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Wochenblatt Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 144. für Reühmlmnd, SieMi, Neustadt und Rabenstein. Dieses Blatt wird an jede Haushaltung der obigen Gemeinden unentgeltlich vertheilt. ^2 7. Sonnabend, den 17. Februar 1906. Erscheint jeden Sonnabend Nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition (Reichenbrand, Pelzmühlenstraße 47v), sowie vonden Herren I. Oebser, Barbier Kirsch in Reichenbrand, Buchhändler Clemens Bahner in Siegmar und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und pro Ispaltige Corpuszeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Bekanntmachung. Am 1. Februar dieses Jahres wird der 1. Termin der diesjährigen Grundsteuer fällig und ist spätestens bis zum Iv. Februar ». «. bei Vermeidung des Mahn- bez. Zwangsvollstreckungsverfahrens an die hiesige Ortssteuereinnahme zu bezahlen. Reichenbrand, am 2. Februar 1906. Der Gemeindevorstand. Woget. Bekanntmachung. Der unterzeichnete Gemeindevorstand macht hierdurch bekannt, daß in hiesiger Gemeindeverwaltung ein Chemnitzer Adreßbuch von ISO« zum unentgeltlichen Gebrauche seitens der Einwohnerschaft ausliegt. Reichenbrand, am 2. Februar 1906. Der Gemeindevorstand. Woget. Stand der Gemeindekrankenpflege in Neichenbrand und Siegmar. Unstreitig bildet eine für die Ortschaften Reichenbrand und Siegmar sehr segensreiche Einrichtung die gegenwärtig durch die Diakonissin Martha Blechschmidt ausgeübte Gemeinde- krankenpflcge. Durch den Hausväterverband Reichenbrand- Sicgmar 1891 ins Leben gerufen, hat dieselbe heute derart festen Boden gewonnen, daß ihre fernere Existenz dank der An erkennung, die sie in allen Kreisen unserer Gemeinden gefunden, als gesichert betrachtet werden darf. Diejenigen, welche bei schwererer Erkrankung in der Familie auf kürzere oder längere Zeit die aus gründlicher Ausbildung für Behandlung von Kranken beruhende Pflege der Schwester erfahren haben, wissen es sehr wohl zu schätzen, welche große Wohltat ihnen und namentlich den Kranken selbst durch solche Unterstützung erwiesen worden ist und sind gern bereit, ihrer Dankbarkeit durch eine Spende zur Erhaltung der Gemeindekrankcnpflege Ausdruck zu geben. Im vergangenen Jahre sind nach dem Krankenjournal 125 Kranke von der Schwester besucht und gepflegt worden- Von denselben sind 25 gestorben, 80 wurden als gesund entlassen, 2 in auswärtige Heilanstalten untergebracht. In 21 Fällen wurde die Schwester zur Nachtwache in Anspruch genommen, 15 Kranke begehrten das hl. Abendmahl. An Milch wurden Bedürftigen W/s Hektoliter gewährt, im übrigen griffen die Frauenvereine von Reichenbrand und Siegmar durch Beschaffung von Freitischen und sonstigem Lebensunterhalt wacker mit ein. Am Weihnachtsfeste konnten 32 Bedürftige durch allerhand nützliche Gaben in reichlicher Weise beschenkt werden. Bekanntlich widmet sich aber unsere Schwester mit wahrhaft aufopfernder Hingabe an ihren Beruf auch noch anderen Zweigen christlicher Liebcstätigkeit. Wöchentlich kommt unter ihrer Leitung der Jungfrauenverein zusammen, dem gegenwärtig ca. 50 Mitglieder augehören. Es geht unverkennbar von dieser Vereinigung auf unsere reifere weibliche Jugend ein erzieherischer bildender Ein fluß aus. Wer freilich meinte, daß in diesem Kreise ein pietistisches frömmelndes Wesen sich zeige, würde sich sehr in Irrtum befinden- Im Jungfrauenverein findet sich ein selbst verständlich auf christlicher Grundlage basierender gesunder fröh licher Sinn- Namentlich die letzte ganz prächtig arrangierte und durchgeführte Weihnachtsfeier des Jnngfrauenvereins, ver bunden mit der des Missionsbereins, legte Zeugnis davon ab, welche frohe Geselligkeit innerhalb desselben herrscht und wie nicht wenige Mitglieder aus wahrer Begeisterung und Opfer freudigkeit den edlen Bestrebungen des Vereins dienen- Be denken wir, daß die Schwester außerdem einen Großmütterchcn- verein leitet, dem die würdigen Alten mit treuer Liebe anhangen, ferner den von 14 Damen besuchten Nähabend abhält, in den