Volltext Seite (XML)
Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Aloritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag zo Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be- sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 8. Sonntag» den 18. Januar 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Gkrilla, zs. Januar 1903. — Die unter dem 1. Januar dieses Jahres zur Ausgabe gelangten Dien stVor schriften für die Königlich Sächsische Armee schließen sich im Allgemeinen den bis herigen an. Wesentliche Aendcrungen sind in den Bestimmungen über Verehelichung einge- trelen. Hauptleute und Rittmeister mit dem Gehalt I. Klasse bedürfen des Nachweises einer Jahresrate von 750 Mart nicht mehr. Bei Unteroffizieren ist für die Erteilung der Er laubnis zur Verehelichung Bedingung, daß neben den zur ersten Einrichtung erforderlichen Mitteln ein Vermögen von 300 Mark; bei Gemeinen, wenn sie eine Inländerin heiraten, von 150 Mark, wenn sie eine Ausländerin heiraten, von 300 Mark vorhanden sein muß. Bisher waren von Unteroffizieren und Mann schaften 600 Mark Vermögen nachzuweisen. — Goldene Schnüre kann man jetzt vielfach auf den Schultern von Briefträgern und Postschaffnern bemerken. Diese Aenderung ist mit Allerhöchster Genehmigung Sr. Maje stät des Kaisers vom Reichspostaml verfügt worden. Die Verleihung geschieht durch die Over-Postdirektion an etatsmäßig angestellte Unterbeamle mit tadelfreier Führung nach einer Gesamtdienstzeit von 15 Jahren. Auch die Titel „Ober-Postschaffner", „Ober-Brieft.äger" und „Obcr-Leüungsuufseyer" sind den in ge hobenen, d. h. verantwortungsreicheren und ent sprechend besser besoldeten Dienststellen be schäftigten Unterbeamten verliehen worden. Für die Ober-Postschaffner usw. dient als weiteres Uniformabzeichen vierfache Schleife und ein goldner Stern in jeder Ecke des Kragens. Kurze Schulterschnüre tragen alle diejenigen, welche im Dienste regelmäßig Taschen mit Schulterriemen benutzen müssen. — Der Zentralverbanü von Vereinen deutscher Holzinteressenten war in Ueberein stimmung mit forstwirtschaftlichen Körper schaften beim preußischen Landwirtschafts- Ministerium wegen der Einführung einer ein heitlichen Messung und Sortierung von Handelshölzern in den deutschen Waldungen nach gleichen Grundsatz vorstellig geworden. Der Minister hat daraus dem Vernehmen nach eine versuchsweise Anwendung einer gleichartigen Taxklassenbildung nach Durch messer und Beschaffenheit des Holzes an geordnet, wie solche bereits im Großherzog tum Baden und in Elsaß-Lothringen ein geführt ist. — Das größte Dorf Sachsens ist seit dem 1. Januar 1903 Oelsnitz im Erzgebirge mit rund 13 000 Einwohnern. Bisher war es Löbtau bei Dresden, das bekanntlich in den Stadtbezirk einverleibt wurde. — Ueber einen Quellenfinder, der mit Hilfe einer sogenannten Wünschelrute Quellen aufsuchte, berichtet dem „Vogtländischen An zeiger" ein Rittergutsbesitzer aus der Hofer Gegend: „Bis vor 5 bis 6 Jahren wohnte in der Ascher Gegend ein alter schlichter Mann, dem die Gabe von der Natur verliehen war, Wasser in sonst wasserarmer Gegend ausfindig zu machen. In unserer hochgelegenen Gegend, 500 Nieter über der Ostsee (Hofeck bei Hof in Bayern), gab es viele Ortschaften, denen es an Wasser mangelte. Da dies auch bei einem meiner Vorwerke der Fall war, ließ ich mir diesen böhmischen Bauer kommen. Er zeigte mir seine aus gewundenem Messingdraht her gestellte Wünschelrute und erklärte mir, daß sie sich, wenn er in die Nähe von laufendein Wasser oder Silber komme, in seinen Händen ganz