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MsdmfferTaMatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Das „Wilsdruffer Tageblatt" erjcheinr an allen Werktagen nachmittags 4 Uhr^ Bezugspreis monatlich 2,— AM. Haus, bei Postbestellung 1.80 AM. zuzüglich Beltellgeld. Einzelnummern M Npig» Alle Postanstalten und Poft- Kvberr, unsere Austräger u. Geschäftsstelle, nehmen zu Derzeit Bestellungen ent- Wochenblatt für WllsVrUff U. UMgegeNd gegen. Im Falle höherer »«valt, Krieg od. sonstiger — > > - » Betriebsstörungen besteht ivsiLr Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises^SiLcksendung eingejandrer Schriftstücke erfolgt nur. wenn Rückporto lleiliegt. alle anderen Stande des Wilsdruffer LezlrS LÄr Fernsprecher : Amt Wilsdruff Nr. 6 -r>i!ch. d„ °°e. d« gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen BekanMruaHrmgen Ser Amtshauptmannschaft Meisten des Siad^ rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des FmanzaMts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 282 — 93. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: „Tageblatt Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 4. Dezember 1934 „Knox out." Ein Gruselbericht des „Neuen Wiener Journal" aus Saarbrücken. N8L. Vor einigen Wochen ging das GerüchL datz zum persönlichen Schutz des Herrn Präsidenten Knox einige Detektive von Scotland Aard nach Saarbrücken kämen. Dem Korrespondenten des „Neuen Wiener Journal" blieb es Vorbehalten, das erste mit Mister Reginald Geoffrey, dem Chefdetektiv von Scotland Uard und Leibkriminalisten des Herrn Knox zu führen. Wir haben gelesen, was der Korrespondent des „Neuen Wiener Journal" mit einem solchen Herrn besprochen haben soll. Und das ist derart urfidel, daß es eine unverzeihliche Sünde wäre, wenn wir das nicht weitererzählen würden. Überschrift: „Der Mann, der über Europas Frieden wacht. — Beim Leibdetektiven der Saar- regterung. — Präsident Knox inftändigerLebens- ^efahr." Wörtlich zitiert nach dem „Neuen Wiener Journal". Wir zitieren wörtlich weiter: „Wenn der Gentleman einen Augenblick wegschaut, kann Europa in Brand geschossen sein. Was wörtlich z-u verstehen ist. Benn es genügt tatsächlich eine einzige Kugel aus dem Revolver eines Fanatikers, um unsere friedlose Welt in ein Blutbad ohnegleichen zu stürzen: wenn diese Kugel nämlich Mister Knox triffi, den Präsidenten der Regie rungskommission an der Saar. Mister Knox ist heute der weitgefährdctste Mann in Europa s!L Hinter jeder Straßenecke, die sein Dienstauw kreuzt, aus jedem Emp- wng, zu den, er sich begibt, bei jeder Audienz, die er ge währt, kann es geschehen, daß der Tod lauert. Die Hetze gegen ihn wird mit beispielloser Roheit betrieben. Da der Gruß „Heil Hitler!" zumindest im amtlichen Verkehr im Saargedier verboten ist, begrüßen die Agitatoren der Deutschen Front einander mit dem gemütvollen Scherzwort „Knox ou t". Es ist ein mörde rischer Humor. Man muß an die grauenhaften politischen Attentate des abgelaufenen Jahres erinnern, die jedes mal mit einer ähnlichen „witzigen" Hetze begannen. Nun, Präsident Knox ist ein unerschrockener Mann. Er verläßt sich auf die Gnade des Himmels und auf die Wachsamkeit des Mister Reginald Geoffrey, dem der Schutz seiner Person anvertraut ist Geoffrey, Chefinspektor von Scotland Jard, derzeit zur besonderen Verwendung nach Saarbrücken kommandiert, ist jener Gentleman, der auch nicht einen einzigen Augenblick Weg schauen dars. Ein liebenswürdiger, gutaussehender Herr, nicht mehr ganz jung, eher korpulent als allzu sportlich