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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.06.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110612025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911061202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911061202
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-12
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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Bezug-.Prei» NU »r«v»»ß ««» vis«, »»rch r»)rri Tiüz«« «ad 8»«dU»»r, r«»I tü»ltch In» na», gedrach« « v). «onattt L7V VH. oierletiahr! Bei «al»r» YUiale« » Sn» aadmkilklte« aduedoU 7S BI. «»»all, LLVt» »teneUadrt r««d »t« v»«> »nnerhald Denilihiand» and der deaNchen Kolonie» »«»kleliädkl. ».M Vtt, «onotl. ».AI VI«. a»»s<h! Poltdesiellaeld Krraer ln Dan,mail, den Donaultaatrn, Italien uu^emdira -ttederlaade, Nor wegen Or)leki«lio - Ungarn, Nadland. Schweb«, Schwele » Svanteir In aür» übrigen Staaten «ar dtrekr durch dt« <l>e>chütr»ü«ll» de» Llaue» ertzäMtS» Da» t!«lvt>ger DagedlaN «richetat »«al »aglrch Sonn- » ^erenag» »a« morgen». Sdonnemenrr-Sanadtne 2»daaM»g«ll» S, de« anlrren Iragern. AtUale». Svedtteure» »ad Sanadmeftellen, lowi» Poilamlern »ad lvnelträger». Gt«»»t»,rlo»f»vr»»» »Vt. Abend-Ausgabe. MBigrrTagMM get..r»schiHandel dHeiluug. re!.A»schi^!<« Amtsblatt des Nates und des Nolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Pret- tA» Aalerar« aa» ».'««»«>« «nd Umgeb»«, dt» Upalng» PeNterll« SPs. di« Neklamr» »rtle I Mk. von aurwarl» ZO Pt. Neklamen ÜÄIMI.. änlerat« »on P,Haide» im amt. ltchen Teil dt« Petit,etl« LV Pt Gelchaltoan,eigen mit Plagoorlchritten n «a der Sdendauogad« im Preii» erhöht Nabatr «ach Ian( PrUagegevuhr Griamt. aaslag« S Äk p lauiend erti. Pallgeduhr. letldeilag« hoher Feltenetlr« Suilraa« tonnen nridi ^rück gezogen werden Für da» Lrlcheinen an vecklmmren lagen and Platzen wird lern» lliaranti« adrrnommen Snzeigen . Annahme Zohanniogall, S bet iämtlichrn Filialen «. allen Ännoncea« Erveditlonea de» Zn. and Äu»lande» Vra« «a» veela» »e« v»i»,lge» Lage» blatte« S Pol«. Snhaver Paal Nitriten Medaktion on» tSevtzaltiltel'l! 2odanni»galir ir tzauot - iZitiat« Dees»«»: Eernrak« 1. l (lelevdon «K2r» m. 16 t Monlsg, üeu 12. 3un> lSIl i0S. ZghrgSNg. Die vorliegende Ausgabe nmsaßt 6 Seiten. Grsk poMvmsky Wer I-'vb'i''nosrkfnrm. Auf dem gestern in Leipzig eröffneten Zweiten Deutschen Wohnungslongreß hielt der frühere Staatssekretär des Innern, Graf Posadowsky-Wehner eine bemerkenswerte Rede über Wohnungsreform. Er führte darin fol gendes aus: Wenn Sie mich zum Vorsitzenden Ihrer Versamm lung gemacht Haden, so haben Sie das, wie ich an- »ibtz>«n, .,t t>az »>« oer Hauptsache mit den sozialen Leweggründen Ihrer Tätigkeit, den bedauerlichen Zuständen unseres Wohnungswesens im weitesten Sinn«, ebenso wie mit dem Zwecke Ihrer Bestrebun gen, die säzädlichen MWände auf diesem Gebiete auf gesetzliche m Wege zu bekämpfen, durch aus einverstanden bin. Indem ich Ihnen für dieses Vertrauen danke, bitte ich Sie zugleich mir einige Bemerkungen zu der uns bewegenden Frage zu ge statten, und zwar in knapper Form, welche durch den Umfang unserer Tagung geboten ist. Von den großen Kulturländern Europas hat Deutschland ver hältnismäßig die stärkste Bevölkerungszu nahme. Diese Zunahme drängt sich nach den Städten, und zwar in erster Linie nach den Groß städten. 