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Dresdner Journal : 04.11.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189611044
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961104
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961104
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-11
- Tag 1896-11-04
-
Monat
1896-11
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 04.11.1896
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»«,«OlOre4» Für DreSde» vrerreyädrlich r Marl LO Pf, bei den tkaiier- lich dentlchen Poftanftattrn vrertrtiährlick 3 Mark: ander- bald de« Deutschen Reiche« Poß- nnd Stempelzuschlaa. Einteln» Nummern: 10 Pi Grschetne»: Täglich mrt Ausnahme der Sonn- und Feiertage abend« Fernjpr -Anschluß: Nr 1S,L. DrrsLiler M AournÄ. «»k>»ßt«»»,«,tßühre»: Für den Raum eener aefpal- tenen Zeile kleiner Schrift >0 Pf Unter „Eingesandt" die Zeile so Pf Bee Tabellen- und Zifferr^tz entfprechender Ausschlag Her»u««eber: «königliche Expeditton de« Dre«dner Journal« Dre«den, Zwingerstr so. Aernspr -Anschluß: Nr ISAS. H 257 18S«. Mittwoch, den 4. MMmder. abends. "Nachbestellungen auf das „Dresdner Journal" für die Monate November und Dezember werden zum Preise von 1 M. 70 Pf. angenommen für Dresden: bei der unterzeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), fir a»S»ärts: bei den Postanstalten des betreffenden Orts zum Preise von 2 M. König!. Lrpcdilwn des dresdner Zonrnals. Ämtlicher Teil. Nachdem am heutigen Tage der erste Pavillon des Sächsischen Krüppelhelms eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben wurde, ist es Mir ein Herzensbedürfniß, allen Denen, welche Mir geholfen haben, für diese armen hilflosen Kinder die ersten Anfänge eines Heims zu schaffen, in welchem ihre Erwerbsfähigkeit unterstützt werden soll, Meinen tiefempfundenen Tank auszusprechen. Dresden, den 4. November 18ft6. Kavokcr. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Obcrhüttenmeister an der fiskalischen Hals- brückner Hütte bei Freiberg Hübner den Titel und Rang eines Lberhüttenverwalters zu verleihen. Se. Königliche Majestät haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Geheime Finanzralh und vortragende Roth im Finanzministerium I)r. Ritter städt den von Sr. Majestät dem Kaiser und Könige von Preußen ihm verliehenen Rothen Adler Orden 2. Klasse annehme und trage. Erueuuuugea, Versetzungen re. im öffentliche« Dienste. Departement -er Finanzen. Bei der fiskalischen Straßenbau-Verwaltung ist ernannt worden: Thiele, zeither Vizefeldwebel ker i. Komp des 3. Infanterie-Regiments Nr. los in Zittau, als Straßcnbauauffeher bei der Siraßen- und Wasser-Bauinspektion Annaberg. Departement »cs Kultus und öffentlichen Unterrichts. Zu besetzen: die zweite ständige Leh, erstelle in Ober erl nitz. Kollator: die oberste Schulbehörde. Einkommen: IvOO M Beyalt, 8« M. für den FoitbildungSschulunterricht, 7b M WohnungSgeld für einen unverheirateten und lio M. für einen verbeirateten Lehrer. Gesuche sind unter Beisllgung sämtlicher Prüflings- und AmtSsührungszeugnisse bis zum LS. November bei dem Uönigl BezirkSschminspeltor Schulrat Lohse in Zwickau einzureichen; — die Lehrerstclle an der oberen Schule in Langhennersdorf. Kovator: die oberste Schulbehörde Einkommen: 1v0ü M. Fixum, 100 M. persönliche Zulage, die feiner Zeit in die Alterszulagcn ein gerechnet werden kann, 10 M. vom Kirchendienst, 36 M. für Turnunterricht, 4ü M anteiliges Honorar für Fortbildungs unterricht, event. 