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l7. Dienstag. 4. Geptemver 1888 Erscheint: «glich früh 7 Uhr. Inserate Mrdtn augenomnirn: ti» Abends S,Sonn tag» dis Mittags -».«"iz Uhr: Marienstra-e 18. Anzeigen dies. Blatte ßnh<n eine erfolgreiche Bertreitung. Auflage: 18,000 Skrmplan. Akon«eme«t: Birrteljilhrlich 20 Ngr. beiuuentgeldlicherLi«« seruug in'« Hau». Durch die König!. Post vierteljiihrlich 22 Rgr. viuzelne Nummer» 1 Rgr. Tageblatt für Unterhaltung nnd Geschästsvertehr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. Druck «ud Ai-aHmu der Heran«geb«r: Litpsch Neilhardt. — Verantwortlicher Redacteur: Julius Neilhardt« Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zelle 2 Ngr. - Dresden, den 4 September. — Se. K. H. der Prinz Friedrich Karl von Preußen hat heute einen Ausflug nach dem königl. Jagdschlösse Mvritz- burg gemacht. — Herr Generalmajor v. Budritzky hat Dresden mit dem Kaiser-Alexander Garde-Regiment wieder verlassen. Von allen Geizen hören wir das Rühmlichste über die tadellose Auffüh rung dieser Elite»Truppe. — Diese Tage erfreute das Musikchor des k. preußischen Garderegiments „Kaiser Alexander" die verwundeten Insassen des Lazarets am Königsbrück.-r Platze mit einer Morgenmusi!. — Dem „Leipziger Tageblatt" meldet man vom 3l. Au gust aus Berlin Folgendes: „Die Verhandlungen zwischen unserer Negierung und den Bevollmächtigten des Königs von Sachsen, sind auch heute noch nicht in ein günstigeres Stadium vorgerückt. Allem Anschein nach ist die Auffassung der wirk lichen Lage der Dinge auf sächsischer Seite so durchaus ver schieden von derjenigen, welche die in dem Grafen Bismarck verkörperte Politik festhält, daß die Beziehungen zwischen den beiden Partheien mit jedem Tage eher kühler statt inniger wer den. Fast will es scheinen, als glaubten die sächsischen Staats männer noch immer nicht recht an den vollen Ernst der preußischen Forderungen, und doch sollte ihnen ein einfacher Rückblick in die Geschichte des letzten Jahrhunderts die That- sache in'S Gedächtniß zurückrufen, daß schon Friedrich der Große in dem Kamme des Erzgebirges das Ideal einer guten Südgrenze Preußens erkannte, und daß wiederum vor 50 Jahren von Seiten Preußens an die Krone Sachsens Anfor derungen gestellt wurden, welche in ihrem Hauptinhalte eine merkwürdige Ähnlichkeit mit den jetzt abermals erhobenen er kennen lassen. Es ist sonach kaum zu glauben, daß die gegen wärtig preußischer Seils von Sachsen verlangten Zugeständnisse dem sächsischen Hofe eine besondere Ucberraschung hätte bew r- ken könne«; und ist diese Annahme richtig, so muß der zähe Widerstand, welchen Ihr Staatsminister von Friesen hier lei stet, auf gewisse Hoffnungen zurückgeführt werden, welche von Seiten mächtiger Freunde eine gewichtige Verwendung zu Gun sten Sachsens erwarten lassen. Wir haben bereits darauf hin gewiesen, daß diese Hoffnungen wenigstens nach der einen Seite hin silt sehr leicht als trügerische erweisen können; die neuesten Nachrichten aus Paris sind vollständig dazu angethan, dieser Ansicht eine festere Begründung zu verleihen. — Die Veröffentlichung des EntlafsungsgesuchS des Herrn v. Brust und der darauf ertheilten königlichen Antwort hat, wie vorauszusehm war, in Berlin eine höchst ungünstige Stim mung heroorgerufen, welche die Beeinflussung der Friedensver handlungen zwischen Preußen und Sachsen zum Nachtheile unseres Landes leider nicht ohne Grund befürchten läßt. So schreibt die „Zeidlersche Correspondenz" aus Berlin: Herr von Brust hat in seinem Abschiedscircular geschrieben, er habe dem blinden Haffe Preußens weichen müssen. Wir denken, Preußen ist sehr hellsehend gewesen und hat sich sehr wenig durch Lei denschaften lenken lassen. Ist jener Ausdruck des Herrn von Neust schon ein ziemlich auffälliger, so muß eS noch mehr Wunder nehmm, daß König Johann sich sogar im jetzigen Augenblick und nach den verhängnißvollen