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Nummer 143 -- 25. Jahrgang »mal wöch. Bezugspreis sür Juni 8— einschl. Besteltgelo. Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile 80^, Stellengesuche 20 L. Die PetitreklamezeUe. 89 Milli meter breit. 1 Offertengebiihren für Selbstabholer SN bei Uebersenbuny durch dt« Post außerdem Portozulcklag. Einzel-Nr 10 .Z. Sonntags-Nr. 15 Vcschäftlicher Teil: I. Hillebrand in Dresden. Kämpiv vmileii. süiloiiliol 8 t»m kleumarkt) Lilro- unü leSllkiiznSükl neu und ßeklauckl Mittwoch, 30. Juni 1926 Im Falle höherer Gewalt erlisch« jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenauftrügen u. Leistung v. Schadenersatz Für undeutl. u. d. Fern ruf üdermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung, Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werd, nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags. Hauptschrtslleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden, 87kMk>. sUlgo iinzüLiitlr?> l^eichafioftelle, Lr»»tt und Merlan: «aiun.-.,. Puchdruckerei (SmbH.. Dresdeil-A. l, ^ollorslra) e !?. ^erimr» 21V12. Poslicheckfonlo Drcöde»' 117.7 Bankkonio: Vassennc Für christliche Politik und Lrullur Nedaktio» der Tachsilchru VolkSzeituiig TreLdeii.AUöadl I. Policrslratze 17. gernrw 20711 uiio .1012. Das Verhallen -er Russen „in höchstem Grade unfreundlich" — Keule grosze Regierungserklärung in Paris — Vereiteltes Attentat auf König Alfons Wohnungsfrage — Mieterschutz Der Reichstag hat sich dieser Tage wieder mit der Frage der Wohnungszwangswirtschast be schäftigt. Namens der Zentrumsfraktion hat da bei der Abgeordnete Tremmel das Wort ergriffen. Er betonte mit allem Nachdruck, daß. eine Beseitigung oder auch nur eine wesentliche Lockerung der Zwangs wirtschaft Zweifellos eine ganz bedeutende Miets steigerung zur Folge haben würde. Bei der unge heuren Arbeitslosigkeit und der außerordentlich gesunke nen Lebenshaltung, insbesondere auch angesichts der in der Notzeit eingetretenen Lohnkürzungen ist es aber un möglich, auf diese Volksschichten eine höhere Miets- belastung zu legen. Außerdem hat die Not auf dem Woh nungsmarkte noch keine wesentliche Besserung erfahren. Und solange das nicht der Fall ist, ist es auch unmöglich, die Zwangswirtschaft auf dem Wohnungsgebiete vollstän dig zu beseitigen. Dazu kommt, daß die 200 Millionen Kredite, die der Reichstag im Frühjahr für die Vauwirt- schaft gewährt hat, sich noch nicht in ihrem vollen Um fange ausgewirkt haben. Was nun den Mieterschutz angeht, so war von den Bermietervertretern versucht worden, die Grundlage des ganzen Gesetzes dahin umzustellen, daß an die Stelle der Räumungsklage wieder das Kündi gungsrecht trete. Diese Anträge hat der Ausschuß abgelehnt. Das Zentrum ist der Auffassung, daß die Zeit noch nicht gekommen ist, um eine solche grund sätzliche Umstellung des Mieterschutzes vorzunehmen. Auch die Regierung befürchtet, daß bei einer solchen Um stellung die Zahl der Prozesse sich ins Unendliche steigern würde. Sie glgubt, die Vermieter würden, auch wenn das Kündigungsrecht nur unter bestimmten Voraus setzungen im Gesetze verbliebe, doch in der Praxis ohne Rücksicht auf diese Voraussetzungen kündigen und da durch würde eine große Verwirrung eintreten. Viele Leute, die die Bestimmungen nicht kennen, könnten auch in der Sorge, die Wohnung zu verlieren, notgedrungen zu Abschlüssen von Mietsverträgen mit wesentlich höhe ren Mieten bereit sein, was allgemein eine wesentliche Steigerung der Mieten nach sich ziehen würde. Eine ganze Reihe von Beispielen zeigen schon