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Wilsdruffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da« »Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. srei Haus, bei Postbestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern w Rpsg. Alle Postanstlllten und Post boten, unsere Austräger u. ... .. <5eschästsste!Ie. nehmen zu jeder Zeit Bestellungen»»^ Wochenblatt sUk W»lS0rUss U. UMgegeNV gegen Falle höherer «Sewalt, Krieg od. sonstiger — Betriebsstörungen besteht Kein Anspruch aus Lieserung Ler Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingcsandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto deiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzelle 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Reichs- Pfennige. die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RM. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. 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In dem Augenblicke, da eine ganze Reihe straf verschärfender Notverordnungen anfgehoben oder ge mildert werden, geht der Blick zurück in die hinter uns liegende Zeil, in der die verschiedenen Negierungen es für notwendig hielten, mit neuen oder verschärften Straf- bestimmuugen gegen den politischen Terror vorgehen zu müssen. Wir leben so schnell und erleben heute in raschestem Wechsel ein Auf uud Ab im politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Dasein so viel, daß man sich fast Mühe geben mutz, um sich jener Zeit zu erinnern, do allein in einen, einzigen Wahlkampf über 80 Menschen irgendeinem politischen Attentat oder der Abwehr eines solchen zum Opfer gefallen sind. Damals wurde von vielen Seiten ein schärfstes gerichtliches Durchgreifen gegen den wachsenden. Terror parteipolitischer Art gefordert und die Notverordnungen des August mit ihrer Bildung von Sondergerichten und der Einführung außerordentlich scharfer Strafbestim mungen versuchten, mit Gewalt und rücksichtsloser Energie den Auswüchsen des Parteikampfes entgegen zuwirken oder, wenn man so sagen darf: sich ihnen ent gegenzuwerfen. Die Urteile, die auf Grund dieser neuen Strafbestimmungen gefällt wurden und gefällt werden mußten, waren von unerbittlicher Härte, und wir sind heute jener Zeit doch noch nicht weit genug entrückt, um objektiv sagen zu können, ob die unzweifelhaft ein getretene parteipolitische „Beruhigung" eine tatsächliche Folge jener drakonischen Bestimmungen und ihrer Durch führung war oder ob nicht überhaupt ein Abflauen der überhitzten politischen „Stimmung" eingetreten ist. Vielleicht wird man eine Art Antwort auf diese Fragen dann und dadurch erhalten, wenn jetzt die schärfsten Strafbestimmungen ebenso in Fortfall kommen wie die Sondergerichte, deren Tätigkeit übrigens auf einige Teile Norddeutschlands beschränkt geblieben ist. Es erfolgt jetzt sozusagen eine „Probe aufs Exempes". Hoffentlich glückt dieser Appell an die parteipolitische Ver nunft. Andererseits hat die Neichsregierung gleich beim Auftauchen der ersten Mitteilungen, die Notverordnungen gegen den Terror würden größtenteils aufgehoben oder gemildert werden, sofort auch angedeutet, daß für das Mißglücken dieses „Vertrauensbeweises" eine Notverord nung vorbereitet sei, die noch viel weitergehende Straf bestimmungen zur abermaligen Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung bringen würde als die bis jetzt bestehenden Verordnungen; gleichzeitig mit deren Auf hebung hat das alles die Neichsregierung jetzt ganz offiziell erklärt. Viel älteren Datums als diese „Antiterror"-Notver- ordnungen sind jene, die einerseits das Vcrsammkmgs- recht in allmählich steigendem Umfang einschränkten und die andererseits