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reiöeMIitBqE Md Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen nnd Müschen Behörden zn Freiberg and Brand. Verantwortlicher Redaktenr Julin» Brann in Freiberg. - > . , , . , 33. 2»hr,«»a. .. > -» /» N N /» Ericheml geben Wochentag Abend« 8 llyr mr den g » Inserate werden btS Bormittag« 11 Uhr angenom- l - M 14v. I Dicnstag, de» 28. Juni. I 1881. Wetter-Prognose für Dienstag, dm 28. Juni: Veränderlich, Temperatur wärmer, zunächst trocken, später Eintritt von Niederschlägen in Aussicht. Abonnemtllts-Einladang. Indem wir das geehrte Publikum zum Abonnement auf das mit dem 1. Juli beginnende 3. Quartal des „Freiberger Anzeiger und Tageblatt" höflichst einzuladen uns erlauben, bitten wir, die Bestellungen auf das Blatt rechtzeitig machen zu wollen, damit wir vollständige Exemplare liefern können. In Freiberg selbst werden Bestellungen angenommen: in der LxpecklU«»», Rinnengafse 96^., und den nach genannten Ausgabestelle«: ^ruxust Mtitzuergasse, Annabergerstrafze, » Ecke der äutzerm Bahnhofstrasze, «UStSV ^Velcksuer (früher Neuber L Engelschall Nachf.) Erbischestratze, » Obermartt, Hieoitur 81ÜILULI-, Weiugasse ««d lleineBomgaffe, > r Neugasse. Auswärts bei: Lrust Kaufmann in Erbisdors, für Brand, ErbiSdorf, Linda, St. Michaelis. LckusrS Einnehmer in Oberlaugeuau, für Ober- u. Niederlaugmau u. KleiuhartmauuSdorf. Vvutsvttvv, Gemeindevorstand in Halsbrücke, für Halsbrücke, ConradSdorf, Krummenhennersdorf, Sand und Tuttendorf. LckusrS 8«ttel»evt, Schnittwaarenhändler in Laug- Hennersdorf, für Langhennersdorf und Seifersdorf. Außerdem nehmen sämmtliche kaif. Postanstalten Be stellungen an. Der Abonnementspreis beträgt pro Quartal 2 Mark 25 Pf. Inserate finden durch den „Freiberger Anzeiger und Tageblatt" die weiteste Verbreitung und betragen die Gebühren für die Spaltzeile 15 Pfennige. Die Expedition Les „Freiberger Anzeiger." Tagesschau. Freiberg, 27. Juni. Es ist an dieser Stelle wiederholt auf die Nothwendig keit auswärtiger Kolonien fürs deutsche Reich hinge- wicsen worden. Die Stimmen mehren sich, welche diesem Verlangen Ausdruck geben. Es liegen uns heute zwei Schriften vor, mit denen wir unsere Leser bekannt machen wollen. Zunächst ein Buch des vr. Stöpel über „Die freie Gesellschaft", worin der Verfasser im Schluß- Kapitel den politischen Parteien heftige Vorwürfe über die von ihnen geübte Todtschweigung der brennendsten Fragen macht. Er sagt u. A.: In den politischen Parteien, gleichviel ob sie sich konservativ oder liberal nennen (in den letzteren vielleicht noch mehr als in den ersteren), scheint der soziale Gedanke vor der Bornirtheit des Jnteressenstandpunktes immer mehr zurückzuweichen ; und Mancher, der seine Gegner Sozialaristokraten nennt, ver dient selbst diese Bezeichnung nicht weniger. Soviel ist sicher, daß der Liberalismus in Deutschland seit 1848 an wirklichem Freisinn, an sozialen Gedanken arge Einbuße erlitten hat. Viele lebensfähige Paragraphen der deutschen Verfassung vom 28. März 1849 — wir erinnern nur an 8 170 — viele hochherzige Anregungen der National versammlung, wie z. B. die auf innere Kolonisation ab- zielcnde, die sich mit unserem Gedanken des Rechts auf Arbeit berührt — schlafen einen Todesschlaf. Die zweite Stimme läßt sich in der Lindau'schen „Gegenwart" vernehmen. Vor 233 Jahren, schreibt dort B. Westerkamp, wurde in den Stäoten Osnabrück und Münster der Westfälische Friede abgeschlossen. Er beendete einen 30jährigen Glaubenskrieg, der Deutschland unsäg liches Elend, grauenhafte Verwüstung und 2 Jahrunderte nationaler Zerrissenheit und Ohnmacht gebracht hat. Er löste die frühere Verbindung mit den Niederlanden, zu beiderseitigem Nachtheil, — zu unserm Nachtheil, denn wir haben mit den Niederlanden unsern Antheil an der See- und Weltherrschaft verloren; zum Nachtheil der Niederlande, denn allein in Deutschland hätten sie das zur dauernden Aufrechterhaltung ihrer See- und Welt herrschaft erforderliche Hinterland finden können. Die so erfolgreiche deutsche Kolonisation des Mittelalters, welche uns namentlich die Mark Brandenburg gegeben hat, also der Keim desjenigen Staates, von dem unsere nationale Wiedergeburt ausaegangen ist, war zu