jetzt, daß diese Befürchtungen gerechtfertigt sind. Andererseits ist das Zentrum aber auch bereit, da, wo es gilt, die Verhältnisse der Zeit anzupassen, oder sich ergebende Härten zu beseitigen, sich zustimmend zu verhalten. So hat der Regierungsentwurf vorgesehen, daß an Stelle der Rüumungsklagemöglichkeit bei seither dreimonatlichen Mietrückständen diese Frist nun auf einen Monat herabgesetzt wird. Das Zentrum hat diesem Entwurf zugestimmt, weil es die seitherige Be stimmung gegenüber einem Teil Hausbesitzer für eine schwere Härte hielt, wobei es nicht verkennt und zugibt, daß nun die Herabsetzung der dreimonatlichen Frist auf einen Monat auch gewisse Härten für den Mieter mit sich bringen können. Das soll nicht unbestritten bleiben, auf der anderen Seite aber sind durch die Inflation manche früher wohlhabenden Besitzer heute verarmt. Es sind also die Hausbesitzer auf die Mieten oder einen Teil der selben genau so angewiesen, wie der Arbeiter auf seinen Lohn. Diesen Verhältnissen muß man Rechnung tragen, wenn man Recht und Billigkeit nach allen Seiten gelten lassen will. Die Frage, ob man die gewerblichen Räume aus der Zwangswirtschaft herausnehmen soll oder nicht, war ebenfalls sehr umstritten. Teilweise ging die Auffassung dahin, die gewerblichen Räume bei einem ge wissen Mietpreise und entsprechend den Verhältnissen in den einzelnen Städten aus der Zwangswirtschaft heraus zunehmen. Auf diesem Wege wäre aber ein gerechter Ausgleich nicht zu schaffen. Es gibt Fälle genug, in denen gute Geschäfte in kleinen gewerblichen Räumen gemacht werden, während in vielen großen gewerblichen Räumen keine erheblichen Gewinne erzielt werden. Die Verhält nisse liegen also sehr verschieden, und man würde nicht immer das richtige treffen. Hinzu kommt, daß der Mit telstand selbst sich in dieser Frage nicht einig ist. Soweit der Mittelstand Hausbesitzer und Vermieter von gewerblichen Räumen ist. will er die gewerblichen Räume aus der Zwangswirtschaft herausgenonnnen haben, während der Teil des Mittelstandes, der Mie ter von gewerblichen Räumen ist, nicht nur die Zwangs wirtschaft aufrechterhalten wissen will, sondern zum Teil sogar eine Verschärfung der Zwangswirtschaft anstrebt. Infolgedessen ist es natürlich außerordentlich schwer, in dieser Frage einen gerechten Ausgleich zu schaffen. Am besten wird diese Frage wohl durch die Länder selbst ge löst werden. ^ In das Gesetz sind neue Strafbestimmun gen hineingearbeitet, welche diejenigen mit Strafen be legen, die entweder unberechtigt hohe Mieten verlangen, oder mit den bestehenden Wohnungen ein Die „russische Brennessel" London» 29. Juni (Drahtbcrichts. Der Minister des Innern bezeichnet« in einer Rede das Verhalten der Russen wegen der Nebersendnng von Strcik- zrädern nach England als im höchsten Grade unfreundlich. Keine andere zivilisierte Nation würde so gehandelt haben. Er bitte, noch einige Monate zn der Regierung Vertrauen zu haben und es ihr zu überlassen» mit der „Russischen Brei«nesscl" fertig zu werden» wie sic mit der „Brenn nessel des Generalstreiks" fertig geworden sei. Bezüglich des Generalstreiks betonte der Jnncnminster, er teile nicht die Auffassung, das; von einem General streik nicht mehr die Rede sei. Die russischen Bemühungen seien weiter energisch im Gange. Er könne nicht glauben, daß die 40» 090 Psnnd, die von Rußland an die Streikende» gesandt worden seien, von den Gewerk schaften stammten. Die britische Regierung könne die russischen Vertreter ans dem Lande weisen; im Augenblick aber werde sie das nicht tun. Die Drohung des