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Nummer 22A — 26. Jahrgang erschein, rmal wöchentlich mit den illustrierten «raitsveilaaen „Die Welt und „Für unsere Netnen Leute', sowie den Leit- bei agen .Unterhaltung und Wtsseu'. .Ntrche und Welt'. .Die Welt der Frau', .«erztltcher Ratgeber'. Literarische Vellage". .8 mruudschau'. Monatlicher B»,u«sPreiS 3.- Ml. ei,ischl. Vestellgeld. Eiuzelnummer I« z. Sonntagni,mmer »U z. Hauptschrtfilelter- Dr. <S. Desczyk. Dresden. SachMhe Sonnkag, 28. September 1S2? Anzeigenpreise, Die tgespaltene Petitzeilc tttt 4, Familien, anjeigen und Stellengesuche ««» 4. Die Petitreklamezeile, 8!» Millinieler breit, 1 -« Ofseriengebilhr »O 4. bei lieber» sendung durch die Post antzerdeui Porto,Uschlag. Im Fall« höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung i>. Anzeigen-Sluslrügen Leistung v. Schadenersatz. Geschäftlicher Teil: Artur Lenz, Dresden. vEsseiluno Drutkuiverlag: «ermania. A.-iS. lür Verlag und Druckerei. Filiale Dresden. Dresden-A. 1. P-»,erstratze17. FernriifLlOlL. Posllchecklonto Dresden 2703. Bankkonto: Eltadtbank Dresden Nr. KI7I9 Für chrislliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen ivolkszettnna DreSdeil-riltstadt 1. Poiierstratze 17. Fernruf 20711 mid rio>2. Kerrenskosse Wilutsloffe / Mantelstoffe / Sporlstosfc Kommunikanten- uni» Knabenslosse Tuchhaus Pörschel Eegr. 1888 Dresden-A., Scheffelskr. 11/13 Fernsprecher 13725 Damenluche Futterstoffe / Manchester / Friese Mlarö-, Putt- und Aniformtuche Ja oder nein Das Reichsschulgesetz ist die große Ausgabe dieses Winters, an der sich die Geister scheiden. Hier geht es uni die Weltanschauung, hier geht es um die Gestaltung der Zukunft. Da gibt es kein bequemes Beseitestehen, jeder ist gezwungen, entschieden „Ja" oder „Nein" zu sagen. — Man kann sich nicht darüber beklagen, das; es in den letzten Monaten an solchen entschiedenen Aeuße- rungen gefehlt hätte. Freunde und Gegner des Schul gesetzes sind heute schon deutlich geschieden. Zum letzten Kampfe, der beim Zusammentritt des Reichstages am 17. Oktober beginnt, ist alles bereit. Die Front der Gegner des Reichsschulgesetzes bietet ein anmutiges Bild, dessen Reize man in Dresden auf der großen Kundgebung des Lehrervereins am Frei tag dieser Woche bewuirdern konnte. Da stehen in vor derster Linie die Kämpfer für die religionslose Schule, Sozialisten und Kommunisten. Schon sie sind unter sich über die Art, wie ihr Schulideal verwirklicht werden könnte, nicht einig. Daneben findet man die Freunde der Gemeinschaftsschule. Sie sind sich erst recht nicht klar dar über, wie sie die Arbeit an der Schule gestalten wollen und was das Ziel sein soll. Die einen wollen der Gemein schaftsschule christlichen Charakter geben, die anderen die Religion in der Schule nur dulden, die Dritten schwär men von einer „weltlichen Geineinschaftsschule". — Ge meinsam ist allen diesen Gruppen nur eins: die Ablehnung der Bekenntnisschule. Nur das „Nein" verbin det sie, das sie gegenüber dem Reichsgesetzentwurf sprechen. Ihre Leistung ist rein negativ. Sollte es ihnen ge lingen, im Reichstag eine Mehrheit zu erlangen, dann wäre diese Mehrheit nach einer etwaigen Ablehnung des vorliegenden Entwurfes nicht imstande, sich über eine andere Lösung der Schulfrage zu einigen. Gerade wenn man diese bunte Schar der Gegner be trachtet, erkennt man, daß die durch den Entwurf getrof fene grundsätzliche Regelung die einzig mögliche ist. Der Entwurf läßt den in Deutschland bereits