Früchten, die ihm sein Minister eingetragen, zu der gesammten Politik de» Herrn von Neust bekannt hat. Ein solcher Ausspruch kann in diesem Augenblick wohl nur den Sinn haben, daß man nicht abgeneigt sei, unter gegebenen Verhältnissen auf die Basis zurückzugehen, die Herr von Neust zum Schaden Deutschlands und Sachsens betrieben hatte. Preußen muß sich daher bei seinen ferneren Verhandlungen mit Sachsen zu einer größeren Vorsicht gemahnt sehen. Indem Sachsen sich sträubt, diesen gen Bedingungen «inzugehen, welche zur Consolidrtion der Kräfte Norddeutsch lands erforderlich sind, so ist das nicht bloS eine Regung deS Particularismus, sondern direkter Feindseligkeit, gegen welche Garantieen gewonnen werden müssen. — Nach dem „International" stellt Preußen u. A. fol gende Bedingungen für den Friedensschluß mit Sachsen: „Dres- m erhält eine ausschließlich aus sächsischen Truppen bestehende '.satzung, die jedoch mehr den Dienst einer Bürgerwehr zu 'eher,, als militärische Bedeutung haben soll. Bei DreSdm en starke Festungswerke errichtet, die wie alle militärischen snen Sachsens unter dem ausschließlichen Commando Preu- tehen werden. Der König von Sachsen wird seine diplo- « Vertreter im Auslände abberufen, aber Gesandte der zen Mächte an seinem Hofe empfangen können. Die Armee wird auf preußisches Gebiet dirigirt, entwaffnet gelöst. Die Soldaten der ersten drei Dienstjahre wer- .r preußischen Reserve einoerleibt, jene der drei letzten ^istjahre entlassen und definitiv verabschiedet. Der König ^on Sachsen nimmt einen Kabinetswcchsel vor und die Namen ' der neuen Mitglieder werden dem König Wilhelm zur Geneh migung unterbreitet." j — In der Nacht von Sonntag zum Montag stürzte die Grenzmauer zwischen dem Prinz-Albrecht-Schloß und der Sa loppe ein, also zwischen Sachsen und Preußen. Ein Glück, daß eS nicht bei Tage geschah, indem dort täglich die Kinder der Gäste und der Arbeiter des Wirths spielen. — Zweites Theater. Die Wiederöffnung der Vorstel lungen, deren erste am Sonatag Nachmittag, begünstigt vom herrlichsten Wetter, auf der Sommerbühne des königl. großen Gartens stattfand, wurde vom Publikum mit vielem Beifall ausgenommen und hätte jedenfalls einen noch bei Weitem zahl reicheren Besuch zur Folge gehabt, wenn nicht der an diesem Tage erfolgte Einmarsch der aus Böhmen kommenden und in unsere Stadt einquarlierten preußischen Krieger so Manchen unfreiwillig an das Haus gefesselt hätte. Von der Aufführung eines größeren neuen Stückes, für dessen Einstudirung Wohl die Zeit gemangelt haben mochte, hatte man abgesehen und uns dafür drei kleinere, zum Theil neue, wenigstens an dieser Bühne noch nicht aufgeführte Stücke geboten, in denen uns Gelegenheit ward, einige der neu engagirten Mitglieder kennen zu lernen In dem ersten Stück: „die Schwäbin", gab ein Fräulein Treu die Titelrolle und überraschte ebensowohl durch reizende Erscheinung, glänzende Toilette, als munteres, frisches und gewandtes Spiel, Eigenschaften, die auch in der Nolle der „Bertha" in „die Helden" aufs Vortheilhaftese zu Tage tra ten. Weniger günstig können wir uns über Herrn Zw enger aussprcchen, der als „Neffe Carl" im ersten Stück sehr matt und farblos war. In dem Stück „die Helden" gab ein Fräu lein Bellini die „Julie", wenn auch mit etwas Schüchtern heit, so doch mit vielem Verständniß. In dem letzten Stück: „das Schwert des Damokles", hatten wir es nur mit bekann ten Kräften zu thun, von denen wir nur Herrn Himmel als „Lehrjungen" hervorheben können. Herr Fiedler als „Kleister" ließ diese höchst komische Nolle ganz im Sande verlaufen. Die Zwischenactsmusik wurde von der Kapelle des königl. preuß. Garde-Grenadier-Regiments Kaiser Alexander ausgeführt. Des Abends far-d dieselbe Vorstellung im Wintertheater statt. — Sicherem Vernehmen nach werden bis auf Weiteres in folgenden sächsischen Städten preußische Garnisonen stehen: in Dresden: der