durch trainiert, ewig lächelnd das rundliche, rötliche Antlitz, etwas salopp in der Kleidung — das ist Reginald Geoffrey, der Mann, der über den Frieden Europas wacht. Ihm zur Seite steht ein halbes Dutzend jüngerer, glattrasierter und braungebrannter Herren: Kollegen aus dem Aard, mit denen gemeinsam er vor ungefähr drei Wochen die Reise an die Saar angetreten hat. Der Empfang, den die Londoner Detektive in Saarbrücken fanden, war nicht allzu ermutigend. Schon am zweiten Abend war die Brieftasche des Chefinspektors ge- st ohlen und die Koffer seiner Mitarbeiter durchwühlt. Offenbar Hai man politische Dokumente bei ihnen gesucht. Daß es übrigens nicht ratsam ist, sich zu sehr auf seine Bonhomie zu verlassen, hat die Brieftaschenaffäre rasch und deutlich bewiesen. Am Abend war der Diebstahl entdeckt — am nächsten Morgen ist der Täter gefaßt gewesen. Zwischendurch gab es ein peinliches Nachtverhör, zu dem alle Bediensteten des Schlosses von Saarbrücken — woselbst der Regierungspräsident mit seiner Begleit mannschaft wohnt — antreten mußten. „Der Dieb hat öffenbar in seinem Leben zu wenig Kriminalromane gelesen", schmunzelt Geoffrey, wenn er sich an sein saar ländisches Debüt erinnert. „Er hätte sonst wissen müssen, daß mii Scotland Aard nicht zu spaßen ist. . . Er ist übrigens so heillos dilettantisch ans Werk gegangen, daß seine Entlarvung gar kein guter Sport mehr war. Aller dings waren wir einigermaßen verwundert, festzustellen, daß niemand anders als der Kammerdiener des Präsidenten Knor sich mit Dokumentendiebstahl emd ähnlicher Schnüffelarben beschäftigte. Bei der Durch- uchung seines Zimmers fanden wir die Abschriften von Gedächtnisprotokollen über die Tisch gespräche des Präsidenten, die der Biedermann an- -efertigt und den Agenten der Deutschen Front verkauft batte." , . Der Präsident kann nicht mehr un offenen Auto durch die Straßen der Stadt fahren. Eine von Chefinspektör Geoffreys ersten Anordnungen war der Austausch des bisher von Knox verwendeten Kabrioletts gegen eine hermetisch abgeschlossene Limousine, die überdies Fenster aus kugel sicheremGlas hatte. Solche Limousinen werden übrigens nur in Amerika erzeugt. Und zwar zu besonderen Zwecken: Die Bandenchefs in Chikago benutzen sie, um sich vor Attentaten von feiten der Kon kurrenz einigermaßen zu sichern. Eine andere Sicherheitsmaßnahme, die Präsident Knox nach Wunsch seines Leibdetektivs beobachten muß. 15« Muin MM M die SMMbn Vollständige Einigung in Vom. Letzte Sitzung des S1 e u e r a u s s ch u s s e s des Völkerbundes. Bei den Verhandlungen des Dreieraus- schussesdesVölkerbundsratesinRom über die Fragen, die bei der Rückgliederung der Saar an Deutschland nach der Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 zu regeln sind, ist eine prinzipielle Einigung zwischen Deutschland und Frankreich über den größten Teil der zur Verhandlung stehenden Probleme im Lause der Be sprechungen der letzten Tage erreicht worden. Die Verhandlungen in Rom haben sich sowohl auf v er- waltungstechnifche wie auf s o z i a l p o l i tis ch e Probleme und auf alle wirtschaftlichen Fragen er streckt, die nit der Rückgliederung der Saar in Zusammen hang stehen. Im Laufe der Verhandlungen zeigte es sich, daß von französischer Seite Geneigtheit bestand, ziemlich weit auf die wirtschaftlichen Fragen einzugehen, obwohl dabei der Gesichtspunkt der selbstverständlichen Rück gliederung der Saar an Deutschland wesentlich stärker in Erscheinung trat, als das bisher auf franzö sischer Seite für richtig gehalten wurde. Amtlich