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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960827016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896082701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896082701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-08
- Tag 1896-08-27
-
Monat
1896-08
-
Jahr
1896
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Insbesondere in wirth sch aftlich en Dingen wird es ja mehr und mehr als ein Uebelstand empfunden, daß die nationalliberal« Partei ihrem Programme nach sich in dieser Frage bisher neu tral verhalten, das heißt, ihren Mitgliedern die Abstimmung völlig sreigegebrn hat. Das hat ja allerdings die Folge gehabt, daß einzelne dieser Mitglieder weitgehende agrarische Anträge unterschrieben, daß in der öffentlichen Debatte Parteigenossen gegen Parteigenossen gesprochen haben. Die immer größere Wichtigkeit der wirthschastlichcn Interessen und ihrer (Gegensätze (welche schon selbst die politischen nahezu überragen) läßt solche Borgänge je länger je mehr als unthunlich erscheinen. Man hat vermeiden wollen, daß die Verpflichtung der Mitglieder auf ein bestimmtes wirthschastliches Programm die Partei spalte und vielleicht manche Mitglieder zum Austritt aus derselben nölhige; allein, was ist damit gewonnen, wenn denn doch in solchen Fragen, die zum Theil Lebensfragen für die ganze Entwickelung unserer nationalen Zustände sind, die Partei bei den Abstimmungen auseinanderfällt und, trotz des äußeren Zusammenhaltes, die innere Einstimmigkeit fehlt. Die Aufgabe, freilich eine sehr schwierige, aber auch, wenn ihre Lösung gelingt, eine höchst verdienstliche des bevorstehen den Delegirtentages, wird es sein, hierin Wandel zu schaffen und womöglich eine mittlere Linie zu finden, auf welcher vorgehend die Partei nickt nur ihre eigenen Mitglieder zusammen- und sesthalten, sondern auch vielleicht zu einer Vermittelung zwischen Len leider ins Extreme auseinander strebenden anderen Parteien beitragen könne. Diese Frage einer Selbsterneuerung der nationalliberalen Partei muß aber meines Erstens eine streng innere Krage bleiben; die Partei muß für deren Entscheidung völlig freie Hand haben, darf durch keinerlei anderweit eingegangene Verpflichtungen oder auch nur „Annäherungen" sich gebunden fühlen. Aus diesem Grunde scheint mir der Vorschlag der „Nationalzeitung", so gut gemeint derselbe sein mag, doch ge rade in diesem Augenblicke bedenklich. Meiner Ueberzeugung nach muß man zwischen Liberalismus als Gesinnung und Liberalismus als Partei wohl unter scheiden. „Liberal" — im Gegensatz zu „reactiouair" — sind wir Nationallibcralcn gewiß alle; allein in der politischen und parlamentarischen Praxis hat sich zwischen zweierlei Arten von Liberalismus ein Gegensatz herauSgebilvet, der sich so leicht nicht ausgleichen läßt. Welches war denn der Ursprung der nationalliberalen Partei (zu nächst in Preußen) und welches war die Ursache ihrer Trennung von der Fortschrittspartei? Die Männer, welche die nationalliberale Partei gründeten, unterschieden sich von ihren bisherigen Parteigenossen in zwei wichtigen Puncten. Einmal stellten sie daS nationale Interesse in erste Linie und waren bereit, selbst von gewissen principiellen Forde rungen des Liberalismus, da, wo eS jenes Interesse er forderte, Etwas aufzuvpfern oder zu vertagen. Zweitens zogen sie die gegebenen Verhältnisse in Betracht, strebten nach dem jedesmal Erreichbaren