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MM. Erscheint wöchentlich drei Mal: Dinstags, Donnerstags und Sonnabends. Preis incl. der Sonntagsbeilage „Der Erzähler" vierteljährlich 1 Mark, durch die Post bezogen 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummern 8 Pf. — Jnsertionsgebühren pro kleingespaltene Zeile für Abonnenten 7 Pf., für Nichtabonnenten 10 Pf., im Redactionstheil 20 Pf. Bei mehrmaliger Insertion entsprechender Rabatt. — Jnseraten- Annahme bis Abends 5 Uhr des vorhergehenden Tages. — Geeignete Beiträge sind stets willkommen. 52. Dinstag, 29. Oktober 1878. Bekanntmachung. Rücksichtlich der demnächst vorzunehmenden Stadtverordneten- Ersatzwahl werden diejenigen Bürger hiesiger Stadt, welche sich mit Abentrichtung von Staats- oder Gemeindeabgaben, einschließlich der Ab gaben zur Schril- und Armenkasse, länger als zwei Jahre ganz oder theil weise im Rückstände befinden, zur ungesäumten Berichtigung dieser Abgaben unter Hinweis auf ß 44 sud A der revidirten Städteordnung vom 24. April 1873 hierdurch aufgefordert. Waldenburg, den 23. October 1878. Der Stadt rath. Cunrady. Bekanntmachung. Diejenigen, welche von der ihnen nach 8 al. 6 des für hiesige Stadt bestehenden Anlage-Regulativs eingeräumten Selbstabschätzung zur Gemeindeanlagen-Einschätzung für das Jahr 187S Ge brauch zu machen gedenken, werden hiermit aufgefordert, ihre diesfallsigen Erklärungen bis zum 11. November dieses Jahres bei Verlust des Rechtes der Selbstabschätzung in der Rathsexpedition abzugeben. Waldenburg, den 23. October 1878. Der Stadtrat h. Cunrady. Politische Rundschau. * Waldenburg, 28. October 1878. Die Bundesraths-Necurscommission wird wahrscheinlich nächste Mittwoch zusammentreten und ihre Geschäftsthätigkeit beginnen. Die Be soldung der Mitglieder dieser Commission wird, wie man annimmt, nach den Verhältnissen gere gelt werden, wie sie im Reiche für Nebenämter üblich sind. Das Socialistengesetz sollte angeblich im Bun- desrathe einstimmig angenommen worden sein; dies ist jedoch nicht der Fall, denn wie neuerdings ge meldet wird, hat der Vertreter des Fürstenthums Reuß-Greiz-Schleiz-Lobenstein gegen das Gesetz gestimmt, und zwar aus dem Grunde, weil er oder vielmehr seine Regierung überzeugt sei, dieses Gesetz werde sich als unwirksam erweisen. Der eigentliche Grund dürfte aber unseres Erach tens der sein, daß die kleinen Staaten durch dieses Gesetz etwas von ihrer Selbständigkeit einbüßen. Einem Gerücht zufolge wird im Bundesrath der directe Antrag auf Erlaß eines Gesetzes vor bereitet behufs Wiedereinführung der Wu chergesetze. Der Maximal-Zinsfuß von 6 pCt., die civilrechtliche Unverbindlichkeit „wucherischer" Geschäfte und deren strafrechtliche Verfolgbarkeit sollen wieder ausgesprochen und das Bundesgesetz vom 14. November 1867 bezüglich der vertrags mäßigen Zinsen aufgehoben werden. Der preußische Minister des Innern hat unterm 22. d. M. für Preußen die Instruction zur Ausführung des Socialisten-Gesetzes erlas sen. In der Einleitung heißt es, daß, wenn der Zweck des Gesetzes erreicht werden solle, die in demselben gewährten Mittel mit Ernst und Ent schlossenheit, aber auch mit Umsicht und Loyali tät angewendet werden müßten. Zugleich aber sei daraus zu achten, daß das Gesetz nicht gegen andere, als die darin bezeichneten socialdemokra- tischen, socialistischen und communstischen Bestre bungen, und gegen diese nur dann, wenn die in dem Gesetze angegebenen Merkmale ihrer Gemeingefährlichkeit vorhanden feien, angewendet werde. Die Anwendung der Bestimmungen des So- cia listen gesetzes wird vom Berliner Polizei präsidium in pflichtgemäßer Energie geübt. Die an Stelle der verbotenen „Berliner Fr. Presse" herausgegebene „Berliner Tagespost" war gleich bei ihrem ersten Erscheinen von der Berliner Polizei coiisiscirt und das fernere Erscheinen ver boten worden, und zwar war von der Polizei ange nommen worden, daß das neue Blatt nach un verkennbaren Anzeichen die einfache Fortsetzung des alten mit verändertem Titel gewesen wäre. Auch anderwärts wird in ähnlicher Weise vor gegangen, so hat z. B. die Polizeidirection in Braunschweig die beiden Vereine „Metallarbeiter- gewerksgcnossenschaft" und den „demokratischen Wahlverein" verboten. Nicht uninteressant ist der Rechnungsabschluß des inzwischen aus eigener Entschließung angeb lich aufgelösten Centralwahlcomitos in Ham burg. Derselbe umfaßt die Zeit vom 1. Februar bis 13. October 1878 und weist eine Einnahme aus regelmäßigen und freiwilligen Beiträgen von 69,218 Mk. 6 Pf. auf. Ausgegeben wurden für Reisespesen nnd Monatszuschüssen an Agita toren 18,126 Mk. 27 Pf., zur Förderung litera rischer Zwecke 3976 Mk. 35 Pf., für Tilgung eines Deficits 205 Mk., für Unterstützungen 11,092 Mk. 48 Pf., für Wahlagitation und Reichstagsdiäten 30,452 Mk. 17 Pf., für Gehälter, Portoausgaben, Bureaumietherc. 