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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001030017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900103001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900103001
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-10
- Tag 1900-10-30
-
Monat
1900-10
-
Jahr
1900
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England erwächst neuerdings in Mittelasien ein Reihe von Ungelegenheiten, die, einzeln gen ommen, beachtenswert he Schwierigkeiten in sich schließen, aber in ihrer Gesammtheit eine wirtliche Gefahr für verschieden« Interessen Großbritanniens be deuten. An der Nordwestgrenze Indiens sinv die kriegerischen Stämme der Waziris im Aufruhr, der Emir von Afghanistan rüstet eifrig, angeblich, weil er einen englischen Einbruch fürchtet, und Zwischen Rußland und dem Daten'Lama haben stchBeziehunzen angestrüpft, die eine antrbritische Tendenz besitzen. Das letztere Ereigniß könnte das Unangenehmste fein, was England gerade jetzt in Mittelasten, zwischen Indien und China, zustößt. Tibet hat bisher Europa gegenüber eine derart feindselig« Zurückhaltung beobachtet, daß eine Verbindung dieses Landes mit irgend einer Großmacht für absehbar« Zeit als undenkbar galt. Und nun ist es Rußland doch gelungen, die Kette zu durchbrechen, welche dm Dalai Lama von der gesammten Culturwelt trennt«. Ein Ge- fandter desselben ist bekanntlich nach Petersburg unterwegs, um Briefe und Geschenke dem Zaren zu überbringen; es sind damit die einleitenden Schritte geschehen, die eine nähere Verbindung zwischen beiden Staaten Herstellen werden. Cs unterliegt keinem Zweifel, daß die plötzliche Annäherung des Dalai Lama an das Zarenreich durch Actionen der Peters burger Diplomatie veranlaßt worden ist. Wann und wie dieselben unternommen wurden, ist mit Sicherheit nicht festzustellen. Wahrscheinlich war den verschiedenen Expeditionen, die zu „wissenschaftlichen Zwecken" nach Centralasien reisten, als vor nehmste Aufgabe anbefcchlen worden, den Boden für rin Bündniß zwischen Rußland und Tibet vorzubereiten. Aber man hat diese Pläne so vorsichtig und geheimnißvoll verfolgt, daß eigentlich erst mit der vollzogenen Thatsache Einiges derselben bekannt geworden ist. Vieles ist jedenfalls lange Zeit vergeblich gewesen; erst kürz lich ist es einem Petersburger Professor, Namens Badmajew, ge glückt, bis nach Lhassa vorzudringen und dort mit dem Dalai Lama oder doch mit seiner Regierung in Verkehr zu treten. Di« Einzelheiten über di« Mission Badmajew'» stehen noch aus; er leichtert wurde der Erfolg namentlich durch den Umstand, daß der Gesandte von Geburt Mongole ist und mit den Eigenthümlich- keiten seiner Heimath, sowie der eingeborenen und angrenzenden Bevölkerung genau vertraut ist. Er hat es offenbar verstanden, oas Vertrauen seiner Volksgenossen fo weit zu gewinnen, um schließlich Lhassa erreichen zu können. Die Verhandlungen Bad- majew's in der Hauptstadt Tibets haben sich wahrscheinlich nur auf einem allgemeinen Gebiete bewegt; in Petersburg erst wird man das Nähere festsetzrn, wie sich in Zukunft das Verhältniß zwischen Rußland und Tibet gestalten soll. Immerhin war es ein hervorragende: Dienst, "den Professor Badmajew dem Zarenreiche leistete, als er den Widerstand des Dalai Lama brach und "denselben vermochte, sein« völlige Abgeschlossenheit im russi schen Interesse aufzugeben. Nach Rußland werden nun auch andere Staaten sich Zutritt nach Tibet zu schaffen wissen, aber ersteres wird jedenfalls den wesentlichsten Nutzen aus dem Entgegenkommen des Dalai Lama ziehen. Es ist