten im Sitzungssaal die Inter nationale an. Ein Reichstag, der 25)4 Monate ein nicht ge rade rühmliches Leben geführt hat, ist dahin. Da verfassungs mäßig die Neuwahlen innerhalb von acht Wochen stattzn- finden haben, kommt als letzter Wahltermtn der 14. September in Frage. Die Ferienhoffnungen -er Reichstagsabgeordneten sind mit der Auslosung geschwunden. Wir werden einen Wahlkampf im Hunbstagsmonat August haben. Das Sterben des Reichstags vollzog sich in außerordentlich bewegter dreistündiger Sitzung, in der zunächst noch alle Mög lichkeiten offen waren. Kein Mensch wagte mtt Bestimmtheit zu sagen, daß der sozialdemokratische Antrag eine Mehrheit finden würbe oder nicht. Auf die Sozialdemokratie hatte die Regierung längst innerlich verzichtet. Sic mußte nun ihre ganze Hoffnung auf die Spaltung der deutschnattonalen Rcichstagsfraktion setzen, und demgemäß stand anch die ge samte Debatte im Zeichen eines Trommelfeuers, das aus dte rechte Opposition nieberprasselte. Zwei Minister wurden ins Gefecht geschickt. Dr. Wirth hatte dte Aufgabe übernommen, dem Reichstag noch einmal darzulcgen, daß es sich bei den Notverordnungen nicht, wie von der Linken behauptet, um einen verfassungs widrigen Akt handele. Er tat dabei aber denjenigen Be strebungen, die aus stärkeren deutschnationalen Zuzug ab zielten, einen schlechten Dienst, indem er seine ganze Argu mentation darauf abstellte, das parlamentarische System und unsere ganze Regierung müßten ins Wanken kommen, wenn bi« Sozialdemokraten mit ihrem Antrag durch- kämen. Eine solche Art von Beweisführung mußte natur gemäß die Gruppe derjenigen schwächen, die im Begriff war, aus der deutschnationalen Opposition hinüberzugehen in eine Htlssstellung für dte Negierung. Die Gruppe Westarp konnte sich unmöglich der, artige Argumente z« eigen machen, wie sie Dr. Wirth vertrat. Sie konnte unmöglich ihren Uebergang ins Regierungslager mit dem Vorwurf belasten, sie habe das parlamentarische System, über dessen Wert es wohl keines Wortes mehr be darf, zu unterstützen und zu retten versucht. So war denn auch dte Gruppe Westarp nur ein kleines Häufchen, als sie ins Regierungslager hinüberzog,' ein Drittel der gesamten RetchStagSfraktion. nicht, wie viele ge hofft hatten, mindestens dte knappe Hälfte. Der zweite RegiernugSredner war Dr. Dietrich-Bade«, der sehr temperamentvoll vom Leder zog und überhaupt ein Mann von sachlicher und persönlicher Qualität ist, um die ih» Mancher Vniktstmikvsirge Wirth die Krise -es parlamentarischen Systems beschwor, redete Dietrich frisch von der Leber weg antiparlamen tarisch. Er gehört ja anch zu den Leuten, die sich im Grunde am allerwenigsten um Parteistrett und Fraktionsgczänk kümmern. Es war bezeichnend, daß er an seine Worte im Ausschuß erinnerte, es sei gleich, was für Beschlüsse hier und da gefaßt würden, und daß es ihm lediglich darauf ankomme, die Kassenverhältnisse des Reichs in Ordnung zu halten. Dr. Oberfohrens Erklärung für die dentschnationale Fraktionsmchrheit war kurz und klar. Daß sie jede Konzession praktisch ausschlotz, ist nach den Be mühungen, Sie der dentschnationale Parteiführer Dr. Hu gen berg gestern selbst beim Reichskanzler unternommen hatte, verständlich. Brüning ist gestern von der deutschnationalen Fraktion noch einmal die Hand gereicht worden. Er hat dte Hand, die allein ihn hätte retten können, zurückgewiesen. Er hat nicht geglaubt, auf die Wünsche der Deutschnationalen eingehen zu können, während er in seiner eigenen Koalition fortgesetzt hier und da, wenn auch unter einigen Hemmungen, Einzelwünsche zu befriedigen pflegte, mögen sie nun von den Demokraten, der Wirtschastspartei oder Deutschen Volkspartei gekommen sein. Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn ein solches Gremium wie der Reichstag plötzlich entthront und in alle Winde zer streut wird. Da befällt das große Haus am Tiergarten so etwas wie eine Leere und Lähmung. Die Geschäftigkeit schwindet aus den Wandelhallen und den ungezählten Be ratungszimmern. und die Einzelheiten der letzten Sitzung sind im Nu vergessen. Alles wendet sich im Augenblick der Zu kunft zu. Jeder der Abgeordneten muß sein Mandat von neuem erkämpfen. Die Urlaubswünsche und Pläne sind ver nichtet. Die Post im Reichstag war überfüllt mit Abgeord neten, die ihre Sommerquartiere telegraphisch abbestcllen mußten, und in der Wandelhalle blieben bann schließlich nur oiejcnige» zurück, die sich im Augenblick