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Vom Standpunkte der deutschen Industrie aus kann dieser Vorschlag nur mit Freuden begrüßt, ja es darf ohne Ueberlreibung behauptet werden, daß von allen Industriestaaten eben Deutschland einer solchen internationalen Gesetzgebung am dringlichsten bedarf. Denn in keinem andern Lande wird die industrielle Concurrenzfähigkeit durch humane und freihändlerische Tendenzen so stark bedroht und ver mindert, als eben in Deutschland. Bei uns giebt es zwei mächtige Strömungen, welche jede für sich schon ausreichen würde, die deutsche Industrie dem Auslande gegenüber in eine nachtheilige Stellung zu bringen, welche beide vereint aber unsere Con currenzfähigkeit nothwendig vernichten müssen, wenn nicht für entsprechend mächtige Corrective gesorgt wird. Wo giebt es in der Welt ein Land, wo die Industrie auf der einen Seite für humanitäre Ideen, für Arbeiter-Versicherungsprämien rc. so stark bela stet und durch humane Beschränkungen der Kinder- und Frauenarbeit so stark behindert und andererseits in ihrer schon dadurch verminderten Concurrenzfähig keit so wenig durch Zölle geschützt wird wie in Deutschland? Allerdings hat England geringere Zölle, aber dieser Nachlheil wird dreifach ausgegli chen durch seine industrielle, merkantile und finanzielle Ueberlegenheit, während seine Arbeitergesetzgebung viel weniger human und für die Fabrikanten viel vortheilhafter ist als die deutsche. Unsere unklaren Freihandelsschwärmcr beginnen die Zäumung ihres internationalen Parade-Pferdes der Völkerverbrüderung durchaus am Schwänze, wenn sie hcrzzerbrechende Sehnsuchisichreie nach internationalen Handelsverträgen ausstoßen. Auf internationale Fabrikgesetzgebungsverträge haben sie ihr Verlangen zu richten und erst wenn diese wirk sam wurden, die Handelsverträge zu fordern. Die Epoche der Handelsverträge wird von dec freihänd lerischen Schule aller Länder zwar als eine neue Aera der Völkerbeglückung gefeiert, doch beruht diese Auffassung und Darstellung theils auf kindlicher Kurzsichtigkeit und theils auf bewußter Neclame- macherei großhändlerischer Speculationem Gegen seitige Verträge setzen eine gewisse Gleichmäßigkeit der gegenseitigen Interessen voraus oder doch die Möglichkeit, eine vorhandene Verschiedenartigkeit durch vertragsmäßige Bestimmungen auszugleichen. Auf handelspolitischem Gebiete ist diese Bedingung bis jetzt entweder gänzlich vermißt oder doch die Her stellung derselben so schwierig befunden worden, daß die sogenannte Aera der Handelsverträge gegenwärtig bei allen Eingeweihten als ein verfehltes Experi ment, als eine Früh- oder Fehlgeburt der Cultur- überstürzung erscheint. Anders und günstiger liegen die Dinge aus dem Gebiete der humanen Fabrikgesetzgebung. Hier ist in der That von vornherein eine Gleichmäßigkeit der Interessen vorhanden. Ueberall verlangen die Arbeiter nach einer höheren Berücksichtigung ihrer Klassen-Jnteressen und überall in Europa geht das rothe Gespenst einher, um an die Erfüllung dieser Interessen mit drohend gehobenem Finger zu mah nen. Aber auch überall muß die Industrie dringend wünschen, daß die daraus hervorgehenden Lasten in den verschiedenen Industrieländern ungefähr die nlsick-'n sind, damit nickt das eins Land durch schwere Lasten seins Concurrenzfähigkeit verliert. Wo aber in einem Lande wie bei uns diese Con- currenzsähigkeit an sich schon durch niedrige Zölle, durch Kapitalarmuth und besondere Ungunst der geographischen und klimatischen Verhältnisse vermin dert, erschwert und bedroht erscheint — da erlangt die Herstellung einer internationalen Fabrikgesetzge bung fast die Bedeutung einer industriellen Existenz bedingung. Und wenn wir von einer industriellen Existenzbedingung reden, so denken wir dabei nicht nur an die Existenz der Fabrikanten, sondern ebenso sehr an die Existenz der Arbeiter und an die Existenz der verschiedenen Wohlfahrts-Institute, welche für sie bereits errichtet wurden und noch weiter errichtet werden sollen. Alle hängen von einem leidlich ge füllten Portemonaie und dies hängt ebxn wieder von der Concurrenzfähigkeit ab! Unter diesen verschiedenen Gesichtspunkten hat die Initiative des schweizerischen Bundesraihs für Deutschland also eine ganz besondere Wichtigkeit. "Waldenburg, 4. Februar 1881. PMLische Rundschau. Deutsches SLeich. Bei der letzten Abendgesellschaft des Fürsten Bismarck berührte ein Mitglied des Volkswirth- schastSraihs auch das jetzige Packetporto, von wel chem er behauptete, daß es den Import fremder Waaren begünstige. Der Reichskanzler forderte ihn auf, diesen Wunsch auf einen Zettel zu schreiben, er inleressire sich für dieses Anliegen sehr. Ein anderer Wunsch ging dahin: „Durchlaucht, könnte nicht das Hausirgewerbe ein bischen beschränkt werden? Es geniert die ansässigen Kaufleute." Die Antwort lautete, der Volkswirthschaftsrach möge des wegen einen Antrag stellen. Der Fürst ging später