selbstverständlich, daß die Annäherung deS Zarenreiches und Tibets in London große Besorgniß erweckt. Die Engländer sind es vornehmlich, welche die Freundschaft zwischen "dem Zaren und dem Dalai "Lama zu fürchten haben. Die Lage Tibets zwischen Indien, China und Rußland gewährt ihm eine besondere Bedeutung. Das Heraustreten des Dalai Lama zu Gunsten des Zaren wird diesem einen werthvollen Freund verschaffen, der bei oer gegenwärtigen Lage der Dinge Indien von Nordosten be drohen könnte. Man hat in England schwerlich früher an eine derartige Möglichkeit gedacht und sieht sich nun plötzlich einem Gegner gegenüber, der in die Händel der europäischen "Staaten ringreifen will und als Bundesgenosse Rußlands keineswegs zu verachten ist. Eine unmittelbare Gefahr für das britische Weltreich liegt allerdings noch nicht vor. Die Entsendung von Achrin Choma, des Vertrauensmannes des Dalai Lama in die Hauptstadt Ruß lands, ist vorläufig nur der erste Schritt, dem manche werden folgen müssen bevor die Vereinigung zwischen Rußland und Tibet greifbare Resultate zu Tage bringt, aber die wird kaum ausbleiben. Die zarische Diplomatie hat in Lhassa die gleiche Taktik, wie in Abessinien eingeschlagen. Angebliche Gelehrte erschienen zuerst im Interesse der Wissenschaft in den Grenzen des Landes. Dann wurden Botschaften durch Regierungsvertreter auSgetauscht, und in Afrika folgte hierauf eine politische Fest setzung, freilich ohne eine Landerwerbung, aber doch so bedeutsam, daß Rußland zeitweilig der ausschlaggebende Factor im Reiche des Ncgus war. Später hat sich dann das Verhältniß geändert. Es entstand bekanntlich ein förmlicher Wettbewerb der euro päischen Mächte um Menelik's Gunst, und die Engländer sind heute von den Völkern, die Einfluß in Adis Abeba besitzen, Dank der Geschicklichkeit Sir Rennel Rodds, keineswegs die letzten. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß sich die Lage in Tibet nicht ebenso gestaltet. England ist genöthigt, Rußland zunächst den Vorrang zu lassen, und dieses wird gewiß nicht zögern, seine günstige Position beim Dalai Lama auszunuhen. Aber wenn das Land in der That dem Verkehre und der Ctvilisation eröffnet werben sollte, so werden die Vertreter anderer Staaten sich rasch genug in Lhassa rinfinden, um ihrerseits ebenfalls die Vortheile zu genießen, die die Erschließung Tibets darbieten muß. Allen voran natürlich die Engländer. Aber darüber können noch Jahre vergehen, und ^ie Lage in Asien kann sich inzwischen derart ver ändern, daß eine etwaige Annäherung Englands an Tibet dem ersteren kaum noch Nutzen bringt. Rußland wird jedenfalls alle Hebel ansehen, um die Früchte au» den neugeknilpften Beziehungen mit dem Dalai Lama so rasch als möglich zu pflücken. Dazu gehört vor Allem eine Ver einbarung gegen Großbritannien. Der Anlaß zur Annäherung beider Staaten lag jedenfalls nur in den unsicheren Verhältnissen im Reiche der Mitte. Dem Dalai Lama ist daS künftige Schick sal China» gewiß nicht gleichgiltig. Er fühlt sich beunruhigt durch die kriegerischen Ereignisse und durch da» Eingreifen der europäischen Großmächte. Diese Besorgniß hat Rußland ge schickt benutzt, um daß geistliche Oberhaupt der Buddhisten seinen eigenen Wünschen geneigt zu machen und damit einen Stützpunkt gegen England zu gewinnen, der gleichzeitig gegen China ver- wendbar wäre. Man braucht de»halb noch nicht an kriegerische Absichten de» Zarenreiches zu denken. Dazu hat man in Petersburg vorläufig keinen Anlaß, die Verhältnisse gestatten noch keinen Einbruch in Indien, und es ist überhaupt die Frage, ob die zarischen Staats männer