auffallend bewege. In der Wohnung machte ich gleich den Versuch mit Silber; es wurden Silbermünzen versteckt, und in un glaublich kurzer Zeit hatte der Mann sie ge sunden, wobei ich bemerkte, wie stark die Be wegung der Rute war, wenn er sich dem ver steckten Gelde näherte (auch durch Decken und Wände), und wie sie nachließ, sobald er sich davon entfernte. Hierauf ging ich mit ihm nach dem wasserarmen Vorwerk Unterkotzau, und in kurzer Zeit hatte der Mann Wasser gefunden. Dadurch angeregt, ließen ihn mehrere Bauern kommen, die ihr Vieh bisher mit Zi- lernemvasser getränkt hatten, und in kurzer Zeit war ihr Hof mit Wasser versehen. Sogar die ungefähre Tiefe, in der das Wasser zu finden B, gab der Mann an, und es stimmte auf- allend. Am Abend ließ ich verschiedene Ar- leiter, die dem Bauer vollkommen fremd waren, antreten und probierte ihre Anlagen für die Wünschelrute. Unter zwanzig Mann waren zwei, bei denen die Rute reagierte, wenn sie n die Nähe von Silber kamen; aber bei weitem nicht in dem Maße, wie es bei dem alten Bauer der Fall war. Seinen Namen haoe ich leider vergessen. Klar bin ich mir über die Sache nicht geworden, aber Schwindel ist völlig ausgeschlossen; davon habe ich mich genau überzeugt." — Den „L. N. N." schreibt ihr Dresdner Mitarbeiter: In der vorigen Woche noch konnte die „Rundschau" ihre sogenannte Kronprinzenpaar-Nummer in einer Auflage von 60 000 Exemplaren absetzen, in dieser Woche hingegen ist das Interesse an der KronpNnzessin-Affäre bereits so geschwunden, daß selbst die eben erschienene billige Broschüre „Die Wahrheit über die Flucht der Kron prinzessin von Sachsen" trotz des vielver sprechenden Titels und der großen Inserate in allen hiesigen Blättern kaum einen mäßigen Absatz findet. Alan ist übersättigt. Die Lust am Skandal hat sich abgekühlt. Zu dem steht nichts neues in dieser neuesten Broschüre. Giron ist in aller Mund, sogar auf — Maskenbällen zeigt er sich. Nur aus den Schaufenstern ist er verdrängt worden. Dafür hängen dort jetzt in Massen die Bilder der Kronprinzlichen Kinder. Den kleinen Prinzen bringt die Dresdner Bevölkerung die größte Sympathie entgegen. Mittwoch waren die beiden ältesten Söhne des Kronprinzen in Begleitung ihres Erziehers zum ersten Male seit der „Abreise" ihrer Mama in dem Zoologischen Garten; Direktor Schöpf führte sie. Bautzen, 16. Januar. Gestern Nach mittag trafen 120 Mann Gefangene aus der Strafanstalt Zwickau zur Ueberführung in die hiesige Strafanstalt ein. Aus dem oberen Elbthale, 15. Januar. Infolge des Eisganges hat der Schifffahrls- verkehr wieder aufhören müssen. Im Laufe des gestrigen Tages haben die Treibeismassen an Stärke und Ausdehnung derartig zuge nommen, daß sie wohl heute schon bei Mannow oder Herrnskretschen zum Stehen kommen werden. Der Elbwasserstand hat rapid abge nommen Cossobaude. Der Restaurateur Kemter, welcher seit einiger Zeit das hiesige Etablissement „Bergrestaurant" bewirtschaftet, ist ain Mitt woch Nachmittag mit der jungen, bildschönen Tochter eines Dresdner Kaufmanns nach der Schweiz abgereist. Kemter, der früher in der Schweiz als Kellner thätig war, hat hier Frau und Kinder zurückgelassen, dagegen etwa 800 Mark bares Geld mitgenommen. Wilsdruff. In der Nacht zum Sonn abend hat sich hier der weithin bekannte und angesehene Kaufmann Otto Fritzsche in einem Anfalle hochgradiger Nervosität durch Erschießen entleibt. Seinem letzten Willen gemäß wurde er zur Verbrennung nach Gotha übergeführt. Bei der Überführung erfuhr der Heimgegangene durch dasige Bürger und Korporationen viel fache