72 M der LehrerSgattin für Handarbeits unterricht und freie Wohnung im neuen Schulhaufe mit Garten. Gesuche sind bis zum 21 November an den Königl. Bczirkdschulinjpekwr Schulrat vr. Winkler in Freiberg ein zureichen. Nichtamtlicher Teil. Dit Präsidentenwahl in den Bereinigten Ltaaten. Gestern sind in den Vereinigten Staaten die Wahlmänner gewählt worden, welche bei der am 2. Dezember stattfindenden Präsidentenwahl ihres Amtes zu walten haben. Der Ausfall dieser Wahlen giebt einen sicheren Aufschluß über die Frage, wer dar künftige Oberhaupt der großen transatlantischen Republik sein wird. Nach den bisher eingegangenen Meldungen dürfte es Mac Kinley sein, bei uns be ¬ gannt durch seine Schutzzollpolitik, die dem deutschen Aus fuhrhandel nach Amerika schwere Schäden gebracht ha». Vonden 447 Wahlmännern, welche gestern gewählt worden sind, sind nach den letzten Meldungen 285 Anhänger Mac Kinleys. Da bei der Präsidentenwahl die ab solute Mehrheit der abzugebenden Wahlmänner stimmen, in diesem Falle 224 Stimmen, entscheidet, erscheint die Wahl des republikanischen Kandidaten sonach gesichert. Der Erfolg der Republikaner ist unstreitig dem Umstande zu danken, daß die Demokraten in dem Wahlkampfe die Währungsfrage anfwursen Sie bil dete diesmal im Gegensätze zu früheren Wahlkämpfen das Leitmotiv. Alle übrigen, insbesondere die han delspolitischen Fragen traten in den Hintergrund. Dadurch aber, daß die Demokraten die Einführung der Silberwährung zur Wahlparole machten, begingen sie einen großen taktischen Fehler, trugen sie den Zwiespalt in ihre eigenen Reihen. Ein nicht unbe »rächtlicher Teil der Demokratie sagte sich von der Kandidatur des Silbermann es Bryan los und stellte in der Person des Senators Palmer einen eigenen Präsidentschaftskandidaten auf, der an der bestehenden Goldwährung gleich Mac Kinley festhült. Diese de mokratischen Seccssionisten gaben nun ebenso wie die Deutsch-Amerikaner ihre Stimmen bereits gestern für Anhänger Mac Kinleys ab, ermöglichten oder er leichterten wenigstens letzterem hierdurch den Sieg. Gerade in den Südstaaten, bisher einer Hochburg der Demokratie, haben die Anhänger Bryans infolge ihrer verfehlten Taktik Einbuße erlitten, zu gunsten der Republikaner. Für Deutschland gewährt das Ergebnis der Wahl angesichts des Schadens, welchen Mac Kinley mit seiner Schutzzollpolitik dein deutschen Handel und der deutschen Industrie zugefügt hat, keine besonders er freuliche Aussicht. Immerhin wäre es aber falsch, sich aus Grund dieses Wahlausfalles einem unbeschränkten Pessimismus hinzugeben. Zwar ging infolge der Mac Kinley-Bill im Jahre I8l>4 ter Wert der deutschen Ausfuhr nach Amerika auf 27l,1 Millionen M. zu rück, er hob sich aber bereits im vergangenen Jahre wieder auf 368,7 Millionen. Diese Veränderung ge schah, weil sich in den Vereinigten Staaten eine kräftige Reaktion gegen die hochschutzzöllnerischen Ten denzen Mac Kinleys geltend machte und zu einer Ab- mildermia der durch ihn geschaffenen hohen Zolltarife führte. Mit Rücksicht darauf steht zu hoffen, daß Mac Kinley auch während seiner Präsidentschaft keine hin- reichende Unterstützung für eine schroffe Schutzpolitik finden wird. Insbesondere dürfte er im