auf eine Erörterung der Absichten über, die ibn bei Bildung des Volkwirthschaftsraths geleitet. Er be tonte, daß er von der neuen Einrichtung eine sach liche Prüfung erwarte, während in den parlamen tarischen Körperschaften die politische Leidenschaften den Blick trüben. Das Gespräch ging dann auf andere Gebiete über. Die Gemeinden seien über bürdet, oie Armenlast, die Schullast, die Polizeilast den Gemeinden aufzubürden, sei ein Mißbrauch. Er spreche sich gern im engeren Kreise aus, im Parlament habe er nicht immer nur mit sachlichen Erwägungen zu kämpfen, sondern auch mit Flegeleien, er fei zu alt, sich mit Klopffechtern hsrumzuschlagen. Zum Schluß nahm ein Arbeiter das Wort und pries mit warmen Worten den heutigen Tag, wo der Arbeiter über die Interessen, die ihn bewegen, mit dem Fürsten Bismarck direct verhandeln dürfe. Fürst Bismarck befand sich körperlich augenscheinlich sehr frisch. Sein Auge hatte einen Glanz, seine Züge eine Milde, dis man häufig entbehrt hatte. In einem Artikel über den dauernden Steuer erlaß schreibt die „Prov.-Corr.": Mit dem Steuer erlaß, welcher — die Zustimmung des Herrenhauses vorausgesetzt — allen Steuerzahlern mit einem jähr lichen Einkommen bis zu 7200 Mark zu Gute kom men wird, ist ein wichtiger Schritt zur Erreichung der Ziele, welche die Regierung mit der Steuer reform verbindet, gethan. Er ist die nothwendige Erfüllung der Verpflichtung, welche die Negierung und die Landesvertretung mit dem vorjährigen Ver wendungsgesetz übernommen, und eine Art Aus gleichung für die Erhöhung der Zölle, welche vom Reich beschlossen worden. Einem großen Theil der Bevölkerung wird trotz der Mehrbedürfnisse des Reichs und der Staaten, die in der Zollreform ihre theilweise Deckung gefunden haben, eine sehr wesent liche Erleichterung zu Theil, welche eben nur durch die neue Wirthschaftspolitik möglich geworden ist. Die Staatsregierung hält an der Hoffnung fest, dis nöthige Unterstützung bei der Berathung der weiteren Durchführung der Steuerreform, welche auf eins noch größere und bedeutendere Entlastung der Bevölkererung von directen Abgaben hielt, zu finden. Der permanente Ausschuß des Volkswirth- schaftsrarhs berieth am 3. d. über die Beitrags pflicht der nach dem Unfallgesetz zur Beitragsleistung Heranzuziehenden. Die Vertreter des Arbeiter standes sprachen sich für die Beitragspflicht der Ar beiter aus. Ferner beschloß der Ausschuß, § 11 des Unfallgesetzes dahin zu fassen, daß die Ver sicherungsprämie, wo der Jahresarbsitsverdienst des Versicherten 900 M. und darunter beträgt, zu von Demjenigen, für dessen Rechnung der Betrieb erfolgt, zu */» vom Versicherten, wo der Jahres- arbeitsverdienst über 900 M. beträgt, zu ß« von Letzterem, zu '/» von Ersterem aufzubringen sei. Nach vorläufiger Ermittelung betrug die Ein wohnerzahl Preußens bei der letzten Volkszäh lung 27,260,331, gegen die 75er Zählung eine Zu nahme von 1,517,027. Die Meldungen mehrerer Berliner Blätter von einem gegen den Sohn des Erbprinzen von Hohen- zollern in Düffeldorf verübten Verbrechen (er sollte von drei Männern aus dem Garten des Jägerschloffss gewaltsam entführt worden sein) wird authentischer seits als gänzlich unbegründet bezeichnet. Oesterreich. Der Kronprinz Rudolph soll auf der Rückreise von Jerusalem oem Sultan einen viertägigen Be such abstatten und dann über Varna und Bukarest nach Wien zurückkehren. Die österreichischen Finanzen bessern sich. Die directen Steuern von 1880 im Betrag von 94,968,866 fl. sind um 7l9,990 fl. günstiger als 1879, das Reinerträgniß der indirecten Abgaben im Betrage von 191,364,531 fl. um 1,228,884 fl. günstiger. Die in die indirecten Abgaben nicht inbegriffenen Zölle lieferten eine Einnahme von 28,410,489 fl., welchen eine Ausgabe von 23,221,213 fl. gegenüber stehen,es resultirt also ein Reinertrag von 5,189,275fl. Frankreich. Frankreich rüstet ungeachtet aller überströmenden Belheuerungen seiner unerschütterlichen Friedfertigkeit eifrig fort. Seine Artilleriestärke übersteigt bisher schon den Stand von 310 Batterien, welchen die deutsche Feldartillerie erst mit dem 1. April d. I. erreichen wird, um 97 Batterien, und überdem werden jedem der 19 Armeecorps 2 Batterien mit telschwere Belagerungsartillerie zugetheilt. Wohin soll das führen? England. Die Bevölkerung von Irland, welche im Jahre l844 sich auf 8 Millionen bezifferte, beträgt gegenwär tig nicht mehr als 5 Millionen. Und doch sind dis Irländer eine der fruchtbarsten Racen der Erde. In dieser Thatsache findet die irische Frage eine er schreckende Begründung. Griechenland. Das Commando der Westarmee wurde dem General Sutzos, dem ältesten General im activen Dienste, zugetheilt. General Petzmezas commandirt die Ostarmee. Chalcis wurde mit königlichem Decrete als Depot für das Kriegsmaterial und als Hauptquartier der Ostarmee bestimmt. Das Haupt quartier der Westarmee ist Santa Maura; ihr Kriegsdepot in Missolonghi.