4516 Mk. 99 Pf., für verschiedene Drucksachen 848 Mk. 70 Pf. Eine ansehnliche Summe, die sich in dem Zeit raum von 8'/2 Monaten in Hamburg angesam melt hat. Eine Specification der Ausgaben mußte nach der Bemerkung des Rendanten des Comitös mit Rücksicht auf das bevorstehende Ausnahmege setz unterbleiben. Durch Bestreitung aller resti- renden Wahlschulden in den sogenannten offiziellen Wahlkreisen, durch mehrmonatliche Vorausbezah lungen an gemaßregelte Genossen oder deren Familien, sowie durch Tilgung aller pecuniären Verpflichtungen des Central-Wahlcomitös ist die Parteikasse völlig geleert worden. Das glauben wir den Herren socialistischen Agitatoren gern, daß sie es trefflich verstehen, in den Kassen talmla rasa zu machen. Aber überlegen möchten sich doch die Arbeiter, die alle ihre sauer verdien ten Groschen bei diesen 69,218 Mark zugesteuert haben, welcher Nutzen ihnen durch diese Ausgabe erwachsen ist, und ob diese Summe nicht eine viel bessere Verwendung zur Förderung der Ar beiterinteressen hätte finden können. Wie schon bemerkt wurde, waren die Erklä rungen der „Glauchauer Nachrichten" und des „Crimmitschauer Bürger- und Bauernfreundes" ganz gleichlautend. Nun bringt der „Braunschwei ger Volkssreund" ebenfalls Wort für Wort die selbe Erklärung, woraus sich leicht ersehen läßt, daß diese Erklärungen nicht in den betreffenden Redactionen, sondern an irgend einer Centralstelle verfaßt worden sind. Die Württembergische Korrespondenz schreibt: „Der Kaiser erhält noch immer eine Menge Drohbriefe des Inhalts, es würden neue Atten tate auf ihn erfolgen, sobald er nach Berlin komme. Umgekehrt wird dem Großherzog von Baden mit Attentaten gedroht, falls er seinem Kaiserlichen Schwiegervater noch längeren Aufenthalt in seinem Lande gestatte! Angesichts solcher Thatsachen wollen sich unsere Freiheitsidealisten beklagen, wenn endlich die Zügel der Ordnung straffer an gezogen werden!" Wir möchten dem hinzufügen, daß die wahren Freunde der Freiheit sicher nicht darüber klagen, wenn Schurken und Schuften, denn es können nur diese derartige Drohbriefe absenden, energisch ihr widerliches Handwerk ge legt wird. Wie man sagt, sollen die Arbeiten zur Er höhung der eigenen Einnahmen des Reiches demnächst wieder ausgenommen werden, und wird die Einführung einer Börsensteuer diesmal in erster Reihe in's Auge gefaßt werden, weil die > Regierung (wohl mit gutem Grunde) hofft, bei j einer solchen Vorlage am wenigsten Widerstand ! zu finden. Allerdings soll das Hauptgewicht auf : die ausländischen Papiere gelegt werden, ein Vor- gehen, durch welches man, neben der Einnahme : für die Staatskasse, zu erreichen hofft, daß sich ! die Vorliebe des deutschen Publikums für fremde Papiere etwas abkühlt. Admiral Werner, der seinen Wohnsitz bisher in Kiel hatte, wird sich in den nächsten Tagen nach Wiesbaden begeben. In parlamentarischen Kreisen wird der Wunsch gehegt, daß Admiral Werner sich zur Annahme eines Mandats für den Reichstag bereit finden lasse, da der Mangel einer technischen Kraft bei der Berathung der Marine-Angelegenheiten, insbesondere des Budgets, schwer empfunden wird. Vor dem Pariser Zuchtpolizeigerichte ist am 24. d. Mts. der Proceß gegen die Socialisten, welche an dem verbotenen internationalen Arbei- tercongreß sich betheiligt hatten, zu Ende geführt worden. Das Urtheil lautete bezüglich zweier Frauen auf Freisprechung, dagegen wurden alle übrigen Angeklagten verurtheilt. Das schwerste Urtheil lautete auf 6 Monate Gesängniß, fünf kamen mit Geldstrafen von 16 bis 200 Francs davon. Abermals bringt der Telegraph Kunde von einem Ereigniß, das, wie auch die Drohbriefe an unserem Kaiser, einen überzeugenden Beweis giebt, auf welchem Vulkane wir uns in Europa befinden. Am vergangenen Freitag Abend wurde nämlich auf den König Alfons von Spanien ein Schuß aus einem Taschenpistol abgeseu- ert, ohne den König zu verletzen. Der Atten täter ist verhaftet, derselbe nennt sich Mukasi, ist Böttcher, 23 Jahr alt und soll eingestanden haben, daß er der Internationale angehöre. Ob dies letztere der Fall ist, muß sich doch wohl erst bestätigen, da in Spanien die Republikaner ebenfalls in bedeutendem Maße gegen die jetzige Regierung agitiren. Der Aufstand ist in Rumelien und Mace do nien wieder in bedeutendem Umfange ausge brochen. Die Pforte hat in dieser Beziehung eine Note an den russischen Botschafter, Fürsten Lo- banoff, gerichtet, welche den Ausbruch und die