der Presse einen großen Teil ihrer früheren Bewegungsfreiheit genommen hatten. Sie stammten noch aus der Zeit Brünings. Diese Bestimmungen fallen jetzt in ihren wichtigsten Teilen fort und nur einiges wird beibehalten, was aber hoffent lich auch einmal abgeschafft werden wird. Auch sonst wird einiges aus dem bisherigen R e p u b l i k s ch u tz- gesetz dadurch in seiner Geltungskraft erhalten, daß z. V. die Schutzbestimmungen zugunsten des Reichsprä sidenten und der Reichsfarben in das Strafgesetzbuch eingefügt wurden. Auf diese Weise sichert sich übrigens auch die Wehrmacht gegen Angriffe hoch- oder landes verräterischer Art. Es liegt im Begriff der „Notverordnung" und des sie stützenden Artikels 48 der Neichsverfassung, daß es sich dabei um eine „Gelegenheits"-Gesetzgebung handeln muß. Das braucht sie nun aber keineswegs in einem bedenklichen Sinne zu sein. Gesetze sind Normen und infolgedessen, wenn man das Wortspiel wagen will, können sie nur für „normale" Zeiten gelten. Aber wie lange liegen diese schon zurück! Forderungen von Handwerk und Einzelhandel. Die Hauptgemeinschaft des Deutsch m Einzel handels und der Reichsverbaud des deutschen Hand werks haben eine gemeinsame Eingabe an den Reichs kanzler gerichtet, die erneut den Antrag einbrachte, mit Rücksicht auf die günstigen Auswirkungen, welche die Be reitstellung von 50 Millionen Marl zur Gewährung von Reichszuschüssen für die Instandsetzung von Wohngebäuden, die Teilung von Wohnungen und den Umbau gewerblicher Räume zu Wohnungen auslöste, einen weiteren Betrag von 200 Millionen Mark mit der gleichen Bestimmung bereitzustellen. Gegenüber der bis herigen Regelung schlägt die Eingabe vor, die Mindest grenze für die zuschutzsähigen Jnstandsetzungsarbeiten auf 100 oder 150 Mark zu begrenzen, damit vor allen Dingen auch für Mittel - und Kleinstädte und für das flacheLand.wo kleinere Wohnhäuser überwiegen, die notwendigen Arbeiten durchgesührt werden können. Ebenso hält es die Eingabe für notwendig, den Kreis der zuschussberechtigten Arbeiten weiterzuziehen, als das bisher der Fall war. So sollen sogenannte kleine Jn standsetzungsarbeiten dann zuschußbercchtigt sein, wenn ihr Gesamtkostenaufwand die Mindestgrenze übersteigt. Jas AmestieM tritt HM in Kraft Sie Amnestie vor dem Reichsrat. Die Haltung der süddeutschen Länder. In der R e i ch s r a t s s i tz u n g, in der die Entscheid oung über die A m n e st i e v o r l a g e des Reichstages fiel, beantragte Ministerialdirektor Sperr namens der bayerischen Staatsregierung gegen das vom Reichs tag beschlossene Amnesticgcsetz Einspruch einzulegen. Er betonte dabei u a., der Entwurf des Reichstages gehe weit über das erträgliche Maß hinaus, zumal er auch schwere Einbrüche in die Rechtsordnung umfasse. Die Tendenz, in kurzen Zeitabschnitten auch schwere strafbare Handlungen nur deshalb straflos zu lassen, weil die Täter ein parteipolitischer Grund geleitet habe, führe letzten Endes zu einer so ernsten Erschütterung der Staatsordnung, daß die Länder als Träger der Justiz- Hoheit Einspruch dagegen erheben müßten. Me Vertreter der w ü r t t e m b e r g i s ch e n und der badischen Regierung schlossen sich dem Anträge Bayerns an. Die thüringische Regierung ließ er klären, daß sie das Gesetz über Straffreiheit begrüße und ihm zustimme. Für die preußische Staatsregierung erklärte Ministerialdirektor Brecht, daß diese die Gründe, die gegen den Einspruch sprächen, als überwiegend ansehe. Oie Entschließung. Oberbürgermeister Sahm-Berlin brachte dann eine Entschließung ein, die bei den Abstimmungen die Billi gung der Mehrheit fand. In ihr heißt es: .Gegen den Erlaß einer neuen Reichsamnestie und