Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.04.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110419028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911041902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911041902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-04
- Tag 1911-04-19
-
Monat
1911-04
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Brzu-».PreiS Dich tz», V » mnektzalb Deutschland» and der deutschen Kolonien vteneljährl. 3.» Mt., »onatl. I.WSNk. aueschl. Poftbeftellgeld. Ferner in Belgien, ^unemarl, de» Donaultaaten, Italie». Luirmbu»«, Niederlande, Nor» wegen. Orsierreiq« Ungarn, Nutzland, Schweden, Schweig a Spanien. In allen übrigen Staaten nar direkt durch di« Geschäftsstelle de» Blatte» erhältlich. Da» Leipziger Tageblatt «rschetrU 2mal täglich. Sonn» u. Feiertag» nur »argen». Ldannem»nt».Ln»ahm«: I»ha,»i»gals« », bei unseren Trägern. Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briesträger«. Stngeluerkausrprei» SVt- Abend-Ausgabe. ripMer Tageblatt Handelszeitung. Amtsblatt des Nates und -es Nolizeiamtcs -er LtaSt Leipzig. Anzclg.n-Prcis für Inserate au» Leipzig und Umgebung die tfpaltige Petitzeile 2SPf, die Nellame- zerle l Mk.; von auswärt» 3ü Pf., Aellame» llvMk.. Inserate von Behorben im amt lichen Teil di« Petitzeile 5» Pf. Geschäslranzeigen mit Platzvorlchriften a. in ber Abendausgabe im Preif« erhöht Rabat» nach Taris. BeilagegebühchGesamt. auflage 5 Ml. o Tausend erki. Posigedübr. Tetldeilag« Hoher. Fefterteilt« Auftrag« können nicht zuru-t. gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme I«baan^»,I1« d, bei sämtlichen Filialen u. allen ^noiirrn- Lzpeditionen des 2n» und Ausland«». Druck und vrrlag »«» Leipziger Ta,«- dla»»«» S. Polz. Inhaber. Paul ttürste». Nedaktio» und G«schäst»st«lle: Iohannisgass« 8. Fernsprecher. I46U2. >4693, >4bS4 Haupt-Filiale Dresden: Seenratze 4. l (Telephon 462lü 125. Jahrgang Nr. 108 Minwach. üen IS. April lSll. Die vorliegeuoe Au gäbe um aßt 6 Seiten. 828,3 von -1-249 -ch 32,7 Marinen, Staaten. — 20.5 -i- 16,3 -i-29.3 -i- 45,5 531,2 4502 329,8 239,8 180,8 153,9 104,8 in allen 551,7 433,9 300,5 194,3 158,3 139,0 72,1 Die Marine-Etats üer größeren Seemächte für das Jahr 1911 12 stellen sich im Vergleich mit denen des Vorjahres Großbritannien . . Vereinigte Staaten Amerika . . . Deutsch land. . , Frankreich . . . , Rußland Japan Italien . ... Oesterreich U lgarn . Wie die Uebersicht zeigt, ist mit Ausnahme derjenigen der Vereinigten ein Anwachsen der Ausgaben zu verzeichnen: am stärksten ist die Zunahme des englischen Etats, der bereits im Vorjahre ein Anwachsen um 111,4 Millionen Mark zu verzeichnen hatte. Am geringsten ist der deutsche Marine-Etat ge wachsen, der auch um 11,5 Millionen Mark hinter der Geldbedarfsberechnung des Flottengesetzes zurück geblieben ist. Der Etat für das Schutzgebiet Kiaulschau ist. wie hier ausdrücklich bemerkt iei. in den obigen Zahlen nicht mit enthalten. In Frank reich ist das vor zwei Jahren eingebrachte Flotten gesetz noch immer nicht zur Beratung gelangt: trotz dem bewegen sich die Zahlen des Marine-Etats schon in aufsteigender Linie, weil für 1911 ebenso wie für das vorhergehend: Jahr der Bau von zwei Linienschiffen durch eine besondere Vorlage beantragt und genehmigt worden ist. Rußland und Japan, die beiden Gegner aus dem letzten Seekriege, machen ersichtlich Anstrengungen: der eine, um seine Flotte wieder auf den alten Stand zu bringen, der andere, um sie weiter zu verstärken. Rußland wird darin durch