Senat keine Mehr heit für seine handelspolitischen Interessen erlangen. Anderseits muß man in Betracht ziehen, daß ein Sieg Bryans und der von ihm vertretenen Anschauungen für den deutschen Ausfuhrhandel nach Amerika vielleicht schwerere Nachteile im Gefolge gehabt haben würde als das jetzige Wahlergebnis. Bryan beabsichtigte bekanntlich, die Silberwährung in Amerika emzusühren, gleichviel ob andere Staaten sich diesem Vorgehen anschließen würden oder nicht. Da die europäischen Staaten in ihrer überwiegenden Mehrheit aber dem Aufgeben der Goldwährung zur Zeit abgeneigt sind, würde es dahin gekommen sein, daß die Amerikaner die von den Ländern mit Goldwährung bezogenen Waren, da ihr Geld minderwertig geworden, teurer hätten bezahlen müssen als bisher. Eine solche Ent Wickelung der Dinge hätte notwendigerweise zu einer Einschränkung des aus dem Auslande bezogenen Be- daifes geführt und den deutschen Ausfuhrhandel nicht weniger geschädigt, als hohe Zölle es vermögen. Dit Gereiztheit der Franzosen geizen England hat in letzterer Zeit wieder eine merkliche Steigerung erfahren. Als ein klares Symptom dieser Stimm ¬ ung wird man die in London und Paris verlaut barten, auf Ägypten bezüglichen Äußerungen von französischen Politikern, die zwar jetzt ins Privat leben zurückgetreien sind, früher aber hervorragende amtliche Stellungen, zumeist als Minister der Aus wärtigen Angelegenheiten, bekleideten, gelten lassen dürfen. Ägypten ist nun einmal die schwächste Stelle im Zusammenhänge des briiischen Weltreiches, weil England dort, formell wenigstens, nicht so sehr kraft eigener Machtvollkommenheit als kraft eines euro zwischen Mandats waltet und seine Okkupation des Nillandes selbst nur als eine temporäre erklärt hat, die ohne weiteres ihr Ende erreiche, wenn Ägypten auf eigenen Füßen werde stehen können. Freilich scheint es dank England ausgeschlossen zu sein, daß Ägypten es jemals so weit bringt, weshalb, wenn die Engländer nicht von anderer Seite her perempto risch aufgefordert werden, daS Nilland zu räumen, ihr dortiges Verweilen „ewige Zeiten" dauern dürfte. Letzterem sucht nun die französische Politik auf alle Weise entgegenzuwirken; man läßt an der Seine kein Mittel ungenützt und verpaßt keine Gelegenheit, den Engländern zu Ge- müte zu führen, daß ihres Bleibens in Ägypten nicht ist noch siin kann Und England vergilt diese fran zösischen Liebenswürdigkeiten auf seine Art. Es gilt als offenes Geheimnis, daß die ungünstige Lage der Franzosen auf Madagaskar ein Werk der englischen Politik ist. Ohne englischen Rückhalt würden die Fahavalos es schwerlich gewagt haben, die Fahne des Aufruhrs zu erheben. Ihr Widerstand erscheint planmäßig vorbereitet und durchgesührt und stürzt jedenfalls die Franzosen in Schwierigkeiten, die der englischen Politik in jenen Gegenden der Erde guten Vorschub leisten. Die „B P. N." erinnern in diesem Zusammenhänge daran, was für Pläne Frankreich mit der Eroberung Madagaskars verfolgte. Diese Insel sollte zu einem riesigen Bollwerk der französischen Machtstellung in Ostafrika nnd dem Indischen Ozean umgeichaffen werden. Ihre geographische Lage sollte es den Franzosen ermöglichen, das süd- und ost afrikanische Kolonialreich Großbritanniens in der Flanke zu bedrohen, die strategische Beherrschung der Debouchös aus dem Roten Meere und dem Persischen Golf in den