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Zchönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstaltsn, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zn Waldenburg. Donnerstag, den 23. Februar 1882. "Waldenburg, 22. Februar 1882. Gambetta und Skobelew. Gambetta und Skobelew sollen in Nizza zwei Tage lang zusammen gewesen sein. Bewahrheitet sich diese Nachricht, so liegt hier ein neuer Beweis dafür vor, daß die Ziele Gambettas einzig und allein auf einen Angriff auf Deutschland hinaus geben. Ob Gambetta mit dieser Zusammenkunft sich genützt hat, mag hier unerörtert bleiben. Die Erklärung des russischen Regierungsboten haben wir bereits gestern veröffentlicht; wenn auch an der friedlichen' Politik Rußlands, auf welche sich die Erklärung beruft, nicht gezweifelt werden soll, so würde sich dieselbe doch unzweifelhaft besser aus genommen haben, wenn darunter die öffentliche Mit- theilung folgte, daß der General Skobelew auf sei nen Posten in Turkestan zurückgerusen wurde. Nach obiger Erklärung scheint es, ols wäre der russische Kaiser, der Beherrscher aller Reußen, vollständig machtlos gegenüber der privaten Aeußerung eines activen Generals. Skobelew hat Paris verlassen, man sagt, er wolle jetzt jenseits des Kanals seine panslawistische Wan derung fortsetzen, nachdem er erkannt, daß er in Paris nicht überall reüssirt hat. Sollte der Privat mann zwischen Calais und Dover französische Zei tungen lesen, so wird ihm vielleicht ein kleines Entrefilet in die Augen fallen, in welchem erklärt ist, die Ansprache vcs russischen Generals an die Serben habe keinen größeren Werth, als „alle üb rigen mordbrennerischen Kundgebungen, welche hirn verbrannte oder ehrgeizige russische Generale und Staatsmänner in den letzten 6 Jahren zum besten zu geben beliebten." Den Franzosen bangt gewaltig vor der Gambella'schen Knute; Grävy-Freycinet be hagen ihnen weit mehr. Ob von Berlin und Wien aus die Brandrede des Gegenkaisers Skobelew zu diplomatischen Erörterungen Anlaß geben wird, ist noch nicht sicher; die Einen behaupten: Ja; die Anderen: Nein. Der „Deutsche Reichs- und preußische Stuatsanz.", das amtliche Organ der deutschen Regierung, schweigt über die Kundgebungen Skobelew's voll ständig, dis „Norddeutsche" indessen, die öfters ai s dem Auswärtigen Amte bedient wird, schreibt: „Die Presse hat den Pronunziamentos des Generals Skobelew eine Aufmerksamkeit zugewandt, welche über die politische Tragweite dieser oratori- fchen Leistungen weit hinausgeht. Die Privatan sichten tapferer Feldsoldaten über europäische Politik interessiren uns ebenso wenig, wie die Ansichten ge schickter Diplomaten über Satteln und Packen der Kavallerie oder über Kaliber und Patronenhülsen. Der General Skobelew ist ein tapferer Haudegen und hat diese Eigenschaft an der Spitze einer Truppe, in welcher jeder Soldat ebenso tapfer wie sein General war, bethäligen können. Dies ist aber kein Grund, um seinen politischen Ansichten mehr Gewicht beizulegen, als denen jedes anderen tapfe ren Osficiers. Der politische Inhalt seiner Reden ist deshalb für uns kein Gegenstand publizistischer Behandlung. Was dagegen die militärische Seite derselben und ihre symptomatische Bedeutung für die Zustände der russischen Armee betrifft, so wollen wir diese erst besprechen, wenn uns das Urlheil russischer bürgerlicher und militärischer Kreise über das Verhalten des Generals und über die Tragweite und die Adresse seines Pronunziamento bekannt sein wird." Die