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Anzeiger. Amtsblatt des Königl. Bezirksgerichts und des Raths der Stadt Leipzig. M 58. Sonntag den 27. Februar. I85S. Mittwoch den r. März d. I. Abends /7 Uhr ist öffentliche Sitzung der Stadtverordneten im gewöhnlichen Locale Tagesordnung: Gesuch deS Herrn Adv. Klein um Enthebung vom Vicevorsteher-Amte. 2) Gutachten des Finanzausschusses über die Conti L, 6, 8, 9, 12, 14, 30, 39, 40, 44, 46 deS diesjährigen HauShaltplanS. 3) Gutachten deS Ausschusses zum Bau-, Oekonomie- und Forstwesen und die von ihm vorgeschlagene Bevorwortung deS von Herrn St.-V. Adv. Rose gestellten Antrags wegen Eröffnung einer Fahr straße durch da- sog. Grifterpsörtchen und die von ihm vorgeschlagene Ablehnung deS gleichzeitigen Antrags wegen Fahrbarmachung deS AuSgangS vom Neukirchhof nach dem Blumenberge betreffend. Leipzig, den 26. Febr. Se. königl. Hoheit der Kronprinz traf heute Vormittag 10 Uhr von Dresden hier ein, um das Commando der hier in Garnison stehenden Jägerbrigade dem gleichfalls heute ftüh von Dresden hier eingetroffenen Obersten von Schimpf zu übertragen. Der zeitherige Commandant der hiesigen Garnison, der Generalmajor von Hake, wird in diesen Tagen die hiesige Stadt verlassen und nach Dresden übersiedeln, um daselbst ein höheres Commando zu übernehmen. Se. königl. Hoheit der Kronprinz kehrte bereits Mittag 12 Uhr nach Dresden zurück. GeffentUche Gerichtssitzung. Wer dm Artikel 60. unseres Strafgesetzbuches liest, welcher lautet: „Haben Personen sich im Allgemeinen zu gewerbmäßigem Stehlm, zu Brandstiftungen, Räubereien und anderen Gewalt- thaten verdundm, so trifft die Anstifter der Verbindung und die Anführer AuchthauS bis zu sechszehn Jahren, jeden andern Theil- nehmer an derselben Arbeitshaus oder Zuchthaus dis zu zehn Jahren", der denkt sicherlich, daß dieser Artikel für Gegenden geschrieben ist, «oo undurchdringliche Wälder den DiebeS- und Räuberbanden sichere Schlupfwinkel darbieten, oder für Zeiten, wo durch ganz besondere Ereignisse, wie Krieg und Aufruhr, die öffentliche Sicherheit gefährdet ist. Und doch lehrte un< die am 2S. d. M. unter Vorsitz deS Herrn GerichtSrath Lengnik abge haltene Hauptverhandlung, daß auch in den jetzigen ruhigen Zeiten und in unfern friedliche» Mauern Fälle Vorkommen können, welche die Anwendung jener strafrechtlichen Bestimmungen er heischen. Drei jugendnche, »och nicht achtzehn Jahre alte Ver brecher, die Handarbeiter Johann Bernhard N. aus BolkmarS- dorf, August Wilhelm Schl, ebendaher, Friedrich Wilhelm D. von dm Lhonbera-straßenhäusern und als 6ux grexis der bereit- drei-ehmnal mit Gefängniß, Arbeitshaus und Zuchthaus, außerdem sehr oft polizeilich bestrafte Eigarrmmacher Friedrich Louis August W. von hier befanden sich auf der Anklagebank. Durch Ver mittelung und Unterstützung eine- am hieswen Orte bestehenden wohlthätigm Verein-, ber sich die löbliche Aufgabe gestellt hat, entlassenen Sträflingen durch Verschaffung von Arbeit und Diensten ihr Fortkommen zu erleichtern und sie der menschlichen Gesellschaft al- ordentliche Mitglieder zurückzuführen, hatte W. nach seiner im September vor. I. erfolgten Rückkebr au- dem Auchthause von einem hiesigen Kaufmann lohnende Beschäftigung dadurch er halten, daß dieser ihm Tabak zur Verarbeitung von Cigarren gegm bestimmte- Lohn verabreichte. Jndeß uattu-am orpella» kure» t»m»n uague reeurrsl, diese geregelte Thätigkeit behagte W. nicht und durch eignen Fleiß zu verdienen, wa- er zu seinem Leben-unterhalte brauchte, war gegen seinm Sinn und seine Gewohnheit. E- währte nicht vier