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Bsr- gesckriebeneErtcheiaungs- -- . tage und Platzvnrschrifteu werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigeu- annadme bis »orm.10Ubr. — —- >- . Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabatransprnch erlischt, wenn derBetrag durch Klage eingezogen werden mutz oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigeu nehmen alle Dermittluugsstellen entgeaeu. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Rr. 15V — 88. Jahrgang Telegr Adr: .Amtsblatt« Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Montag, den 1 Juli 1S2S Verständigung! Nicht ungetrübt ist der Tag verlaufen, da vor zehn Jahren in Versailles zwei deutsche Staatsmänner das Diktat der Gegner unterschreiben mußten. Dieser Tag trauernden Gedenkens sah nicht ein in diesem Ge denken einiges Volk, sah vielmehr auch wieder uner quickliche parteipolitische Auseinandersetzungen, sah inneren Kampf und Zwietracht zwischen rechts und links. Vorwürfe, die eigentlich an Alter längst gestorben sein sollten, grub man aus und schleuderte sie den partei politischen Gegnern ins Gesicht, anstatt nur auf das zu sehen, was ist und was sein wird. Es spricht nicht gerade allzusehr für das „Volk der Denker und Dichter", daß viel zu sehr, fast immer nur darauf gesehen wird, wie das alles geworden ist. Worüber natürlich jede Seite ihre unabänderliche und selbstverständlich einzig richtige Meinung hat. Jedes Ding schon hat zwei Seiten, aber Geschehnisse, Entwicklungen, das Auf und Nieder in der Geschichte haben zwei Dutzend Gründe. Sie zu erkennen mag den Historiker interessieren; der um sein Dasein ringende Deutsche kann sich nur an die Gegenwart halten, wenn er in die Zukunft schauen will. Muß den Blick nach vorwärts wenden, um vorwärts- zulommen, stolpert nur, wenn er mit mindestens einem Auge immer rückwärts sieht. Gegenwart, und zwar vor erst unabänderliche Gegenwart für Deutschland aber ist alles das, was sich unter dem Worte „Versailles" begreift. Und alles das, was diesem Begriff entsprang. Darum war cs selbstverständlich, am 28. Juni jenes Tages zu gedenken, der dem Heute und dem Morgen auf lange Zeit hinaus den Stempel ausdrückte Wie es aber zu jenem Tage kam, ist — historisches Studienobjekt! * Von dem, „was ist", gingen ja auch die Sachverstän digen auf der Pariser Konferenz bei ihren Beratungen aus. Wenigstens die deutschen Delegierten, über deren Ansichten und Absichten Dr. Schacht ja eine überaus bemerkenswerte Rede hielt. Als es sich herausstellte, daß nicht die wirtschaftlichen Grundlagen und Möglichkeiten Deutschlands maßgebend sein sollten für die Bemessung der künftigen Zahlungsverpflichtungen Deutschlands, nicht wirtschaftliche Gesichtspunkte, sondern von vorn herein feststehende Mindestforderungen der Gegenseite, da konnte man deutscherseits Zugeständnisse nur machen unter Festlegung gewisser Voraussetzungen — „Siche rungen" __ die es zum mindesten verhindern, daß Deutschland bei einem Versagen des Planes nicht mit dem Vorwurf des üblen Willens belegt werden kann, außer dem vor einer wirtschaftlichen Katastrophe geschützt wird. War ein Schxjiern der Konferenz durch Ablehnung der amerikanischen Vermittlungsvorschläge politisch trag bar? Dr. Schacht verneint das, glaubt aber andererseits, daß finanziell ein solches Scheitern nur vorübergehend zu einer Vertrauenskrise geführt hätte. Er hält den Aoung-Plan also nicht für eine endgültige Lösung, besonders dann nicht wenn über jene Voraussetzungen hinaus der