Stab der 5. Division, der 9. Jnfanteriebri- gade, der 5. Cavaleriebrigade und des brandenburgischen Feld- artillerieregimentS Nr. 3, ferner der Stab und 4 Bataillone des Gardegrenadierregiments Königin Elisabeth, der Stab und 3 Bataillone des Le.bgrenadierregiments (l. brandenburgisches) Nr. 8 und die 3. Fußabtheilung des brandenburgischen Feld- artillerieregimentS Nr. 3; in Leipzig: der Stab und 3 Ba taillone des 7. brandenburgischen Infanterieregiments Nr. 60; in Chemnitz: der Stab und das 1. und 2. Bataillon des 2. brandenburgischen Infanterieregiments (Prinz Carl von Preu ßen) Nr. 12; in Glauchau: das Füsilierbataillon desselben Regiments; in Freiberg: der Stab und das 1. Bataillon des 5. brandenburgischen Infanterieregiments Nr. 48; in Anna- berg: das 2. Bataillon vorstehenden Regiments; in Meißen: das Füsilierbataillon desselben Regiments; in Zwickau: der Stab und das 1. und 2. Bataillon des 6. brandenburgischen Infanterieregiments Nr. 52; in Plauen: das Füsilierbataillon desselben Regiments; in Marienberg: das brandenburgische Jä gerbataillon Nr. 3. Für die noch zu erwartenden Cavalerie- regimenter der 5. Cavaleriebrigade sind die Garnisonen noch nicht bestimmt. Die Verpflegung der Truppen bleibt bis zum definitiven Friedensschluß in derselben Weise fortbestehen, wie jetzt stattfindet. (Dr. I.) — Die sogenannte Bierstraße, welche von der Brücke bis nach dem Waldschlößchen führt und welche der Volksmund mit verschiedenen Namen, z. B. Hauptstraße, Bautznerstraße und Schillerstraße belegt, war am Sonntag das Bett eines gewal tigen Stromes; denn wenn auch, nach anderen Richtungen hin sich die Sonntagspilger drängten, so war eS hier gerade am meisten. Waldschlößchen, Schillerschlößchen und Lincke'scheS Bad war die Loosung für diesen Tag! Namentlich war das Linke'sche Bad, oder vielmehr der Volksgarten, Mann an Mann besetzt. Die Kapelle des Kaiser-Alexander-Regiments conzertirte und zwar unt.r solchem Beifall, daß am Schluß des Pro gramms ein Vs oapo erschallte, dem auch von Seiten deS Herrn Kapellmeisters Dannenfelzer bereitwilligst Rechnung ge tragen wurde. Der Name „Volksgarten" rechtfertigte sich am Sonntag vollständig. Militärconzert wechselte mit den Vorträ gen der Liedrrhalle auf dem reizenden kleinen Theater, das im herrlichen Grün der Bäume erbaut ist, während im Saal eine Civilkapelle ihre Galopps und Walzer spielte, die von allen Truppengattungen beiderlei Geschlechts abzetanzt wurden. — Einen sehr belebten Theil der Stadt fanden wir am Sonntag und Montag nach dem Pirnaischen Schlage zu und namentlich war eS die Pillnitzerstraße, die ein förmliches La- grrbild liefe: te; denn sie war stark mit Einquartierung belegt. Fast Tag und Nacht rauchten die Schornsteine, an deren Kü- chenheerden den strammen Landwehrmänncrn von kundigen Händen Suppen und Cafsee gekocht und Beefsteaks gebraten wurden. Die weißwaichenen Häubchen auf den nicht ganz un interessanten Köpfen der Dienstmädchen, mit denen gerade diese Straße so reich gesegnet ist, waren wieder „klassisch auf dem Damm" und blitzten zu jedem Fenster, jeder Hausthür heraus. Die ganze Straße war eine Kaserne. Trompetensignale er schollen, Packkarren rasselten auf und nieder, Bagagepferde tanz ten auf dem seltsam situirten Pflaster, Husaren sprengten zum Thore hinaus und die Bewohner empfingen und entließm ihre Einquartierung mit Händedruck und rechtwinkligen Verbeugun gen nach vorn. Jedes Pferdegetrappel spickte die ewig auf und zu klappenden Fenster mit Gesichtern aller Jahrgänge. Die Schnaps- und Fleischläden wurden nie leer und die Mör derhand der Köchin griff keck in den Taubenschlag und Hüh nerstall, um aus dem Stillleben manchem gefiederten Zweibei nigen ein schnelles Ende zu machen — mit einem Wort, es entwickelte sich eine kleine Welt aus der großen! Wie rührend Montag Vormittag mancher Abschied war von den abziehenden Landwehrmännern, beweist