Sekretärs des Bergarbeiter- Verbandes» daß der Vollzugsausschuß des Verbandes hente die Zurückziehung der mit der Instandhaltung der Berg werke beschäftigten Sicherheitslente erwägen werde, wird nicht für ernst genommen, zumal der für diese Frage nach Ansicht der Gewerkschaftsführer zuständige Verband der Bergmaschincilführer seinerzeit beschlossen hat, die not wendigen Arbeiten auszuführen. Durch eine Untersuchung der Vereinigung zum Schutze von Kindern wurde festge stellt, daß in allen Teilen des Landes für di« Kinder der Bergleute in angemessener Weise gesorgt wird. gewisses Geschäft treiben und sich Summen geben lassen, die moralisch nicht gerechtfertigt werden können. Von seiten des Hausbesitzes ist nun eingewandt worden, daß diese Bestimmungen sich nur gegen den .Hausbesitz wenden würden. Das ist nicht richtig. Diese Strafbestim mungen richten sich gegen jedweden, der mit Wohnungen Wucher treibt. Gerade der Hausbesitz beschwert sich ja häufig darüber, daß diejenigen Mieter, die weiter ver mieten, zum Teil weit höhere Mieten für einzelne Räume verlangen, als sie für ihre gesamte Wohnung dem Haus besitzer bezahlen, und daß es auch saust genug Personen gibt, die, ohne daß der Hausbesitzer einen Einfluß darauf hätte, mit den Wohnungen Handel treiben. Die Zen trumsfraktion ist der Meinung, daß die jetzige Fassung des neuen Gesetzes mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse und auf bestimmte Härten, die sich im seit herigen Gesetz als solchem ergeben haben, zweifellos einen ganz wesentlichen Fortschritt bedeutet. Kommt -ie Reichslagsauslösung? Gestern fand in der Frage der Fürstenabfindung eine Besprechung, zwischen den Vertretern der Regierungspar teien und den D e u t s ch n a t i o n a l e n statt. Von der deutschnationalcn Fraktion waren die Abgeordneten Graf Westarp, Dr. Barth und v. Lindeiner-Wildau erschienen. Sie hielten ihre Kritik an dem Gesetzentwurf über di« Fürstenabfindung in vollem Nmsongc ansrecht und brachten zum Ausdruck, daß sie dies« Kritik durch das Ergebnis der Ansschußverhandlungen, die «ine wesentliche Veränderung des Gesetzes gebracht hätten, mir noch verstärkt habe. Noch der Plenarsitzung versammelten sich die Frak tionen der Regierungsparteien, der Sozialdemokraten und der Deutschnatlonalen, um zn der Fürstenabfindung Stel lung zn nehmen. Mittags hatten bereits Verhandlungen zwischen Regie rungsparteien und Sozialdemokraten stattgefunden, die jedoch zu keinem Ergebnis führten. Abends beriet die sozialdemokratische Reichstagsfraktion in mehrstündiger Sitzung, ohne mit den Beratungen zu Ende zu kommen. Die Unterhändler der Fraktion wurden beauftragt, mit den Regierungsparteien weiter zu verhandeln. Die Frak tion beschloß, heute eine weitere Sitzung abzuhalten, um zu den einzelnen Paragraphen der Vorlage Stellung zu nehmen, die in der 2. Lesung im Plenum in der Einzelberatung erledigt werden. Ihre endgültige Entscheidung wird die Frak- Das neue Pariser Programm Paris. 29. Juni. (Drahtbericht.) Nach der Agentur Havas wird die heute nachmittag im Parlament zu verlesende programmatische Erklärung der Re gierung umfangreich sein und für eine Finanzsanierung, ver bunden mit einer Politik der Sparsamkeit und der Einschrän kungen eintreten. Die Regierung wird vom Parlament aus gedehnte Vollmachten verlangen. Die endgültige Festigung de« Währung erfordert die Regelung der interalliierten Schulde». Die Verhandlungen mit England würden wieder ausgenom men werden. Die Vorlage über die Ratifikation des französisch, amerikanischen Schuldenabkommens liege dom Parlament