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Nr. L53. Ltiprt«. u,lich. Preis »tnkljthrlich 7«. »Pf. Jed« «k«kl»k N»mmn DtüWc Mgtllitinc ZÄMg. »Wahrheit uod Recht, Freiheit »ad Sesetzl» Mittwoch, 29. October 187». InstrMe p»d «» »k «rpe»ltt«a «» M fried«. 2»srrll«»»,t»»tzk PK »k L».lkiicil« r» Pf., »»kr «k»ef-»di »o Pf. j ' NachadouuemeutS für die Monate November und December werden von allen Postämtern des Deutschen Reiche- und der Oesterreichisch Ungarische» Monarchie sowie sür Leipzig von der Expedition der Deutschen Allgemeinen Zeitung in Leipzig (Querstraße Nr. 29) zum Preise von 5 Mark angenommen. Bou auswärts können NachabounemeutS für diese Zeit auch direkt bei der Expedition erfolgen zum Preise von 6 Mark und ist dieser Betrag franco einzuschicken, woraus die Zusendung jeder Nummer unter fraukirtem Kreuzband geschieht. Angesichts der in diese Monate salleuden Verhandlungen des preußischen und sächsischen Landtages wird zu zahlreicher Bethriligung a» diesem Nachabonuement aufgefordert. Telegraphische Depeschen. *Lerlin, 27. Oct. Sr. Maj. Kanonenboot Nautilus, vier Geschütze, Commandant Kapttän- lieutenant Chüden, ist am 20. Sept, auf der Reise nach Sydney in Batavia eingetroffen. Sr. Maj. GlattdeckScorvette Prinz Adalbert, 12 Ge schütze, Commandant Kapitän zur See Mac-Lean, traf am 26. Aug. in Wladiwostock ein, ging am 1. Sept, in See, ankerte am 6. Sept, im Hafen von Hako- dade, verließ diesen Hafen am 11. Sept, und ist am 17. Sept, in Iokuhama eingetroffen. Sr. Maj. Kanonenboot Cyclop, vier Geschütze, Comman dant Kapitänlieutcnant von Schuckmann l., ist am 28. Aug-, von Nagasäki kommend, in Hakodade einge troffen. Sr. Maj. GlattdeckScorvette Freya, acht Geschütze, Commandant Corvettenkapitän v. Hippel, ist am 26. Oct. von Wilhelmshaven, auf der Reise nach der Westküste Südamerikas, nach Plymouth in See gegangen. *Wien, 27. Oct, Der heutigen Sitzung des Herrenhauses wohnten die Erzherzoge und die kirchlichen Würdenträger bei. Nach Verlesung der Adressen der Majorität und der Minorität wurde, da zur Generaldebatte niemand das Wort ergriff, sofort in die Specialdebatte eingetreten. Die beiden ersten Absätze des MajoritätSentwurfes werden ohne Debatte angenommen. Zum dritten Absatz betreffend den Ein tritt sämmtlicher czcchischer Abgeordneten in denReichs- rath erklärte der Ministerpräsident Taaffe, daß der selbe nicht ganz mit der Thronrede zu vereinbaren sei; die Regierung wünsche, daß die Verfassung nicht blo« auf dem Gesetz beruhe, sondern auch in dem Herzen der Völker Wurzel fasse, er wünsche cine gemeinsame/ Adresse zur allseitigen Versöhnung. Der Abg. Hübner beantragte infolge dessen ein bezügliches Amendement, worüber der Ausschuß auch sofort in Berathung tritt. Nach Wiederaufnahme der Sitzung erklärte der Be richterstatter der Ausschußmajorität, daß keine Ueber einstimmung zwischen beiden Parteien zu erreiche» ge wesen. In der nun folgenden namentlichen Abstim mung wurde darauf das Amendement Hübner's mit 78 gegen 59 Stimmen abgelehnt und die Abreffe der AuSschußmajorität mit der Einschaltung eines Absatzes über das Wehrgesetz on dloo angenommen. *Wien, 27. Oct. Herrenhaus: Die bereits signalisirte Erklärung des Ministerpräsidenten Grasen Taaffe bei Berathung des Alinea 3 des Adreßent- wurfes der Majorität lautet: „Beide Adreßentwürfe, welche hier vorgelegt wurden, beurkunden den altösterreichischen ? > > - > » Leipziger Stadttheater. <A Leipzig, 26. Oct. Ein sehr zahlreiches Publi kum, sodaß das Neue Theater