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Ein illustrirtes Fachjournal für die Wollen-, Baumwollen-, Seiden-, Leinen-, Hanf- und Jute-Industrie sowie für den Textil-Maschinenbau; Spinnerei, Redaktion, Expedition n. Verlag: Leipzig, Brommestrasse 9, Ecke Johannis-Allee. Weberei, Wirkerei, Stickerei, Färberei, Druckerei, Bleicherei und Appretur. Fernsprech-Anschluss No. 1038. Chefredakteur und Eigenthümer: Theodor Martin. Organ des Vorstandes Organ der der Sächsischen Textil-Berufsgenossenschaft. Vereinigung Sächsischer Spinnerei-Besitzer. —♦ Organ für Wollkämmer und Kammgarnspinner. Nachdruck, soweit nicht untersagt, ist nur mit vollständiger XV. Jahrgang - . Quellenangabe gestattet. Leipzig, 30. April 1900. Die internationale gesetzliche Einfüh rung der einheitlichen, metrisch-deci- malen Garnnummerirung. Von Gustav von Pacher. Vorbemerkung der Redaktion. Herr v. I Pacher, der ehemalige Präsident der internationalen Garnnummerirungs - Congresse zu Brüssel (1874), | Turin (1875) und Paris (1878) nimmt in einer so- , eben erschienenen Broschüre neuerdings Stellung zur | Garnnummerirungs-Frage und begleitet seine Ver- 1 offentlichung mit nachstehenden Worten: „Die Frage der einheitlichen, metrisch- | decimalen Garnnummerirung für alle Gespinnst- stoffe ist nach langjähriger Pause wieder auf die Tagesordnung des öffentlichen Lebens ge setzt worden.“ „Anlässlich der Pariser Welt-Ausstellung 1900 wurde vom französischen Handelsministe rium eine Organisations-Commission zu einem, anfangs September in Paris abzuhaltenden inter nationalen Garnnummerirungs - Congress von Industriellen und Technologen eingesetzt. Auf Anregung des Unterzeichneten beschloss diese Commission einstimmig, bei der französischen Regierung an die Regierungen der wichtigsten | Industriestaaten die Einladung zu einer Con- ferenz von Regierungs-Delegirten zu j betreiben, welche auf Grund der Beschlüsse der früheren Garnnummerirungs-Congresse, Wien | 1873, Brüssel 1874, Turin 1875 und Paris 1878 ! den Entwurf zu einem Garnnummerirungs-Gesetze auszuarbeiten hätten, welcher dann in den ein zelnen Staaten der gesetzgeberischen Behandlung j zuzuführen wäre.“ „Das Zustandekommen dieser Regierungs- | Delegirten-Conferenz wird in erster Linie davon abhängen, welche Aufnahme eine eventuelle Einladung der französischen Regierung bei den Regierungen der übrigen Industriestaaten, namentlich des Deutschen Reiches und ; Oesterreich-Ungarns, Anden wird — und i für diese werden wohl die Beantwortungen von Anfragen an die Handelskammern der für die ! Textil-Industrie ihrer Länder wichtigsten Gegen den am maassgebendsten sein.“ „Nachdem nun bei früheren Erhebungen die missverständlichen Voraussetzungen einzelner Handelskammer-Gutachten, namentlich die irr- thümliche Redensart: „Ohne England können wir nichts thun!“ die Zustimmung der Mehr heit der Handelskammern zu der in Frage stehenden Reform durchkreuzt und lahmgelegt haben, so erlaubt sich der Unterzeichnete, den betheiligten Kreisen ein die Vortheile der ein heitlichen Garnnummerirung beleuchtendes und die Einwendungen dagegen widerlegendes kur zes Schriftstück mit der herzlichen Bitte zu unterbreiten, demselben im Hinblick auf das Project der internationalen Conferenz von Re gierungs-Delegirten in Paris eine eingehende und wohl wollende Würdigung angedeihen zu lassen.