Ende. So lange Deutschland lediglich ein geographischer Begriff war, so lange unsere nationalen Verhältnisse der festen Ordnung entbehrten, war uns die Kolonisation, die Ausbreitung der Kraft und Herrlichkeit des deutschen Namens in Land strichen jenseits des Meeres, verschlossen- Alle Kräfte mußten gesammelt und ausgespart werden für die nächste dringendste Aufgabe: unsere nationale Einheit. Erst als in unseren Tagen ernstlich und schließlich mit Erfolg die nationale Einheit angestrebt wurde und es sich darum handelte, ein Programm dessen aufzustellen, wozu wir die nationale Einheit verwenden wollten, konnte und mußte die Auswanderung und Kolonisation die Aufmerksamkeit der Patrioten auf sich ziehen. Die Frankfurter Reichs verfassung vom 28. März 1849 überweist in § 136, in dem Abschnitte, welcher von den Grundrechten des deutschen Volkes handelt, die Auswanderungs-Angelegenheit dem Schutze und der Fürsorge des Reiches. Der (äußeren) Kolonisation wird noch nicht gedacht- erst der preußische Entwurf zur Reform der Bundesverfassung vom 10. Juni 1866, welcher unmittelbar vor Ausbruch der deutschen Krisis des Jahres 1866 veröffentlicht wurde, nennt neben der Auswanderung auch die Kolonisation. Aus diesem Entwürfe ist hervorgegangen die Bestimmung unserer Reichsversassung im Art. 4, Z. 1 am Ende, wonach die Zuständigkeit des Reiches sich auch auf die (äußere) Ko lonisation und die Auswanderung nach außcrdeutschen Ländern erstreckt. Bei Berathung dieser Klausel im kon- stituirenden Reichstag wurde hervorgehoben, daß es sich in erster Linie um' den Erwerb von Flottcnstationcn handle, aber der Bundeskommissar machte folgenden Zu satz: „Wir können unmöglich schon jetzt dem vorgreifen, ob nicht Seitens der Regierungen einerseits oder des Reichstags andererseits, d. h. Seitens der öffentlichen Meinung, die ihren Ausdruck im Reichstage finden wird, das Bedürfniß geltend gemacht wird, in dieser oder jener Form das Kolonisationswesen zu ordnen oder selbst an- zuregcn." Also die Kolonisationsfrage ist Vorbehalten, so wohl den verbündeten Regierungen, als auch der öffent lichen Meinung und ihrem legitimsten Organe, dem Reichs tage des deutschen Volkes. Ist die Zeit für deutsche Ko lonisation noch immer nicht gekommen? Im Bundesrath ist am Sonnabend Alles glatt abge gangen, wie man es erwartet hatte: der Hamburger Zollanschluß-Vertrag wurde genehmigt und das Ün- fallgesetz abgelehnt. Gleich nach Annahme des Ver trages beantragte der hamburgische Bevollmächtigte den Anschluß auf Grund des Art. 34 der Verfassung und dieser Antrag wurde unverzüglich angenommen und die Ausschüsse für Zölle und Steuern, Handel und Verkehr und für Rechnungswesen beauftragt, Vorschläge wegen des Vollzugs zu machen. Wir wollen nicht unterlassen, gleich hier darauf aufmerksam zu machen, daß der von Hamburg auf Grund des Art. 34 beantragte Anschluß von großer Tragweite ist und daß infolge desselben — da er ein selbständiger und endgiltiger Akt war — Hamburg auch dann Mitglied des Zollvereins bleiben wird, wenn der Reichstag durch Nichtbewilligung der von ihm zu fordern den Gelder den Zollanschluß-Vcrtrag illusorisch machen sollte, was allerdings kaum anzunehmen ist. Die Ableh nung des Unfallgesetzes betreffend, so hoffen die offiziösen Blätter auf einen großen Wahlsieg des Fürsten Bismarck und erwarten die Votirung des Gesetzes durch den neuen Reichstag nach der ursprünglichen Vorlage derRegierung- Ob diese Hoff nung in Erfüllung gehen wird, ist freilich noch sehr die Frage. — Der Reichskanzler Fürst Bismarck befindet sich in so leidendem Zustande, daß seine Abreise auf ganz unge wisse Zeit verschoben ist. Den Grund zu der erneuten Erkältung gab ein längerer Spaziergang, den der Fürst in seinem Parke vor wenigen Tagen unternahm, wobei er sich länger im Freien aufhielt, als sein der größten Schonung bedürftiger Gesundheitszustand es gestattet. In den letzten Tagen waren die Schmerzen so bedeutend, daß der Reichskanzler auf der Chaiselongue liegen und sich sogar beim Unterzeichnen der dringendsten Aktenstücke von seinen Beamten die Hand führen laffen mußte. Die letzteren haben ihre Urlaubsreise deshalb auch aufschieben müssen, bis der Zustand ihres Chefs diesem selbst