1816 lebte in Deutschland nur jeder 80. Einwohner in der Großstadt, 1855 schon jeder 33. und 1910 schon mehr wie jeder 5. Welche entscheidend« Umwälzung oer Lebensart und Lebensauffassung unseres Volkes ist in diesen 3 Zahlen verborgen, welä)e Entfremdung von der Natur, und welche Beeinflussung durch eine verfeinerte technische Kultur. Vis zum großen wirtschaft lichen Umschwünge der Kriegsjahre 1866 und 1870 hatten das Volk und die Staatsregierung alle Kräfte anzustrengen, um sich von den Folgen der napoleoni schen Ausplünderung zu erholen. Man war viel zu erschöpft, um Wohlfahrtspolitik zu betreiben; man In Me-rk-intilvalitik und bitte keine Aufmerksamkeit auf di« hygienischen Mangel der zusammengedrängten Vevölkerungsmassen. Erst durch die deutsche Sozialpolitik wurde man gezwungen, sich eingehender mit den Lebensverhältnissen der minderbemittelten Volks klassen zu befassen, insbesondere mit Krankheit und Tod. Dabei entdeckte man und entdeckt noch heute W o h n u n g s z u st ä n d e, die auf den alten Bau- und Verwaltungssünden beruhen. An der Hand der verschiedenen Umfragen der Ortskrankenkassen, Stadt, Missionen usw. zeigte der Referent die unhaltbaren Zustände: Berlin hatte 1905 über eine halbe Million besetzter Wohnungen. Davon hatten nahezu die Hälfte nur ein einziges heizbares Zimmer und ein Siebentel von diesen Wohnungen war noch ohne Küche; über ein Drittel bestand lediglich aus einem heizbaren Zimmer. Nach Dr. Grünspahn waren von 100 Kleinwohnungen sieben übervölkert. Aus den Mängeln des Wohnungswesens ergibt sich weiter, wie die Statistik lehrt, ein Rück gang des Geburtenüberschusses und der weiblichen Fruchtbarkeit. In Berlin betrug der Rück gang der weiblichen Fruchtbarkeit innerhalb von drei Jahrzehnten (1870—1905) mehr als 40 Prozent. Wir scheinen uns in der Tat in den großen Städten dem französischen Z we i k i n de r s y st e m mehr und mehr zu nähern. Auck in der Wehrfähigkeit zeigten sich die Folgen der Mißstände. Der Referent befaßte sich dann mit d«r Heran- zr - f, nno a >« >» 1 n di k ch e . A * b <. i er. Tco.^ eines Zuwachses von jährlich 650 030 Menschen müssen wir ganze Arbeiterheere aus Oesterreich und Italien heranziehen, währeird zu gleicher Zeit in den Groß, städten Arbeitsnoi auftritt. Es zeigt sich bei unserer Bevölkerung eine zunehmende Abneigunggegen schwerere Arbeit. Die Abwanderung der Arbeiter vom Lande nach Len Großstädten spiegelt dies wider; man bevorzugt die leichtere Arbeit. Aber nicht nur die auf ihrer Hände Arbeit an gewiesenen Gesellschaftsklassen sind es, die sich nach d:» sz.6^.-. weite Kreise der besitzende,! Klassen. Es sind also Taujei.Lc, Li^ kein notwendiger Zweck nach den Großstädten drängt. Der fortgesetzte Zuzug nach den Großstädten bringt eine örtliche Ueberlastung, der der Bau von Kleinwohnungen nicht folgen kann. Die minder bemittelte Bevölkerung findet keine ausreichenden Kleinwohnungen oder vermag die emporgeschnellten Mieten nicht zu erschwingen. Wenn man bisweilen liest, daß Tausende von Wohnungen lecrstehen, so sino das meist nicht Wohnungen für die unteren Volksklassen. Der kleine Mann sucht die Ausgaben in seinem Haushalt herabzudrücken, indem er sich mit seiner Familie in den klein st en Räumen zu. sammenpreßt und noch außerdem Zimmermieter annimmt. Diese