bestehenden Schularten — Bekenntnisschule, Gemeinschaftsschule und weltliche Schule — volle Entfaltungsmöglichkeit. An gesichts der weltanschaulichen Zersplitterung in Deutsck- land ist keine andere Lösung der Schulfrage möglich als hie nach dem Grundsatz der Gewissensfreiheit. * „Alles Negative ist unfruchtbar" sagt Goethe. Wer fruchtbare Arbeit für die deutsche Schule leisten will, muß positiv einen Weg und ein Ziel aufzeigen können. Der Entwurf der Regierungsparteien enthält solch e i n starkes positives Bekenntnis: den Willen, der konfessionellen Schule in Deutschland volles Recht zu nersäzaffen. Dieses Eintreten der Regierungsparteien für die Bekenntnisschule schließt die Anerkennung ein, daß die Religion eine auflxiuende Kraft von höchstem Werte für den Staat ist. Nicht nur für den Staat, sondern für unsere gesamte Kultur. Die Anhänger des Reichsschul gesetzes bejahen die Bedeutung der Religion für die Erziehung des Menschengeschlech tes, die Gegner des Gesetzes verneinen diese Bedeutung. Hier ist der Punkt, an dem sich grundsätzlich die Wege scheiden. Freilich ist es nicht so, daß Anhänger und Gegner sich ausnahmslos von solchen grundsätzlichen Erwägungen leiten ließen. Da sind sicher manche unter den Befürwor tern des Gesetzes, die sich wenig um Kulturpolitik scheren, die nur aus Parteidisziplin oder aus taktischer Berech nung den Entwurf unterstützen. Andererseits stehen im gegnerischen Lager gewiß eine große Reihe überzeugter Christen, von Menschen, die aus staatspolitischen Erwä gungen, aus ehrlicher Sorge um die Entwicklung des Gei steslebens oder aus Unklarheit in den religiösen Grund- Keuler Die Welt (Illustrierte Wochenbeilage) Die deutschen Sender (Funkbeilage) Unterhaltung und Wissen Turnen. Sport und Spill Kirche und Welt Flkmrundschau Der deutsche StSdtelag Reden des Reichskanzlers und Reichsfinanzminislers — Die Wünsche -er Städte Magdeburg, 23. September Zur Tagung des deutschen Städtetages ist eine überaus große Zahl — etwa 1400 — führender Männer der deutschen Kommunalverwaltungen hier eingetrofsen. Die Stadt hat reichen Flaggenschmuck angelegt. Zahlreich sind die Regierungen der Einladung gefolgt. An der Spitze der Vertretern der Reichsregierung ist Reichskanzler Dr. Marx erschienen mit dem Reichsfinanzminister Dr. Köhler. Die preußische Regierung hat zu ihrer Vertretung den Minister des Innern Grzesinski und den Wohlfahrtsminister Hiertstefer entsandt. Unter den Teilnehmern an der Tagung befinden sich außer dem Reichstagspräsidenten Lobe auch die ehemaligen Minister Hamm und Jarres, ferner Dr. Luther und Scheidemann. Eingeleitet wurde die Tagung gestern abend durch eine Festvorstellung von „Hoffmans Erzäh lungen" im Statdtthcater. Heute vormittag begannen die Sitzungen der einzelnen Fraktionen. An diese schloß sich um )411 Uhr die Hauptversammlung in der Stadthalle an. Die Hauptversammlung wurde durch ein« Ansprache des Berliner Oberbürgermeisters Dr. Doeß eröffnet. Der Redner betonte, daß die Hauptversammlung in einem bedeutungsvollen Augenblick zusammengetreten sei, da gerade in letzter Zeit von Reichs- und Länderregierungen Maßnahmen ergriffen worden seien, die einen Angriff aus die Selbstverwaltung der Gemeinden darstellten. Er schloß mit dem Wunsche, daß die Tagung in Einheitlichkeit und Sachlichkeit, von einem starken Willen für das deutsche Volk, das. deutsch« Reich und die deutsche Republik geführt werde. ^ ^ Auf der Ha'uplversalninlung Ves' D'e"nDs che IO S t ädt e - tages nahm