nahezu ausverkauft schien, sah am gestrigen Abende mit großer Spannung der Vorstellung eines neuen Trauerspiels, „Die Hexe" betitelt, von Arthur Fitger entgegen, eines DramaS, welches seine Aufführung in unserm Stadttheater in erster Hand dem hiesigen Lessing-Vereine zu danken hat, welcher das Drama würdig befunden, es zur Aufführung in Vorschlag zu bringen. Sowol dieses Zeugniß eines Vereins, dessen Bestrebungen auf die Pflege der dramatischen Muse im Geiste Lessing's ge richtet sind- wie auch die bereits bewährte Leistungs fähigkeit des Dichters auf dramatischem Gebiete bürg ten dafür, daß man zum mindesten etwas Gutes zu erwarten batte. Der Inhalt des fünfactigen Trauerspiels ist kurz folgender: Thalea v. Haidebrook, eine reichbegüterte Jungfrau, hat nach dem spurlosen Verschwinden ihres von ihr todt geglaubten Bräutigams, Edzard v. Wiarda, in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges sich un ter der Leitung eines jüdischen Gelehrten, Simeon, den Wissenschaften ergeben und sich in so auffallender Weise von den Gewohnheiten ihres früher» Lebens getrennt, daß ihren ostfriestschcn strenggläubigen Lands leuten sehr bald allerlei Bedenken aufsteige», die sich im Verlaufe der Zeit zu der unheilvollen Ansicht stei gern, Thalea sei eine Hexe. Da dringt plötzlich in die einsamen Mauern de» Schlosse», welche« Thalea nur mit einer anmuthigen jünger» Schwester, Almuth, bewohnt, Vie überraschend« fteudig« Kunde, e» sei Friede Patriotismus, der immer in diesem Hause vorgewaltet hat. Beide Adreßentwürfe geben Zeugniß von der unwandel baren Ergebenheit für die erhabene Person unsers heißge liebten Kaisers und Herrn. Beide Adreßentwürfe schließen sich im großen und ganzen den Anschauungen der aller höchsten Thronrede an; beide Adreßentwürfe erklären, mit Wohlwollen die Vorlagen, welche die Regierung in Aussicht gestellt hat, der Berathung und Prüfung unterziehen zu wollen; nur das Alinea de« »dreßentwurfeS, welches zur Berathung steht, kann nicht vollständig mit den Anschauungen der allerhöchsten Thronrede in Einklang gebracht werden. Die Regierung Sr. Maj. de» Kaisers, die nicht blos auf dem Boden der allerhöchst sanctionirten Verfaffung steht, sondern ihre Aufgabe auch darin erblickt, die Verfassüng zu kräftigen und zu stärken dadurch, daß sie die Möglichkeit anbahnt, daß die Verfassung sich nicht blos aus ein Gesetz stütze, sondern auch in den Herze» der Völker und Na tionen Wurzel fasse (Bravo I), hat es versucht, die Abgeord neten des Königreichs Böhmen, welche bisher den Verhand lungen des Reichsrathe« fern standen, heranzuziehen und es ihnen zu ermöglichen, den gemeinsamen Boden des ReichS- rathes zu betreten. In Alinea 3 der allerhöchsten Thron rede wird die Thatsache constatirt, daß die Abgeordneten des Königreichs Böhmen, die früher den Verhandlungen fern geblieben, unbeschadet ihrer Rechtsüberzeugung, unge achtet der Verschiedenheit ihrer Anschauungen vollzählig den Boden der gemeinsamen Verhandlungen betreten haben, und es wird in diesem Alinea der zuversichtlichen Hoffnung Aus druck gegeben, daß cs bei allseitiger Mäßigung und gegen- seitiger Rechtsachtung gelingen werd«, der Verfaffung die allseitig freudige Anerkennung der Völker zu sichern. Will man nun die Versöhnung und Verständigung, die in der allerhöchsten Thronrede so herzlich betont ist, will man die selbe anbahnen, so muß man alles fern halten, was trennt, und dasjenige suchen, was vereint. (Bravo!) Nur dann ist es möglich, den Aufgabe» gerecht zu