durch kriegerische und nicht vielmehr durch diplomatische Mittel die Entscheidung der großen asiatischen Fragen herbei führen wollen. Wir nehmen jedenfalls das Letztere an. Und dabei gerade wäre die Unterstützung des Dalai Lama Rußland von besonderem Werthe. Tibet wird eine scharfe Waffe in der Hand des Zaren, mit der er auf England empfindlich drücken kann, So bereitet sich in Mittelasien eine neue bemerkenswerthe Grup- pirung vor, die vielleicht für die Entwickelung der Chinafrage, jedenfalls aber für den historischen Gegensatz zwischen Rußland und England von Bedeutung ist. Man hat deshalb Ursache, den weiteren Phasen der russisch-tibetanischen Freundschaft auf merksam zu folgen. Sie Wirren in China. Kämpfe im Kiautschaugebiete. Der Gouverneur von Kiautschau berichtet, wie schon in einem Tbeile der Auflage unseres gestrigen Abendblattes mitgetheilt wurde: Tas Dorf Kclau, das am 23. October gestürmt wurde, war der Sammelpunkt der Aufrührer des Hauli-DistrictS. Die Erstürmung zeig: eine gute Wirkung. Die übrigen befestigten Dörfer legen ihre Wälle nieder und liefern die Waffen aus. Die Ruhe wird jetzt wiederhergestellt werden, so daß die Bahnarbeiten fortgesetzt werden können. Beftrafnng der Schuldige»; Zug nach Paotingfu. * London, 29. Octoder. (Telegramm.) Die „Times" berichten aus Peking unter dem 26. Oktober: Heute würd' eine Conferen» der fremden Gesandten abgehalteu. Es wurde beschlossen, in der Liste der sieben Beamten, deren Hinrichtung von Frankreich gefordert wird, noch die Namen de- Prinzen Ai und Jingnien hinzuzufügen. — In einem weiteren kaiserlichen Edicle wird der Versuch gemacht, die Mächte durch die Anordnung der weiteren Bestrafung schuldiger Minister zu versöhnen. — Aus Paotingfu wird berichtet, daß der die verbündeten Truppen befehligende Officier, bewegt durch die Erzählungen befreiter Missionäre über ihre grausame Behandlung, den Provinzialschatzmerster, als den Hauptschuldigen, festgenommen habe. Hier hofft man noch immer, daß die Verbündeten eine heilsame Strafe über die Stadt verhängen werben. (Wiederholt.) DaS „Reuter'sche Bureau" meldet aus Paotingfu vom 23. d. M.: Deutsche, französische und italienische Truppen haben Paotingfu besetzt. Eine britische Abtheilung lagert im Norden der Stadt. Der festgenommene Provinzial- Schatzmeister wird von einer Commission abgeurtbeilt, de, General Ballond als Präsident, Major Brixen, die Obersten Camsey und Salsa, sowie Zameson als Dolmetscher an gehören. Bezüglich deS Schicksals von Paotingfu werden die Befehle des Grasen Walversee erwartet. Graf Walversee. Zu den mebrfach verbreiteten Gerüchten, daß der General- seldmarschall Graf Walversee an Dysenterie erkrankt sei, bemerkt der „Hamb. Corresp., daß von einer Erkrankung des Grafen an zuständiger Stelle in Berlin nicht bas Mindeste bekannt sei. Ein Schiedsgericht k Nach Pariser Privatmeldungen aus Peking dauern die am 21. -Oktober begonnenen officiösen Besprechungen "der Vertreter der Mächte über 'die von jeder einzelnen Macht zu fordernden Entschädigungen fort. Unter den bisher bekannt gewordenen Differenzen erscheint keine bedeutend genug, um den umständ lichen Apparat der Einberufung des Haager Schieds gerichtes zu rechtfertigen. Immerhin verdient hervorgehoben zu werden, daß die Vertreter Rußlands und der Vereinigten Staaten an die Nothwendigkeit der Einberufung des Haager Schiedsgerichtes glauben, da bislang unbekannte Forderungen einzelner Mächte dem entschiedenen Widerstande anderer Mächte begegnen würden. England ist gegen das Haager Schiedsgericht schon deshalb, weil Krüger seinerseits dessen