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Leipziger Tageblatt und Anzeiger. ^ 122. Sonntag, den 2. Mai. 1847. Da in Folge der neuerlich so hoch angesliegerfen Getreidepreise auch das Herannahen der bessern Jahreszeit den Nolhstand im obern Erzgebirge und Voigtlande noch keineswegs zu mildern vermocht hat, derselbe vielmehr häufig und sogar in erhöhter Maaße noch immer fortdauert und dringend Hülfe erheischt, so erbietet Sich die Unterzeichnete König!. Kreis-Direktion zur fort gesetzten Annahme milder Unterstützungen, insbesondere an Geld, und wird mit Freuden für deren Weiterbeförderung Sorge tragen. Leipzig, am 30. April 1Ä7. Königlich Sächsische Kreis-Direction. von Broizem. Friedrich. Bekanntmachung. Nach einer zwischen der Königlich Sächsischen und Königlich Preußischen Hohen Staatsregierung getroffenen Uebereinkunft wegen Herstellung einer, die Verbindung der Stadt Leipzig mit der thüringischen Eisenbahn bei Weißenfels vermittelnden Zweig» bahn, ist die Direktion der thüringischen Eisenbahngesellschaft veranlaßt worden, ein diesfallsigeS, auch da- Sächsische Staatsgebiet umfassendes Projekt auszuarbeiten. Auf Anordnung der Königlichen Hohen Kreisdirection allhier werden daher die hiesigen Grundbesitzer von dem bevorstehenden Angriff der zu obigem Zwecke erforderlichen Nivellements- und VermeffungSarbeiten, so wie von der zu deren Vornahme auf Sächsischem Staatsgebiete der thüringischen Eisenbahngesellschaft erlheilten Ermächtigung mit der Bedeutung in Kenntniß gesetzt, daß sie jenen Arbeiten, so weit ihre Grundstücke davon berührt werden sollten, kein Hinderniß in den Weg zu legen, vielmehr denselben thunlichsten Vorschub zu leisten, übrigens für etwaige daraus entstandene Beschädigungen und Verluste vollständiger Entschädigung Seilen der genannten Direktion sich zu gewärtigen haben, welche letztere dlesfttllS, i« Ermangelung gütlicher Vereinigung, den von den hiesigen Behörden zu treffenden Bestimmungen sich zu unterwerfen hat. Leipzig, den 27. April 1847. Der Rath der Stadt Leipzig. Or. Gross. Morgen Montag den 3. Mai Abends 7 Uhr ist öffentliche Sitzung der Stadtverordneten im gewöhnlichen Locale. Zur Berathung kommt ein Rathscommunicat, die Fundirung einer zweiten Mathematicusstelle, so wie die Gehaltserhöhung des GesanglehrerS der Externen an der Thomassäule betreffend. Wie kann Leipzig feine Bedeutung aLS Meß- und Handelsplatz bewahren?*) Lediglich dadurch, daß es sich zum bedeutendsten Stapel platz aller Rohstoffe und aller Manufacturwaaren des euro päischen Festlandes erhebt. Leipzig ist zu einem bedeutenden Meß- und Handelsplatz geworden, ohne durch seine Lage in irgend einer Weise be günstigt zu sein, und ohne daß dafür etwas Besonderes ge schehen wäre, denn noch vor weniger als 30 Jahren befanden sich die hierher führenden Straßen, mit alleiniger Ausnahme der Straße nach Frankfurt, im jämmerlichsten Zustande, die Chaussee nach Dresden war unvollendet und von Borna, Halle und Delitzsch nach Leipzig waren die Wege so grund los, daß nicht selten die Frachtwagen stecken blieben. Allein es hatte damals, und hatte seit Jahrhunderten, was es jetzt nicht mehr hat: den Vorzug einer überaus prompten Rechts pflege, große Freisinnigkeit in seinem Zollwesen, und eine Zuvorkommenheit der Einwohner gegen die Fremden, die wesentlich dazu beitrug, dieselben an Leipzig zu fesseln; es sind nicht wenige Jubiläen selbst fünfzigjähriger Meßbesucher gefeiert worden. An die Stelle dieser freundlichen Auvor- *) Au- einem Aufsatze in der Jllustr. Zeitung, welcher sich außerdem noch über die zweckmäßigste Anlaae der Verbindungsbahn zwischen dem Sächsisch-Baierschen und den beiden andern Älsenbahnhöfen verbreitet «nd einen sehr beachten-werthen Plan zu einer solchen enthüll. kommenheit ist schon längst eine bemerkbare Neigung zum Gelderwerb getreten; die Verwaltung der Zölle ist im Allge meinen eine milderegeworden, der Handelsgerichtsprozeß aber, namentlich wie sich derselbe in der Ausführung gestaltet, ist umständlicher, langsamer und kostspieliger als der gewöhn liche Prozeß in den meisten deutschen Ländern, während schon längst der Geist billiger Rücksichtnahme auf geschäftliche Sitte, welcher durch den Beisitz von Kaufleuten gesichert werden sollte, durch einen Geist kleinlichen und übertriebenen Fvrmen- wescns, der sich in den meisten Entscheidungen geltend macht, verdrängt worden ist. Nur das alte leipziger Wechselversah- ren ist unverändert geblieben, und ist noch jetzt einem Handels plätze vollkommen entsprechend. Allein das Wechselverfahren ist nicht genügend, um einem Handelsplatz seine Bedeutung zu erhalten, wie lange auch Gewohnheit und Schlendrian den fortschreitenden Geist der Zeit binden mögen. Wir müssen nicht nur unsere vorwärts eilenden Nachbarn im Gerichtswesen, dieser hauptsächlichste» Grundlage eines umfassenden Verkehrs, einholen, sondern wir müssen auch den sonstigen Forderungen der Zeit ent sprechen und denselben -uvorzukommen bemüht sein, wen» wir nicht über kurz oder lang das Schicksal von Naumburg und Frankfurt a. d. O. theilen und zu der Unbedeutendheit vieler ehemaliaer großer und reicher Städte -urücksinken wolle». Leipzigs Bluthe erwuchs wesentlich daraus, daß e- DaS