werden, welche die Thronrede gestellt hat. Ich glaube daher, daß mit einer kleinen Aendcrung des in Frage stehenden Alinea die Mög lichkeit vorhanden ist, .daß alle Mitglieder des hvh«n Hauses, die ja miteinander dü'rch di« Hiebe zu Karser und Reich un löslich verbunden sind, sich altch werden vereinigen können zu einer gemeinsamen dem Wohle des Reiches gewidmeten Adresse. Da ich die Ehre habe, Mitglied des hohen Hauses zu sein, so werde ich selbstverständlich gegen dieses Alinea stimmen." Bei der Abstimmung über alle Alineas des Adreßentwürfe« (ausgenommen Alinea 3) und sodann bei der dritten Lesung stimmte der Ministerpräsident für den Adreßentwurf der Majorität. , * Wien, 27. Oct. Meldungen der Politischen Cor- respondenz. Aus Mostar vom 27. Oct.: „Derher- zegowinaer Aufrührer Spaic ist in Krivoscie durch Gensdarmen gefangen genommen worden." — Aus Konstantinopel: „Der montenegrinische Gesandte Radonic hat von der Pforte die formelle Zusicherung erhalten, daß die Uebergabe von Gusinje und Plava demnächst stattfinden solle. In gleichem Sinne soll auch der dortige türkische Befehlshaber In structionen erhalten haben." " I """"" ' —— i— und Edzard kehre an der Spitze seiner Kampfgenossen glücklich heim. Edzard sieht seine geliebte Thalea wie- der, bemerkt aber sofort, daß sie in der langen Ab wesenheit eine ganz andere geworden, und erkennt nur in der jünger» Almuth das leider zu treue Ebenbild seiner früher» Thalea. Mit diesem Hinweis« auf einen zweiten Conflict schließt der erste Act- Thalea be merkt die bis zu einem glühenden LiebeSgeständniffe emporkeimende Neigung ihrer Schwester und ihres Bräutigams und ist entschlossen, ihr Glück sich nicht rauben zu lassen. Bei dem Gange nach der Kirche jedoch versagt ihr die Kraft, diesen Entschluß durch- zuführcn. Das Volk aber sowol das protestantische wie das katholische, von einem Jesuiten zu vereinig tem Vorgehen und zur höchsten Wuth gegen die Hexe aufgestachelt, glaubt in der Weigerung Thalea'», die Kirche zu betreten, einen neuen Beweis von ihrer Hexerei zu haben. Lubbo, der Wachtmeister Edzard'S und von diesem einst aus Lebensgefahr gerettet, for dert die „Hexe" auf, auf die Heilige Schrift ihre Un schuld zu beschwören. Thalea zerreißt jedoch die hei ligen Blätter und fordert Gott auf, sie für diesen Frevel, wenn eS einer sei und wenn er e« vermöge, zu strafen. Der Stein, mit welchem Lubbo nach die ser Lästerung die Hexe tödten will, trifft die Schwester Almuth. Die dadurch im Volke hervorgerufene Be troffenheit benutzt Edzard, um sich mit den Frauen in die Burg zu flüchten. Die Belagerung derselben durch daS empörte Volk bringt un» der fünfte Act. Almuth ist nur verwundet, ist jedoch in Gefahr, in dem beschaffenen Schlöffe zu verbrennen, wenn sie nicht gerettet wird. Um diese Rettung zu erkaufen, ist * Bukarest, 27. Oct. In einer der nächsten Sitzungen der Dcpulirtenkammer wird die Regierung derselben einen Entwurf über die Verstaatlichung der Eisenbahnen zur Annahme vorlegen. Die Verantwortlichkeit der Parteien. -Leipzig, 28. Oct. Die National-Liberale Corre- spondenz bringt in ihrer neuesten Nummer einen Ar tikel: „Die national-liberale Partei am Beginn der LandtagSscssion", worin es gleich im Eingänge heißt: Die Situation der national-liberalen Partei ist gegen früher erheblich vereinfacht. Solange diele Partei infolge ihrer numerischen Stärke die . ausschlaggebende" war, lastete aus ihr in der That eine erhöhte Verantwortung, eine Ver antwortung, welche ihr politisches Handeln