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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). Abonnementspreis beträgt vierteljährlich l Mark 20 Pf. prssnuworanäo. Ämeiger für Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit w Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Organ für den Stadtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 107. Donnerstag, den 9. September 1880. 5. Jnhrq. Tagesgeschichte. Deutschland. Ueber den Besuch des österreichischen Ministers Baron Haymerle bei dem Fürsten Bismarck in Friedrichsruhe sind eine Reihe von Vermuthungen aufgetaucht, von denen namentlich diejenige den gegebenen Verhältnissen entspricht, daß zwischen dem Reichskanzler und dem Leiter der österreichischen Politik Abreden über die weitere Gestaltung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Neichen getroffen worden -sind. Es hatte schon neulich verlautet, daß die Uebernahme des Handelsministeriums durch den Fürsten Bismarck auch darin ihren Grund habe, daß derselbe diesen Dingen noch näher zu treten wünsche als bisher. Thaisächlich ist seit der eingetretenen Verlängerung des österreichischen Handelsvertrages kein Schritt vor wärts in dieser Beziehung geschehen. — In den leitenden Kreisen ist man der Bewegung in Frankreich mit ganz besonderer Aufmerk samkeit gefolgt und allem Anschein nach eine Zeit lang nicht ohne einige Besorgniß vor einer Erschütterung der gegenwärtigen guten Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland gewesen. Diese Besorgniß ist seit den letzten Tagen insofern geschwunden, als man weiß, fdaß der Rücktritt des Ministers des Auswärtigen, Freycinet, zunächst noch nicht zu erwarten ist und wohl schwerlich auch durch die Kammern, welche erst im November zusammentreten, provocirt werden wird. Uederdies scheinen die jüngsten Berichte über die Stimmung in Frankreich die Meinung zu befestigen, daß die Kriegs lust dort immer noch auf sehr enge Kreise begrenzt ist. Oesterreich. Die Reise des Kaisers Franz Joseph in das polnische Kronland Galizien steht auf dem Gebiete der inneren Po litik im Vordergründe der Betrachtungen. Die bisherigen Resultate der Reise haben die von uns zu Beginn derselben ausgesprochenen Ansichten nur bestätigen können. Die ungarischen Organe, welche antirussische Demonstrationen in Aussicht stellten, haben sich getäuscht. Der Polenführer Fürst Sapieha hat bezüglich der durch die Kaiser reise in gewissen Kreisen Congreß-Polens wachgerufenen großen Hoff nungen darauf hingewiesen, daß die Aeußerungen des Kaisers er sichtlich darauf berechnet gewesen wären, gewisse Illusionen, die in satanischen Köpfen entstehen können, zu dämpfen. Der Kaiser habe kein einziges Mal bei einen: officiellen Anlasse die polnische Sprache angewendet, obwohl er gezeigt habe, daß er polnisch zu sprechen ver- möge; die Kaiserreise hätte keine andere Bedeutung, als die, daß der Monarch eine Prvinz seines Reiches besucht habe. Frankreich. Wie sich jetzt herausstellt, ist auch zu Gunsten der deutschen Jesuiten in der Rue Lafayette keine Ausnahme gemacht worden. Vielmehr ist der wahre Hergang folgender gewesen: Als der Polizeicommissar in der Anstalt der Rue Lafayette erschien, um sich zu überzeugen, daß dieselbe von den Jesuiten geräumt sei, kamen ihm die Patres entgegen und versicherten ihm, der Minister des Innern hätte sie aus Rücksicht auf die in Paris wohnenden Elsaß- Lothringer und in Folge einer besonderen Fürsprache der österreichischen Botschaft und des Erzbisthums von Paris zu bleiben ermächtigt. Auf diese Eröffnung zag sich der Polizeicommissar zurück und hinterbrachte dieselbe dem Polizeipräfecten. Herr Andrieux fragte nunmehr beim Minister des Innern an, erhielt aber von diesem den Bescheid, daß eine solche Ermächtigung weder erwirkt noch auch nur nachgesucht worden fei und daß mithin die Patres der Rue Lafayette das In stitut zu räumen hätten. Demgemäß begab sich der Polizeicommissar des Nachmittags noch einmal nach der Anstalt und wies aus der- selben die Ordensbrüder, die er darin versammelt fand, mit Aus nahme eines blinden Paters und eines Guardians