und verzichteten auf ein zelne weitergchende Wünsche, wo das Beharren auf solchen die Sicherung eines größeren Ganzen, in welchem sie einen unbestreitbaren Fortschritt und Gewinn erblickten, zu ge fährden drohte. So haben sie für die norddeutsche Verfassung trotz des Wegfalles der von ihnen für zweckmäßig erachteten Diäten, so sür das einheitliche Strafgesetz und später für die großen Iustizgesetze trotz mancher dabei unerfüllt gebliebener Wünsche, so wiederholt für eine Fixirung der Friedencpräsenz aus eine längere Zeit unter Darangabe des Rechts der Volksvertretung auf jährliche Bewilligung, und so noch für manches Andere gestimmt. Von diesem Standpunkte kann die natwnalliberale Partei nicht weichen, ohne sich selbst aufzu geben. Und doch könnte sie dazu genölhigt sein, wenn sie, wie die „National-Zeitung" will, es als eine „Pflicht" aus sich nehmen sollte, mit dem Liberalismus, der jenen Sland- puncl nicht theilt, „im Parlament zusammenzuwirken" und „bei den Wahlen sich gegenseitig zu unterstützen". Gewiß wird sie, wo eS die Vertheidigung einer zweifellos liberalen Forderung gilt, gegen welche keine der oben bezeichneten (nationalen oder praktischen) Rücksichten spricht, mit den Linksliberalen „Zusammenwirken", wie sie das schon ost gethan hat' sie wird auch unter Umständen sür einen links- liberalen Candidalen (wenn auch vielleicht nicht für einen von der strengen Schule Eugen Richter'S) stimmen; nur sich auf alle Fälle „verpflichten" sür das Eine und Andere — daS kann, daS darf sie nicht. Ich meine daher, man sollte die Frage der „Annäherung" der nationalliberaleu Partei an andere Parteien vorerst gänzlich ruhen lassen und seine ganze Aufmerksamkeit nur auf jene andere Frage wenden: wie ist die nationalliberale Partei in ihrem inneren Zusammenhalt fester zu gestalten und zugleich zur Lösung ihrer wichtigen Aufgabe als eine vermittelnde, als eine Mittelpartei in allen, auch den wirth- schaftlichen Fragen, immer fähiger zu machen?" Deutsches Reich. Berlin, 26. August. Die der Centrumsleitung am nächsten stehenden Preßorgane haben sich eben noch in bitterer Fehde mit der zeitweilig wider den Fractionsstachel lötenden Bonner „Reichszeitung" befunden. Nun aber dieses Blatt, vermuthlich zur Eröffnung des Dortmunder Partei tages, seinen Empfindungen in einem Heyartikel schlimmster Art Luft macht, da „verstehen sie sich gleich". Die „Germania" giebt einen Artikel des genannten Blattes wieder, der mit einer an offenkundigen Thatsachen achtlos vorbeigehenden Unbefangenheit „beweist", daß die Ordens leute in Preußen „härter als die Verbrecher" behandelt und ihnen gegenüber ungefähr ein halbes Dutzend Artikel der Verfassung verletzt würde. Und zwar soll diese Mißhand lung darin bestehen, daß die Ertheilung von Unterricht durch Ordensleute gesetzlich von einer behördlichen Erlaubniß abhängig gemacht ist, die Negierung die Zahl der Mitglieder der Orden, sowie die Versetzung von Mitgliedern in andere Orden-Niederlassungen überwachen und einige ähnliche Be fugnisse auöübt oder ausüben darf. MitVorliebe bedient sich der Verfaffer außer den angeblich vor den Ordensleuten bevorzugten „größten Verbrechern" eines Vergleichs, der zwar höchst widerlich, aber durchaus nicht zutreffend ist. Im Einzelnen sich mit dem lediglich auf Aufreizung berechneten Artikel zu befassen, hätte keinen Zweck. Es genügt, darauf hinzuweisen, daß in dem ehemaligen Kirchenstaat, obwohl er weder der Verbrecher, noch