diese Erholung gestatten wird. — In politischen Kreisen hat das Verfahren des neucrnannten Ministers des Innern, Herrn v. Putt- kamer, welcher durch die offiziöse Publizistik aus drücklich erklären läßt, daß er zur Veröffentlichung seines als Oberpräsident von Schlesien über die Selbstver- waltungsgcsetzc abgegebenen Gutachtens im Reichs-An zeiger vorher die Erlaubniß des Fürsten Bismarck einae- holt habe, großes Befremden erregt. Wenngleich eine solche Praxis bezeichnend ist für die Auffassung, welche jetzt in preußischer Staatsminister von der Würde und Selbständigkeit seines Amtes hat, so ist sie doch in Preußen neu. Bisher pflegten derlei offizielle Publika tionen entweder auf die alleinige Verantwortlichkeit des betreffenden Ressortministers zu erfolgen, oder wenn sie größere Bedeutung hatten, nach ihrer Billigung durch das Staatsministerium. Letzteres ist die dem einzelnen Minister vorgcordnete Instanz, nicht der Ministerpräsident. Wir haben in Nr. 141 die abfälligen Urtheile der Handelskammern von Breslau und Halle über die Neubclcbung von Handel und Industrie durch die jetzige Wirthschaftspolitik hcrvorgehoben und fügen heute den neuesten Jahresbericht der Handelskammer in Halber stadt hinzu, welcher folgendes Bekcnntniß enthält: Wir haben über daS Jahr 1880 nur wenig Erfreu liches zu berichten. Nicht nur, caß falt alle Industriezweige unseres Bezirks über schlechten Geschäftsgang klagen, es hat sich auch die allerdings schon seit länger begonnene Verminderung der allgemeinen Kaufkraft empfindlicher als je fühlbar gemacht. ES ist noch zu früh, um sich ein Urtheil darüber buben zu können, ob die neue Wirthschaftspolitik unserem Bezirke als Ganzem Nutzen oder Schaden gebracht habe. Die allge meine Enttäuschung der Industriellen ist indeß nicht zu verkennen. Aber am schwersten lastet auf In dustrie und Handel die Besorgnitz vor neuen Steuer- Projekten und neuen Verschiebungen der wirth- schaitlichen Verhältnisse. Die jetzige Unsicherheit muß nothwendigerweise die technische Entwickelung jeder Industrie aushalten. Der König von Baiern hat unter huldvoller Aner kennung das Gesuch des Ministers des Innern v. Pfeuffer um Enthebung von seiüem Posten genehmigt und den Regierungspräsidenten in Oberbaiern, Freiherrn v. Fei litzsch, zum Minister des Innern ernannt. Der bisherige Minister von Pfeuffer wird Präsident in Oberbaiern und ist gleichzeitig in den erblichen Freiherrnstand erhoben. Der beiderseitige Amtsantritt erfolgt am 1. Juli. Aus Oesterreich kommt heute die Meldung, daß in den ersten Tagen des August in Salzburg eine Zusammen kunft des deutschen Kaisers mit dem österreichischen Kaiser stattfinden soll. Ersterer wollte nach beendeter Kur in Gastein nach Ischl kommen, Kaiser Franz Josef schlug da gegen Salzburg vor, damit dem greisen kaiserlichen Freund die außer der festgesetzten Tour liegende Reise erspart werde. Das österreichische Kronprinzenpaar wird eben falls in Salzburg weilen. — Einen neuen Beweis czechi- schen Uebcrmuthes hat der Bürgermeister von Prag ge liefert. Ein Ukas desselben verordnet, daß fortan im Ver kehre der Stadt nach außen nur das czechische Jdom gelte. Die Eingaben der Parteien sollen, so wird mit großer Gnade hervorgehoben, in der Sprache erledigt werden, in welcher sie eingereicht wurden — die landesfürstlichen und autonomen Behörden sind jedoch nicht mit einbe griffen, das heißt, diese Behörden bekommen die ihnen ge bührenden Erledigungen czechisch. Ebenso werden alle offiziellen Aktenstücke, betreffen sie einen Prager Bürger in irgend einer Gemeinde-Angelegenheit, oder die Kommune Wien beispielsweise in einer Sache, welche die Interesse« von Prag und Wien berührt und also eine Korrespondenz bedingt, nur czechisch ausgegeben, mag sich der Prager Bürger, der nicht czechisch versteht, ebenso behelfen, wie die große Kommune der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. „Schreibt die Stadt Prag," so heißt es in dem Erlasse des Bürgermeisters, „sei cs an wen immer und wo immer, so ist zu diesen Korrespondenzen die czechische Sprache zu gebrauchen." Das „Wiener Tageblatt" be merkt hierzu: „An wen immer und wo immer hin! Das ist ein stolzes Wort- So hätte etwa Deutschland sprechen