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/rcitag. AL 31. 25. April 1862 Äscheint Preis Dienstags und M Quartal LM- ZLLÄ- Imts- und Anzeige-Platt der Königlichen Gerichts-Jemtcr und Stadträthe zu Dippoldiswalde, /rauenstein und Ittenberg. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde. Nur selten, man könnte wohl sagen: nie, haben die Einwohner kleiner Städte die Freude, in ihren Ringmauern wahrhafte Kunstwerke zu sehen; sie sind vielmehr genöthigt, dergleichen in größeren Städten aufzusuchen. Deshalb ist eine öffent liche Erwähnung des Gcgenthciles in diesen Blättern wohl gerechtfertigt. Ein durch seine Leistungen rühmlichst bekannter und mehreren Einwohnern unseres OrteS befreundeter Künstler, Herr Maler Gärtner aus Dresden, bat bei Herrn Reichel hier (von morgen au in der großen Saalstube deS RathhauseS) zwei Gemälde, die Bild nisse unserer beiden großen Reformatoren Luther und Mclanchthon, zur Ansicht Derjenigen, welche Ge schmack an derKunst finden, unentgeldlich ausgestellt. Wir haben diese Kunstwerke ebenfalls betrachtet und halten uns nicht nur für verpflichtet, das Publikum auf diese beiden schönen Leistungen aufmerksam zu machen, sondern auch auszusprechen, daß uns die Be trachtung derselben große Freude gewährt hat. Die beiden großen Männer Luther und Melanch- thon sind jeder in besonderem Bildnisse, in der Größe von sogenannten Kniestücken, in der malerisch und zu gleich geschichtlich treuen Kleidertracht ihres Jahrhun derts dargestellt. Ihre Köpfe und Gesicktszüge zeigen sie erfüllt von dem großen Gedanken ihres weltgeschicht lich bedeutenden Reformationswerkes, und in jedem Bildnisse für sich spiegelt sich wieder der besondere Charakter des Mannes und die Art und Weise ab, in der von ihm das Leben und das Reformationswerk, nach bekannten geschichtlichen Nachrichten, aufgefaßt und durchgcführt worden ist. Das Bildniß Luther's erin nert unS an die Fülle der Kraft und der Festigkeit, des Goltvertrauens, der Unerschrockenheit, mit welcher er das Leben überhaupt und seinen reformatorischen Beruf auffaßte und durchführte. Das Bildniß Melanch- thon's offenbart uns den, von dem Geist christlicher Weisheit nnd Milde und wissenschaftlicher Forschung erfüllten, ruhigen Cbaracter. Dem Beschauer wirb bei der Betrachtung dieser Bilder klar, wie diese beiden Männer recht eigentlich dazu geschaffen waren, sich bei Durchführung ihres großen Werkes gegenseitig zu stützen und zu ergänzen, und daß Beide zusammen wirken mußten, um die Aus gabe ihrer Zeit zu erfüllen. Wir haben schon viele Bildnisse Luther's und Melanchthon'S gesehen, es ist uns aber vorgrkommcn, als ob in den Bildnissen Herrn Gärtner's das Wesen der beiden Männer in ihren Phpsiognomieen vollstän diger und entsprechender, als wir es je sahen, zum Ausdruck gebracht wäre. Das Kolorit der Bilder ist ein freundliches und lebendiges; die Einrahmung angemessen verziert. Sollten, unserer Ansicht nach, in keiner evangelisch protestantischen Kirche die Bildnisse der Reformatoren fehlen, so können wir nur den Wunsch hegen, daß Herrn Gärtner's Kunstwerke den ihrer würdigen Platz in einer derselben finden möchten. ES giebt ja für den evangelisch protestantischen Christen, nach der Stif tung der christlichen Religion durch den göttlichen Er löser, keine weltgeschichtlich größere Begebenheit, als das Reformationswerk! Und was könnte unfern Geist wohl mehr beleben in der Erinnerung an diese große Begebenheit, als diese würdigen Bildnisse ihrer Vollender? Vor Allem aber wünschen wir, daß Hrn. Gärtner's Bildnisse in unserer, seit ihrer letzten Restauration im Ganzen freundlich geworbenen Stadtkirche einen Platz finden möchten. Zwar finden sich darin schon ein Brust bild Luther's und eines von Mclanchthon, allein sie sind zu klein und ihrem Kunstwerthe, sowie der ge schichtlichen Auffassung nach, zu unvollkommen, auch in ihrem Lolorit zu wenig lebendig, als daß sie die Seelen der Beschauer in anregender Weise zu erbeben ver möchten. Es dürfte deshalb wohl an der Zeit sein, sie burä> vollkommenere Leistungen zu ersetzen. Wir möchten nickt gern bezweifeln, daß unsere, für Gutes und Schönes so empfängliche Kirchenge meinde, die eben jetzt die Ausgabe für Herstellung eines neuen Orgelwerkes zur Erhöhung der gottesdienstlichen Feier macht, nicht auch noch gern die Ausgabe machen sollte zu der wahrhaft würdigen und erhebenden Ver zierung der Kirche mit den sckönen beiden Bildnissen der Reformatoren, ans deren Werk doch eigentlich der Grundstein zu der evangelisck protestantischen Kirche ruht. Sollte eine Kirchengemcindc nicht freudig und gern thun, was jeder Familienvater bei minder bedeu tenden Personen so gern thut, baß er theure und ihm wcrthe Vorfahren in seinem Zimmer bildlich, aber würdig, zur Belebung der Erinnerung und der Nach ahmung für sich und seine Angehörigen vergegenwärtigt? Wir würden unö nicht vergeben, diesen Gedanken mit Stillschweigen übergangen zu haben, da der Künstler Herr Gärtner dem Vernehmen nach, bezüglich der käuf lichen Ueberlassnng seiner Bilder, nur bescheidene An sprüche macht, der zu machende Aufwand demnach ein verhältnißmäßig geringer sein würde. Und so wünschen wir denn, daß recht Viele zu Herrn Gärtner's Bildnissen eilen und sich dort die Augenblicke freudiger Erhebung bereiten möge», die diese Bilder uns bereitet haben. Auch würben wir