Umstände müssen zur notwendigen Folge haben die Uebertragung fortschleichender Krank- heilen, verbrecherischer Neigungen und die Unsittlich, keit fördern: es zeigt sich ein Siechtum an Körper und Seele. Das Programm unserer Versammlung stellt sich nun die Frage: Wie bekämpfen wir diese Uebelstände? Die größte Schwierigkeit liegt hier in der un gleichen Verteilung unseres Volkes über die Lande. Diese Ungleichheit kann nicht durch irgend welche Beschränkung der Freizügigkeit aus der Aklt geschafft werden. Eine Regierung, die dazu den Mut hätte, würde sich bald von der Unaus führbarkeit dieser Maßnahme überzeugen müssen. E-? -"'issen dnr'*' -'n ^^hnungsg-f»*' ge wisse M i n d e st f o r d e r u n g c n für die Herstellung von Wohngebäuden aufgestellt werden, eine Polizei« liche Behörde hat Art und Umfang der Benutzung der Wohnräume entsprechend den Forderungen der Hygiene, der Sittlichkeit usw. zu regeln. Ohne der artige Vorschriften würden auch Wohnhäuser für Minderbemittelte von den zuziehenden Volksmassen immer wieder in schädlicher Weise ausgefüllt werden mit Saisonarbeitern usw. In solchen Bestimmungen kann ebensowenig eine Beschränkung der Freizügig keit gefunden werden wie in den landespolizeilichen Vorschriften, die der Verbreitung von Krankheiten Vorbeugen. Ferner ist zu fordern eine ausreichend« Woh nungsaufsicht. Wie nötig das ist, zeigen die Vorgänge in Berlin, wo die Belegung von Dach wohnungen verboten worden ist. Schließlich stellte sich heraus, daß solche Belegungen doch vorgekommen sind. Ein solches Gesetz muß auch Vorschriften ent halten, daß gewißes, in den Bebauungsplan ein gezogenes Gelände nur mit Kleinwoh nungen bebaut wird und die darauf errichteten Häuser auch nur als Kleinwohnungen benutzt werden dürfen. Es ist sozialpolitisch und wirtschaftlich falsch. die minderbemittelten Klassen, deren die besitzenden Gesellschaftskreise fortgesetzt bedürfen, an weit ent fernte Vororte zusammenzudrängen; durch den weiten Weg an die Arbeitsstelle erfolgt ein unver hältnismäßiger Verbrauch von Arbeitskraft. Be schränkende Bestimmungen, die man bei der Fest stellung von Bauvlünen zum Beiten der. D llenbnues erläßt, sollte man gerechtecwefte auch fu? o.'n Bau von Kleinwohnungen anwenden. Dem Zweckverband für Berlin, der bekanntlich Gelände erworben hat zum Bau von Kleinwohnungen, sucht das Herren haus scheinbar die bezüglichen Bestimmungen zu er schweren. Es ist das ein großer Fehler, denn da durch wird man den Zuzug nach den großen Städten nicht verhindern. Die Wurzel Lieser Erscheinung liegt tiefer. Weiter spricht der Redner kür eine Ergänzung der lapidaren Vorschrift über das Erbbaurecht. Es n"-ß di. Mö-k:chk:it -:t «"ft. gem Aufwand Grund und Boden auf lange Zeit hinaus zu erwerben. Meines Erachtens kann man jetzt schon im Wege des Vertrages die Rechte des Grundbesitzes und des Pfandgläubigers in Erbpacht völlig sicherstellen. Reich, Staat, Gemeinde und die sozialpolitischen Versicherungsanstalten haben in die ser Weise sqon groge Flächen zu Erbbau ausgetan, ohne Geldverluste zu erfahren. Diese Maßregeln könnten selbstverständlich nur Arbeitern und gering besoldeten Beamten zugute kommen. Sollte Las Erb baurecht für die große Masse nutzbar gemacht werden, muß das Großkapital hier eine Gelegenheit zur Anle- gung suchen, es müßen sich Erbbaubanken