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WichmNich erscheinen drei Nummern. PrünumerationS-Prei« 22j Sildergr. (j Thlr.) nicrieljähriich, z Tdlr. jur diuj ganze Hahr, ohne Erhöhung, in aüen Lheüeu der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung sin Berlin dei Beit u, Lome.. Iägerstraße Nr. 25), so wie von allen Äönigl. Dog Remtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 4/ 97 Berlin, Dienstag den i:;. August 1844. Ettgl.ltld. Birmingham und seine Industrie. Von L. Fauch er. >. Die Vorthcile der kleineren Fabrication. Birmingham ist die einzige Fabrikstadi in England, deren Industrie eine gewisse Vielseitigkeit zeigt. In anderen Manufaktur-Distrikten herrscht immer eine bestimmte Gattung der Arbeit vor und nimmt ausschließlich die Kapitale und Arbeiter in Anspruch. So werden in Manchester vorzugsweise baum wollene, in LeedS leinene und wollene, in Nottingham Strumpswirkcr-Waarcn fabrizirt, Coventry liefert Bänder, Sheffield arbeitet in Stahl, Wolver hampton in Eisen, Burslem in Thon und ganz Newcastle beschäftigt sich mit der Gewinnung der Kohle. Umgeben von diesem Einerlei der Beschäftigungen, nehmen die Arbeiter in den einzelnen Fabrikstädten einen eigcnthümlichcn, der Hauptindustrie des Ortes entsprechenden Typus in ihrer physischen und sitt lichen Beschaffenheit an; eine jede Gattung der Manufaktur erzeugt einen be sonderen Menschenschlag, und man wirb unter Tausenden einen Schlosser von Wolverhampton, einen Kohlengräber von Newcastle und einen Weber von Nottingham herauserkennen. Birmingham hat zu seinem und der konkurrirenden Städte Glück jene Alleinherrschaft in einem Zweige der Industrie nicht, und arbeitet, ungefähr wie Paris und andere Hauptstädte des Kontinents, von Allem etwas, aber Alles gut und billig; nur daß Paris bei seinen Prodnctionen mehr das Schöne, Birmingham mehr das Nützliche im Auge hat, wie daraus erhellt, daß viele Fabrikanten aus Birmingham sich Modelle von Paris kommen lassen. Birmingham zeichnet sich ferner durch das Alter seines Fabrikwcsens aus. Die riesigen Hauptstädte der Industrie wurden seit der Anwendung der Dampfkraft, also seit kaum fünfzig Jahren, ich möchte sagen, improvisirt; Birmingham aber ist das Werk der Zeit und die verschiedenen Gattungen des GewcrbsleißcS haben hier nur allmälig Wurzel gefaßt. Vor der Revolution von 1088 betrieb man daselbst, durch die Nähe der Kohlen - und Eisenminen begünstigt, die Fabrication der sogenannten kurzen Waarcn; besonders be schäftigte das Naglcrhandwerk eine große Menge von Arbeitern, unter denen man selbst Frauen halbnackt den Hammer schwingen sah. Nach dem Jahre >»88 wurde, auf Befehl der Regierung, die Fabrication von Feuergcwchren in Birmingham eingeführt und gelangte zu solcher Ausdehnung, daß in der Zeit von 1804 bis >818 in den dortigen Werkstätten allein fünf Millionen Gewehre, Pistolen und Musketen verfertigt wurden. Jetzt macht man in Birmingham monatlich an zwölftanscnd Flintenläufe, und in Kriegszeitcn könnte diese Anzahl leicht verdoppelt werden. Als ein natürliches Supplement zu dieser Production, kam bald auch die der Bajonnette hinzu. Etwas später brachte die Mode die Fabrication von Knöpfen und Schnallen in Birmingham auf, an welche sich gegen das Ende des >8. Jahr hunderts die Verfertigung von Spielsachen und Galantcricwaarcn