Ehrungen. Riesa, 14. Januar. In Folge der seit gestern eingelretenen starken Kälte geht die Elbe heute schon wieder mit Treibeis. Die auf dem Strome befindlichen Schleppkähne suchen bereits wieder in den Häfen Zuflucht, da die Gefahr einer abermaligen Einwinterung nicht ausgeschlossen ist. Der Gröbaer Hafen zeigte heute früh wieder eine verhältnismäßig dicke Eisdecke. Riesa, 15. Januar. Der mit zirka 9000 Zentnern böhmischer Braunkohle be wachtste hölzerne Kahn des Schiffseigners Friedrich Müller aus Aken geriet gestern Vor mittag unterhalb Mühlberg aus der Fahrrinne und fuhr mit großer Gewalt auf eine der ge genwärtig unter Wasser stehenden Buhnen auf, wobei ein so starkes Leck entstand, daß der Kahn nach kurzer Zeit samt der ganzen Ladung sank. Mühlberg a. d. E., 16. Januar. Ein unbekannter weiblicher Leichnam, der bereits ca. 4 Wochen im Wasser gelegen haben kann, wurde auf Graditzer Flur von der Elbe an geschwemmt. Die Tote dürfte etwa dreißig Jahre alt sein, sie ist von mittlerer Figur und scheint den besseren Ständen angehört zu haben. Leipzig. Der in Baukreisen sehr be- ünnle Häuserspekulant Friedrich, welchem auch das frühere Carolatheater hier gehört, ist zu Ende voriger Woche verhaftet worden infolge gewisser Angaben eines entlassenen Buchhalters. Eine der Staatsanwaltschaft angebotene hohe Kaution soll von derselben abgelehnt worden ein. Taucha, 15. Januar. Ein etwa 14 Jahre alter Knabe legte Hand an sich und endete sein Leben freiwillig. Krankhafte Ver anlagung und eine seit dem Tode eines Schwesterchens bemerkte Schwermut haben den Knaben zu der That getrieben. Crimmitschau, 14. Januar. Nach Unterschlagung von 204 Mark Krankenkassen- gelvern verschwand ein in einer hiesigen Spin nerei angestellter 26Mriger Buchhalter. Meerane, 15. Januar. Um einen neuen Industriezweig ist unsere Stadt und damit zugleich das industrielle Sachsen in den letzten Tagen bereichert worden. Es handelt sich um die Verarbeitung von Ramie- und Chinagrasfasern zu Garnen und Zwirtten. Diese Fabrikate, die sich als Stick- und Web material, als Ersatz für Seide darstellen, wurden bisher nur in Baden, und zwar in Emmendingen hergestellt. Jetzt hat sich hier eine Filiale dieser Firma, die sich „Sächsische Ramie-Gesellschaft mit beschränkter Haftung" nennt, aufgethan. Zu Geschäftsführern sind bestellt die Herren Ingenieur Theodor Eugen Schiefner in Dresden und Kaufmann Rudolf Schubert in Puma. Chemnitz. Während die Maschinen fabrikanten schon seit zwei Jahren über schlechten Geschäftsgang klagen, erfreut sich die Textil industrie eines fortgesetzt flotten Geschäftes. Fast sämtliche Hauptzweige dieser Industrie ver fügten am Jahresschlüsse über eine solche Fülle von Bestellungen, daß auch das neue Geschäfts jahr 1903 unter recht guten Aussichten be gonnen hat- Leubnitz. Fast unglaublich erscheint, daß sich am Freitag, den 9. dieses Monats, frü ein aus Cainsdorf gebürtiges 20 Jahre altes Dienstmädchen ans der Wohnung entfernt und sich vier Tage und drei Nächte, also bis Montag Abend, in einem Keller aufhielt, wo sie sich ein Strohlager hergerichtet hatte, ohne von jemand bemerkt zu werden. Dann begü sie sich zu ihren Eltern nach Cainsdorf. Furcht vor Strafe wegen einer Uedertretung hatte sie zu diesem Schritte verleitet. Marienberg. Ein schweres Unglüc ereignete sich am Montag im „Hüttengrunde." Dem zwölfjährigen Knaben des Steinbruch besitzers und Restaurateurs Louis Schönherr wurde durch eine Dynamitexplosion ein Bein zerschmettert und der Unterleib teilweise zer rissen. In hoffnungslosem Zustande wurde der