Wochen, al- sich der Kauftnann gmöchigt sah, W. die Arbeit wieder, zu derselbe lieferte nicht nm die Waare schlecht gearbeitet ab, sondern auch wrniger al- er nach dem ihm übergebenen Tabak hätte ab- lleftr» solle«. I« dm letzten Lagen, wo er noch für bttl Kauf mann arbeitete, hatten sich die erwähnten drei jungen Bursche zu ihm gesellt, die damals ohne Beschäftigung waren und angeb lich das Cigarrenmachen bei ihm erlernen wollten. Trotzdem, daß er keine Arbeit für sie hatte, so veranlaßte er sie doch, sich täglich bei ihm einzufinden und machte ihnen den Vorschlag, sie sollten so lange, als er keine Beschäftigung für sie habe — und das stand, da W. eigne Mittel nicht besaß und auf fernere Unter stützung jenes Vereines wohl nicht rechnen konnte, so bald nicht in Aussicht — jedesmal Abends beim Dunkelwerden in die Stadt gehen und sehen, wo sie etwas stehlen könnten, namentlich ihr Augenmerk auf Gegenstände richten, die an Verkaufsgewölben auShingen. Da- Gestohlene sollten sie ihm bringen, da- solle verkauft und der Erlö- vertheilt werden. Al- geübter Dieb gab er den jungen Leuten noch Instruction wie sie eS anfangen sollten, um nicht erwischt zu werden, und rieth ihnen namentlich, daß immer einer von ihnen Wache stehen solle. Dieser Vorschlag fand bei den jungen Leuten um so geneigtere- Ohr, als sie selbst ohne sittlichen Fond und was Sch. und N. anlangt, auch wie derholt schon wegen Eingriffe in fremde- Eigenthum bestraft waren und durch Befolgung desselben ihren Unterhalt zu gewinnen hofften. Sie hielten sich daher den Tag über bei W. auf, der sie tractirte, und wenn eS dunkel wurde, verfügten sie sich in die innere Stadt — eS war gerade um die Weihnachtszeit herum — und suchten hier die Gelegenheit nach Diebstählen. Namentlich richteten sie ibr Augenmerk auf Schaufenster und auf Gegenstände, die vor dm DerkaufSgewölben hingen. Hatten sie eine passende Gelegmheit erspäht, fo mußte in der Regel einer von ihnen Wache stehen, d. h. aufpassen, damit sie nicht überrascht würden, der andere riß die Sachen herunter, lief dann fort und der dritte hob sie auf. Auf diese Weise stahlen sie an vier aufeinander folgen den Tagen Portemonnaies, ShawlS, Gam, Gummischuhe rc. Da- Gestohlene theilten sie unter sich, auch erhielt W. seinen Antheil, der die ihm überbrachten Sachen verkaufte oder verschenkte. Go würdm sie, wie sie selbst zugaben, ihr Unwesen noch länger und wenigstens bi- auf die sehr unbestimmte Zeit, wo sie ordent liche Arbeit erhalten hätten, fortgetrieben haben, wären sie nicht noch rechtzeitig und ohne größer» Schaden anzurichten bei Ge legenheit, als sie in der Reichsstraße von einem Verkaufsgewölbe ein Paar Gummischuhe herabgerissen und damit fortgeeilt waren, von einem Vorbeigehenden bemerkt und auf der Flucht eingeholt wordm. Während die- Alle- von den drei Burschen offen zugestanden wurde, suchte W. durch Läugnen sich der Strafe zu entziehen. Er mußte indeß endlich und als die- gegen ihn bewiesen wurde, wenigstens zugebm, daß ihm seine Schmer Abend-, wmn sie von ihm fortgeganaen und wieder zu ihm zurückgekehrt warm, jedes mal bei der Rückkehr Sachen, die sie gestohlen hatte«, als seinm Antheil an der Beute überbracht und daß er diese Sachen Ver wandten gefchenkt ober wie von diesen behauptet wurde, verkauft hatte. Da ferner die Angaben der drei jungen Leute über W'S. Thätigkeit und Verhalten ganz conform und somit in Bettacht, daß eine gegenseitige Verabredung unter ihnen nicht möglich ge wesen war, wohl al- vollkommen glaubwürdig zu achten warm, W. selbst auch sich al- eine Persönlichkeit darstettt, welcher da-