Einberufung ver langt. Deutsch-englisches Abkommen. Nach einer "der „Polit. Corresp." aus Paris zugekommenen Meldung gilt es nunmehr in dortigen unterrichteten Kreisen als sicher, daß Frankreich und Rußland auf Grund eines zwischen diesen zwei Cabineten gepflogenen Meinungsaustausches über das englisch-deutsche Uebereinkommen diesem ihre Zu stimmung «rtheilen werden. Der Grundsatz "der Integrität Chinas sei vom französischen sowohl, als vom russischen Cabi- nete, von letzterem unter bestimmtem Widerspruch gegen die ihm zugeschriebene Absicht einer Annexion der Mandschurei, von allem Anbeginn« als die unerläßliche Voraussetzung einer wirksamen Entente der Mächte behandelt worden. Ebenso entspreche der Grundsatz der „offenen Thür«" durchaus den französischen An schauungen und Interessen. Das bisherige Zögern beider Cabi- nete, ihren Beitritt zum Uebereinkommen auszusprechen, hab« einerseits in dessen bilateralem Charakter seinen Grund gehabt, der estrige Schwierigkeiten, schon waS di« Form der Zu- stimmungserklärung betrifft, mit sich bringe, andererseits im Artikel 3, der immerhin ern gewisses Unbehagen erregt, und An fragen, sowie Aufklärungen nöthig gemacht habe. Dies« letzteren, aus Berlin und London mit gleicher Bereitwilligkeit ertheilt, scheinen die diesfalls bestandene Beunruhigung zerstreut und Ge wißheit darüber geschaffen zu haben, daß da- Ushz reinkommrn eine Spitze weder gegen Rußland, noch gegen sonst eine Macht enthalte. Allem Vermuthen nach werde die Zustimmung Ruß lands und Frankreichs weder an Bedingungen, noch Reserven ge knüpft fern. Weitere Meldungen. * Köln, 29. Oktober. (Telegramm.) Wie die „Kölnische Bolk-zeitung" berichtet, begleiten S Patre» der Stehler Mission al« osficirklr deutsche Dolmetscher die deutschen Truppen in da« Jnnrre China». * Hambnrg, 29. Oktober. (Telegramm.) Der von der Homburg-Amerika-Linte dem Kaiser zur Verwendung al« Ho« vital- schiff zur Verfügung gestellte Dampfer „Savoia" befördert» 50 Verwundete uud Kranke oller Truppentheile von Taku nach Aokohama zur Ueberiührung in das dortige deutsche Krankenhaus. Der Dampfer kehrte sodann nach Vervollständigung seiner Dampsheizungsanlage nach Taku zurück. * Berlin» 29. Oktober. Das KciegSmillisterium th-ilt mit: Der Transportdampfer „Arcadia" ist am 27. d- M. in Tsing tau angekommen. Sir Robert Hart über die Boxer. J-n der November-Nummer der „Fortnightly Review" er scheint ein Aufsatz von Sir Robert Hart, dem Generaldirector der Seezölle in Chin-a, über die Krisis in China. Der Schluß des Artikels, der von der Zukunft Chinas handelt, dürfte einiges Aufsehen erregen. Sir Robert Hart führt Folgendes aus: Die Episode von heute fei ein Vorspiel eines Jahr hunderts von Veränderungen im fernen Osten. Bei politischen Fragen müßten nationale Gefühle und Empfindungen berück sichtigt werden, und die Grundempfindung der Chinesen sei Stolz auf chinesische Einrichtungenund Ver achtung fremder. Verträge hätten das nicht geändert, sondern höchstens verschlimmert. Die Hauptfrage fei zunächst, auf welcher Grundlage Frieden gemacht werden solle. Sir Robert Hart ist gegen ein« Auft Heilung Chinas. Eine neue Dynastie könne man nicht oinsetzen, weil kein Mann vor handen sei, den China als Kaiser annehmen würde, und wenn man erst einen suchen wollte, so würde es zunächst zu einer zer störenden Anarchie kommen. Das Leichteste und Einfachste sei natürlich die Anerkennung -der jetzt regierenden Dynastie. Die Zukunft sei aber dann noch immer weit davon entfernt, hoff nungsvoll zu sein. Daß es eine „Gelbe Frage" oder vielleicht auch ein« „Gelbe Gefahr" geben