gründen. Was die Wertzuwachs st euer angeht, so mag sie ein« gute Finanzqucll« sein, aber davon, daß hierdurch die Grundstücksspekulation eingeschränkt Verde, kann ich mich zurzeit noch nicht über zeugen. Ich fürchte vielmehr, Laß in Zukunft der MieterauchnochdieseneueBelastungzu tragen haben wird. Die offenen und stillen Gegner der Sozialpolitik, so schloß oer Vortragende, werden nicht zu gewinnen sein für unsere Arbeit; das ist Charakteranlage. Es gibt auch sozialpolitisch freundlich gesinnte Kreise, die gegenüber den mancherlei Anforderungen erschrecken und erklären: man möge aufhören. Das kommt mir vor, als wenn man Ser Industrie, der Landwirtschaft oder dem Handel zurufen wollte, man möchte mit der Handels- und Wirticbnftsvotftik ani- yoren. Mae aie,e u,c>uuung elner solchen Forderung unmöglich wäre, so kann auch nie an Still stand auf dem Gebiet« sozialer Fürsorge ge dacht werden. * Der zweite Deutsche WobnungSkonizrcH. Leipzig, 12. Juni. Der zweit« Deutsche Wohnungskongretz trat gestern in Leipzig zu seinen auf drei Tage berechneten Ver handlungen zusammen. Er zählt etwa 700 Teil nehmer, an ihrer Spitze Len früheren Staatssekretär des Reichsamts des Innern Staatsminister Graf v. Posadowsky-Wehner. Das Reichsantt des Innern vertritt Direktor Lewald, das bayrische Staatsministerium des Innern Ministerialrat Knötzinger, das würtembergische Staatsministe rium des Innern Negierungsrat Neuschler, das sächsische Ministerium des Innern Ministerialdirektor Dr. Rumpelt, das badische Staatsministerium Baurat Stürzenacker. Auch aus dem Auslande sind offizielle Delegierte erschienen, so hat die Stadt Wien ihren Vizebürgermeister Hotz und den Magi stratsrat Ehrenberg sowie den Oberbaurat Hildenbrandt entsandt, auch die österreichisch« Zentralstelle für Wohnungsreform ist vertreten. An der Spitze des Kongresses steht der Vorsitzende der Landesoersiclserungsanstalr der Provinz Hannover Geh. Regierungsrat Lieb recht, dem als stellver- tretende Vorsitzende zur Seite stehen die Professoren Dr Acü.e chi uni. Franckc (Berlin) :>nd La. dr»* Berthold (Llumeittyal). Von Len vielen Behörden und zahlreichen gemeinnützigen Organisationen, die ihr Interesse für die Verhandlungen des Kongresses durch Delegation bekundet haben, seien hervorgehoben die meisten größeren Städte Deutschland, ferner der Deutsch evangelische Frauenbund, der Oiejaiittverband der evangelischen Arbeitervereine, der allgemeine Verband der auf Selbsthilfe beruhenden deutschen Erwerbsgenoffcnschaflen, der Ansiedlungsverein Groß-Berlin, der Eewerkverein der Heimarbeite rinnen, die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der GZchlech^':^.iWnen, das Sociale Mnie>"" Frankfurt, der Gesamlverband der christlichen Gewerk schaften, der Deutsche Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, der Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften, der Verband fortschritlicher Frauenvereine, die Deutsche Garten- stadtgescllschaft, die meisten Landesversicherungs- anstalten, das Deutsche Zentralkomitee zur Be kämpfung der Tuberkulose, di« Internationale Ver einigung gegen Tuberkulose, der Verband der Deutschen Gewerkvereine Hirsch-Duncker, der Volks- verein für das katholische Deutschland, die Zentral kommission der Krankenkassen Deutschlands, der Zen- tralausschuß für innere Mission, der Verein für