Indischen Ozean zu ermög lichen; Madagaska sollte die für England aus 4>em Besitze Aegyptens nebst Suezkanal erwachsenden Vorteile bis zu einem sehr erheblichen Grade para lysieren und endlich auch dem Streben der asiatischen Politik Rußlands in der Richtung auf den Indischen Ozean als Stützpunkt der Zukunft dienen. Die Häfen der Insel sollten den Zwecken der französischen Marine dienstbar gemacht, der madagassische Absatzmarkt dem englischen Handel gesperrt werden rc. Alle diese großen Pläne find einstweilen aussichtslos, nur weil man in Frankreich das Unternehmen mit schwächlicher Konsequenz ins Werk setzte und so den Keim zu all den Schwierigkeiten legte, die den offiziellen Herren der Insel jetzt bald über den Kopf zu wachsen drohen. Solange die Franzosen auf Madagaskar alle Hände voll zu thun haben bezw. zu thun noch erhalten werden, kann England wegen der Ausrollung der ägyptischen Frage ziemlich unbesorgt sein. Die Faha valos arbeiten, wenn nicht im englischen Auftrage, so doch jedenfalls im englischen Interesse. Und die un »pirschen Kundgebungen französischer Politiker wegen Ägyptens sind jedenfalls zu einem wesentlichen Teile auf den Mißmut zurückzuführen, den der schlechte Stand der madagassischen Angelegenheit an der Seine erzeugt. Tages geschichte. Dresden, 4. November. Se. Majestät der König wohnten gestern abend der erstmaligen Aufführung des Lustspieles: „Die goldene Eva" im Neustädter Hoftheater bei. — Ihrer Majestät der Königin wurde aus Anlaß Allerhöchstihres Namenstages heute vormittag ^1<> Uhr im Garten der König! Villa Strehlen von den Musik korps des Köiiigl. l. (Leib-) Grenadier - Regiments Nr l<>0 und des Königl l. Feld Artillerie-Regiments Nr. 12 eine Morgenmusik dargebracht. Um KI2 Uhr nahmen Ihre Majestät die Glück wünsche der Damen und Herren Allerhöchstihres Hof staates und des Flügel Adjutanten vom Dienste Sr. Majestät des Königs entgegen. Danach begaben Ihre Majestät Sich in Begleitung Ihrer Excellenz der Frau Oberhofnlkisterin v. Pflugk, ker Hofdame Gräfin Reuttner v. Weyl, des Hoffräuleins v. Nauendorff, des Oberhofmeisters v. Malortie und des Kammer herrn v. Minckwitz nach Trachenberge, um der mittags 12 Uhr erfolgten feierlichen Einweihung des „Krüppel Heims" beizuwohnen. Heute nachmitlag 4 Uhr .">0 Min wollen Ihre Majestäten der König nnd die Königin Sich mit Ihren Königl. Hoheiten dem Prinzen Georg und der Prinzessin Mathilde mit dem fahrplanmäßigen Schnellzuge nach Sibyllenort in Schlesien begeben, um im dortigen Schlosse bis 14. d. Mts. Aufenthalt zu nehmen. In» Allerhöchsten und Höchsten Gefolge werden sich befinden: Hofdame Gräfin Reuttner v. Weyl, Hof- sräulein v. Nauendorfs und Frl. v. Holleben, ferner Ihre Excellenzen Obcrhofmarschall Graf Vitzthum v. Eckstüdt, Lberstallmeistcr v. Ehrenstein und General adjutant Generallieutenant v. Treitschke, Oberhofmeister v. Maloriie, persönlicher Adjutant Rittmeister Graf Wilding v. Königsbrück und Stabsarzt vr. Kamps Die Ankunft in Sibyllenort erfolgt heute abend !» Uhr 5>8 Min. Se. Excellenz der Generaladjutant Generallieutenant v. Minckwitz ist bereits gestern vor mittag dahin abgereist, um die für den Anfenthalt der Allerhöchsten und Höchsten Herr chaften erforder Uchen Anordnungen zu treffen. Dresden, 4. November. Die evangelisch luthe rische Landessyuode hielt heute vormittag »älo Uhr ihre