Strickstunden aber, zu denen ca. 150 Kinder sich einfinden, für edle Beschäftigung und Anregung der kleinen noch nicht schul pflichtigen Mädchen sorgt, so ist daraus ersichtlich, wie vielseitig und anspannend die Tätigkeit der Schwester ist und wie dieselbe als eine treue und treffliche Gehülfin des geistlichen Amtes sich erweist. Sollte nicht jeder in unseren Gemeinden freudig die Hand dazu bieten, ein so segensreiches Werk wie die Gemeindekrankenpflege nach Kräften fördern zu helfen. In der am 26. Januar 2. c. stattgefundenen Vorstandssitzung des Hausväterverbands erstattete der Kassierer Herr Lehrer Krause in Siegmar den Bericht über die Rechnung vom Jahre 1905. Derselbe ergab folgende Bilanz: ». Einnahme. Beiträge von Mitgliedern aus Reichenbrand M- 294,50 „ „ „ „ Siegmar - . „ 234,50 Zuwendung des Limbacher Vereins für christ liche Liebeswerke „ 35,— Zuwendung der Kirchengemeinde „ 200,— Unterstützungsbeiträge von Mitgliedern - - „ 40,— Kirchenkollekte - - „ 263,56 M. 1067,56 b. Ausgabe. Wirtschaftsgeld für die Schwester M- 360,— Unterstützungsgeld für Arme „ 120,— Wäschegeld für die Schwester „ 117,88 Jahreshonorar an die Diakonissenanstalt - . „ 300,— Ausgabe für Brennmaterial „ 66,- Medikamente „ 20,86 Reparaturen „ 13,32 Kleinere Ausgaben - „ 6,95 M. 1005,01 ES verblieb demnach am 1. Januar 1906 ein Ueberschuß von 62,55 Mark. Das Vermögen des Hansväterverbandes etzt sich zusammen aus einem Guthaben bei der Sparkasse zu Siegmar im Betrage von 2634,87 Mark und einem Kassen- bcstand von 128,69 Mark. Infolge eines Antrags der Diakonissenanstalt zu Dresden haben wir uns genötigt gesehen, das Wirtschaftsgeld für die Schwester vom 1. Januar 1906 ab pro Tag von 1 Mk. auf 1,20 Mk. zu erhöhen, sodaß dasselbe jährlich nicht mehr, wie bisher, 360, sondern 432 bezw. 439,20 Mk. beträgt. Das ist eine nicht unbedeutende Mehrausgabe, die sich notwendig macht. Es ist deshalb sehr wünschenswert, daß diejenigen bemittelten Hausväter oder Hausmütter, in deren Familie die Schwester größere Dienste geleistet hat, durch Entrichtung eines den Ver- Mtnissen angemessenen Betrags an den Kassierer des Haus väterverbandes Herrn Lehrer Krause in Siegmar sich erkennt lich zeigen. Wir freuen uns zwar, die Ausübung der Gemeinde krankcnpflege finanziell soweit gefördert zu haben, daß dieselbe in allen Fällen durchaus unentgeltlich erfolgen kann und daß wir der Notwendigkeit enthoben sind, von den Bcssergestellteu, wie es früher geschehen mußte, als Entschädigung für geleistete Pflege bestimmte Beträge zu fordern, aber zur weiteren Sicher stellung der Gemeindekrankenpflege und namentlich mit Rücksicht auf den oben berührten erforderlichen Mehraufwand muß doch damit gerechnet werden, daß die bemittelten Gemeindegliedcr gegebenen Falls nach Kräften für Stärkung der Kassenverhältnisse >es Hausväterbands Sorge tragen. In der letzten Vorstands itzung ist auch die Abhaltung eines Familienabends in Aussicht genommen worden. Derselbe soll am Palmsonntag in Wendlers Gasthaus stattfinden und verspricht durch Vorführung von 120 Lichtbildern, für welche Herr Lehrer Greger in Chemnitz gewonnen worden ist, im Anschluß an Schilderung einer von ihm ausgeführten Reise nach den Donauländern und der Türkei 'ehr genußreich zu werden. Dieser Familienabend, dem ein recht günstiger Reinertrag zum Besten unserer Gemeindekranken pflege zu wünschen ist, sei schon heute freundlicher Beachtung empfohlen. K- Freigesprochen. Familien-Roman v. Ludw. Butz er. (Fortsetzung). „Mama, der Papa ist gekommen!" rief der kleine Georg; „Papa", wandte er sich dann an den Vater, „das Christkind kommt nicht, weil's kein'n Schnee mehr hat. Gel' Papa, der Schnee kommt schon wieder?" „Ja, Kind, und das Christkind kommt auch", sagte Hartfeld zärtlich. Er hatte rafch bemerkt, daß keinerlei Anstalten zu einer Christbescheerung getroffen waren. „Warum wurde die Krippe nicht aufgestellt und kein Baum geputzt, Marie?" wandte er sich an seine Frau. „Das wäre unter den jetzigen Umständen eine Komödie gewesen", entgegnete diese, ohne