“ Bei dem Interesse, welches dieser Angelegenheit in Fachkreisen allseitig entgegengebracht wird, glau ben wir unseren Lesern — und zwar auch den Gegnern der geplanten Reform — einen Dienst zu erweisen, wenn wir sie in nachstehendem mit den Ausführungen des Herrn v. Pacher bekannt machen. * * * Im Jahre 1873, also vor mehr als einem Viertel jahrhundert war es, dass anlässlich der Weltausstellung in Wien daselbst der erste internationale Fachcongress zur Einführung einer gleichmässigen, alle Spinnstoffe umfassenden, auf Grundlage des metrischen Maasses und Gewichtes in decimaler Durchführung aufgebauten Feinheitsbezeichnung der Halbfabrikate der Textil industrie, der Garne, tagte. Etwa 24 ganz verschie dene Nummerirungssysteme herrschten bis dahin und herrschen grösstentheils leider noch heute in den Garnen aus Baumwolle, Flachs, Schafwolle, Seide, Hanf und Jute in den verschiedenen Ländern Europas. Sie stammen mehr oder minder alle aus den Zeiten, in welchen die betreffenden Spinnindnstrien noch in den unbeholfensten Kinderschuhen steckten, und nicht ihre innere Zweckmässigkeit, sondern lediglich das Bedürf niss einer gemeinsamen Rechnungsweise der Verkehrs treibenden, die augenblickliche Unbequemlichkeit des Ueberganges auf etwas besseres und die Abneigung der Geschäftsleute gegen jede, auch die zweckmässigste Reform, die sie in ihrem gewohnten Kreise stört, ohne dass ihre Rentabilität sich auf den Tag in Mark und Pfennigen berechnen lässt, hat diese 24 Systeme seit dem vorigen Jahrhundert von Jahrzehnt zu Jahrzehnt fortgeschleppt bis zum heutigen Tage, obgleich Mühe und Kosten des Ueberganges durch die vereinfachte Rechnungsweise und andere Vortheile, die hier nach folgend in Kurzem aufgezählt werden sollen, schon vielfach mit Zinsen hereingebracht worden wären. Diese 24 hauptsächlichsten Systeme (mit den minder verbreiteten sollen es weit über 50 sein) beruhen heute, wo in den Culturstaaten des europäischen Continents seit langen Jahrzehnten das metrische Maass- und Ge wichtssystem sonst unbeschränkt herrscht, auf theils ausländischen (englischen), theils gesetzlich längst ab geschafften, einheimischen Maassen und Gewichten (allerlei Ellen, Fussen, Pfunden u. dergl.) in vertracten Verhältnisszahlen (Siebentheilungen, Achtzigtheilungen, Schocken u. s. w.), wie sie die Maass-, Gewichts- und Rechnungsweise des vorigen Jahrhunderts ausgeheckt hat, und deren Vorbild etwa in der Fahrenheit’schen Thermometertheilung gesucht werden kann. Drei internationale Garnnummerirungs-Congresse, beschickt von hervorragenden Industriellen und Techno logen Deutschlands, Frankreichs, Oesterreichs, Belgiens, der Schweiz, Italiens und sogar von einigen Engländern, sind dem Eingangs genannten Congress von Wien 1873 gefolgt, um dessen Beschlüsse zu bestätigen und zu ergänzen, Brüssel 1874, Turin 1875 und Paris 1878, und alle diese Beschlüsse sind mit Einstimmigkeit gefasst worden. Zur Vergleichung mit dessen ein facher NummerndeAnition, welche lautet: „Die Nummer jedes Garnes wird bestimmt durch die Anzahl von Metern, welche in einem Gramm desselben enthalten sind“ — diene das verbreitetste aller bis heute be stehenden alten Nummerirungssysteme, die mit Aus nahme Frankreichs in ganz Europa herrschende eng lische Baumwollgarn-Nummerirung. Da ist die Nummer gleich der Anzahl von Strähnen (Schnellern, hanks) zu je 7 Gebinden (Wiedel, leas) zu je 80 Fäden, zu je l‘/ 2 Yard, welche auf ein englisches Pfund gehen (1 Pfd. engl. = 453,59 g; 1 Yard = 0.91438m; ISchneller == 7 x 80 x x 0,91438 = 768,079 m). So lächerlich unbeholfen diese nach dem persön lichen Geschmack des ersten ErAnders der mechanischen Baumwoll-Spinnmaschine aufgestellte Eintheilung auch demjenigen erscheinen mag, dem sie nicht von früher Jugend an als etwas gleichsam Selbstverständliches eingeprägt wurde; so fremdartig unserem bloss an Meter und Kilo gewohnten Geiste das englische Avoir- dupois-Pfund, dann der englische Yard und ihre in endlose Decimalstellen gehenden Verhältnisszahlen zu den Maass- und Gewichtseinheiten des metrischen Systems auch immer sein mögen — in Baumwollgarn hat das englische Nummerirungssystem wenigstens das 32