Hand- lungskommis von 1858 und der Verband mittlerer Reichs-Post- und Telegraphenbeamten. Der Begrützungsabend. Gestern abend nahm in den Gesellschaftssälen de- Zentralthectters der Kongreß mit dem Begrüßungs abend seinen offiziellen Anfang. Im Namen des Organisationsausschusses eröffnete Vorsitzender Dr. Liebrecht den zweiten Deutschen Wohnungskongretz mit einem Hinweis auf die wahre Flut von Kongreffen, die sich in diesem Jahre über das Königreich Sachsen ergießt, aber es gibt Luxus kongreffe und Arbeitskongresse. Alle haben das Be streben, unfern Kongreß zu einem Arbeitskongreß zu machen, wir leisten uns nickst einmal den Luxus theo- retischer f :ol: Praxis für die Praxis arbeiten. Dazu haben sich hier zusammengefunden die Staatsbeamten, die Kom- munalbehörden und die Vertreter aller der Gemein schaften, die sich mit der Förderung des Wohnungs wesens beschäftigen, nicht zuletzt die Vertreter der deutschen Frauen. Es müßte ja sonderbar zugehen, wenn unser Kongreß nicht irgendeinen praktischen Er folg auf dem Gebiete des Wohnungswesens zeitigen würde. Ich kann zuversichtlich hoffen, daß dies der Fall sein wird und erkläre damit den Kongreß für er- öffnet. Ministerialdirektor Dr. Rumpelt: Ich Namen des sächsischen Staatsministeriums heiße ich den Kon greß herzlich willkommen. Die sächsische Regierung teilt die Auffassung, daß die Wohnungsfiirsorge für die Minderbemittelten eine der wichtigsten, vielleicht die wichtigste sozialpolitische Aufgabe der Gegenwart^ ist. Die sächsische Regierung hat sich bereits seit vielen Jahren mit der Wohnungsfrage eingehend be. schäftigt, allerdings mehr auf dem Gebiete der Bau ordnungen. Und sie hat auch schon versucht, Woh nungen zu schaffen. Manches ist geschehen. Allerdings bleibt im Verhältnis zu dem großen Bedarf, der be- Ksu Welt. 19s Roman von Erika Riedberg. «Nachdruck verböte«.) Er suchte die Verkörperung der Schönheitsvoll- endung v'. 3): ec e. ..luiastc seine Küniueraugen bis zur Trunkenheit an ihr — und schrankenlos war sein Dank, als sie ihm in einer wahrhaft großen Auf wallung die Pracht ihre: Glieder zu seinem Werke lieh. Sie, die an Ateliers gewöhnt war, deren Luxus sprichwörtlich und berühmt geworden, die nur für di« größten Meister zu „haben" war, wie sie lächelnd zugab — sie kam den endlosen Weg zu ihm in sein elendes, kleines Gelatz. Und hier ward in aller Heimlichkeit das Werk begonnen, an dem sein« Zu kunft hing. Seitdem war Eberhard mit seinem Fühlen und Denken nicht mehr auf der Erde. Er lebte nur noch durch Sidonie, in ihr, di« ihm seine Kunst selbst war. Jede Anforderung des Alltags war ihm wie ein Anruf, der ihn mit beinahe körperlichem Schmerz aus seinem Rausch ritz. Er ward blatz und Hoger. Seine Züge drückten eine fast grausame Härte des Willens aus. Seine ganze Wesensart trug in dieser Zeit inner lich und äußerlich den Stempel einer Etstas«, die mit jedem Pulsschlag spricht: „Dir hab« ich mich mit Leib und Seele in die Arme geworfen — töt« mich — wenn ich nicht siegen kann." Peter Hochauf sah immer länger seinem Arbeiten zu. Meistens war ein freudiges Anerkennen in sei nem Blick, oft aber auch eiste Besorgnis. „Mehr Ruhe? Mehr konzentrieren!" sprach er leise. „Geduld, Eberhard! Alles will seine Zeit — auch das Können und der Erfolg." Geduld! Hohn schrie in seiner Seele. „Mit dem selben Rechte predige sie dem