namentlich gegen den Umfang des vom Reichstag be schlossenen Gesetzes trägt der Reichsrat ernste Beden ken. Rechtssicherheit und Rcchtsbewußtsein, die Grund lagen jeder staatlichen Ordnung, erleiden Schaden, wenn Gesetzesverletzungen so schwerer Art in so großer Zahl straffrei bleiben. Wenn er gleichwohl in seiner Mehrheit zu dem Er gebnis gelangt ist, von einem Einspruch abzusehen, so geschah das aus folgenden Erwägungen: Auch durch einen Einspruch würde das Zustandekommen des Ge setzes nicht verhindert, sondern nur hinaus geschoben werden. Eine solche Hinausschiebung aber würde die der politischen Entspannung und der Be - ruhigung dienende Wirkung der Amnestie vereiteln, die allein den schweren Nachteilen als ein Ausgleich gegenWersteht. Die mit der Hinausschiebung zwangsläufig ver bundene Ungewißheit und Beunruhigung würde ferner für die S t r afr e ch t s p f l e ge und den Strafvoll zug weitere schwere Nachteile mit sich bringen. Aus diesen Erwägungen hat der Reichsrat geglaubt, unter den gegebenen Verhältnissen von der Erhebung des Ein spruches absehen zu sollen. Reichsrai für Amnestie. Der Rcichsrat hat in seiner am Dienstagabend ab gehaltenen Vollsitzung mit 44 gegen 19 Stimmen der Länder Bayern, Württemberg und Baden sowie der preu ßischen Provinz Brandenburg bei Stimmenthaltung der Länder Braunschweig und Mecklenburg Strelitz sowie der preußischen Provinz Hannover beschlossen, Einspruch gegen das vom Reichstag beschlossene Amnestiegesetz nicht ein zulegen. Damit ist die vom Reichstag beschlossene Amnestie Gesetz geworden. Die Entlassung der Amnestierten soll nach Möglichkeit noch vor Weihnachten erfolgen. Berlin, 30. Dezember. Hm Verlauf der Sitzung des Aeltestenrats des Reichstags am Dienstagabend wurde ein nationalsozialistischer Antrag, den Reichstag selbst zwar nicht mehr vor Weihnachten, wohl aber in der Woche nach Weih nachten einzuberufen, zurückgestellt, zugunsten eines Antrags des Zentrums, wonach der Aeltestenrat zu gegebener Zeit noch mals zusammentreten soll, um sich mit der Frage der Einbe rufung des Reichstages zu befassen. Die Kommunisten haben unmittelbar nach der Aeltesten- ratssitzung erneut beantragt, den Aeltestenrat für Dienstag nach Weihnachten einzuberufen, damit über die kommunistische Forderung einer Reichstagssitzung am Donnerstag, den 29. Dezember, beschlossen werden könne. Die Regierung war in der Aeltestenratssitzung durch Reichsarbeitsminister Dr. Sy- rup, Staatssekretär Grieser vom Reichsarbeitsministerium und durch den Staatssekretär der Reichskanzlei Plank vertreten. Staatssekretär Plank riet von einer Einberufung des Reichs tages ab und führte aus, die Regierung habe ja in der Frage der Amnestie ihr Entgegenkommen gegenüber dem Reichstage bewiesen. Wenn der Reichstag nun Beschlüsse fasse, die für die Regierung nicht tragbar wären, so müsse man mit ernsten Konflikten rechnen. Ein Zusammentritt des Reichstages noch vor Weihnachten würde starken Konfliktsstvff in sich bergen. Reichsarbeitsminister Dr. Syrup gab sodann Auskunft über den Stand der Beratungen des Reichskabinetts über die Win terhilfematznahmen. Es werde sich voraussichtlich ermöglichen lassen, für jeden Hauptunterstützungsempfänger mehrmals vier Pfund Fleisch, um je 30 Pfg. verbilligt, und ferner mehr mals zwei Zentner Kohlen, ebenfalls um je 30 Pfg,. verbilligt, abzugeben. Bei gegenwärtig 6,9 .Millionen Hauptunter-, stützungsempfängern einschließlich der Kleinrentner usw. wür de das einen Aufwand von 37 Millionen erfordern. Dazu würden noch einige Millionen kommen für Zwecke der Kinder speisung. Das Reichskabinett werde am Mittwoch hierüber endgültige Beschlüsse fassen. Aus finanziellen Gründen könne die Regierung über dieses Ausmaß der Winterhilfe nicht hin ausgehen. ZustilNMNg de; NeichsprSsidenten. Berlin, 21.