be reits vor. Die Steuerlasten sollen gerechter verteilt und dadurch auch die Kapitalflucht verhindert werden. Der selbständigen Tilgungskassc sollen neue Einnahmeklassen erschlossen werden In der auswärtigen Politik werde BrianK sein Werk der An, Näherung und der Wachsamkeit fort setzen. Die Regierung tred« schließlich sür Wiedereinführung des Arrondissementsivahiysteiii« ein. Das geplaMe Attentat Paris, 29. Juni. sDrahtbericht.) Wie der Intranfigeant meldet, hat die Pariser Geheim polizei aus Anlaß der Reise des spaniskinm Königspaares um fangreiche Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Drr Polizei ist es gelungen, im letzten Augenblick ein Attentat aus den König zu vereiteln. 15 spanisch- Anarchisten, die sich in Paris aufhalten, hatten von Spanien her den Auftrag erhalten, ein Attentat auf den König nuszuführen, wozu ihnen reichlich Geldsummen über wiesen morden waren. Die Pariser Geheimpolizei bekam recht zeitig Kenntnis von den Vorbereitungen der Anarchisten und konnte sie unschädlich machen. Alle 15 waren schwer b-wassnet. Einzelheiten Uber die Entdeckung des Attentats sind noch nicht bekannt. tion erst vor der 3. Lesung treffen, di« nach einer mit den anderen Parteien getroffenen Vereinbarung am Freitag stattfinden wird. Wie das Nachrichtenbureau des Vereins deutscher Zeitungsverleger aus deutschnationalen .Kreisen erfährt, hat die deutschnationale Fraktion ihre sämtlichen erkrank ten oder so n st wie beurlaubten Mitglieder telegraphisch zn der heute stattfiudeuden zweiten Lesung des Gesetzes über die Auseinandersetzung mit den vormals regierenden Fürstenhäusern nach Berlin gerufen. Damit dürfte wohl am besten, so heißt es in der Erklärung weiter, dem Gerüchte entgegengetreten sein, das; die Dentschnatio- nalcn durch nicht vollzähliges Erscheinen ihrer Mitglieder aus d icsem oder jenem Grunde dem Gesetze zu einer Ztvei» drittelmehrheit verhelfen wollen. Die „Tägl. Rundschau" hält es sür zweifelhaft, ob ein weiteres Entgegenkommen der Regierungsparteien gegen über den sozialdemokratischen Forderungen in der Frage der Fürstenabfindung möglich ist, da die bayrische Volks« Partei bereits gegen die bisherigen Zugeständnisse Be denken geäußert habe und daher der Deutschen Vvlkspartei die Konzesüonen nicht leicht gefallen seien. — In der „Germania' heißt es: Wenn die Sozialdemokraten ihre For derungen übertreiben, und die Deutschnanonalen ihren starr- ablehnenden Standpunkt beibehniten, ist an ein Zustande kommen des Gesetzes nicht zu denken. Ter Reichstag kann nicht in die Ferien gehen, ohne das Gesetz verabschiedet zu haben. Bleiben die Kombromißverkandlnngeu ahne Er folg, da»» dürsten Politische Konseguciizen eintreten, die auch den Oppositionsparteien nicht angenehm sein können. Dem „Berliner Tageblatt" zufolge soll man in Reichs tagskreisen der Meinung sein, daß es sür den Fall des Nlcht- znstandekommens einer Zweidrittelmehrheit für die Vorlage zur Rcichstagsauslösung kommen «verdc (Siehe auch Bericht Seite 2> mmr»» a. Neue Anruhen in Marokko Paris, 29. Juni. Nach Meldungen aus Marokko sind neue Unruhen an der Nordfront des Abschnitts von Fez ausge brochen. Der Schwiegersohn Rnisulis, Mulai Hamed Beg - gar, hat sich zum Sultan der Djeballahs ausruscn lassen und hat andere Stämme ausgefordert, seine Oberhoheit anzuerken- nen. Zwei andere Führer suchen bei den umliegenden Stäm men gleichfalls an Autorität zu gewinnen. Der alte Rifsührer Sidi Raho hat an die ausständigen Stämme an der Front von Tazza eine Kundgebung gerichtet, in der er zu energischem Widerstand austordert.