politische Bedeutung wird also dem Skobe- lew'schen Gebühren abgesprochen, vielmehr gebe das selbe nur einen Maßstab für den Geist der Dis- ciplinlosigkeit in der russischen Armee, in deren Reihen unbotmäßige Generale gegen die friedlichen Absichten ihres obersten Kriegsherrn sich aufzulehnen vermögen. *Waldcnbnrg, 22. Februar 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Fürst Bismarck hat sich wegen fortdauernder Erkältung genöthigt gesehen, die in Aussicht ge nommene Reise nach Friedrichsruh abermals zu verschieben. Den Mitgliedern des preußischen Volkswirth- schastsrathes ist nun offtciell die Einladung (sei tens der Minister Maybach, Lucius und Bitter) zugegangen, sich am 28. d. M. nachmittags 2 Uhr im Reichstagsgebäude zum Beginn einer neuen Berathungsperiode einzufinden. Wie die „Germania" zu ihrer Freude hört, ist der Congregation der Schwestern der h. Elisabeth in Neisse (Graue Schwestern) die Genehmigung ertheilt worden, 100 Schwestern aufzunehmen. Die „Nordd. Allgem. Ztg." bespricht die Mög lichkeit, dem Börsenspiel auf gesetzlichem Wege Einhalt thun zu können, in folgender Weise: Es war unausbleiblich, daß der jüngste Börsenkrach wieder von Neuem die allgemeine Aufmerksamkeit auf das Börsentreiben und speciell auf denjenigen Theil desselben, welcher sich lediglich als Spiel charakterisirt, Hinlenkle und von Neuem die Frage anregle, ob der Staat nicht auf dem Wege der Gesetzgebung Wandel schaffen könne? So ost diese Frage erhoben wird, treten ihr immer die beiden Haupteinwände entgegen: daß der Staat nicht dazu ta sei, um jede Tyorheit gegen sich selber zu schützen; sodann — daß das Börsenspul unfaßbar sei. Die erste Einwendung erledigt sich indeß leicht genug, wie sie ja auch praktisch schon durch das Verbot der sogenannten „Spielhöllen" in Deutsch land erledigt worden ist, obwohl diese nicht im Ent ferntesten die gemeingefährlichen Wirkungen des Börsenspiels haben konnten. Wenn eine Thorheit oder Leidenschaft sich in der Weise äußert und solche Wirkungen nach sich zieht, daß das allgemeine Wohl dadurch in Mitleidenschaft gezogen wird, wie bei dem Börsenspiel, welches in seinen Wirkungen auch Denjenigen schädigt, der gar nicht milspielt, und die ehrliche Arbeit in der zweifachen Richtung beeinträchtigt, daß es die Capitalien, die zu ihrer Förderung dienen können, zu Wetten verwendet, dazu aber noch durch schwankende Speculationspreise die Production selbst irre führt, so ist es gewiß die Pflicht des Staates, einem solchen Treiben Einhalt zu thun, welches zugleich mit seiner schädlichen Ein wirkung auf den materiellen Wohlstand die Cor- ruption in den verschiedensten Formen zur Wirkung hat. Wenn man sich aber andererseits zur Abwehr jedes gesetzgeberischen Eingreifens in das Börsen spiel auf die vorherzusehende Erfolglosigkeit beruft, so können wir nicht zugeben, daß, weil die früher getroffenen Maßregeln den erwarteten Effect nicht gehabt haben, jeder fernere Versuch, den Weg der Gesetzgebung zu betreten, bereits seine Verur- theilung erfahren habe. Von der Fortschrittspartei ist im preußischen Ab geordnetenhause folgender Antrag eingebracht wor den: Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung der Beschlagnahme-Verordnung vom 2. März 1868. Wir Wilhelm, von Gottes G aden König von Preußen u. s w. verordnen, mit Zustimmung bei der Häuser des Landtages der Monarchie, wie folgt: Einziger Paragraph: Der Absatz III Rs H 2 der Verordnung vom 2. März 1868 (Gesetzsammlung pro 1868 vom 