werde, sei ebenso sicher, als daß morgen die Sonne scheinen weroe. China habe so lange geschlafen, als es ging, jetzt seien die Chinesen aber erwacht und kennten nur eine Loosung, und die heiße: „China für die Chinesen und hinaus mit den Fremde n." Die Boxerbewegung sei zweifellos das Product officieller Inspiration, sie werde sich über das ganze Land ver breiten unk sei eine rein freiwillige, patriotische Bewegung, mit dem Zwecke, China zu stärken. Die gegenwärtige Boxerbewegung sei nicht durchweg erfolgreich gewesen, sie zeige aber, daß ganz China einem starken Arm folgen würde. In der Zukunft würden sie Boxer die besten Waffen haben, die sie auftreiben könnten. Der Hauptzweck ihrer Operationen sei der, das Christenthum in China auszurotten, andererseits aber nicht, die Fremden zu tödten, sondern sie nur zu ängstigen, damit sie das Land verlassen würden. Dies« Gesichtspunkte werden sie im Auge behalten, und dafür werden vermuthlich noch die Enkel der heutigen "Boxer mit besseren Waffen kämpfen. Wenn die Mächte China auf- theilten und mit starker Hand den Militarismus unterdrückten, so wäre es nicht ausgeschlossen, daß die friedliebenden Chinesen in Schach gehalten werden könnten, oder wenn das C h r i ste n - thum Riesenfortschritte machte, so möchte vielleicht die große Gefahr abgewandt werden, die der Welt drohe. Denn eine solche Gefahr bestehe chat-sächlich. In 50 Jahren "würde eine chine sische Regierung Millionen wohlausgebildeter Boxer ins Feld stellen können, darüber könne kein Zweifel bestehen; und wenn eine chinesische Regierung "weiter bestehe, so werde sie diese natio nale Bewegung weiter unterstützen, und eigentlich habe sie Recht daran. Die einzigen Mittel, die helfen könnten, lägen leider außerhalb der Sphäre praktischer Politik. Nichts Anderes, als Austheilung oder eine wunderbare Entwickelung "des Christen- thums könnte helfen. Leider sei Beides außerhalb des Bereiches praktischer Politik. So werde denn nichts Anderes übrig bleiben, als die Mandschuhdynastie zu unterstützen, und das werde für die Zukunft Handel in Waffen bedeuten, und unsere Kinder und Kindeskinder würden den Sturm ernten. Nach diesen Ausführungen des angeblich „besten Kenners" von China werden die Diplomaten ebenso klug sein, wie zuvor. Im Allgemeinen sieht Robert Hart, dem man nachsagt, daß er gänzlich zum fatalistischen Orientalen geworden sei, zu schwarz. Das ist aber zweifellos richtig, daß man China nicht militärisch erstarken lassen darf. Wie dem vorzubeugen ist, wird sich freilich nicht leicht ermitteln lassen. Der Krieg in Südafrika. Sin Präludium der Ankunft Srüger'S. Im Pariser Ausstellungspavillon der Süd afrikanischen Republik stieß am Sonntag Abend eine junge Engländerin vor der Büste des Präsidenten Krüger leidenschaftliche Beschimfungen gegen den Präsidenten auS. DaS Publicum fiel entrüstet über die Engländerin her und riß ihr die Kleider vom Leibe. Schutzleute konnten sie nur mit Mühe vor weiteren Mißhandlungen bewahren. Eine gehörige Tracht Prügel würde nur heilsam gewesen sein und wir bedauern, daß die Polizei ihre Verabfolgung verhinderte. Tie Leiden der Boeren. Eine Boerenfrau von hohem Range hat an die Präsidentin der niederländischen Friodensliga einen Brief gerichtet, der ein ergreifendes Bild von-den entsetzlichen "Leiden der Boeren, zumal der Frauen und Kinder entwirft. Kein gefühlvoller Mensch wird dieses Schreiben ohne Empörung über Diejenigen lesen, die im Krieg« auch d«n letzten Rest von Menschlichkeit verloren zu haben scheinen und in Feindesland nicht wie "Soldaten, sondern wie Banditen- Hausen. Der