Reiter, der auf rasendem Rosse dem Ziel entgegenjagt." Sein heimliches 3V«rk und die Helferin dazu — darüber hinaus ging kein Gedanke, kein Herzschlag — Weit, weit in der Ferne versank Erdmuthes Bild — und alles, was er von Frauenliebe wußte. Gläserklirren, Lachen und der Gesang einer schö nen Männerstimme drang aus Cidonies Salon auf den Vorplatz hinaus. Betty, ein nettes junges Ding, dr« Tochter der Hauswirtin, kam mit einer Platte kalter Speisen aus der Küche. Sie setzte ihre Last nieder, um Eberhard beim Ablegen zu helfen. „Die Herrschaften sind alle schon lange da", sagte sie vorwurfsvoll. Eberhard beachtete sie gar nicht. Er horchte auf den Gesang — das mutzte doch Felix' Stimme sein —? Und doch war's nicht denkbar — der hier — Die Ilnr^rftorenheit konnte er unmöglich haben. Nie würde sich Sidonie das bieten lassen. Nach sol chen Beleidigungen — gewiß nicht. Weit hielt ihm dos kleine Mädel die Tür offen — sie wußte genau, was ihrer Herrin dieser East bedeutete und da sah er denn wirklich seinen Bruder vor dem Klavier sitzen — neben ihm Sidonie. Einige Herren und eine junge, sehr hübich« Schau spielerin saßen um den mit Gläsern und Blumen ge schmückten Tisch. Stumm blieb Eberhard auf der Schwelle. Musik, Lichterglanz, schwerer, schwüler Blumen dust, Schönheit, ter leise Hauch einer kaum merkbaren Fessellosigkeit — lud nicht dies ganze durch Schönheit veredelte Bild ein zu mitreißender Freude, jauchzen der Lust? Sidonie kam ihm entgegen. Sie trug ein loses, langschleppendes, purpurrotes Gewand, besetzt mit Borden von dunklem Lila und Gold — Hals und Arme entblößt, ohne jeden Schmuck. Nur im schwar zen Haar schaukelte sich eine schillernde Agraffe. Sie war das schönste Weib — ein Geschöpf, das den Mann toll und sinnlos, zum König oder Sklaven machen kann. Und sie wußte das. Nie war ihr Lächeln locken der, ihr Blick berückender gewesen — — Hätte sie jenen dort am Tisch dies Lächeln geschenkt, jede Fiber hätte sie in ihnen in Aufruhr gebracht. Zum ersten Male stand sie als Weib, nur als siegendes Weib vor Eberhard Er sah das selt ¬ same Flimmern ihrer Augen, er spürte den Hauch des Bacchantischen, der sie wie ein betäubendes Par füm umwehte — und er wich innerlich vor ihr zurück wie vor etwas Feindlichem Als hätte sie ihm in dieser Minute etwas geraubt, in ihm ver nichtet. Edles schien ihm von ihr abgefallen, ihre Götter schönheit, die sie in den yeiligen Dienst der Kunst gestellt, entweiht, da sie sie zu den kleinen Eitelkeiten des Wribes herabwürdigte Die lockendste Botin einer Welt voll von taumeln der Lust, voll Sinnenrausch und lechzender Eenutzgier war sie heute. Gefüllt di« Hände mit Blumen, rot di« Lippen, Verheißung in den Augen würde sie glühendes Ent zücken spenden — in dieser Stunde — um in jener weiterzuziehen wie Wind und Wolken und Wellen und das selig unselige Opfer zurücklassen in Schmerz und Sehnen, erbarmungslos lächelnd über seine Qualen. Schön war diese Welt, schön wie die Sünde — aber sie war nicht die seine, konnte die seine nicht werden. Nie könnte er ihr Abbild mit Flitter und Tand behängt beim Bacchanal im farbcnflammenden Fest saal entweihen — licht und rein, in weiter feierlüher Temvelhalle stand es ihm, schweigend und wissend. Als spüre Sidonie, was sie ihm eben angetan, daß er in dieser Sekunde begann, sich von ihr zu lösen, glomm in