die schwierige Lage seiner Wersten, Japan durch finanzielle Verhältnisse be hindert. Für Rußland sind nur die Zahlen des ordentlichen Etats angegeben, da dieje ftgen des außerordentlichen Etats (für 1911 betragen sie 23,3 Millionen Mark) zur Deckung der n^ch rückständigen Ausgaben des russisch-japanischen Krieges bestimmt sind. In Italien ist das Anwachsen ber Ausgaben ,um Teil auf eine Organisationsänderung (Vereini gung aller das Seeweien betreffenden Ressorts unter dem Marineministerium) zurückzusühren. Die Etatszahlen für Oesterreich-Ungarn ent halten nicht nur die laufenden Ausgaben, sondern auch die für Neubauten bestimmten Lpezial-Rüstungs- tredite. deren Anteil für das lauiende Jahr 46,75, für das vorhergehende Jahr 15,3 Millionen Mark beträgt. Zum ersten Male in der Geschichte der österreichisch-ungarischen Marine hat der Etat den Betrag von 100 Millionen Mark überschritten. Aber, wie der Marinetommandanl Gras Montecuccoli in den Etatsverhandlungen ganz richtig sagte: „Keine Flotte, so groß sie auch sei, ist so teuer wie ein Krieg." Millionen 905,6 wie folgt: 1911/1«» 1910 11 1911 12 mehr oder weniger Mark -t- 77,3 Ole Lage in Merllur. Kleine Gefechte mit wenig Toten und noch wenlger Verwundeten sind an der Tagesordnung. Der Rebellenführer Madero hat erklärt, er könne den Frieden nicht erzwingen. Jetzt ve-salbt es sein Vite-. Hoffentlich hat er mehr Erfolg. Auch P»ä- sid.'nt Diaz sieht sich durch das fatale Hin ur d Her veranlaßt, wieder einmal seinen unmittelbar brror- stehenden Rücktritt anzukündigen. Präsident Taft und der Versitzende der Senatskommission haben sich geein gl, nicht voreilig zu handeln. Der Anschluß eines Waffenstillstandes ist angeregt worden. Ueter die Vorgänge liegen folgende Telegramme vor: Aguapneto, 19. April. (Tel.) Die Verluste der Regierung«truppen in dem gestrigen Gefecht sollen nur fünf Tot«' und vier Verwundete betragen. Die Auf ständischen haben angeblich vier Verwundete «ich acht Tote. New Park, 19. April. (Tel.) Aus Thihuahua wird gemeldet, daß der Vater des Rebellenführers Madero, einer seiner Söhne und ein dritter U' ter- händler dorr eingetroffen sind, um die beiden Par teien zu bewegen, sich über di« Friedens bedingungen zu einigen. — Wie der Washingtoner Korrespondent der „Evemngpost" ver sichert, sind die am besten unterrichteten Kreise sest davon überzeugt, daß der Rücktritt des Präsi denten Diaz unmittelbar bevor steht. Aus der Stadt Mexiko wird der „Eveningpost" gemeldet, daß im Kongreß gestern nachmittag die Vorlage über ein allgemeines Wahlrecht eingebracht worden sei. New York, 19. April. (Tel.) Aus Agua- prieta wird gemeldet: Das Gros der Auf ständischen zog sich in guter Ordnung in die Berge südlich der Stadt zurück und vereinigte sich dann mit drei Kolonnen anderer Aufständischer, die von Westen her anrückten. Ueber di« Zahl der Gefallenen und Verwundeten liegen nur Schätzungen vor, die, wie angenommen wird, viel zu niedrig sind. Washington, 19. April. (Tel.) Präsident Taft hat« gestern mit dem Vorsitzenden der Senats kommission, Lullom, und dem der Kommission des Abgeordnetenhauses für auswärtige Angelegenl-eiten, Sulzer, Besprechungen über die Lage der Ver einigten Staaten Mexiko gegenüber. Cullom war der Ansicht, daß zurzeit kein Grund zu einer Inter vention vorläge. Ebenso versprach Sulzer, daß der Kongreß nicht voreilig handeln werde, sprach sich aber dafür aus, daß, um die Gefahr für die ame rikanischen Bürger in der Nähe der Grenze zu be- seitigen, eine neutrale Zone von fünf bis zehn