Schlußsitzung ab. Nachdem der Präsident Se. Excellenz Graf v. Könneritz mitgeteilt hatte, daß der ständige Synodalausschuß sich konstituiert und ihn selbst zum ersten und Hrn. geh. Kirchenrat v. Pank zum zweiten Vorsitzenden gewählt habe, und nachdem dem Direktorium die Ermächtigung zur Feststellung der rückständigen Synodalschriften und Protokolle er teilt worden war, wurde die eigentliche Sitzung ge schlossen. — Um lO Uhr betraten die iu kvuo^vlici^ beauftragten Staatsminister Vr. Schurig, v. Metzsch, vr. v Seydewitz und v. Watzdorf den Saal. Se. Excellenz der Hr. Staatsminisler Vr. v. Seydewitz hielt nachstehende Ansprache: Hochwürdlge, Hochgeehrte Herren! Sic sind noch einer Zeit angestrengter Thätigkrit am Schlüsse der Beratungen angelangt, die das Arbeitsgebiet der VI. ordentlichen Landessynode aus gemacht haben Mit berechtigter, innerer Befriedigung werden Sie aus die große Arbeit der letzten Wochen zurückblicken Sie haben nicht nur alle Vorlagen des Landesherrlichen Kirchen- regimentS hie und da mit Überwindung erheblicher Schwierig keilen doch glücklich erledigt, Ihre Thäiigkeil hat sich überdies noch aus zahlreiche znm Teil hochwichtige Antrüge erstreckt, die teils aus Ihrer Mitte, teils aus anderen Kreisen an die Synode gelangt waren. ES wird kaum der ausdrückliche» Ver sicherung bedürfen, daß das Kirchenregiment alle Anregungen, Antrüge und Beschlüsse, die aus der gegenwärtigen Synode hervorgegangen sind, m eingehende, sorgfältige Erwägung nehnien und dann das Erforderliche versügen wird Mein hoch verehrter Vorgänger im Amte hat einmal an dieser Stelle hervorgehobe», cS sei in der Stiftung der Landessynodc auch der Gedanke zum Ausdruck gelangt, daß unsere evangelisch- lutherische Landeskirche von Zeit zu Zeit in der Einheit Ihre- Wirkens und Strebens zur Erscheinung treten solle, um denen, die ihr angchörcn, ein erneutes Zeichen ihier gesamten LebenSthätigkeit zu geben und diese zu krästigcr Unterstützung ihrer Arbeit anzurcgen. Das ist gewiß richtig und es schien mir nahe zu liegen, in einer Zeit, in der die Stärkung des christlichen und kirchlichen Bewußtseins mehr Kunst und Wissenschaft. K. Hoftheater. — Neustadt. — Ain 3. November: „Die goldene Eva", Lustspiel in drei Akten von Franz v. Schönthan und Franz Koppel-Ellfeld. (Zum ersten Male i Die siegreichen Verfasser der hübschen Kostümstücke „Komtesse Guckert" und „Renaissance" haben dem letzt genannten Lustspiel in Versen ein neues, diesmal auf deutschem Boden, in Augsburg, aber gleichfalls um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts verlaufendes Lustspiel in drei Akten „Tie goldene Eva" Nachfolgen lassen, das, nach dem Erfolg der gestrigen ersten Aufführung zu ur teilen, zwar die Wirkungen von „Renaissance" nicht über treffen, aber seinen Weg über die Bühnen machen und eine Reihe von Ausführungen hindurch das Publikum fesseln, unterhalten und in die Stimmung eines poetisch angehauchten, anmutigen Spiels hereinziehen wird. Wie in „Renaissance" tritt auch in diesem Stücke die behaglich auSgesponnene, auf malerische und lyrische Stimmung be rechnete Situation, die Episode in den Vordergrund, wie in „Renaissance", ist eS namentlich der zweite Akt mit seiner rascheren Bewegung, mit seinen Überraschungen und dem über alle Eitelkeit siegreichen Durchbruch der Liebe in der Heldin, der den stärksten