aus. Russland. Die Zeitung „Strana" weiß von einem neuen Eisenbahn-Attentat in Moskau zu melden. Dieselbe schreibt: Ge rüchtsweise verlautet, daß vor zwei Wochen die Unterminirnng des Eisenbahndammes auf der Route Moskau-Kursk versucht wurde. Thatsache ist, daß ein Polizeibeamter bei dem Betreten eines Hauses im Nogoski-Stadttheile bei der genannten Bahn in einem Zimmer wo drei unbekannte Personen sich befanden, eine große Grube mit Spuren fortgesetzter Arbeit bemerkte. Die anwesenden Personen be haupteten, daß sie einen Keller für die Wirthschaft anlegen. Der Polizist meldete dies seinen Vorgesetzten, worauf die Verhaftung jener drei Personen angeordnet wurde; diese hatten aber schon das Weite gesucht. Bei der darauf erfolgten Besichtigung der Grube ergab sich, daß dieselbe der Anfang einer Unterminirung war. Diese Meldung der „Strana" ist um so glaubwürdiger, als in der letzten Zeit in der That in Moskau Verhaftungen politischen Charakters erfolgten. Türkei. So weit die Nachrichten aus dem Orient reichen, hat der angekündigte Jrade des Sultans, mit welchem die Abtretung Dulcignos genehmigt wird, bisher keinen Einfluß auf die Vorbe reitungen der Mächte für die Flottendemonstration ausgeübt. Zwar wollen Berichte aus Konstantinopel von einem vollständigen Um schwünge wissen, der sich dort vorbereite; man spricht sogar von ei nem Ministerwechsel, von der bevorstehenden Ernennung Mahmud Neddim Paschas und Server Paschas zum Minister des Aeußern; allein diesen Eindruck scheinen diese Gerüchte nirgends gemacht zu haben. Die Dinge stehen jedenfalls so, daß, wenn in den Ent schließungen der Blächte bezüglich der Flottendemonstration eine Aen- derung eintreten sollte, dieselbe nicht Versprechungen, sondern die vollzogene Thatsache der Uebergabe Dulcignos zur Voraussetzung haben müßte. Vielfach wird an die neueste Besserung der Lage Englands in Afghanistan die Auffassung geknüpft, daß hierdurch Eng land zu entschiedenerem Vorgehen gegenüber der Türkei ermuthigt werden könnte. Lokales und Sächsisches. — Am 1. October d. Js. tritt eine unterm 13. August erlassene neue Telegraphenordnung für das deutsche Reich in Kraft. Durch die neue Telegraphenordnung sind im Wesentlichen folgende neue bez. veränderte, in dem am 1. April in Kraft getretenen Gebühren tarif zum Theil bereits berücksichtigte Bestimmungen getroffen worden. 1) Der Aufgeber eines Telegramms kann verlangen, daß dasselbe bis zu einer von ihm bezeichneten Telegraphenanstalt telegraphisch, und von dort bis zum Bestimmungsorte durch die Post befördert werde. 2) Es ist dem Absender gestattet, im Falle derselbe ein Te legramm dem Empfänger offen zustellen lassen will, dieses Verlangen durch den nur für ein Wort taxpflichtigen Zusatz „IdO" auszudrücken. 3) Die frühere Bestimmung: „Die bezahlte Vergleichung muß er setzen für diejenigen Telegramme, welche eine geheime Sprache in Ziffern oder Buchstaben enthalten", ist in Fortfall gekommen. 4) Für Telegramme, welche über den Ortsbestellbezirk hinaus mittelst der Post weiter befördert werden sollen, sowie für post- und bahn lagernde Telegramme werden keine Postgebühren mehr erhoben. 5) Die vor einiger Zeit versuchsweise angeordnete Einrichtung, nach welcher der Aufgeber die Kosten für die Zustellung von Telegrammen an Empfänger außerhalb des Ortbestellbezirkes der Bestimmungs- Telegraphenanstalt mittels besonderer Boten durch Entrichtung einer festen Gebühr von 80 Pfennig für jedes Telegramm vorausbezahlen kann, ist nunmehr dauernd eingeführt. 6) Die Stundung der Tele grammgebühren ist allgemein zugelassen. 7) Der Aufgeber kann die Aufschrift des unbestellbar gemeldeten Telegramms nur durch ein bezahltes Telegramm vervollständigen, berichtigen oder bestätigen. 8) Die vom Aufgeber zu erhebende Postgebühr für die unmittelbar von einer deutschen Telegraphenanstalt ausgehende Weiterbeförderung über das Meer beträgt: a) nach dem europäischen Auslande und nach denjenigen überseeischen Ländern, welche dem Weltpostverein ange hören, 40 Pfennig, d) nach den, dem Weltpostverein nicht ange hörenden überseeischen Ländern 80 Pfennig.