Meilen Breite längs der Grenze vereinbart werden müße. Mexiko, 19. April. (Tel.) Beim Auswärtigen Amt ist von Washington aus der Abschluß eines Waffenstillstandes angeregt worden. Das Auswärtig« Amt erwiderte, die Regierung stehe dieser Anregung sympathisch gegenüber. PvUtiMe Nachrichten. Winzerunruhen und Anarchismus. Paris, 19. April. (Tel.) Wie verlautet, wurden im Zusammenhang mit den in der Champagne begangenen Plünderungen heute morgen in Paris in den Wohnungen zahlreicher An archisten Haussuchungen vorgenommen. Verhaftung eines Mitschuldigen Hamons. Paris, 19. April. (Tel.) Der Architekt Lhodanne ist gestern nach einem Verhör vor dem Untersuchungsrichter verhaftet worden. Er war im Ministerium des Aeußern tätig und wird be- schuldigt, an der Affäre Ha man beteiligt zu sein. Paris, 19. April. (Tel.) Der gestern als Mit- schuldiger verhaftete Architekt Ch?danne, der Offi zier der Ehrenlegion ist, gilt als ein sehr reicher Mann und als einer der hervor ragendsten Kün stier seines Fachs. Es scheint, daß die Verhaftung hauptsächlich auf die Klag« des Malers d'Ambez erfolgt ist. Paris, 19. April. (Tel.) d'Ambez behauptet, Chüdanne habe ihn um 10 000 Franken geschädigt. Als ein anderes Verdachtsmoment gegen d«n Archi tekten wird auch die Tatsache angesehen, daß er im Dezember vorigen Jahres Hamon 20 000 Franken geliehen hat, um dessen Kassenabaänge zu decken. Ferner wird erzählt, daß eine Anzahl kostbarer Tapisserien, die dem Ministerium des Aeußern ge hören, verschwunden seien, und daß ChiDanne auch in diese Angelegenheit verwickelt sei. Ch-'danne erhob gegen die Beschuldigungen leidenschaftlichen Einspruch. Zur Lage in Marokko. Paris, 19. April. (Tel.) In einer sichtlich offi ziösen Zeitungsnote wird erklärt, es sei gegenwärtig noch unmöglich zu sagen, ob es notwendig sein werde, eine Erpeditionskolonne nach Fez zu entsenden- oder nicht. Falls die Lag« in Fez verzweifelt er scheine und das Leben der französischen Instrukteure sowie der Europäer gefährdet sein solle, dann werde Frankreich keinen Augenblick zögern, ent sprechende Maßregeln zu ergreifen. Entlastung eines portugiesischen royalistischen Offiziers. Lissabon, 19. April. (Tel.) Gestern wurde amt lich die Entlassung des Artilleriehaupimanns Varna Lonceiro bekanntgegcben, des einzigen Offiziers, der sich wirklich den republikanischen Truppen beim Ausbruch der Revolution widersetzt hatte. Jüngst hatte er eine Kund gebung erlassen, in der er dem Volke Vorschlag, es könne durch ein Referendum seine Wünsche zum Aus druck bringen, da sich während der sechs Monate der Republik keine Besserung der Lage in Portugal ergeben habe. Türkisch-griechischer Grenzzwischenfall. Saloniki, 19. April. (Tel.) In der Nähe von Poleechort auf der Halbinsel Kassandra ist cs gestern zu einem Zusammenstoß zwischen tür kischem Militär und einer griechischen Bande gekommen. Drei Griechen wurden getötet und ein türkischer Soldat verwundet. Nus Leipzig unü Nmgegenö. Leipzig, 19. April. Wetterbericht der Königl. Sachs. Landeswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 20 April. Ausfrischen der Winde, sonst keine Witterungs änderung. Pöhlberg: Glänzender Sonnenunter: und -auf gang, Abend- und Morgenrot. Fichtelberg: Glänzender Sonnenunter- und -ausgang, Abend- und Morgenrot, Schneetie'fe 100 am. * * Zur Reform des sächsischen Einkommensteuer gesetzes. Der Verband der sächsischen Haus besitzervereine will an die Staatsregierung eine Petition richten, in der die Wünsck>e der Hausbesitzer hinsichtlich einer Reform der