nach Oberbürgermeister Vöß, von lebhaftem Bei fall begrüßt, Reichskanzler Dr. Marx das Worte zu einer An sprache. Es besteht das große Problem eines gerechten Lastenansgleichs zwischen Reich, Ländern und Gemein den. Vor uns steht vor allem das schwierige Problem der Ab grenzung des Eigenlebens der Städte neben den Ländern und dem Reich. Niemand, der die starke Verwurzelung unseres reichen Kulturlebens in dem Leben der Städte kennt, möchte hier eine Beschränkung eintreten lassen, die nicht von höheren überaus zwingenden Staatsnotwendigkeiten diktiert ist. Es muß vor allem die Aufgabe kluger Politik sein, hier einen Aus gleich zu finden zwischen dem Wünschenswerten, und auf der anderen Seite die Grenze innezuhalten des tatsächlich Mög enden zwischen dem tatsächlich Staatsnotwendigen und dem Wünschenswerten. Alles andere, sind Phantasmagoricn. Der Weg ruhiger Entwickelung, der allein zum Ziele führen kann, ist der Weg. den die großen Städte bis jetzt gegangen sind, und Präsident des Städtetages Dr. Mulert ein umfassendes Referat über Hierauf hielt der , umfassendes Referat über die schwebenden kom- munälpolitischen Probleme. Er wandte sich zunächst gegen die Beschränkung der Gemeinden in der Aufnahme von Aus ländsanleihen. Die Gemeinden wünschten nichts sehn licher als auf dem Gebiete der Realsteuern die Wirtschaft pfleg- kamer behandeln zu können. Dazu gehöre aber ein besserer Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden. :i-r. Mulert polemisierte dann gegen die Auffassungen des Re parationsagenten, um weiter eingehend nachzuweisen, daß der größere Teil der Gemeindeausgabcn zwangsläufig sei. Allein die Fürsorgelasten machten heute das Fünf- vis Sechsfache gegenüber dem Frieden aus. Bemerkenswert waren die Aus führungen des Präsidenten über den Charakter der Real steuern. Diese ließen sich nur im Rahmen eines neuen Finanzausgleiches senken, um so mehr, als durch die Be soldungsreform die Gemeinden vor neuen großen Mehrausgaben ständen. Schließlich wandte sich Dr. Mulert gegen das Neben- einanderarbeiten der verschiedenen Ministerien in Kom munalfragen und forderte die Schaffung einer zentralen Kommunalabteilung im Reichsministerium des Innern. Zn der Debatte wandte sich der Reichsfinanzminister Dr. Köhler den Aussührungen oes Präsidenten Dr. Mulert zu. Er betonte, daß Selbstverwaltung und Seldstverantworlung nicht Selbstzweck seien. Das große Problem Uniiaris- mus oder Föderalismus gehe nicht nur um Wirt schaftsgrenzen und Betütigungskompetenzen. Es gehe vielmehr um die Seelen vieler Millionen deutscher Volksgenossen, be sonders auch der Süddeutschlands. Es gehe um die Einheit des deutschen Volkes, weshalb inan auf diesem Gebiete beson, dere Vorsicht walten lassen müsse. Wenn sich die Gegen sätze zwischen den Ländern und den Gemeinden verstärkt haben, so liege das an der Verkürzung der allgemeinen Gold decke. In eingehenden Darlegungen wandte sich der Minister dann gegen die verschiedenen Norwürse, die sowohl aus der Rede des Präsidenten herau^eklungen hätten wj« auch in der Oeffenllichkeit gegen den Entwurf des Steuerverein- heitltchungsgesetzes ausgesprochen worden seien. Finanzminister Dr. Köhler schloß mit dem Wunsche, daß di« großen Selbstverwaltungslörper ihm die Hand reichen und da für sorgen möchten, daß auch auf den besprochenen Gcbieten ein mißlicher Fortschritt erreicht werde. Nach Finanzminister Dr. KMer ergriff der preußisch« Innenminister Grzesinski das Wort. Er hatte zum Gegen stand