der sonst von der Bonner „Reichszeitung" zum Vergleich herangezogenen Institution entbehrte, der Unter richt auch nicht völlig freigegeben war. D Berlin, 26. August. Der „Vorwärts" veröffentlicht eine Reihe von Zuschriften in Bezug auf die Localfrage. Darunter ist eine, in welcher der Ingrimm der großen Masse der „Genoffen" gegen die „Elite", d. h. gegen die gut bezahlten Parteibeamten, in belustigender Weise zum Ausdruck kommt. „Genosse" R. Walther schreibt nämlich: „Ich pflege den „Vorwärts" imBett zu lejen, La der Inhalt meinem Fühlen und Denken entsprechend, mir sonst keinen Grund zur Aufregung bietet. Ein Passus der langathmigen Aus führungen über die Localsrage in Nr. 191 ließ mich jedoch aus dem Bett springen und zur Feder greifen — und ich denke nicht umsonst — als Abonnent und Parteigenosse dürste mir wohl auch das Recht zusteden, den hervorgekehrten „Eigen- dünkel" der „auserwählten" Einsender ins rechte Licht zu stellen. Diese „Besten" in unserer Gesellschaft lassen sich also ver nehmen: „Ein dauernder Boykott wird in erster Linie von der Elitetruppe der organisirten Parteigenossen gehalten." ES ist endlich einmal an der Zeit, ein offenes, scharfes Wort mit diesen „Besten", welche oftmals meinen, die Gesinnungstüchtigkeit „mir Löffeln gefressen" zu haben, zu sprechen, da nachgerade durch diese Elassificirung das demokratische Princip aut dem Wege ist, zum Teufel zu gehen. Wie schmerzlich und nachhaltig dieser Eigendünkel ehrgeiziger Personen diejenigen berührt, welche vom idealen Gedanken des SocialismuS getragen werden, wurde in der vorigen Woche im Kolberger Salon bewiesen, wo ein erblindeter Genosse einen Ausspruch des jetzt sein weilenden Genossen Mattutat citirte, der anläßlich der Aufhebung des Bierboycotts die unter zeichneten Genossen als „beste" Genossen hinstellen zu müssen gemeint. Es dürfte mancher hierunter gewesen sein, der als Hüter deS Princip« sich nicht geriren kann. — Es ist die- rin Punkt, der nicht gern breit getreten wird, für den aber der Beweis zu führen ist. Es ist bei der Fehlbarkeit der Menschen eine verflucht kitzlige Sache, sich als „Besten" in einer Gesellschaft hinzustellen; — man kann wohl von „fähigen" und „geistig fähigeren" Personen sprechen, — aber wo diese Naturanlagen, dir auch künstliche Ausbildung erfahren können, vorhanden sind, da soll sich der Träger derselben an dem freudigen Bewußt sein genügen lassen, diese Fähigkeiten zum Wohle dec Menschheit in den Dienst derselben stellen zu können; wie diese Fähigkeiten in seinem und der Gesammtheit Interesse zu verwerthen auf Grund des K 1 unseres OrganssationsplaneS für ihn, wie für jeden anderen eine selbstverständliche Verpflichtung ist. Nach seinen Kräften hat jeder Parteigenosse, wenn er als partrizugehörig betrachtet werden will, die Partei zu unterstützen und i>t demgemäß auch jeder in Reih und Glied stehende Partei genosse ein „ebenso guter", braver Genosse, wie derjenige, welcher zufällig ein durch die Organisation gebotenes Amt bekleidet. Wie lautet doch in kurzen Worten das Programm: ..Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit"; schließt das nicht jeden Eigendünkel aus?" Die Harmlosigkeit des „Genossen" Walther, der den Eigendünkel programmmäßig aus der socialdemokratiscken Partei ausgeschlossen wissen will, wird bei den Herren Singer, Stadthagen, Scboenlank und ähnlichen Typen eigendünkel loser Bescheidenheit die verdiente Würdigung gefunden haben. * Berlin, 26. August. Gegen die Reform deS Mili- tairstrafverfabrenS glaubt das „Volk" die Rücksicht auf den Kriegsfall anführen zu sollen; es schreibt: „Ein Punct wird bei den Erörterungen über die Reform des Militair-Slraiprocesses häufig übersehen, nämlich die Nothweudig- keit, die im Frieden gewohnten Einrichtungen schnell auf das Feld leben übertragen zu können. Alles ist im Heere, falls dieses gut organifirt ist, aus den Krieg zugeschnitten, der schnelle Uebergang vom Friedensstande aus den Kriegsfuß ist sür jeden Zweig des großen Organismus von hervorragender Bedeutung. Soll das Gerichtswesen etwa hiervon eine Ausnahme machen? Ist nicht gerade zur Kriegszeit die Ausübung des Rechts von einschneidender Wichtigkeit sür die Disciplin und damit für die Brauchbarkeit des Heeres? Soll hier plötzlich ein andere- System Platz greifen, wie das im Frieden geübte? Und das ist doch zweifellos, daß im Kriege, in Feindesland von Lesfen ttichkeit des Verfahrens keine Rede jein kann, wenigstens werden der Verhandlung nur Militair- Personen beiwohnen können, und diese werden oft wichtigere Dinge zu tbun haben, als bei einer Gerichtsverhandlung anwesend zu sein." In dem letzten Satze waltet, wie die „Nat.-Ztg." zu treffend hierauf entgegnet, insofern ein Mißversländnitz, als die Oesfentlichkeit des Verfahrens keineswegs bedingt, daß Zuhörer anwesend sein müssen, sondern nur, daß sie an wesend fein dürfen; eS finden täglich vor den Civilaerichten Verhandlungen bei leerem Zuhörerraum statt. Die Rücksicht auf den Kriegszustand, der eine seltene Ausnahme ist, braucht nicht die für den regelmäßigen Zustand, den Frieden, bestimmten Gesetze zu beeinflussen, denn im Kriege gilt ein Ausnahmerecht. Selbst für die Civilbevölkerung können, wenn der Feind im Lande siebt oder sein Einbruch droht, Kriegsgerichte eingesetzt werden; entsprechende Vorschriften sür die Rechtsprechung inmitten eines in Feindesland stehenden deutschen Heeres wird eine neue Militair-Strasproceßordnung ohne Zweifel enthalten. Berlin, 26. August. (Telegramm.) Der Kaiser hielt gestern Vormittag im Gelände zwischen Fabrland und Kl.-Paaren in der Nähe von Potsdam eine Besichtigung des l. Garde-Regiments zu Fuß ab. Zur Frühstückstafel waren Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein und Prinz Sizzo von Leutenberg, der präsumtive Thronfolger von Schwarzburg-SonderSbausen, geladen. Abends nabm der Kaiser den Vortrag des Staatssecretairs deS Reichs-Marine- Amts Admirals Hollmann entgegen, welcher auch zur Abend tafel befohlen wurde. Heute Vormittag hörte der Kaiser von 9 Uhr ab den Vortrag deS CbefS deS Geheimen Civil- Cabinets vr. v. LucanuS, empfing darauf den Staalssecretair des Auswärtigen Freiherrn v. Marschall zum Vortrage, arbeitete mit dem Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen und nabm den Vortrag Les Präsidenten deS Evangelischen Ober-Kirchenratbes Barkhausen entgegen. Nachmittags gedenkt der Kaiser nach Berlin zu fahren und dem Abschieds essen für den ehemaligen Commandeur des Garde-Füsilier- RegimentS von Krosigk im Kreise des OfficiercorpS dieses Regiments beizuwohnen. L. Berlin, 26. August. (Privattelegramm.) Die „Nat.