schloß. Frankreich und Deutschland sind freilich seitdem in Bezug auf die Spiel- waaren in glückliche Konkurrenz mit Birmingham getreten , dafür aber legte sich dasselbe neue Industriezweige zu. Die Nähnadel- und Stahlfedern- Fabrication kam zu solchem Aufschwünge, daß wöchentlich zwei- bis drei tausend Millionen Nadeln und jährlich hunderttausend Gros Stahlfedern auS- geführt werden. Ein einziger Stahlfedern-Fabrikant beschäftigt 280 Arbeiter. Ferner sind in Birmingham die berühmtesten Werkstätten für GlaS-, Krystall-, Bronze-, Blech - und alle Arten von Bijouterie-Waaren. An den Fortschritten der englischen Industrie hat Birmingham einen be deutenden Antheil, denn ein Bürger dieser Stadt war es, Namens Bnlton, der seine Kapitalien und seine kommerziellen Kenntnisse dem Erfinder der Dampfmaschine, Watt aus Glasgow, zur Verfügung stellte und in Verbin dung mit demselben die erste Dampfmaschinen-Fabrik gründete. Dieses Etablissement, das seit 1773 besteht, war während einer langen Zeit paten- tirt und brachte seinen Gründern ein kolossales Vermögen. Es behauptet auch jetzt, obgleich eS in jeder Fabrikstadt bereits mehrere Maschinenbau-Anstalten giebt, noch seinen akten Ruf und wird von dem Sohne Watt'S geleitet. UebrigenS werden in demselben seit 1783 auch alle britische Kupfermünzen ge prägt und silberne Geschirre, Bronze - und Blcchwaaren verfertigt. Die geographische Lage Birminghams erfordert jene Mannigfaltigkeit der Fabricationcn, von welcher wir oben gesprochen haben. Alle andere Mittel punkte der Industrie haben gewissermaßen eine überseeische Tendenz. Die Fabriken von Manchester, Leeds und Glasgow, die Eisenhämmer von Schott land und Wales, die Kohlengruben von CornwalliS und Durhamshire grän- zen ans Meer und fordern zur Erpvrlation auf, aber Birmingham liegt im Herzen Englands, gleich entfernt von der Nordsee und vom irischen Meere, von der Themse und Mersey. Es trennt die Ackerbau-Distrikte des Südens und Ostens von den Manufaktnr-Distrikten des Nordens und Westens und mußte darum ein Austauschplatz, gewissermaßen ein innerer Hafen, werden. Eine Industrie nun, die nach fremden Ländern ausführt, muß sich auf zwei bis drei Gattungen beschränken, denn Vic'Spezialität ist die erste Bedingung für den Großhandel. Im inländischen Geschäfte dagegen müssen mehrerlei Nachfragen befriedigt werden, und hier wird ein Fabrikort durch ein großes Sortiment in Ausnahme kommen. Die natürlichen Vorthcile dieser Lage werden noch bedeutend dadurch er höht, daß sich in Birmingham die beiden großen Eisenbahnlinien von Liverpool und Manchester nach London und von Newcastle und Hull nach Bristol schnei- den. Den Hauptreichthum Birminghams machen indcß die Fabrikdörfer au-, die rings um die Stadt liegen und sich »ach Norden zwanzig Meilen weit er- strecken. Unter diesen liefern die Eisenhämmer von Bilston so viel Eisen, als ganz Schweden zusammengenommen. Was die Bevölkerung der Stadt be trifft, so nahm sie in den zwanzig Jahren, in welche die Einführung der Dampfmaschinen fiel, von 1781 bis 1801, um 47" und in der Periode von >82l bi« >831, als Birmingham mit den Vereinigten Staaten Verbindungen an- knüpfle und die Eisenbahnen anfkamcn, um 37 ? zu, so daß jetzt die Einwohner, schäft ungefähr I!