Brief lautet: „Werthe Frau! Ich "danke Ihnen im Namen meines Volkes für Ihre große Sympathie! Der Leiden der Unsrigen find ent setzlich. Der Oranje-Freistaat und ganz Transvaal sind ver wüstet, und überall erblickt man Trümmer- und Schuttthaufen. Di« Frauen der Kriegsgefangenen sind von Allem "beraubt, sie haben weder Obdach noch Kleidung und sterben vor Hunger. Es ist mir unmöglich, Alles ru schreiben, was hier geschieht. Die Römer hatten für gewiss« Verbrechen keine Strafe, weil sie sie für zu entsetzlich hielten und nicht glaubten, baß sie begangen werden könnten. Hier aber bin ich Zeug«, daß meine Landsleute, nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder, ärger wie die Hunde behandelt werden. Und wenn die Kaiser von Ruß land, Deutschland und Oesterreich wüßten, welch' unmenschlich« Thaten hier täglich begangen werden, nicht von Soldaten, die Soldaten bekämpfen, sondern von Soldaten, die om Bolk über fallen, sie würden nicht blos als Fürsten, sondern als Menschen ihre Stimmen erheben, namentlich zum Schutz« der Frauen uns oer brutalisirten Kinder. Wir Frauen arbeiten hier so viel wir können, aber 6000 Meilen trennen uns von Europa. Unsere Briefe gehen durch die Censur, und das kostet Zeit, ehe sie zu Ihnen gelangen. Dennoch wollen wir nicht aufhören, zu hoffen. Wenn die Frauen Amerikas und Europas sich unfrrer annehmen wollten, bin ich überzeugt, daß dies Einfluß auf unsere Regierung üben könnt«. Ich hatte Alles vorbereitet zu einer Versammlung, di« einen Aufruf an die Frauen der ganzen Welt erlassen sollt«; man ließ mich jedoch wissen, daß die Regierung dies als einen feindlichen Act betrachten würde, und obgleich ich mir persönlich nichts dar aus machen würde, so hielt ich es doch für besser, mich zurückzu halten. Aber, was wir selbst nicht thun können, das sollten die europäischen Frauen für uns thun! Ich flehe Sie an im Namen Gottes, ruhen -Sie nicht eher, bis Sie uns geholfen haben! Sie haben keine Idee von den Leiden unseres Volkes. Ist es nicht entsetzlich, daß man Knaben von 9—14 Jahren der Mutter ent reißt, um sie nach Basutolan'd in englische Feldlager -zu senden. Und zu welchem Zwecke? Gott weiß es allein! "Und was wir» uns in der Zukunft bevorstehen? Die Kaffern beachten Alles, was die Engländer gegen uns thun, und nehmen jede Gelegenheit wahr, sich uns feindlich zu zeigen. Unter dem Befehl des Haupt manns Lowellyn haben die Kaffern 17 Frauen erwürgt; kleine Mädchen von acht Jahren wurden -durch englische Soldaten und Kaffern vergewaltigt. Man läßt Alles geschehen, ohne daß man jemals hört, daß einer der Bösewichter bestraft -worden wäre. Versetzen Sie sich in meine Lage, werthe Frau, die ich täglich von solchen abscheulichen Verbrechen höre. Die Bibel lehrt, Vie Feinde nicht zu hassen, aber wie soll man da ihre Grundsätze be folgen! Vor einigen Tagen kam ein« Frau Dan Virrsn >de Wepener aus dem Oranjestaat zu mir; es war 10 Uhr Abends. Die Militärbehörden hatten ihr befohlen, mit ihrer Enkelin von zwölf Jahren in den Briefpostwagen zu steigen, ohne daß man ihr er laubte, etwas von Kleidung oder Geld mitzunehmen. Ihr Knabe von 14 Jahren -war nach Basutol-and gebracht worden, ihr Mann UNS ihr ältester Sohn nach St. Helena; «in anderer Sohn war in Ladysmith getödtet worden. AIS sie sich am Cap ein schifft«, sagte ein Officier: „Nun machen Sie, daß sie fort kommen", und so stand sie in einer ganz fremden Stadt ohne einen Heller und ohne Gepäck. Ich war so glücklich, ihr ein Nacht lager anbietcn zu können, aber was wird weiter aus ihr Wersen ? Ein "Boer in einem District nahe der Grenze hatte