-Dezember. Nach einer Meldung Berliner Blätter hat sich Reichskanzler von Schleicher nach der Be schlußfassung des Reichsrates über das Amnestiegesetz am Dienstagabend zum Reichspräsidenten begeben, der durch seine Unterschrift die Zustimmung zur Vollziehung des Gesetzes gab. Das Amnestiegesetz soll heute (Mittwoch) im Reichsgejetzblatt erscheinen. * Preußens Vorbereitungen für dieAinnefiie Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, hat das preußische Justizministerium, nachdem der Reichs rat keinen Einspruch gegen das Antnestiezesetz erhoben hat, bereits jetzt die Strafverfolgungs- und Strafvoll streckungsbehörden anfgefordert, unverzüglich zu prüfen, welche Verfahren im Falle der Verkündung des Gesetzes durch den Reichspräsidenten unter den Straf erlaß, die Strafminderung und die Einstellung fallen. In erster Linie sollen diejenigen Sachen in Bearbeitung ge nommen werden, in denen zur Zeit eine Freiheits--! strafe vollstreckt wird oder Untersuchungshaft! verhängt ist. Dabei soll mit allem Nachdruck darauf hin-! gewiesen werden, daß in Haftsachen das Gesetz noch vor, Weihnachten durchgeführt wird. Unter keinen Umständen soll infolge der Festtage eine Verzögerung eintreten. Im einzelnen wird noch u. a. folgendes bestimmt: Die Voll streckungsbehörden sollen die Vollstreckung der Freiheits strafen, welche unter das Amwistiegesetz fallen, sofort unter brechen. Ksnfliki in Württemberg. Landtag gegen Regierung in der Amnestiefrage. Im Württem bergischen Landtag wurden am Dienstagnachmitlag Anträge der Nationalsozialisten, der Kommunisten und der Sozialdemokraten angenommen, in denen gefordert wird, daß die Regierung ihren Einspruch gegen das Reichsamnestiegesetz zurückziehe und die ivürtlembergischen Vertreter im Reichsrat anweise, für das Amnestiegesetz zu stimmen. Diese Anträge gelangten mit 41 gegen 31 Stimmen zur Annahme. Daraufhin erklärte Staatspräsident Dr Bolz, daß die Regierung sich weigere, einen solchen Beschluß auszuführen. Der Landtag solle sich eine andere Re gier n n g wählen, wenn er derartiges fordere. Kein Reichstag vor Weihnachten. Der Ältestenrat des Reichstages beschloß am Dienstagabend gegen die Stimmen der Kommunisten und der Sozialdemokraten, vor Weihnachten keine Sitzung j des Reichstages mehr stattfinden zu lassen. Deri Ältestenrat wird zwischen Weihnachten und Neujahr noch einmal zusammentreten, um dann den Termin und die Tagesordnung der nächsten Reichstagssitzung festzusetzen, sie nicht vor Anfang Januar stattfindcn dürfte. Jie heutige MinettWug. Berlin, 21. Dezember. In der heute (Mittwoch) statt findenden Kabinettssitzung wird über die Pläne des Reichs- arbeits-,. Wirtschafts- und Finanzministeriums, über die Er weiterung der Lebensmittelhilfsaktion für die Erwerbslosen entschieden werden. Wie die „Vossische Zeitung" erfährt, trägt man sich mit der Absicht, von den zusätzlichen Mitteln, die neu bereitgestellt werden sollen, auch Summen zur Abgabe von Brot für Erwerbslose sreizumachen. Entweder solle auf Kar ten neben dem Fleisch verbilligtes Brot abgegeben werden oder aber der Kaus von Brot anstelle des Fleisches gestattet wer den. In jedem Falle werde in diesem Winter in irgendeiner Form auch Brot in die Hilfsaktion einbezogen werden. Da neben schwebten noch Verhandlungen über die Einzelheiten der Kartoffel- und Kohlenverteilung. Als Beginn der Abgabe ist der 1. Januar 1933 festgesetzt; als Schlußtermin vorläufig der 1. April 1933. Es bestehe jedoch durchaus Aussicht da für, daß auch über diesen Termin hinaus diese „Amtliche Win-