>0,000 Seelen stark ist, während sie >781 auS 80,000 bestand. Die Stadt selbst hat breite Straßen und könnte für eine Art von Forum gelten, auf dem sich an bestimmten Tagen die umwohnende Bevölkerung bald in politischem, bald in kommerziellem Interesse versammelt. Man sieht bald, daß die Bürgerschaft, die doch überall die große Masse der Einwohner einer Stadt ansmacht, sich in Birmingham kaum über die unteren Schichten der Gesellschaft erhebt. Nirgends, nicht einmal in der Art der Arbeit, sieht man ein Streben nach dem Großartigen, wie eS in den nördlichen Grafschaften ge funden wird. Das einzige etwas merkwürdige Gebäude ist das RathhauS, wo alle öffentliche Versammlungen abgehaltc» werden und besonder- die Arbeiter, als Körperschaft, ihre Vereinigungen haben. Die Hauptstraßen sind von Detailisten besetzt, denn keine Stadt in England, nächst London, hat so viel Läden als Birmingham. Die Arbeiter wohnen in geschlossenen Höfen zu vier bis zwanzig Häusern, in jedem Hause eine Familie. Es giebt in Birming ham 20>0 solcher Höfe mit 12,284 Häusern und 48,-m; Einwohnern. Diese kleinen Industrie-Klöster sind keinesweges Muster der Reinlichkeit. Da eS auf jedem Hof nur eine Plumpe, ein Loch-für den Schutt und einen einzigen Waschplatz giebt, habe» die Arbeiterfrauen hinlängliche Vorwände, die Pflichten der Häuslichkeit zu vernachlässigen. Die Sitte, Schweine zu mästen, verpestet die Luft noch mehr, als eS ohnedies der Fall ist, aber da trotzdem die Familien Luft und Raum haben, ferner nicht, wie in Liverpool und Manchester, die Keller bewohnt werden, so richten hier Krankheiten weit weniger Verheerungen an und Birmingham erfreut sich eines relativ guten Gesundheitszustandes. Während der letzten Hälfte des >8. Jahrhunderts war die nächste Um gebung der Stadt in kleine Gärten gethcilt, die von den Arbeitern für andert halb Guineen jährlich gcmicthet wurden. Dort verbrachten sic in der schönen Jahreszeit ihre arbeitsfreie Zeit, bauten Gemüse und Blumen und blieben gesund und fröhlich bei diesem unschuldigen Vergnügen. Seit dieser Zeit find die Gärten nach und nach verschwunden und haben Gebäuden Platz gemacht, da aber Birmingham, so wie Manchester und Liverpool keine öffentlichen Pro menade» hat, so fehlt es den Arbeitern an einem Erholungsort, wo sie einmal in der Woche eine reinere Luft athmen könnten, als in den Straßen oder Werk- stätten. Doch ist die Stadt gewissermaßen schadlos dafür gehalten, indem sie fünfhundert Fuß über dem Meere liegt, von einigen Hügeln umgeben und von mehreren Flüßchen bespült wird, so daß das mittlere Lebensalter in Birming ham fast die Dauer desjenigen in dcn Ackerbau-Distrikten erreicht. Die Sterblichkeit im kindliche» Alter ist fast eben so bedeutend als in Manchester und beruht auf denselben Gründen. Die Hälfte der Kinder, welche geboren werden, stirbt vor dem sechsten Jahre, während in den Fabrikvörfcrn vom Hundert nur 38 in diesem Alter zu Grunde gehen. Dies liegt lediglich daran, daß den Kindern in der Stadt meistens die mütterliche Pflege fehlt. Wie in Manchester, trennt auch in Birmingham die Arbeit die Familie. Die Frauen, die in dcn Werkstätten arbeiten, vernachlässigen ihre häuslichen Pflich ten, und diese Vernachlässigung ist weit weniger eine nothwcndige Bedingung ihrer Existenz, als Frucht der Gewohnheit. So ein junges Mädchen, das von Kindheit an keinen heimatlichen Hcerd gekannt hat, und nur, wie in eine Nacht«