handelspolitische Kampf gegen den deutschen Export nicht endlich einer wirtschaftlichen Verständi gung weicht. Die deutsche Delegation hat an sich schon „sich dem Urteil der übrigen Konferenzmitglieder über die wirtschaftliche Tragbarkeit der Aouna-Annuitäten nicht anschließen" können und ihre diese Tragbarkeit verneinende Ansicht wird sich "mH um so eher und um so stärker als richtig herausstellen, wenn man dem deutschen Export nicht mehr Ellbogenfreiheit gewährt als bisher. Daß uns dies natürlich nicht von der Pflicht entbindet, auch unserer seits durch eine entsprechende innendeutsche Finanzpolitik alles zu tun, um die Aufbringung der Zahlungen zu er mögliche». Betrachtet Dr. Schacht — und darum hat er unter schrieben " den Aoung-Plan immerhin als einen Schritt von Versailles weg einem wirklichen internationalen Wirtschafts- und politischen Frieden entgegen, ein Schritt, der nur getan werden darf, wenn nun auch die Gegenseite gleichfalls einen Schritt des Entgegenkommens tut durch bedingungslose Räumung des Rheinlandes und befriedi gende Regelung der Saarfrage — denn sonst ist der Aoung- Plan nicht das, was er sein soll: ein Friedens instrument —, so muß der Kampf in Paris vorläufig hin sichtlich fernes endgültigen Ausgangs mit einem „unent schieden" bezeichnet werden. Oder — um einen heute be sonders beliebten Ausdruck anzuwenden —: er ist einiger maßen „über die Runden gekommen". Konnte die Gegner nicht „auspunkten , wie es der Sensation des Tages glückte. Denn was kümmert allzu viele Deutsche der Aoung-Plan, was das Schicksal des Republikschutzgesetzes oder der Gedenktag von Versailles — der Boxsieg Schmelings war ja die eigentliche Sensation. Und beschämend mehr interessierte, wieviel Haken, Schwin ger und Uppercuts der deutsche Boxer dem ehemaligen baskischen Holzfäller versetzt hatte, wie dick dem Gegner Augen und Nase verschwollen waren oder wann das Blut zu fließen begann, beschämend mehr als wichtigste deutsche Schicksalsfragen. Es würde Nichts schaden, wenn dieses Schicksal einem nicht gerade geringen Teil unseres Volkes einen — Kinnhaken der Erinnerung versetzt. « Fördert die Ortspreffe » Me Agimgen ms dem MW-Plan KonsereMt wahrscheinlich London Frankreich einverstanden? Das im Anschluß an die Abmachungen der Pariser Reparationsbesprechung entstandene Hin- und Hergercde über den Ort der anschließenden politischen Konferenz der Mächte scheint sich allmählich doch dahin zu verdichten, daß die Wahrscheinlichkeit an Boden gewinnt, die Konfe renz werde in London stattfinden. Bei der englischen Regierung ist auf ihre Anfrage eine Antwort des französischen Kabinetts eingetroffen. Uber den Inhalt wurde zunächst offiziell nichts bekannt- gegeben, doch verlautete in Londoner politischen Kreisen ziemlich bestimmt, Frankreich habe seinen anfänglichen Widerstand gegen London fallen lassen. Die Konferenz soll erwartungsgemäß schon Ende Juli, spätestens aber Anfang August zusammentreten, um ihre Aufgaben, die Regelung der Räumungsfragen deutschen Gebietes und die sonst mit der Kriegsliquidation in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, in Angriff zu nehmen. * Deutscher Konferenzvertreter Stresemann. Da Reichskanzler Müller noch an seinem Gallen leiden laboriert und das Bad Mergentheim aufsuchen muß, nimmt man an, er werde bis zum Konserenzbeginn nicht so weit hergestellt sein, um, wie anfänglich geplant, die Führung der deutschen Delegation zu übernehmen. Seine Vertretung durch den Reichsaußenminister Dr. Stresemann erscheint