der Nachruf, dm wir aus einer Küche hörten: „Na adje, mein Herzei" — In Dresden ist bereits preußischerseits die Bildung eines permanenten Artilleriedepots angeordnet und das dazu be» nöthigte Zeugpersonal den verschiedenen preußischen festen Plätzen entnommen worden. Zum Officier vom Platze ist der Haupt mann Steltzer von der 4. Artilleriebrigade ernannt. (Publ.) — In Leipzig langte am Sonnabend früh mittelst Extra zugs ein bedeutender Geldtransport, 10 Millionen Gulden bayersche Kriegscontribution an. Der Transport ging ohne Aufenthalt unter preußischer Bedeckung weiter nach Berlin. — Am Sonntag Mittag nach 12 Uhr trafen auf dem Marsche aus Böhmen das königl. preuß. erste Garde-Regiment zu Fuß hier ein, eine Truppe, dcrm Geschichte bis zu König Friedrich Wilhelms I. Zeit zurückreicht, ein hochberühmtes „vor nehmes" Regiment, in dessen Listen fast alle preußischen Prin zen als Offiziere ä la suitv eingetragen sind. — Vor einigen Tagen ging eine Familie aus DreSdm auf der böhmischen Bahn nach Krippen, übergab im böhmischen Bahnhofe persönlich drei Nachtsäcke gegen G-Packzettel, den dortigen Eisenbahnbeamtm. In Krippen angekommen, fehlte 1 Nachtsack, dessen Inhalt an Kleidungsstücken, Wäsche re. einm Werth von 100 Thlr. hatte. — Jetzt hat eS sich herausge- stellt, daß, nachdem der Besitzer jener Effecten nach dem Perron gegangen war, ein sich nennender Dimer dem Gepäckbeamten gebeten hat, ihm den größten Nachtsack auf einm Augenblick für seinen Herrn zu übergeben, er wollte nur ein Paar Stiefel herausnehmen. — Dieb nebst Nachtsack sind bis heute ver schwunden! — — Als Ertrag eines von der Gesellschaft „Scandalia" zu Döhlm abgehaltmen ConcerteS wurden der Redaction die ses Blattes gestern 43 Thaler 10 Ngr. 7 Pf. und 1 Thaler 3 Ngr. unter Privaten gesammelt, zum Besten der Fraum und Kinder sächsischer Soldaten übergeben. Es hat die Gesell schaft „Scandalia" nun bereits über 600 Thaler durch ihr ll« wilde Zwecke zusammengebracht, was jedenfalls Wirken für großen Dank und Anerkennung verdient. — Leider hat das Feuer in Ehrenfriedersdorf auch drei Menschenleben gefordert: eine Frau, die nach der Aussage Einiger unter dem Eindruck des ersten Schrecks im Keller beim Bergen geretteter Effecten vom Schlage gerührt wurde, nach Angaben Anderer aber im Keller erstickt ist, und zwei Kinder im Alter von 5 und 3 Jahren, deren zusammengeschmorte Leichname heute früh aus dem Schutt herausgegraben wurdm. Beide Kinder hielten sich, wie man noch an ihren Leichnamen erkennm konnte, fest umschlungen; sie waren in einer Oberstube auf dem Sopha eingeschlafen, bei der rasenden Schnelligkeit, mit der das Feuer um sich griff, vom Rauche erstickt und so getödtet worden. Die Zahl der Abgebrannten beläuft sich auf circa 1100 bis 1500, beträgt also ziemlich die Hälfte der ganzen Einwohnerschaft, und nur mit Mühe und Noth hat bi» jetzt ein schirmendes Obdach für dieselben beschafft werden kön nen. Man beabsichtigt, die Schule ganz oder theilweise zu cvacuircn, um die Äermsten, die sich ein Obdach für Geld zu erringen nicht im Stande sind, darin unterzubringen. Gäe der allgätige Himmel nur, daß in den unversehrt verbliebenen, vollgepfropften Wohnungen sich nicht bösartige Krankheiten, wie Cholera und Typhus entwickeln. Von den Abgebrannten sollen nur 6 bis 7 versichert haben; eS find daher einzelne Bürger, die sich bisher gut nährten, sich einer gewissen Wohlhabenheit erfreuten, gern versichern wollten, aber wegen Schmdeldachung ihrer Häuser in keiner Versicherungsgesellschaft Aufnahme fan den und nunmehr ihr ganzes Hab und Gut verloren haben, rein zum Bettler geworden. Das ist der Segen unseres mo dernen FeuerocrsicherungSwesenS, das nur williger Zahler, die aber in malsisen Häusern wohnen müssen, halber vorhanden zu sein scheint, die Versicherungöbed^rftigen aber a«L chließt. Wie ganz anders würde hier eine mit Ausschluß aller Privatgesekk»