Erlaubniß, sich auf «in paar Tage in sein Heim zu begeben. Als er dort an kam, fand er seine kleine Tochter weinend nahe -der Thür, einige Schritte davon «ntfernt den todten Körper seines Sohnes, uno etwas weiter davon entfernt seine Frau erwürgt und zerstückelt, wenige Schritte von dort seine erwachsene Tochter, unmenschlich massakrirt. "Er beklagte sich bei den militärischen englffchen Be hörden und erhielt folgende Antwort: „Mr konnten die Kaffern nicht zurückhalten." Sie wissen, daß die Engländer immer gesagt haben, es sei ein Krieg der Weißen, und daß sie sich nicht "der Farbigen zur Hilfe bedienen wollten, was doch jetzt geschieht. Und dennoch trotz alledem lebt in mir noch die Hoffnung, daß mein Volk aus dieser Prüfung größer als je heroorgehen wird! Ich bitte Sie, theure Frau, noch einmal, das zu thun, was ich nicht zu t-hun vermag. Schreien Sie unsere Leiden hinaus, appelliren Sie an "das mensch liche Gewissen, suchen Sie die Frauen zu bewegen, daß st« theil- nehmen an den Leiden ihrer Schwestern, deren übermenschliches Martyrium erst später in allen Details bekannt werden wird! Wir können nur etwas für Diejenigen thun, die zu uns kommen, aber die Unzähligen, die ohne Lebensmittel, ohne Feuerung durch die verwüsteten Felder des Oranje-Staates irren, -sind verlassen von Menschen und von Gott. L- M." Deutsches Reich. -4- Berlin, 29. October. AuS den Tagebüchern Theod. von Bernhardt'- macht der Cbcf der kriegS- geschichtlichen Abtheilung deS Großen GeneralstabeS, General major v. Bernbardi, im Novemberheft der „Deutschen Rundschau" sehr tverthvolle Mittbeilungen, die vor Allem die inneren Verhältnisse Italiens i. I. 1867 und seiue da maligen auswärtigen Beziehungen beleuchten, aber auch manches andere wichtige Gebiet berühren. Besonder- inter essant sind zwei den früheren preußischen Diplomaten, späteren CentrumSabg. K. F. von Savigny betreffende Aufzeich nungen, weil sie zeigen, wessen ein klerikaler preußischer Minister deS Auswärtigen fähig ist. Die eine Auf zeichnung ist vvm 24. Juni 1867 datirt und bezieht sich auf eine Unterhaltung Bernbardi's mit dem preußischen Gesandten in Florenz, Grafen Usedom, dem Bernbardi als militärischer Vertreter Preußens zu dem Zwecke beigezeben war, die in Berlin als unzulänglich angesehene Berichterstattung Usedom'» zu ergänzen. Die Aufzeichnung lautet: „Ein rigenthümlicher Zwischenfall ergab sich im vergangenen Herbst, als Bismarck krank auf seinen Gütern war und Savigny die Geschäfte führt,; der rührte da plötzlich ein ganz neues Element in die Unterhandlungen hinein. Er empfahl mit einem Mal sehr eifrig, Usedom solle darauf dringen, daß die Regierung Italien« sich mit Rom zu versShnrn strebe, uud zu gleicher Zeit unterhandelte er in Pari« übn ein» Convention, vermöge welcher auch Preußen dem Papste seine weltliche Macht und dem päpstlichen Stuhl seine Besitzungen garantirte. Savigny erklärte, da« sei durch die Rücksichten auf die katholischen Unterthanen Preußen« geboten. Die erwarteten do«. — Robert Goltz (preußischer Gesandter in Pari«. Redaktion) nahm die Cache mit Feuereifer aus, während Ustdom hier st« hinzuhalten sachte und nicht« that; Napoleon war sehr zufrieden uud äußerte, „garantiren" sei da« rechte Wort; die Tonveatio« war bald fertig und e« ging dabei so eifrig zu, daß R. Goltz durch den Telegraphen nach Berlin meldete: die französische Regierung wünsch« dst Rati fication auf telegraphischem Dege zu erhalten. Glücklicher Weise konnte Bi«marck noch zu rechter Zeit persöultch ringreifen und di« Sach« abl«hn«n."
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