-Ztg." schreibt: Herr Lieutenant Schlobach hat sich am 24. v. in New Jork eingeschifft, um in Ostafrika die von dem ComitS der ostafrtkanischen Centralbahn begonnenen Vorarbeiten zu ergänzen. Dahin gehören insbesondere die Vollendung der Terrainstudien zwischen der Küste und dem Kinganifluß, sowie die Untersuchungen über dessen Schiff barkeit, ferner die Ermittelungen über die Beschaffung rer erforderlichen Baumaterialien, über die Wasserbeschaffung zum Eisenbahnbetrieb u. s. w. Die zukünftige definitive Bauleitung wird durch diese Vorarbeiten und Unter suchungen in den Stand gesetzt werden, sofort an die Aus führung der Bahn heranzulreten, nachdem die nöthigen Bewilligungen seitens des Reichstages erfolgt sind. Die Kosten dieser neuen Schlobach'schen Expedition trägt zu zwei Dritttheilen die Colonialabthrilung deS Auswärtigen Amtes, zu einem Dritttbeil das Bankier- - Eonsortium, an dessen Spitze die Deutsche Bank steht. Auf der Reise nach Neapel bat Herr Schlobach am 21. ds. in Wiesbaden mit dem Gouverneur von Wissmann und dem Vorsitzenden deS Centralcomit^S Geheimrath vr. Oechel- häuser conferirt. Wir können bei dieser Gelegenheit con- statiren, daß Herr von Wissmann sich bezüglich der Central bahn in vollkommener Ue be re instimmung mit den vom CentralbahncomitS in seinem Bericht an den Reichskanzler gestellten Anträgen befindet, dabei aber lebhaft befürwortet, die beabsichtigte ZweigbabnverbindungmitBagamoyo schleunigst nach dem Langen'schen Schwebebahnsystem aus zuführen, um dessen Verwendbarkeit für die Fortführung der zunächst als Erdbahn veranschlagten Hauptbahn zu prüfen. Der Bericht des Comitös nimmt dies ebenfalls in Aussicht. — Zum Schluß können wir melven, daß Herrn von Wiss mann's Gesundheitszustand in so rascher und erfreulicher Besserung begriffen ist, daß seine vollständige Wiederherstellung in kürzester Frist zu erwarten stebk. I». Berlin, 26. August. (Privattelegram m.) Die Hauptverhandlnng im Beleidigungsproceß des Hof- und Dom predigers a. D. Stöcker gegen Herrn Schwuchow, Redakteur der „Neuen Saarbrücker Zeitung", ist auf den 4. September vor dem Schöffengerichte zu Saarbrücken an- gesetzl worden. Ter Abg. Stöcker ist vertreten durch Rechts anwalt Kattenbusch-Berlin und Lurch Rechtsanwalt vr. Muth- St. Johann. Der Beklagte Schwuchow wird vor dem Schöffengerichte seine Vertheidigung selbst führen. — Während die Stöcker'sche Anklageschrift sich auf die tzß 200, 185 (formelle Beleidigung) und 187 (Verleumdung) stützte, bezieht ver amtsgerichtliche EröffnungSbcschluß sich lediglich auf die Htz 185, 200 des R.-Str.-G.-B. und tz 20 des R -Pr.-G. Es werden von dem Angeklagten u. A. folgende Herren als Zeugen geladen: Professor vr. Brecher, Oberst z. D. v. Krause, Pastor Engel, Oberhofmeister v. Mirbach, Frei herr v. Fechenbach, Pastor Witte, Nedacteur v. Gerlach, Abg. v. Helldorf-Bedra, Abg. Freiherr v. Manteuffel, Professor vr. Kropatschek u. A. m. — Die „Berl. Pol. Nachr." schreiben: „Da noch immer Be sprechungen durch die Presse gehen, welche sich auf die Frage der Rückkehr des Majors von Wissmann nach Afrika beziehen, so wollen wir aus Grund zuverlässigster Mittheilungen bemerken, Laß Herr von Wissmann niemals und zu Niemandem sich bisher in einem Sinne geäußert hat, welcher den Schluß zuliebe, daß er nicht mehr auf seinen Posten zurückzukehren gedenke. Bei dieser Gelegen heit wollen wir gleich bemerken, daß die von der „Rheinisch-west fälischen Zeitung" gebrachte Nachricht von dem Rücktritt des Directors des Colonialamts Geh. Raths vr. Kayser jeder Be gründung entbehrt." — Während des VereinStags der deutsch en landwi rth- schaf klicken Genossenschaften in Stettin richtete der Anwalt des allgemeinen Verbandes rer deutschen