deshalb als fast sicher. Auch die Reichsminister Dr. Hilferding, Dr. Curtius und Dr. Wirth sollen teilnehmen. * Wann tritt der Noung-Plan in Kraft? Rach Poincarös Meinung im Oktober. Poincarö wurde von einem Abgeordneten nach dem Zeitpunkt des Zusammentritts der Regierungs konferenz über den Aoung-Plan gefragt. Er erklärte, daß diese Konferenz mit Rücksicht auf die notwendigen technischen Vorbereitungen Wohl nichtvorAugu st zu sammentreten könnte. Auf die weitere Frage, ob die Re gierung die Kammern alsbald nach der Konferenz zum Zwecke der Ratifizierung des Aoung-Planes einberufen werde, erklärte Poincars, daß die Regierung im Augenblick nicht die Absicht habe, die Kammern vor dem Monat Oktober einzuberufeji und daß die Ratifizierung des Aoung-Planes erst in jenem Zeitpunkt spruchreif werde. Der 1. September sei von den Sachverständigen als Zeit punkt des Inkrafttretens empfohlen worden, aber wenn er hinausgeschoben werden müßte, so würde der Dawes- Plan weiterarbeiten, und es würde sich für Frankreich keinerlei Störung ergeben. Reichsaußenminister Dr. Stresemann wird am Montag abend nach Baden-Baden reisen. Diese neuer liche Reise Stresemanns ist nicht etwa auf eine Verschlechte rung seines Gesundheitszustandes zurückzu- Frankreich Mtz zahle« oder ratifizieren Die Vereinigten Staaten zeigen gegenüber dem er neuten Verlangen der Französischen Kammer, einen neuen Aufschub für die im Falle der Nichtratifikation des Schuldenabkommens am 1. August fällige Zahlung in Höhe von 407 Millionen Dollar zu erlangen, die kalte Schulter. Die Antwort auf den vom französischen Botschafter in Washington übermittelten Wunsch ist bereits Sonnabend in Paris eingetroffen. In einem unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik abgehaltenen Ministerrat wurde der Bericht des französischen Botschafters in Washington über den von ihm im Auftrage der Regierung unternommenen Schritt bei dem amerikanischen Staatssekretär mitgeteilt. Wie verlautet, soll die amerikauische Regierung den auf Anregung der Französischen Kammer ausgesprochenen Wunsch nach einer Verlegung des Termins der Zahlung für die Heeresbestände ablehnend beantwortet haben. Was Poincarö, der gegen das Verlangen war, tun wird, ist noch nicht zu übersehen. Es ist möglich, daß schwere innenpolitische Erschütterungen entstehen. Die amerikanische Antwort an Frankreich Aber die Antwort der amerikanischen Regierung auj das Gesuch der französischen Regierung um Hinaus- schiebung des Verfalltages vom 1. August be sagt die amtliche französische Verlautbarung folgendes: Der amerikanische Staatssekretär erklärte, die Verfassung gäbe dem Präsidenten nicht die Macht, den Verfalltag einer Schuld hinanszuschieben, zudem habe die Entschließung vom letzten 19. Juni ihn dieser Macht beraubt. Die auf- getretenen Schwierigkeiten gestatteten nicht, auf einen fuhren, sondern aus feinen Wunsch, sich vor Beginn ver Diplomatenkonferenz in aller Ruhe auf die Ver handlungen vorbereiten zu können. * Sie SchVierigketten des Soung-planeS. Keine Erleichterung gegenüber dem Dawes-Plan. In einem Aufsatz von Professor Gustav Cassel (Stockholm) im Wirtschaftsbericht der Commerz- und Privatbank A.