3. März 1868 Nr. 6996) und vom 16. Februar 1869 (Nr. 7325), betreffend die Be schlagnahme des Vermögens des Königs Georg, wird aufgehoben. An dessen Stelle tritt folgende Bestimmung: „Aus den in Beschlag genommenen Objecten und deren Revenuen sind mit Ausschlie ßung der Rechnungslegung an die Erben des Königs Georg, dis Kosten der Beschlagnahme und der Ver waltung zu bestreiten. Die hiernach sich ergebenden Ueberschüsse sind demVermögensbestande zuzuführen." Dieses Gesetz tritt mit dem 1. April in Kraft. Im preußischen Abgeordnelenhause brachte Abg. Zelle die Schießaffaire an der Jnvalidensäule zu Berlin zur Sprache. Kriegsminister v. Kameke erwiderte, daß die Untersuchung noch nicht abge schlossen sei. Einer von den Knaben sei sofort ge- lödtet worden, der Andere sei verwundet. Bei den thätlichen Angriffen auf den Posten seien Beide betheiligt gewesen. Der Soldat sei wieder zu seiner Compagnie zurückgekehrl, da kein Grund vorgelegen, ihn zurückzuhalten. Erst nach Abschluß der Unter suchung werde an die Frage herangetreten werden können, welche Einrichtungen etwa zu treffen wären. Abg. Richter sprach sich dafür au< daß die Militär- posten an solchen Stellen, wie der in Frage stehen den durch Polizeiposten bez. Parkaufseher ersetzt werden möchten. Auf eine längere Ausführung des Abg. v. Ludwig über das Schuldenmachen der Of fiziere, wodurch die Väter ruinirt würden, erklärte de: Kriegsminister, daß das, was v. Ludwig wünsche, ihm schon von seinem König befohlen sei. Uebri- genö zeige der Luxus in der Armee neuerdings eine erfreuliche Abnahme. Beim Etat des Ministeriums des Innern wurde seitens der Linken die Verwal tung scharf krilisirt und derselben vorgeworfen, daß sie bei Zutheilung amtlicher Inserate und bei An wendung des Bestätigungsrechtes nach politischen Parteirücksichten verfahre. Oesterreich. Die czechisch-nalionalen Bestrebungen treten fortgesetzt mit größerer Schärfe hervor. So erklär ten dieser Tage in der General-Versammlung des Spar-, Vorschub- und Unterstützungs-Vereins der Prager Tclegraphen-Beamten zwei Assistenten Na mens der „czechtschen Partei", sie könnten der Ad ministration kein Vertrauen votiren, da kein Czeche im Ausschüsse sitze. Bei Ertheilung des Absoluto- riums und bei den Ausschußwahlen enthielten sich die Czechen der Abstimmung. Die Inspektoren Ritter v. Horak und Käsbad legten dar, daß solche nationale Demonstrationen in einem Humanitären Vereine unpassend seien, nichtsdestoweniger soll aber nun doch bei der bevorstehenden Statuten-Aenderung dem czechischen Wunsche nach „voller nationaler Parität" entsprochen werden. Frankreich. Durch den Rücktritt Gambetta's und die Berufung des Ministeriums Freycinet-Say ist Frankreich zu einer in hohem Grade respectablen Negierung gekommen. Dem Ministerium Gambetta haftete nach allgemeinem Zu^eständniß ein starker Beige schmack von Zigeunerthum an und eine Welt von Skandalgeschichten alten und neuen Dutums war mit den Ministerkollegen Gambetta's und ihren Frauen in die Ministerhotels eingezogen. Die Ver hältnisse lagen in einzelnen Fällen so arg, daß die Gesellschaft, die sich respectine und nicht durch dienst liche Verpflichtungen in die Ministersalons gezwun gen wurde, sich daraus demonstrativ fern hielt. Auch diese Verhältnisse haben mächtig dazu beigetragen, das Ministerium Gambetta zu stürzen; es hatte, was in Frankreich ein sehr wichtiger politischer Fac tor ist, die Frauen gegen sich. Die Rückkehr des französischen Expeditionscorps