landwirtbschaft- lichen Genossenschaften an den Finanzminister vr. Miquel folgende Depesche: „Tie von Eurer Excellrnz bethätigte wirkungsvolle Förderung der Arbeit der deutschen lanbwirthjchasilichen Genossenschaften giebt dem heute versammelt n Bereinstag LeS allgemeinen Brrbondes der deutschen landwirthschaftlichen Genossenschaften wie im vorigen so auch in diesem Jabre Anlaß, seinem Gönner ehrerbietigen Genossen schaftsgruß darzubringen." Darauf antwortete Herr vr. Miquel auS Wiesbaden ebenfalls telegraphisch an den Anwalt Haas: „Besten Dank für die mir hier zugegangene freundliche Depesche und die Anerkennung der Wirksamkeit der preußischen Centralgenossen- schastscasse, deren Erfolge, ihrem Zweck entsprechend, schon jetzt klar vor Jedermanns Auge liegen, nicht in der Lähmung, sondern in der Belebung und Förderung deS Gemeinsinns uud der freien Selbsthilfe der Mittelclassr." jetzt in die „Heuböden" auf den Schiern. Er meinte Heil bäder. Da wir aber bis dahin noch keine Ahnung dieser Art „Bäder" hatten und er alle Vocale gleichmäßig dumpf aussprach, so verstanden wir eben Heuböden und glaubten, er habe droben auf der Seifer Alv in einer der vielen Senn- oder Heubütten zu thun. So erschien es uns auch nicht ver wunderlich, als er beim Aufbruche eine große, weiden- aeflochtene Handtasche unter seinem Stuhle bervorlangte, Schirm und Krückstock unter die Henkel schob und die Bürde auf seinen Rücken lud. Daß er zum Heumachen einen Regenschirm mitnabm, kam unS zwar etwa« merkwürdig vor, bot aber keinen Anlaß zu langem Kopfzerbrechen. Auch kümmerte es unS zunächst gar nicht, daß ihm die Wiribin sammt der Kellnerin „a guete Summ'rfrisch'n" wünschten. Weit mehr gab unS der Um stand zu denken, daß ein Weinbauer vom Ritten oben auf dem Schiern, der dock mindestens acht Wegstunden von drüben entfernt liegt, eine Alm haben sollte. Doch ein Tourist reist gern mit leichtem Gepäck und beschwert sein Hirn nicht mit langweiligen Erörterungen. Die Zeit würde schon VaS ihre thun; bi- wir den Berggipfel erreichten, verblieben un- ja noch volle fünf Stunden. Zuerst ging« an Feldern hin, dann über leicktaeneigte Wiesen. Unser Begleiter wurde nicht müde, zu erzählen und zu fragen. „Wu sain'- denn her? Sain'S a- Buz'n?" „O nein." „Dös hob' ick mir scho g'docht, denn fbob'n holt lonae Hnsn (Hosen), d' Duz'ner hob'n'S kurz. — No, wu sain« denn her? AS Daitschlond?" „Ja, aus Leipzig." Dieser Name mochte noch nie an sein Ohr geklungen sein, denn er blickte uns ganz verständnißloS an und sagte: „Jscht dös Wait?" „Na, so N/, Tag mit der Eisenbahn." Ob's dann noch weiter ginge, fragte er. Als wir die« bejahten und ihm erzählten, daß man dann noch viele Tage mit Eisenbahn und Schiff reisen könne und doch immer in andere Länder komme, blieb er eine Weile stehen und sah uns mißtrauisch an. Da er jedoch nicht« Arges in unseren Mienen entdeckte, schüttelte er resignirt den Kopf und murmelte mehrmals tiefsinnig vor fick bin die Worte: „O, ischt duck d'Welt Wait, ischt duch d'Welt wait!" Der Weg wurde steiler, allmählich erstarb seine Redselig keit, und so wanderten wir in gleichmäßigem Tempo ruhig bergan. Meist durch dichten Wald. Wir mochten zwei Stunden gestiegen sein, da zeigte sich eine weite, gra-rriche Lichtung. „Hier wull'n wir mol rascht'n", meinte Franzi, unser Führer. E- war ein prächtiger Fleck, den er zum Ruheplatz erkoren hatte, und man sah es dem schlichten Manne an, wie gern er von hier auS