um so mehr erschwerte, als sie einerseits bei all ihrem Uebergewicht in mitten der Parteien doch nicht unmittelbar über die Majo rität verfügte, andererseits in dem Fürsten Bismarck sich einem Factor gegenübersah, dem gegenüber parlamentarische Majoritätsbeschlüsse unter Umständen ohne jede Praktische Bedeutung blieben. Kurz, die außerordentlichen Schwierig keiten, welche der national-liberalen Partei gerade durch ihre „ausschlaggebende" Stellung bereitet wurden, liegen aus der Hand. Heute ist sie — dank den schweren Ver lusten, welche sie in den Wahlen erlitten — von diesen Schwierigkeiten befreit. DaS Thema von der „Verantwortung" der national liberalen Partei spielt seit lange in den Spalten der National-Liberalen Corrcspondenz eine große Rolle. Dabei wird aber diese Verantwortung hingcstellt wie etwas, was die Partei und jedes ihrer Mitglieder al« eine Last empfinden und daher leichte» Herzen» auf geben müßte. Wir haben nun freilich von der Ver antwortlichkeit sowol der einzelnen Abgeordneten al« der Gruppen oder Fractionen in einem Parlament' eine wesentlich andere Vorstellung. Uü« erscheint die selbe als die Summe aller parlamentarischen Pflichten, wie des einzelnen, ebenso, und noch mehr, einer Partei. Gleichviel, ob in der Majorität oder Minorität be findlich, muß jeder Abgeordnete und muß jede Partei alles daransetzcn, nicht bloS, um im einzelnen solche Beschlüsse zu verhindern, die für das Ganze unheil voll erscheinen, und solche zu fördern, die dem Ganzen Nutzen versprechen, sondern auch, um die ganze par lamentarische Situation so zu gestalten, daß die Ueber- zeugungen, zu denen sich der einzelne Abgeordnete und seine Partei nach bestem Wissen und Gewissen bekennt, womöglich zur Geltung gelangen und dem Vaterlande Frucht tragen. ES mag ja mitunter äußerst bequem sein, sich als Minorität zu fühlen und so jede „Verantwortung" Thalea bereit, sich den Gerichten und, waS dasselbe für jene Zeit sagen will, dem Tode zu überliefern. Diesen Vertrag schließt Thalea mit Lubbo und dem Jesuiten, welche sich, während die Vcrtheidiger der Burg unter Führung Edzard'S einen Ausfall gewagt haben, Eingang in die Burg verschafften. Plötzlich ertönt der Ruf: Sieg! Da jzieht Lubbo einen Dolch und stößt sein Opfer, damit eS ihm nicht wieder entrissen werde, nieder. Die erste Frage, welcke man im Hinblick auf diese» Stoff, vor allen auf seinen tragischen Ausgang, anf- werfen könnte, ist wol die: was ist Thalea'S tragische Schuld, was erheischt ihren Untergang? In dem Entschlusse der „Hexe", ihr bereits verlorenes Liebes glück zum Unheil zweier anderer ertrotzen zu wollen, womit der dritte Act auf dem Gipfelpunkte der Hand lung in wirksamster Weise schließt, glaubten wir mo mentan eine moralische Schuld erkennen zu müssen, aber der Dichter belehrt un», und bezüglich deS durch aus edel gehaltenen Charakters der Thalea mit gutem Grunde, bereits zu Beginn des vierten Acte» in der Entsagung der Thalea eines andern. Auch daß der Dichter in der zumal für jene Zeit unerhörten Kund gebung Thalea'S von ihrer Freigeisterei eine Schuld ge funden habe, dürfen wir nicht annehmen, denn dadurch würde eineStheilS der Charakter Thalea'S überhaupt von Anfang an schuldbeladen erscheinen, anderntheils aber das Richtcramt über diese eminente Schuld durch fanatisirte Bauern durchaus unwürdigen Händen über lassen worden sein. Daß der Dichter jedoch die GotteS- leugnung der „Hexe" in so schrankenloser Weise ge steigert, daß einem selbst bei freier Anschauung Be-