Einkommen steuer zum Ausdruck gebracht werden sollen. Vom Leipziger Verbände sind u. a. als solche Wünsche in Aussicht genommen die A b z u g s f ä h i g k e i t aller auf dem Grundbesitz ruhenden dinglichen Lasten, wie der Gemeindegrundsteuer, der Kirchcnanlagen usw., ferner die Berücksichtigung der Abnutzung des Gebäudes durch Abzug eines bestimmten Satze« für Unkosten, ohne daß es eines speziellen Nach weises bedarf u. a. m. —r. Ostern auf der Eisenbahn. Ein überaus leb hafter Verkehr entwickelte sich am vergangenen Oster feste auf den Eisenbahnen. Die fahrplanmäßigen Züge führten lange Wagenreihen und mußten viel fach in zwei und mehr Teilen abgelassen werden. Auf den hier einmündenden sächsischen Bahnlinien kamen vom Ostersonnabend bis mit Osterdienstag insgesamt 100 Entlastunaszüge zur Abtastung, von denen 64 nach und von Riesa/Döbeln—Dresden, 21 nach unv von Reichenbach—Hof und 15 nach und von Borna- Chemnitz verkehrten. Hiervon entfielen 26 auf den Sonnabend, 20 auf den Sonntag, 18 auf den Montag und 36 auf den Dienstag. * Die Militärgewehr-Schützen-Vcreinigung der Leipziger Schützengesellschaft richtete folgendes Be- güßungstelegramm an König Friedrich August: „Eurer Majestät entbieten die am heurigen Tage im Panorama-Restaurant zu Leipzig zur Generalver sammlung der Militärgewehr-Schützen Vereinigung der Leipziger Schützengesellschaft anwesenden Mit glieder anläßlich der glücklichen Heimkehr Eurer Majestät aus heimatlichen Boden untertänigsten Gruß mit der Versicherung unwandelbar:! Treue. Max Mertig, Vorsitzender." Hierauf traf am ersten Osterfeiertage folgendes Antwortschreiben an den Vorstand der Militärgewehr-Schützen-Vcrcuugung ein: „Dresden, am 15. April 1911. Seine Majestät der König lassen für die Ihm von der Generalver sammlung der Militärgewehr-Schützen-Vereinigung der Leipziger Schützengesellschaft anläßlich seiner glücklichen Heimkehr dargebrachte Huldigung herzlich danken. Der Kämmerer Seiner Majestät des Königs, (gez.s von Criegern." * Der Verein für Polkskindergärten unterhält, nachdem vor Jahresfrist ein Kindergarten im Stadt teil L.-Schleußig eröffnet wurde, nunmehr acht Kindergärten. Davon befinden sich 2 in der Südvorstadt, 3 in den Ostvororten, 2 in den West vororten und 1 in den Nordvororten. Besucht wurden die 8 Kindergärten im verflossenen Jahre von 888 Oss Grüne Nuw. Roman von August Wetßl. 22j (Nacvoruck verboten.) Der Wiener Schnellzug hielt vierzig Minuten in Pon.asel. Die Zeit bedeutete dem Kommissar eine Zeit oynmächliger Wut, beschämender Demütigung. Daß er rn der letzten Minute um den Erfolg einer dreiwöchigen, mühevollen Arbeit gebracht werden konnte, hatte er wahrhaftig incht vorausgesetzt. Aus Schwierigkeiten, auf Kämpf«, war er gefaßt gewesen, aber auf eine solche Ueberrumpelung nicht. Was nun beginnen? D«e Baronin war entwischt. Darüber war kein Zwerjel. Mit der Tatsache -nutzte er rechnen. Er dallle wütend die Hände. Das mußte ihm pa,fieren — ihm! Jene Frau, die er von Venedig bis Pontafel so fürsorglich behütet hatte, war «ine Fremde, wahr scheinlich eine erkaufte Person, die mit der Baronrn im Einverständnisse gehandelt hatte. Er kam sich un- glauolich lächerlich vor. Aber wie war es nur möglich? Er hatte doch die Baronrn in Venedig ganz deutlich am Coupösenster gesehen! Selbst dieser Fremden konnte er nicht mehr hab haft werden. Die bejanü sich sicherlich schon wieder aus italienischem Boden, Len sie ja von Pontafel aus in wenigen Minuten erreichen konnte. Ganz hilflos war er. Aujgesesten einem