wird in Rom mitgeteilt: Der Dreicraus- schuß hat seine letzte Sitzung in Rom abgehalten, der der französische und der deutsche Botschafter beiwohnten. Der Präsident stellte im Namen des Ausschusses fest, daß zwischen der französischen und der deutschen Regierung eine Einigung in allen Fragen erzielt werden konnte, die dem Ausschuß zur Prüfung vorlagen. Das Abkommen wurde für die französische und deutsche Regie rung von den beiden Botschaftern und den beiderseitigen Vertretern unterzeichnet. » Die römischen Vereinbarungen über Hie Gaar. Im Zusammenhang mit den Erörterungen des Dreierkomitees des Völkerbundes in Rom sind die wich tigsten finanziellen Fragen, die mit der Rückgliederung der Saar Zusammenhängen, geregelt worden. Für die Abfindung aller Ansprüche des französischen Staates (Saargruben, Eisenbahnen, Grenzbahnhöse usw.) zahlt Deutschland eine Pauschalsumme von 150 Mil lionen Mark in französischen Franc (900 Millionen Franc). Außerdem wird Frankreich die zinsfreie Aus beutung der Warndtgruben, die aus Schächten erfolgt, die auf französischem Gebiet liegen, zugestanden. Die Ausbeutung wird auf fünf Jahre beschränkt und darf eine bestimmte Förderungsmenge nicht überschreiten. Was den politischen Teil der Abmachungen betrifft, fo handelt es sich in erster Linie um die Garanlie frage, und zwar sollen die Garantien, wie sie im Rats- beschlutz vom 4. Juni für die Stimmberechtigten vor gesehen sind, zu im wesentlichen gleichen Bedingungen auch aus die Nichtstimm berechtigten ausgedehnt werden, soweit sie am Tage der Abstimmung drei Jahre im Saar gebiet ansässig sind. Außerdem ist vorgesehen worden, daß Bewohner des Saargebiets während der Dauer eines Jahres aus dem Saargebiet abwandern können. Diese Bestimmung greift aber in keiner Weise der deutschen Gesetzgebung au? dem Gebiete der Staats anqehöriqkeit vor. Was die Berliner Presse dazu sagt Berlin, 4. Dezember. Die bei den Saarverhandlun gen in Rom erzielte Einigung wird von den Berliner Morgen- blättern eingehend gewürdigt. „Die Einigung", so schreibt der „Völkische Beobachter", „wird nicht nur von der Bevölkerung an der Saar, sondern von der ganzen Weltöffentlichkeit mit Be friedigung zur Kenntnis genommen werden können. Denn durch die Tatsache dieser Einigung wurde ein Problem aus der Welt geschafft, dessen Bestehen bisher immer als eine mögliche Quelle von Schwierigkeiten und Konflikten bezeichnet werden konnte. Die Verhandlungen um die Einigung in Rom haben für Deutsch land zweifellos große Opfer gefordert. Deutschland hat sich aber zu Konzessionen bereitfinden lassen, weil es das große Ziel der deutsch-französischen Entspannung nach wie vor im Auge hat. und weil das nationalsozialistische Deutschland nicht nur in Worten den Frieden preist, sondern auch bereit ist, seinen Frie denswillen durch eigene, selbstlose Leistungen unter Beweis zu stellen. Wir können allerdings anerkennen, daß auch der fran zösische Verhandlungspartner die Verantwortung der Stunde erkannt hat und Deutschland nicht Vorschläge zugemutet wur den, die es unmöglich hätte annehmen können. Man hat wühl auch auf französischer Seite den Wunsch, das Saarproblein nicht immer wieder mit neuen Mißverständnissen und Streitpunkten zu belasten. Durch das Abkommen in Rom ist nunmehr ein Weg gefunden worden, um möglichst reibungslos die Rückgliederung der Saar vor sich gehen zu lassen. Man kann damit hoffen, daß alle trüben Hoffnungen auf Reibungen zwischen Frankreich Noch -LV Tage bis zur Gaarabstimmung! ist die Gepflogenheit, wenn er sich einmal