Anteil weckt, wie in „Re naissance" enthält der dritte Akt, außer den beiden schwank- basten Szenen, in denen die kläglichen und schmarotzenden Evelleute aus bem Augsburger Bürgerhause hinausgefegt werden, eigentlich nur die breitere Ausführung eines Ein verständnisses, was schon entschieden ist Die Handlung selbst hätte der brave HanS Sachs, in besten Tagen sie spielt, gut und gern in einem seiner einaktigen Schwänke verkörpert, was bei den modernen Poeten dazu kommt, ist psycholoqifcke Detaillierung, ist Witzspiel, bunter Aufputz und die Virtursität, die den glitzernden Boll im Augen blick, wo er nitberfallen will, mit einem Schlag nochmals hoch treibt. Es kommt eben nur darauf an, ob das Publikum dieser Verbreiterung des Stoffes mit Anteil folgt, und dies mar am Abend der Erstaufführung entschieden der Fall. Der Charakter eines historischen, vergangene Zeiten und Sitten spiegelnden Lustspiels erscheint bei Vieser „Goldnen Eva" seitens der Regie und im Kostüm kon sequenter festgehalten, als von feiten der Verfasser. Ohne fonderliche Sorgfalt und Ängstlichkeit verfahren sie wie einer, der als Türke auf die Maskerade geht und cs nicht weiter beachtet, daß unter seinem Kaftan die Uhrkette oder eine moderne Kravatte hervorguckt. Litterarische Re miniszenzen, französische Wortwendungen und allerjüngste schneidige Lieutenantsspäße aus dem bekannten eisernen Scherzbestand der Herren von Moser und von Schönthan verirren sich in die Reimpaare eines Stückes aus der deutschen ReformationSperiodc hinein Der Ritter von der traurigen Gestalt wird ein Halbjahrhundert früher zitiert, als er erfunden und geschrieben war, Männer des sechzehnten Jahrhunderts kommen, wenn sie gerufen werden „directement"; wer Liebhaber von dergleichen Tinqen ist, kann im Verlauf der drei Akte eine ganze Sammlung davon ausspießen. Dock wer kümmert sich darum, wenn er unterhalten wird? Von allen Tugenden ver Welt hat die Echtheit von jeher auf dem Theater im geringsten Preise gestanden DaS herzhafteste Gelächter und das fröhlichste Einverständnis begleitete gerade solche Stellen, die aus dem Stil des Hans Sachs in den der bebän derten Rokokokomödie und der neueren Berliner Lokalposse hinüberspielten. Die prächtige RenaistanceauSstattung des Augsburger Goldschmiedhaufe« und die reichen Kostüme kamen dafür auf, da« Behagen de« Publikums an einer behaglicheren Welt als der unserigen, völlig zu erhalten Im Erfolg dieser Stücke — im gleichen Augenblick, wo bei uns „Die goldene Eva" erfolgreich in Szene geht, erweckt in der Reichshauptstadt „Renaissance" enthusiastischen Beifall und macht volle Häuser — giebt sich eine höchst beachtenswerte unv durchaus natürliche Stimmung des Publikums kund Alle« Ding will nicht nur seine Zeit, sondern auch seine Folie haben, von der es sich abhebt Vor ein paar Jahrzehnten schien das VerSlustspiel, mit seinen beweglich unmutigen Formen, aus unseren Bühnen unmöglich geworden; als Otto Ludwig sein einziges, prächtlgeS Nürnberger Lustspiel „Hanns Frei", ein Stück voll innerer Wahrheit, voll deutscher Treuherzigkeit und Schalkhaftigkeit, voll glücklichster Nachempfindung Hans Sächsischer Art und Kunst, dichtete, gab es keine Bühne, die den Mut besessen hätte, dergleichen aufzuführen, die Herausgeber seiner Werke mußten das reizende Spiel ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung und ein Viertel- jahrhundert nach dem Tode des Dichters aus dem Staube alter Papiere hervorziehen Und heute wird's keine Bühne geben, der „Die goldene Eva" nicht willkommen wäre. Wahrlich nicht, weil das Publikum naiver, poetisch empfäng licher geworden wäre, sondern weil man nach eineni Gegen satz zu der mit kritischem Terrorismus ausqezwungenen, ein- feitig schwarzgalligen, ingrimmigen Betrachtung und Wieder gabe des Lebens lechzt Es ist eine ästhetische und gesell schaftliche Reaktion, die mit der Erhebung gegen die Puritanerstrenge im England des siebzehnten Jahrhunderts, mit der Aufwallung des Leichtsinns, der Lebenslust im revolutionären Frankreich, nach dem Sturze Robetzpicrres, eine überraschende Ähnlichkeit hat Der Bogen ist zu straff gespannt worden, nun reißt er. Die Menschen wollen die Widerspieglung der lichten, anmutigen Seiten ihre« Daseins, die Vorführung der tausend Dinge, mit denen sie sich Behagen und glückliche Täuschung schaffen, nicht entbehren, sie wollen sich nicht zwingen lassen, aus schließlich den herbsten Ernst und dir dunkelsten, schwersten Probleme ihres Zustands künstlerisch wiedergegeben zu sehen. Und weil sie eS nicht wollen, ist ihnen ein bunte« Spiel ohne tiefere Charakteristik, aber mit lebendiger Be wegung und vielen glücklichen Einzelzügen, wie „Tie goldene Eva" wiederum eine« ist, von Herzen willkommen. Die Gestalten des Lustspiels sind im Grunde alt vertraute, nur neu belebte. Die „goldene Eva", die junge Augsburger Goldschmiedswitwe, die, weil sie schön und reich ist, gern auch vornehm wäre, aber schließlich vorzieht, geliebt unv glücklich zu sein, wurde von Frau Baste höchst anmutig, in einigen Szenen mit bestrickendem Reiz, überall mit feinster Belebung dargestcllt Hr Franz, der (an Stelle des erkrankten Hrn Wiccke) in letzter Stunde die Rolle des Goldschmiedgesellen und Liebhabers übernommen hatte, von dem man nicht recht weiß, ob er ein Augsburger Peter oder ein römifcher Pietro ist, gab der Figur einen Hauch frischer Jugendlichkeit, leidenschaft licher Empfindung, der sehr glücklich und gegen den Schluß des zweiten Aktes zündend wirkte. Das Prachtpaar ur alter, schäbiger und hungriger Ritterlichkeit: Ritter Hans v. Schwetzingen und Gras Zeck, die zugleich Allegro und Penseroso vorstellen, wurde von den Herren Swoboda und Holthaus in glücklichem Gegensatz, der Ritter mit prahlhansiger, ewig durstiger Unverwüstlichkeit, der Graf, den sein Pumpjude Aron auf Schritt und Tritt (aber theatralisch unsichtbar) begleitet und zuletzt wörtlich auS- zieht, in entsprechender Mischung von zuversichtlichem Gecken- dünlel und verschuldeter Gedrücktheit verkörpert Frau Wolff stellte die Wirtschafterin Barbara mit unfehlbar wirksamer lustiger Derbheit dar, auch die bloßen Füll figuren de« Lustspiel« wurden von den Damen Frl Tullinger (Gräfin Agnes), Frl. GaSny (Lehrjunge Friedl), Frl Schendler (Ursel) und Hrn Huff (Alt- gesell Christoph) mit munterer Laune gegeben Schallender Beifall unterbrach viele Szenen, nach dem zweiten und dritten Akte wurden die Verfasser gerufen Adolf Stern. Konzert. Hr Percy Sherwood, der gestern im Musenhause ein Konzert gegeben hat, ist ein in Dresden gebildeter und wohlbekannter Pianist Er stellt al« solcher keine starke künstlerische Persönlichkeit dar und
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