Weibe, er, der erfahrene Kommissar, aujgesefien wie ein Neuling! Und die Baronin? Die saß wohl irgendwo und lachte ihn aus. Der Kommissar knirschte mit den Zähnen. Es war, um aus der Haut zu fahren! Was anfangen? . . . Die italienischen Behörden in Bewegung setzen? Jenen großen Skandal provo zieren, den auf alle Falle zu vermeiden, ihm von seinem Vorgesetzten eingeschärft worden war? Nach Wien fahren und vor den Polizeipräsidenten mit üen Worten treten: „Ich bin von einer Frau düpiert worden, bitte, pensionieren Sie mich wegen meiner Unfähigkeit?" Die geballten Fäuste in die Taschen seines Winter rockes versenkt, schritt er auf dem Perron au« und ab. Da trat ihm ein Kondukteur in den Weg und fragte: „Bitte, mein Herr, find Sie der Doktor Martens aus Wien?" -Ja." „Dann habe ich einen Brief für Sie." „Von wem?" „Die Dame, die im Coup^ neben Ihnen saß, gab ihn mir in Udine mit dem Auftrag, ihn Ihnen erst in Pontebba zu übergeben." Der Kommissar erbrach rasch das Schreiben und las: Geehrter Herr Doktor! Es tut mir herzlich leid. Ihnen diese kleine und unangenehme lleberraschung bereitet zu haben. Aber ich konnte nicht anders. Bei unserer letzten Unter redung habe ich um zwei Tage Frist gebeten, doch hatten Sic nicht die Liebenswürdigkeit, mir sie zu gewähren. So blieb mir kein anderer Ausweg, als, so sehr es meiner innersten Natur widerspricht, zu einer Täuschung Zuflucht zu nehmen. Forschen Sie nicht nach mir. Ich werde in zwei, längstens drei Tagen mit demselben Zug, in welchem Sie mich yeute nicht fanden, in Pontafel cintrefftn Ich habe keinen Grund, die österreichi schen Gerichte zu scheuen. Ich komme bestimmt. Ich komme, weil ich mehr Interests an der Eruierung des Mörders habe, als Sie ahnen. Verzeihen Sie. daß ich zu Mitteln griff, die ich verabscheue, aber die Notwendigkeit gebot es. Ihre ergebene M. St. Der Kommissar las den Brief noch ein zweites Mal. Dann zerknitterte er ihn voll Wut. Eine naive, doch "twas zu starke Zumutung, von ihm zu verlangen, daß er den Versicherungen Glauben schenken sollte! War es denkbar, daß dies« Frau selbst kommen werd«? Sprach denn nicht alles gegen eine solche Annahme? Jetzt hieß es rasch handeln. Ein zweites Mal sollte es ihr nicht gelingen, ihn zu düpieren. Er eilte ins Bureau, stellte sich dem Stationschef vor und fragte: „Wann passiert der nächste Zug nach Venedig die Station?" Morgen um sechs früh." Der Kommissar stampfte mit dem Fuße auf. Also zu sechs Stunden Untätigkeit war er jedenfalls ver dammt. Mit dem Waaen nach Venedig zurückkehren, daran war nicht zu denken. Die eine Nacht mußte er unbedingt in Pontafel bleiben. Und zwölf Stunden Vorsprung waren dadurch der Baronin gesichert. Es war ihr lso ein leichtes, irgend einen Hafenplatz zu erreichen und sich einzuschiffen, ehe er sich von hier auch nur fortrühren konnte. > Der Kommissar erkundigte sich nach der Abfahrt überseeischer Dampfer. „Von Genua, Venedig, Brindisi und Triest gehen morgen früh nach allen Weltgegenden Schiffe ab", lautete die Antwort. Der Kommissar setzte eine Depesche an alle Polizei leitungen der Hafenstädte auf, in der er eine genaue Personbeschreibung der Baronin gab, ohne deren Namen zu neunen, uno um sofortige Anhaltung der Frau ersuchte. Das Telegramm ließ er im Dienst wege durch den Polizeikommistar der Grenzstation expedieren. Dann ließ Dokior Mar'ens das Gepäck der Baronin holen und durchsuchte cs in Gegenwart seines Amtskollegen. Außer Wäschestücken fand der Kommissar bloß eine rotblonde Perück., einen Reise hut mit dichtem