aus der Straße zeigt — was übrigens nur selten geschieht —, eilenden Schrittes und, beinahe noch wichtiger, grundsätzlich nur mit hochgeschlagenem Mantelkragen zu gehen. Chesinspektor Geoffrey legt nicht den geringsten Wert darauf, daß sein Schutzbefohlener auf den Straßen erkannt und akklamiert wird. Auch hat er dem Präsidenten den Besuch des Theaters streng verboten; will Mister Knox einmal ins Kino, so muß er sich in die loth ringische Grenzstadt Forbach bemühen. Mit seinem Chef ist Mr. Geoffrey übrigens hoch gradig unzufrieden. Seine englische Muttersprache bietet eine reiche Fülle von Vokabeln, um nicht zu sagen Schimpf wörtern, mit denen er den persönlichen Mut, die Zivil courage, ja den Leichtsinn des Präsidenten belegt. Ha: Knox nicht vor einigen Tagen erst eine Ein ! ad u n a zu einem Abendessen angenommen, wobei man weder wußte, wer servieren wird, noch wer sich in der Küche bei den Speisen zu schaffen machen kann, die dem Präsidenten vorgesetzt werden? Oder hat er nicht ein anderesmal eine Deputation empfangen, ohne seinem Leibdetekjiv zuerst Gelegenheit zu geben, die Mitglieder dieser Abordnung auf Waffen zu untersuchen? Beinahe betrübt sagt Chefinspektor Geoffrey: „Der Präsident glaubt offenbar, daß er sich noch in Ana tolien befindet! Sie wissen ja, daß er dort jahrelang als Hochkommissar des Völkerbundes tätig war. Er scheint noch immer nicht zu merken, daß er es nicht mit den wilden Bergbewohnern Vorderasiens, sondern mit Nationalsozialisten zu tun hat!" * Ganz Europa wird dem sehr ehrenwerten Mister Geoffrey diesen Stoßseufzer nachfühlen können. Wir kennen Mister Geoffrey nicht. Wir kennen auch Herrn Knox nur aus seinen Verordnungen, aber wir können nicht glauben, daß beide Herren mit einem derartigen Unsinn einverstanden sind. Der kriegsblinde Abgeordnete Sca- Pini, Vorsitzender der Vereinigung kriegsblinder Front kämpfer in Frankreich, der mit Herrn von Ribben trop eine längere Unterredung hatte, ist von einem Pa riser Blatt über seinen Eindruck befragt worden. Scapinis Standpunkt ist der folgende: Man sollte nicht immer wieder auf die Vergangenheit zurückgreifen, sondern die Gegenwart sprechen lassen. Bei der Kriegs psychose, die den jetzigen Zustand Europas kennzeichne, solle alles versucht werden, um einen Konflikt zu ver meiden. Die Tatsache, daß Herr von Ribbentrop nach Paris gekommen sei, um Fühlung mit zahlreichen Persönlich keiten zu nehmen versuchte, sei ein deutlicher Beweis da für, daß Deutschland nach einem anderen modus vivendi suche. Frankreich müsse dem Rechnung tragen.^ Scapini verlangt eine Erklärung, daß Frankreich keinen Zwischenfall bei der Abstimmung im saargebiet zu befürchten habe. Wenn der Führer wolle, werde es keinen Zwischenfall geben. Was sie deutsche Aufrüstung anbelanae, so müsse man unter Berücksichtigung Ler gege benen Tatsachen auf dem Fuß der Gleichheit miteinan der verhandeln, d. h. ein gegenseitiges Abkommen ab schließen ,anf Grund dessen die Rüstungen der beiden Län der sowohl vom organisatorischen wie materiellen Ge sichtspunkt aus der Kontrolle unterworfen würden.^ Scapini äußert dann seine Bedenken gegen cm Bünd nis mit Sowjetrußland. An solch ein Bündnis zu denken, sei Wahnsinn. Mit den Sowjets trage man den ständigen inneren Kampf nach Frankreich. Scapini formuliert Wine außenpolitische Forderung wie folgt: Wiederherstellung des Gleichgewichts in Europa durch Lösung des Prod s Frankreich—Deutschland—Italien, an dem sich England sofern es sich als europäische Macht ansehe, Nicht des interessieren könne.