seiner Ausführungen besonders die Stellung der Selbst verwaltungen gewählt, für die er als Kommunal-Minister ein warmes Herz habe. Die kommunale Selbstverwaltung, sagte er, muß gleichberechtigt neben Reich und Land stehen. Auf dem Gebiet der Finanzierung ist die Elastizität der Ver waltung am wichtigsten, aber Selbstbestimmung ist nur dann vertretbar, wenn sich die Selbstverantwortung auch auf die Finanzseite erstreckt. Soll die Selbstbestimmung und Selbst verantwortung durch selbständige Deckung der Ausgaben er möglicht und gerechtfertigt werden, so muß die Selbstbestim mung und Selbstverantwöriung auch auf der Ausgabenseiie wiederhergestellt werden. Jede Kontingentierung ist hier nicht nur vom Uebel, sondern mit Begriff und Voraussetzung der Selbstverwaltung-schlechthin unvereinbar. Auf der örtlichen Individualität beruht die örtliche Selbstverwaltung sowohl luf der Aufgaben- wie auf der Ausgabenseiie. Selbstbestim mung schließt auch Selbstverantwortung in sich. Oberbürgermeister Dr. Adenauer-Köln, der Präsident des Preußischen Siaatsrates, schloß sich den Aussührungen Dr. Mulerts an. Adenauer sprach dabei für die Zentrums. gruppe. Gerade bei der Brenzlichkeit der Frage des Verhält nisses zwischen Reich. Ländern und Gemeinden dürfe die Lösung der Frage nicht hinausgeschoben werden. Die Debatte wurde durch di« Aussührungen des Ober bürgermeisters Dr. Bliiher. Dresden, fortgesetzt. Er wandte sich besonders der Wirtschaft zu, die zu einem ganz anderen Verhältnis gegenüber den Gemeinden kommen müsse als bis her, denn die gemeinsamen Interessen seien größer als die Gegensätze. Oberbürgermeister Luppe-Nürnberg begründete darauf eine demokratische Resolution. (Fortsetzung auf Seite 2) begriffen für die Gemeinschaftsschule oder für die weltliche Schule eintreten. Wir beobachten die merkwürdige Mei nung, Gemeinschaft — religiöse Gemeinschaft oder eine gemeinsamer staatlicher und künstlerischer Erlebnisse fähige Volksgemeinschaft könne sich nur bilden durch möglichst weitgehende Auflösung aller inneren Bindun gen. Diese mißverstandene „Freiheit" ist aber das Urele ment der kulturellen Zersetzung, die wir heute um uns sehen. Nicht Zuchtlosigkeit schafft eine zum Aufbau kräf tige Gemeinschaft, sondern innere Bindung, also — denn dies ist der Sinn des lateinischen Wortes — Religion. Der Kamps um das Schulgesetz ist ein Teil des gro ßen Ringens um das Recht, das die Religion künftig in unserer Kultur haben soll. Es ist eine Auseinan dersetzung, die über alle Fragen politi scher Taktik hinauswächst. Der Katholikentag in Dortmund hat in überwältigender Welse gezeigt, wie ernst es dem katholischen Deutschland mit dieser Aufgabe ist. Die Katholiken Deutschlands werden alles dafür tun, daß die Schicksalsfrage, die in dieser Stunde kulturpoliti scher Arbeit an das deutsche Volk gerichtet ist. nicht mit „Nein" beantwortet wird, sondern mit „Ja". ch Wie stehen aber nun die Dinge im Reichstag? Werden dort die Ja- oder Nein-Sager in der Mehrheit sein? Zunächst sei festgestellt, daß nur eine einfache Mehr, heit notwendig ist. da das Gesetz im Gegensatz zu den Be. Hauptungen der Linken nicht als oerfassungsändernd de. trachtet werden kann. Ob diese einfache Mehrheit zu. stände kommt, liegt in erster Linie an der Deutschen Volks Partei und der Wirtschaftspartei. In weiten Kreisen der Deutschen Volkspartei beginnt man jetzt wie. der, sich auf die nationalliberale Tradition zu besinnen. Andrerseits ist man sich freilich bewußt, daß die Be.