uns Fremden die Herrlichkeiten seines Heimathlandes zeigte. Tief unten im Tbale zog der Eisack seinen Silberstreifen, drüben am anderen Ufer debnte sich der breite, frucktqesegneke Bergrücken deS Ritten au-, der allmählich nach Norden ansteigend, ganz in der Ferne im Riitnerborn seinen höchsten Punct erreichte. „Sebrn'S, durt ischt d' HUtt'n vum Nittnerburn!" Er wie- mit dem Finger nach dem kablen FelSzipfel, wo ein Gebäude, dem HäuSlein aus einer Spielschachtel ver gleichbar, zum Vorscheine kam. Äuch ein Sommerfrischler. Von H. Rei-Hauer. Zu Völ- war-, in Südtirol. Wir hatten Bozen in aller Früde verlassen, um von Atzwang aus den gewaltigen Dolo mitstock deS Schiern zu ersteigen. Dir Augustsonnr brannte beiß auf unS nieder, der Weg war steil und schattenlos, kein Wunder, daß unsere Kehlen nach zweistündigem Marsche energisch nach einer Anfeuchtung verlangten. Beim „Ober- völser" ward un- die ersehnte Erfrischung zu Theil. Saß da auf der Veranda rin echter Tiroler Bauer in der landes üblichen Sonntagstracht und schäkerte mit der Kellnerin. Nach altem, gutem Touristenbrauche boten wir unfern Morgen gruß, er rückte an seinem niedrigen Filz und dankte. Dann schob er seine kurze Pfeife wieder in den Mund, legte dir Arme qu»r auf den Tisch und sah unverwandt zu un- hrrvber. Wie er so dasaß, hätte er dem Pinsel eine» Maler- eine prächtige Charakterstudie geboten. Ueber der linken Schulter hing ihm die grau-grüne, dicke Flauschjoppe, die schwarz- sammetene Weste war aufgeknöpft und zeigte da- sorgfältig gebleichte, grobleinene Hemd. Der zurückaeschobene Hut, an dessen schwarzem Bande eine feuerrotbe Nelke prangte, ließ da- charakteristische Gesicht und die etwa- zusammen gekniffenen, grauen Augen, in denen abwechselnd Bauern pfiffigkeit und Gutmüthigkeit spielten, völlig frei. Unter dem Hute lugte da- struppige, strohgelbe Haupthaar hervor. Der Mann begann unS zu interessiren. „Wu wull'n's hin?" „Auf den Schiern l" Da könnten wir ja zusammengehen, meinte er, er sei an die zwanzig Mal droben gewesen und kenne den Weg genau. In Gesellschaft wandre sich'S auch besser. Wir nahmen sein Anerbieten dankbar an, denn wir wußten, daß von VölS auS der Weg zum Berggipfel zwar markirt, aber doch leicht zu verfehlen sei und luven ihn ein, mit un- ein GlaS Wein zu trinken. Und weil das Kraut, da- er rauchte, nicht blo- die Mücken in angemessener Ent fernung hielt, sondern geeignet war, alle- Lebendige aus seiner Nähe zu vertreiben, boten wir ihm auch Cigarren an. Da aber wehrte er ganz entschieden ab. Er sei ein Bauer, und ein rechter Bauer rauche nie Cigarren. Die wären nur für die Stabtherren und die stolzen Bauern. Er aber wolle kein stolzer Bauer sein. Ein Gla« Wein werde er gern mit un- trinken, aber Cigarren rauchen — neinl Gegen derlei gewichtige Gründe ließ sich nun freilich nicht- einwenden, und so mußten wir den Qualm seiner Pfeife geduldig über unS ergeben lassen unk gleich der Wirthin webmüthigen Blicke« znschanrn, wie rin Streickbolz nach dem andern an- der Büchse auf dem Tische verschwand, um da- Ungethüm von Pfeife wieder und wieder in Brand zu setzen. Dazwischenber redete er eifrig auf un- ein und erzählte im unverfälschten Dialekte Die« und Jene« von Land und Leuten. Alle- zu verstehen, war unmöglich. Nur so viel hörten wir heraus: Er stamme vom Ritten, einem Bergzug l am anderen Ufer de- Eisack, sei ein Weinbauer und geh«
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