noch Gedanken da» über machen müssen, wie mm weiter regiert werden soll. Vor dem Reichstag hatte sich während der entscheidenden Sitzung eine große Menschenmenge eingefunden, die das Er gebnis der Abstimmung abwartete. Die Auflösung des Reichstages wurde mit lebhaften Kundgebungen ausgenommen. Schließlich ging die Polizei dazu über, die Menge vom Reichstagsgebäube abzubrängen. fRcichstagsfitzungsbericht siehe Seite S!f Der Staatsgerichtshof gegen Thüringen keine einstweilige Verfügung wegen der Polizeizuschüsse Leipzig, 18. Juli. (TU.) I« der «ersaffnngsrechts- streitsache zwischen Thüringen «nd dem Reich «ege« Weiter- gewShrnng der Polizeiznschüffe an Thüringen hat der Staats gerichtshof am Freitagmtttag folgende Entscheidung ver kündet: „Der Antrag anf Erlast einer einstmelligen Bersügnng »trd Mrückgemiesen." Die Auflösung Der Reichstag, der im Mat des Jahres 1928 gewählt wurde, hat nach etwas über zweijähriger Existenz ein un natürliches Ende gefunden. Eine Verordnung -es Reichs präsidenten hat ihn, wie bereits seinen Vorgänger, aufgelöst. Seit dem ergebnislosen Verlauf der Verhandlungen der deutschnationalen Parteiführer Hugenberg und Ober fohren mit Brüning war dieser Gang der Dinge voraus- znsehen. Eine schwache Hossnung bestand noch für die Regie rung. Und das war die Frage: Werden die Deutschnationalen getrennt abstimmen und wird die Sezession genügend stark sein, um dem Kabinett eine geringe Mehrheit zu sichern? Die Frage hat sich verneint. Mit 15 Stimmen ist das Kabinett in der Minderheit geblieben. Zwar kam ihm die Westarp-Gruppe der Deutschnattonalen zur Hilfe. Aber sie brachte lange nicht mehr so viele Stimmen mit, wie bei den ersten Abstimmungen. Der Kredit des Kabinetts hatte sich durch seine Unentschlossen heit in den letzten Monaten bedenklich verringert. Die starke Hand, die es in den letzten Tagen durch den Erlaß der Not verordnungen zeigte, genügte nicht mehr, sich eine Mehrheit zu erkämpfe». Die Sozialdemokraten wollten die Auflösung, weil sic sich von Neuwahlen in der Zeit einer langandauerndcn scharfen Wirtschaftskrise mit einem Mil- ltonenheer erbitterter Erwerbsloser die günstigsten Ersolgs- aussichten versprechen. Von ihnen muß erwartet werden, daß sie alle Register ihres großzügigen Propagandaapparatcs ziehe», um mit dem Schlagwort von unsozialen Steuern, Zoll wucher und Abbau der Sozialversicherung ihre Partcigeschäfte zu betreiben. Es ist allerdings sehr fraglich, ob sic in gleicher Stärke wicderkehren werden. Denn ihre eigene Unfähigkeit, während der Kanzlerschaft Müllers die wirtschaftlichen «nd finanziellen Schwierigkeiten zu meistern, sowie die offensicht lichen Mißerfolge HilferdingS, die seine Nachfolger aus- zubaden hatten, sind auch im Kreise ihrer eigenen Wähler nicht vergessen worden. Die Kommunisten werden dafür sorge», daß die Erinnerungen an die Hilferding-Epoche wach gehalten werden, und sie werben in noch höherem Maße als in Sachsen anf Kosten der Sozialdemokratie gewinnen. Ohne Zweifel hätte sich die Auslösung des Reichstags mit all de» Folgen eines zu häufigen Wahlkampfes vermeiden lassen, wenn Brüning den Deutschnattonalen etwas mehr Entgegen kommen gezeigt hätte. Offenbar hat der Kanzler ei» Va-bnngus-Spiel getrieben und alles auf die Karte einer beutschnativnalcn Spaltung gesetzt. Er hat sicher angenommen, die deutschnattonalen Forderungen aus eine feste Rechts- regierung im Reich, die mit einer Loölösung des Zentrums in Preußen von der Sozialdemokratie hätten verknüpft sein müssen, seien bedeutungslos, weil die Deutschnationalen -um großen Teil ja doch nicht für einen sozialdemokratischen An trag auf Aufhebung der Notverordnung stimmen könnten. Aber er hat die Erbitterung unterschätzt, die auf der Rechte» über die Weigerung des Zentrums, von seinem Doppelspiel im Reich und in Preußen zu lassen, herrscht. Er hat weiter außer acht gelassen, daß für die Mehrheit der Deutschnationalen eine Billigung der neuen Steuern nur tragbar sein könnte, wenn sie mit großzügigen Reformen unserer Finanz-, Ausgaben-. Verwaltungs-, Sozial- und Handelspolitik Hand in Hand gehen würdet» Auch hier hat sich Brünings Zaudern gerächt Er hat seit Monaten im endlosen Verhandeln mit dem Parla ment wertvolle Zeit vergeudet, die besser für die Ausarbeitung eines wirkungsvollen Reform- und Sparprogramms ver wendet worden wäre. Da dieses Programm nur t« einer «evfprechnng für dte Lnknuft bestand, sich 1« der Sogen»,«