aufzublicken. „Komödie? Müssen die armen Kinder auch schon unser Unglück fühlen?" Sie antwortete nicht. „Dein Vater hat sich soeben unerhört gegen mich benommen. Er zog meine Unschuld in Zweifel und wollte mich bestimmen, daß ich — ich allein von hier fortgehe! Auch dein seltsames Verhalten läßt mich vermuten —" „Wenn du vermutest, daß ich die Anschauungen meines Vaters teile", unterbrach sie ihn, den Kopf erhebend, mit feindseligem Blicke, „so bist du der Wahrheit am nächsten." „Unselige!" donnerte Hartfeld, seine Frau vom Sopha emporreißend, „du glaubst wirklich an meine Schuld? Du willst, daß ich dich und die Kinder ver lasse, du . . . mein eigenes Weib, in dem ich einen Halt erhoffte, auch du wandtest dich ab. So groß also ist deine Liebe und dein Vertrauen. Das also war der Grund, daß du mich in meinem grenzenlosen Elend drei Monate lang ohne jede Nachricht gelassen? In Frend' und Leid, im Glück und Unglück zusammen ¬ stehen ... so verwirklicht sich also dein feierliches Gelöbnis, wenn es gilt —" „Was ich am Altäre gelobt habe, das galt dem Wrenmann!" fiel sie mit stammendem Gesichte und lebenden Lippen ein. „Ich würde dir mit Freuden n die bitterste Armut folgen und hätte den Mut, mit den eigenen Händen ums tägliche Brot zu arbeiten wie eine Magd, wenn du dich von diesem schimpflichen Verdachte rein zu waschen vermöchtest!" Hartfeld betrachtete seine Frau mit prüfendem Blicke. Sie stand vor ihm im einfachen, grauen Haus kleide. Dichte, blonde Flechten aus dem Hinterkops zu einem einfachen Knoten geschürzt, umrahmten ein edles, feingezeichnetes Gesicht und die schönen, von langen Wimpern beschatteten Augen ruhten in zorniger Erregung auf ihm. War das wirklich seine Frau, dieselbe, die ihn beim täglichen Kommen so herzlich bewillkommt hatte, deren tiefinnerste Neigungen er erforscht zu haben glaubte?" „Ich finde, das Unglück hat deinen sonst so klaren Blick getrübt", begann er wieder, sich zu einem ruhigen Tone bezwingend. „Welcher Umstand veranlaßt dich, an meiner Unschuld zu zweifeln?" „Dein Verhalten vor und bei der Verhaftung!" „So . . . nun, deine Worte bekunden eine ebenso große Beschränktheit als Herzlosigkeit! Ich erkenne in denselben die Beeinflussung deines pessimistischen Vaters." „Laß meinen Vater aus dem Spiele, — er ist ein Ehrenmann!" „Reize mich nicht zum Aeußersten, verblendetes Wetb!" schrie Hartfeld, und seine Haltung war eine so drohende, daß die beiden Kinder laut aufweinten und sich an die Mutter klammerten. „Laß mich!" rief die Frau mit einer Geberde des Abscheues. „Ich will nicht mehr leben mit dir ... lieber den Tod! Ich ... ich verachte dich!" Aus Hartfeld's Gesicht wich alles Blut. Bleich, wie ein Toter, starrte er auf seine Frau. Ein paar Augenblicke war es ihm, als ob die Gegenstände im Zimmer sich bewegten, als schwanke der Fußboden, dann ging er wie ein Träumender der Türe zu. Marie fühlte, daß sie ihm den Todesstoß gegeben, daß ihre Worte das Band durchschnitten hatten, das ihn mit ihr verbunden, und es beschlich sie ein leises Gefühl des Mitleids. In ihrem Gehirn begann die Erkenntnis zu dämmern, daß sie ihm Unrecht getan haben könnte. Wenn er am Ende doch unschuldig war? . . . Heiliger Gott! Wie elend er aussah! Diese Wirkung ihrer Worte hatte sie nicht erwartet. Sie machte eine Bewegung, als ob sie ihn zurückhalten wolle, allein das unerklärliche Muß des Verhängnisses schloß ihr den Mund. Im nächsten Augenblicke fiel die Türe hinter dem Unglücklichen zu. „Gel' Mama, der Papa wird gleich wieder kommen?" ließ sich der kleine Georg mit weinerlicher Stimme vernehmen. „Gel', der Papa holt das Christkind?" Sie antwortete nicht, sondern horchte erwartungs voll nach der Türe hin, war aber sichtlich enttäuscht, als ihr Vater unter derselben erschien. „Ist er fort?" fragte der Oberst. „Ja", antwortete sie kaum hörbar. „Es ist jedenfalls das Beste. Wohin will er aber ohne jegliche Mittel? Na, er wird schon nochmals kommen. Ich habe soeben mein Abschiedsgesuch ein gereicht", fuhr er im gewohnten Plaudertone weiter,