-G. heißt es u. a.: Bezüglich der Gesamt ansprüche an Deutschlands auswärtige Zahlungsfähigkeit bedeutet der Aoung-Plan dem Dawes-Plan gegenüber keine Erleichterung. Da es nunmehr feststeht, daß die Forderungen des Dawes-Planes weit über die wirkliche Leistungsfähigkeit Deutschlands gingen, ist es schwer zu übersehen, wie es möglich sein soll, den Aoung-Plan aufrechtzuerhalten. Der Aoung-Plan hat überhaupt mehr den Charakter eines politischen Kompromisses als eines Gutachtens von Sachverstän- digen über die rein wirtschaftliche Frage, welche Zahlungen von Deutschland an die Empfangs mächte möglich sind und unter welchen Bedingungen sie möglich sind. Auch wenn der Aoung-Plan angenommen wird, wird er voraussichtlich bald revidiert werden müssen, nicht aus Grund eines deutschen Widerstandes, sondern einfach deshalb, weil er mit den wirtschaftlichen Realitäten nicht in Einklang zu bringen ist. * Sie GesamttiqMerimg des Krieges. Räumung, Opfer und Sparsamkeit. Der Hauptausschuß des Deutschen Industrie- und Handelstages hat einstimmig eine Entschließung gefaßt, die die folgenden Gesichtspunkte betont: Für die Würdi gung des Planes im ganzen ist es von höchster Bedeu tung, ob mit ihm die abschließende Gesamtliqui dierung desKrieges verbunden und erreicht wer den wird. Eine solche Gesamtliquidierung verlangt ins besondere, daß die Besetzung des Rheinlandes sofort ohne Vorbehalte, die die Freigabe entwerten und daher unannehmbar sein würden, aufzuheben und im Saar gebiet beschleunigt die deutsche Staatshoheit unein geschränkt wiederherzustellen sein wird. Sie bedingt weiter, daß sofort alle Maßnahmen der Beschlagnahme und Liquidation deutscher Güter, Rechte und Inter essen eingestellt und ausgeglichen und soweit möglich rückgängig gemacht werden. Wie auch über den Plan von den zuständigen poli tischen Stellen entschieden werden mag, wird die Lage von allen wirtschaftstätigen Bevölkerungsschichten, Arbeit gebern wie Arbeitnehmern, besondere Anstrengungen und Opfer verlangen. Es ist damit aber auch die entscheidende Stunde gekommen, die staatliche Wirtschafts-, Finanz-und Sozialpolitik einheitlich und folge richtig auf die Steigerung der Produktivität unserer Ge samtwirtschaft hinzuwcnden. Beschluß zu hoffen,'der dem Wunsche Frankreichs entspräche. Die amerikanische Öffentlichkeit sei der Auf fassung, die Vereinigten Staaten hätten sich gegenüber Frankreich freundschaftlich Verhalten, da das Schulden abkommen von 1926 in Wirklichkeit ein Verzicht auf den Von Frankreich während des Krieges gegenüber Amerika eingegangenen Schuldbetrag bedeute und die Lasten Frank reichs ausschließlich auf die Kriegsschuld beschränkt hätte. Rücktritt der Regierung? In französischen politischen Kreisen ist nach wie vor das Gerücht verbreitet, die Regierung würde zurück - treten, sobald sie die amtliche Note der amerikanischen Regierung auf den diplomatischen Schritt des französischen Botschafters in Washington in Händen habe. Kür Oesterreichs Anschluß. Kundgebung in Bielefeld. In Bielefeld sprach Reichsinnenminister Severing anläßlich eines deutsch-österreichischen Sportfestes über die Anschlußfrage. Der Minister führte u. a. aus: Beim Ab schluß des sogenannten Friedensvertrages vor zehn Jahren haben sowohl Vertreter des Deutschen Reiches wie der Republik Österreich in Versailles gemeinsam um das Selbstbestimmungsrecht der Völker gekämpft. Das Recht der Selbstbestimmung, der Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reiche, sei aber nicht anerkannt worden, über die Frage des Anschlusses sollte der Völkerbund ent scheiden. Seitdem sind zehn Jahre vergangen. Deutsch land ist in den Völkerbund ausgenommen worden. Man witterte aber in Österreich und in Deutschland Revanche gelüste. Mir scheint, daß diese Denkweise das Zeichen eines schlechten Gewifsens ist. Diese Denkweise ist die alte der Vorkriegszeit. Die