bedauernswerte Knabe in das Krankenhaus eingeliefert. Oberwürschnitz. Erfroren ist in der Nacht zur Mittwoch der 48 Jahre alte, un verheiratete Wirtschaftsgehilfe Robert Schiller. Ec war am Dienstag Nachmittag in den Wald gegangen und am Abend jedenfalls unterwegs rank geworden, liegen geblieben und erfroren. Falkenstein, 15. Januar. Mit 182 Mark, die er im Auftrage seiner Eltern auf dem Postamte einzahlen sollte, ist seit Sonntag der 13 Jahre alte Schulknabe Penkert ver- chwunden. Bis jetzt fehlt von ihm noch jede Spur. Falkenstein, 16. Januar. Der 13 Jahre alte Schulknabe Renckert von hier, welcher eit Sonntag mit 182 Mark flüchtig war, ist auf hiesigem Bahnhofe von seinen Eltern auf gegriffen worden. Von dem Gelde hatte er icreits 50 Mark vergeudet. — Auf dem Postamte zu Annaberg wußte ein bisher noch nicht ermittelter junger Mann einen für ein dasiges Geschäftshaus be- kimmten Wertbrief dadurch zu erlangen, daß er auf noch unaufgeklärte Weise in den Besitz des im Schließfach niedcrgelegten Quittungs- ormulares gelangte, dessen Unterschrift er älschte. Das in dem Briefe enthaltene Wert- lapier im Werte von 2000 Mark verkaufte er an ein Bankgeschäft. — In Cainsdorf, nahe der Wilkauer Grenze, wurde der Handarbeiter Nether sterbend aufgefunden. Nether hatte sich mittels einer Taschenpistole einen Schuß in die rechte Kopf- Ute beigebracht und die That vermutlich schon tags vorher ausgeführt, da er seit dieser Zeit vermißt wurde. Nether verstarb kurz nach seiner Auffindung. Gegen den Selbstmörder chwebte ein Untersuchungsoerfahren wegen Sittlichkeitsverbrechens, er dürfte demnach aus Furcht vor Strafe die Waffe gegen sich ge richtet haben. Oelsnitz i. V., 15. Januar. Nachdem die hiesige königliche Amtshauptmannschaft den Fang der im oberen Vogtlande ungewöhnlich zahlreich auftretenden Kreuzottern durch Aus setzung von Fangprämien gefördert hat, ist das schädliche Reptil mehr und mehr zurückgegangen. Die Fangziffer, die von 2140 im Jahre 1889 bis auf 3294 im Jahre 1896 stieg, betrug im verflossenen Jahre nur noch 1717 Stück. Seit 1889 sind von der genannten Behörde 7083 Mark 60 Pfennige Prämien für die im OelSnitzer Bezirke unschädlich gemachten 33408 Kreuzottern gezahlt worden, obwohl die Fang prämie von 50 Pfennige pro Stück nach und nach auf 30, 20 und sogar auf 15 Pfennige herabgesetzt wurde. Unter den 93 Städten und Dörfern des amühauptmannschaftlichen Bezirks Oelsnitz befinden sich kaum ein Dutzend Ort schaften, in denen keine Kreuzotter gefangen und getötet worden ist, wohl aber finden wir Dörfer, wie zum Beispiel Landwüst, wo in e>nem Jahre 207, oder Tiefenbrunn, wo sogar 263 Kreuzottern in einem Jahre unschädlich gemacht worden sind. — Der beim Gutsbesitzer Popp in Sorge bei Oelsnitz i. V. bedienstete Knecht Konrad Schneider erhielt am Donnerstag den Auftrag, den Zuchtbullen aus dem Stalle zu führen. Das Tier wurde wild und drückte Schneider so heftig an das Thürgewände, daß dieser schwere innere Verletzungen erlitt und nach kaum einer Stunde starb. Die fü f Kinder Schneiders sind nunmehr, da die Mutter vor kurzem einem Herzschlage erlag, völlig verwaist. Sommerfeld i. d. Lausitz, 16. Januar. Die Ehefrau des Sattlers Musch und seine zwanzigjährige Tochter wurden gestern tot auf gefunden. Der Tod ist nach ärztlichem Gut achten infolge Vergiftung durch Genuß ver dorbener Wurst eingetreten. Eine vierjährige Tochter ist später ebenfalls infolge Vergiftung gestorben, während eine sechsjährige Tochter und der Ehemann schwer erkrankt sind, jedoch mit dem Leben davon zu kommen scheinen.