ihren Augen ein Funkeln wie Rache auf. Sie kannte diesen eisernen, beinahe grausamen Zug äußerster Willensfestigkeit an ihm. Sie wußte, trug sein Antlitz den Ausdruck, dann war etwas in ihm fertig geworden, und kein Gott änderte seinen Beschluß. Nicht für das praktische Leben brachte er diese Kraft auf, da war er weich, unerfahren, verträumt wie ein Kind — aber alles, was an die Heiligkeit seiner Kunst rührte, machte ihn unerschütterlich hart. Und deshalb, als sie so stumm und feindlich Auge in Auge standen, begriff sie: Nie hatte er in ihr das Weib gesehen — nur die Helferin zum höchsten Ziel als Künstler. Blitzschnell, wie ein glühendes Zucken flog ihr die Erinerung an Erdmuthe Wald durch das Herz und brachte wie eine wilde Welle di« bittere Erkenntnis mit: Sie ist ihm das Weib — i ch das Modell Und vieles, was Sidonie Feuren in ihrem raschen, heißen Leben an Männerherzen verbrochen, büßte sie in diesen Minuten ab. Aber ihr ohnmächtiger Grimm machte sie nicht willens, ihre Schulden zu bezahlen. Es mochten Sekunden oder Minuten vergangen sein, indessen diese Gefühle über ihre Seele jagten, wie Wetterwolken über aufgewühlte dunkle Flut. Felix war zu ihnen getreten, begrüßte seinen Bruder höchst unbefangen und warf Sidonie ein Witzwort zu, als seien sie die besten Freunde. Eberhard schoß das Blut zu Kopf. „Sidonie —, wie konnten Sie ihm wieder Zutritt gewähren —?" Sie hob gleichgültig die Schultern. Zum ersten Male sah er den Zug zynischen Leichtsinns um ihren Mund fliegen. „Gott, weshalb denn nicht? Wir haben uns längst gegenseitig verziehen. Der eine kommt, der ankere geht — und wer Lust hat wicderzukommen, den setz' ich nicht raus." Sie wandte sich von ihm ab, ihren Gästen zu. Und nun schien sie ein förmlicher Taumel zu packen. „Herrgott, was ist das heute für eine Stimmung? Hier trinkt — und dann singt!" Sie war dämonisch, zum Unsinnigwerden schön, wie sie den schäumenden Kelch an die Lippen hob und ihn, den wundervollen Hals ein wenig zurückgebogen, in durstigen Zügen leerte. Die Augen noch empor auf die Lichterkrone ge heftet, setzte sie das Glas nieder — leise klirrend brach der Fuß — Sie blickte blatz und wie verstört eine Sekunde auf die Scherben — dann nahm sie den unversehrt gebliebenen Kelch und warf ihn leicht gegen den Bronzefutz des Tafelaufsatzes — wie feines Singen verklang das Zersplittern des Kristalls — und sie schauerte, trotz der warmen, duftschweren Lust, fröstelnd zusammen — — dann «in Aufraffen, ein Dehnen der geschmeidigen Glieder. „Klirr-n und splittern soll's heute um mich — lachen und tosen — und singen —" Sie packle Felix' Arm „Geh, spiel mir mein Lied — Das Lied des Meisters, der Geist ist von meinem Geist!" Und nun rauschten vom Klavier her die funkeln den, glühenden Melodien — und Sidonie stand am Tisch, hob den Kelch und blickte Eberhard mit lodern den Augen gerade in das Gesicht Und in des Spielers Gesang mischte sich ihre leidenschaftliche Stimme: „Auf! Hebe die funkelnde Schale empor zum Mund Und trinke beim Freudenmahle dein Herz gesund. Und wenn du sie hebst, so winke mir heimlich zu — Dann lächle ich und dann trinke ich still wie du " Wie der Traum glühendster Phantasie war's. Elektrisierend, fortreitzend — wohin — wozu —? (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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