Schleier und eine dunkle, englische Toilette, kurz, jenes Kostüm, in dem er die Baronin mit eigenen Augen in Venedig in den Zug hatte steigen sehen. Ebe der Kommissar sich nach einem Nachtquartier umsay, versüßte er einen telegraphischen Bericht an Polizeirat Wurz, in welchem er nichts verheimlichte und um weitere telegraphische Instruktionen bat. Die beiden Agenten saßen -»dessen g.drückt neben den Koffern auf dem Perron. Der Wiens- Schnellzug war schon abgedampft, als Doktor Martens sie heran winkte und ihnen befahl, ihm zu folgen. Er begab sich in ein Hotel, das dem Bahnhof gegcnüberlag und ließ zwei Zimmer öffnen. Lange währie es, bis er in einen unruhigen Schlummer verfiel. Zeitig früh war er schon wieder auf den Beinen. ' Ohne zu frühstücken, eilte er ins Stationsgebäude. „Ich wollte eben zu Ihnen schicken", empfing ihn der Stationsvorstand, „dieses Telegramm aus Wien ist für Sie da." Mit bangen Gefühlen erbrach Doktor Martens das Sieg .l. Die Depesche enthielt nur die wenigen Worte: War oorauszusehen. Bleiben Sie in Pontafel. Komme morgen Frühzua. Sie werden die Baronin früher finden, als Sie glauben. Wurz. Sprachlos starrte der Kommissar auf die Depesche. Elftes Kapitel. Wo aber befand sich die Baronin? Wie war es ihr gelungen, die Aufmerksamkeit des Polizisten der art zu täuschen? Wie war sie entkommen? Während Doktor Marrens darüber in Pontafel sich den Kopf zerbrach, saß Baronin Sternberg in einem dunklen Winkel eines Coup6s dritter Klasse des Romer Postzuges. Niemand hätte sie wiedererkannt. Eine schwarze Perücke über das goldblonde Haar gestülpt, das Ge sicht verschminkt, in einfacher Kleidung, das Umhüng- tuch bis über die Ohr«n hinaufgezogen — kein Mensch hätte geahnt, daß das die Frau war, die in ihrem Wiener Salon die vornehmste Gesellsckzaft empfing. Als Doktor Martens die Baronin nach jener folgenschweren Unterredung verlassen hatte, war ihr erster Gedanke: Flucht! Aber sie erkannte auch, daß eine Flucht nicht leicht zu bewerkstelligen war, sie wurde ja bewacht und konnte keinen Schritt tun, ohne daß die Häscher ihr folgten. Nur große Kühnheit konnte zum Ziele führen. Sie zog ihr Kammermädchen, das ihr treu er geben war, ins Vertrauen und fragte sie, ob sie bereit wäre, an ihrer Stelle nach Pontasel zu reisen. Die Frauen hatten ungefähr dieselbe G.stalt. Eine rote Perücke und die Kleider der Baronin sollten die Täuschung vervollständigen. Das Mädchen willigte um so lieber ein, als ihr die Herren die Gefahrlosigkeit des Unternehmens klar zumachen verstand, und eine schöne Ausstattung und überdies noch so reichen Lohn versprach, daß das Mädchen durch ihre Zusage eine sorgenfreie Zukunft an der Seite des von ihr geliebten, im Dienste des Hauses Castellmari stehenden Gondoliers gesichert sah. Baronin Sternberg baute ihren Fluchtplan folgendermaßen auf: Sie wollte mit zum Bahnhof, nicht als Herrin, sondern als Dienerin. Sie wußte, daß der Romer Postzug zwei Minuten nach dem Wiener Eilzuge Venedig verließ und hoffte, dank der Verwirrung, die knapp vor dem Abgang jedes Zuges zu entstehen pflegt, im Gedränge noch rechtzeitig zu dem zweiten Zuge zu gelangen. Nachts wurde Marietta so hieß das Kammer- Mädchen — kostümiert und der erste Versuch auf die Weise unternommen, daß das Mädchen auf die Straße geschickt wurde. Zu ihrer Freude bemerkte die Baronin, daß die Polizisten Marietta sofort folgten. Ein« Verwechslung in den Abendstunden war also nicht nur möglich, sondern bestimmt zu erwarten. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite