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AMMU M AWm NMiiW Nr. 21. zu Nr. 262 des Hauptblattes. 1929» Beauftragt mit der Herausgabe Regierung-rat vrauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der 12. Sitzung von Donnerstag, den 24. Oktober 1V2S) Ministerialrat Hoppe (Fortsetzung): Auf die Anfrage Nr. 185 antwortet die Regierung was folgt: Durch den Erlas; des Herrn Reichsarbeitsministers über PcrsonenkreiS und Dauer der Krisenunterstützung vom 22. Februar 1929 war die Krisenunterstützung grundsätzlich auf alle Berufsgruppen ausgedehnt worden. Diese Regelung ist bis -nm 6. Juli 1929 in Kraft ge- gebUeben Mit Rücksicht auf die Besserung, die der Arbeitsmarkt inzwischen erfahren hatte, erließ der Herr Neichsarbeitsminister unter dem 29. Juni 1929 neue Vorschriften, die eine gewisse, maßvolle Einschränkung der bisherigen Bestimmungen enthielten. Der Herr Neichsarbeitsminister hat vor dem Erlaß dieser Ver ordnung den Verwaltungsrat der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gehört. Die sächsischen Vertreter im Verwaltungsrat sind bemüht, die Interessen der sächsischen Wirtschaft und der säch sischen Arbeitnehmerschaft soweit als möglich wahr- zunehmen Ebenso nehmen die Vertreter der Regierung im Verwaltungsausschuß des Landesarbeitsamts Sachsen die Interessen des sächsischen Arbeitsmarktes bei den Verhandlungen über Feststellung der Krisenunterstützung nach Kräften wahr. Inzwischen hat die sächsische Regierung in Verhand lungen mit dem Herrn Reichsarbeitsminister darauf hin gewiesen, daß ein großer Teil der sächsischen Bauarbeiter ne 26 Wochen Beschäftigungszeit nicht erfüllen wird, ne nötig sind, um den Anspruch auf Arbeitslosenunter- tützung zu erwerben; die sächsische Regierung hat ersucht, ne Krisenunterstützung nunmehr auch auf Bauarbeiter auszudehnen. Die ernste Verschärfung der sächsischen Arbeitsmarkt lage, über die bereits Veröffentlichungen durch die Presse stattgefunden haben, hat ferner der Regierung Ver anlaffung gegeben, als Notmaßnahme für Sachsen die Ausdehnung der Krisenunterstützring auf alle Berufe bei dem Herrn Neichsarbeitsminister zu beantragen. Amanzminister Weber: Meine Damen und Herren! Au dem Antrag Nr. 186 der Sozialdemokratischen Partei hat die Regierung zu erklären, daß sie die Entwicklung der Arbeitsmarktlage in Sachsen bisher mit größter Auf merksamkeit verfolgt hat, daß ihr die ganze Entwicklung auch größte Sorge bereitet hat. Sie hat alles getan, was in ihrer Macht liegt, und sie wird auch weiterhin alles das tun, wozu die Kräfte der sächsischen Regierung ausreichen. Ich möchte nur daran erinnern, das; wir trotz der Kassenlage des Landes, die ich ja in meiner Etatrede bereits erörtert habe, bei den Nvtstandsarbeiten keine Einschränkungen getroffen haben. Wir haben für den außerordentlichen Haushaltplan dieses Jahres gegen 32 Mill. M. verausgabt und dazu noch 8,8 Mill. M. an Restposten, die sich aus dem früheren außerordentlichen Haushaltplan ergeben. Die Entwicklung die wir jetzt leider seststeUen müssen, ist ja in gewissem Sinne vorausgesehen worden. Ich habe auch bereits in der Etatrede dieses Jahr auf die drohende Entwicklung auf den; sächsischen Arbeitsmarkt hingewiesen. Leider scheint diese Entwicklung noch nicht abgeschlossen zu sein, denn das Institut für Konjunktur- sorscyung rechnet mit einem Ansteigen der Erwerbslosen- -ahl auf rund 2 Millionen Personen. Bei dieser kata strophalen Entwicklung drängt sich einem doch die Er kenntnis auf, daß die Ursachen der großen Erwerbs losigkeit in Deutschland schließlich tiefer liegen als in dem Verlangen, daß die Regierung von sich aus M'ttel zur Verfügung stellt. Die tieferen Ursachen liegen eben darin, daß die Lasten aus dem Dawesvertrag, die Tributlasten an und für sich unsere deutsche Wirtschaft derartig schwächen, daß sie nicht mehr wie früher die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen besitzt. Ich will toeiter offen aussprechen, daß dazu auch zweifellos die Überspannung der öffentlichen Lasten beigetragen hat. Die Lage unserer Wirtschaft ist zum großen Teil mit darauf zurückzuführen, daß wir in Deutschland nicht das Mas; an Kapitalbildung haben, was zur Investierung in der Wirtschaft im Interesse des technischen Fortschrittes notwendig ist. Der Hebel zu einer grundlegenden Ände rung der Verhältnisse muß daher in der Tat in einer Entlastung der deutschen Wirtschaft angesetzt werden (Abg. Günther: Sehr richtig!)' und n«cht etwa noch in einer Erhöhung der öffentlichen Lasten, wie sie teilweise heute hier vertreten worden ist. Die Regierung ist sich darüber klar, daß die Steuersenkungen, die in mäßigem Umfange im Rahmen des Möglichen durchgeführt wor den sind, namentlich beim Hausbesitz, beim Gewerbe und vor allen Dingen bei der Landwirtschaft nicht zu einer Verschärfung der Erwerbslosigkeit, sondern eher zu einer Besserung der Verhältnisse beigetragen haben, namentlich nach der Richtung, daß weitere größere Zu sammenbrüche bei den genannten Kreisen der Wirtschaft nicht eingetreten sind. Aber, meine Damen und Herren, es ist eine Irre führung der öffentlichen Meinung, wenn die Not der großen Erwerbslosigkeit und die bedauerliche Tatsache der Kapitalflucht aus Deutschland der sächsischen Regie ¬ ministerium ausgearbeitet worden sind, namentlich auf dem Gebiete der Regelung der Wasserwirtschaft, find teilweise anderer Art, als sie in dem Anträge Nr. 186 gefordert werden. Die Regierung hält es deshalb für unbedingt notwendig, daß die Vorschläge für d;e Inangriffnahme von Notstandsarbeiten, wie sie in dem Anträge Nr. 186 genannt worden sind, im Ausschuß noch näher durchberaten werden, und sie beantragt daher für den Antrag Nr. 186 die Attsschußberatung. Aber, meine Damen und Herren, es kommt in der Tat nicht darauf an, daß Programme aufgestellt werden, sondern die Durchführung von Notstandsarbeiten ist eine Frage der Geldbeschaffung, und darum kommen wir nicht herum. Sachsen hat sich immer mit allen verfassungs mäßigen Mitteln gegen die Beschneidung von Einnahmen gewandt. Wenn der Herr Abg. Kautzsch gemeint hat, daß vielleicht diese Kritik in Berlin sich nach der Seite hin ausgewirkt habe, das; man Sachsen erst recht be schnitten hat, so bedaure ich die Äußerung einer solchen Ansicht. Die sächsische Regierung ist in ihrer Kritik niemals über das hinausgegangen, >oas im berechtigten Interesse des sächsischen Volkes und der sächsischen Wirt schaft liegt. (Abg. vr. Wilhelm: Sehr richtig!) Wenn sich die sächsische Regierung gegen die Konzentration des Kapitals in Berlin, gegen die Wegziehung der Mittel, die im Lande aufkommen, nach Berlin gewandt hat, so hat sie das im wohlverstandenen Interesse der sächsischen Wirtschaft und im Einverständnis mit der säch ischen Wirtschaft getan. Es ist nun auch einmal Tatsache, meine Damen und Herren, das; unser sächsischer Wohnungsbau durch die Maßnahmen des diesjähri gen Haushaltgesetzes außerordentlich geschädigt wor den ist, nach der die Landesversicherungsanstalt ihren Beitrag vom Reich nicht in bar, sondern in Reichs schatzwechseln erhält. Dadurch sind dem Wohnungsbau 17 Mill. M. für erste Hypotheken entzogen worden, und wenn ich mich seinerzeit und auch neuerdings wiederum öffentlich gegen diese Maßnahme ausgesprochen habe, so tue ich es tatsächlich im Interesse der Aufrechterhaltung unseres Wohnungsbaues, im Interesse unserer sächsischen Wirtschaft. Wenn dann weiterhin ausgeführt worden ist, daß Sachsen den geringsten Satz an ausländischer Anleihe belastung hat, so sehe ich darin doch keine Tatsache, die man etwa bedauern soll. Ich glaube, man müßte gerade der sächsischen Regierung dankbar dafür sein, daß dieser Kopfsatz an Auslandsbelastung durch die betriebene Finanzpolitik möglichst niedrig gehalten worden ist Der Herr Abg. Kautzsch hat zwar gesagt, durch Kritik allein bringe man kein Geld ins Haus. Ich muß ihm das zurückgeben. Auch seine Kritik, die er hier an der sächsischen Regierung geübt hat, bringt uns keinen Pfennig, um die Wünsche, die Sachsen bei der Reichs regierung zum Bortrag gebracht hat und die wir doch von uns aus mit allen Kräften unterstützt haben und auch weiterhin unterstützen werden, durchzuführen. Meine Damen und Herren! Ich habe in der Presse konferenz ausführlich auf die Maßnahmen der sächsischen Regierung bei der Reichsregierung hingewiesen. Ich erkenne auch dankbar an, daß die Sozialdemokratische Fraktion sich von sich aus bemüht hat, bei der Reichs regierung eine besondere Notstandsaktion für Sachser zu erreichen. Ich habe in der Pressekonferenz ausführ lich den Bericht darüber gegeben, welchen Erfolg diese Aktion bis jetzt gehabt hat. Ich habe aber auch darauf hingewiesen, daß die sächsische Regierung vom Reichs finanzministerium noch keine Antwort darüber hat, was nun die Reichsregierung zu tun gedenkt, nachdem die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Behebung der Erwerbs losigkeit und zur Beschaffung von Mitteln zur Durch führung eines Arbeitsbeschaffungsprogramms durch die Reichsbank abgelehnt wurde. Wir haben gestern nachmittag einen Bericht unferer Gesandtschaft erhalten, und ich muß sagen, daß uns dieser Bericht äußerst enttäuscht hat, weil er jede Hoffnung auf irgendeine Hilfe des Reiches einfach zerfchlagen hat. Meine Damen und Herren! Es ist von einem der Herren Redner darauf hingewiesen worden, daß ich bei rung in die Schuhe geschoben wird. Die Erwerbs losigkeit und die Maßnahmen gegen die Kapitalflucht liegen auf dem Gebiete der Zuständigkeit des Reiches. Die unterstützende Erwerbslosenfürsorge ist eine ausge sprochene Sache des Reiches. Sie ist im Jahre 1926 an das Reich überführt worden. Genau so liegt es an das Reich überführt worden. auch bei der produktiven Erwerbslo enfürsorge. Auch diese ist in erster Linie der Zuständigkeit des Reiches unterworfen. Das Land ist nur insoweit daran beteiligt, als es denselben Betrag an Ausgaben für die produktive Erwerbslosenfürsorge aufzubringen hat wie das Reich. Meine Damen und Herren! Es ist nicht richtig, wenn gesagt worden ist, das die sächsische Regierung keine Pläne zur Inangriffnahme von Notstandsarbeiten aus gearbeitet hätte. Es legen dem Landesarbeitsamte eine ganze Menge von Plänen vor, die von Seiten des Arbeits- und Wohlfahrtsministeriums dort eingereicht worden sind. Sie konnten bis setzt nicht in Angriff genommen werden, weil der Rerchsanstalt die Mittel dafür fehlen. Das Finanzamt hat darüber hinaus in seinem Zuständigkeitsbereich sowohl für Straßennot- standsarbeiten wie auf dem Gebiete der Wasserwirtschaft ganz; umfangreiche Pläne ausgearbeitet, die fix und fertig daliegen und die ich auch im Ausschüsse den Herren vorlegen werde. Die Pläne, die von dem Finanz meinen Ausführungen die Absicht verfolge, das Reichs finanzministerium bzw. dessen verantwortlichen Leiter anzugreifen. Das liegt mir vollständig fern. Ich kann doch nicht an den Tatsachen vorübergeyen, wenn das Reichsstnanzministerium eine Durchführung der Pläne unmöglich macht. Ich fühle mich deshalb verpflichtet, um einem derartigen Vorwurf weiterhin zu begegnen, kurzerhand den Gesandtschaftsbericht vorzulesen. Sie werden daraus ersehen, welches Ergebnis die Aktion beim Reiche gehabt hat. Der Vertreter der sächsischen Regierung in Berlin teilt nach Erkundigung beim Reichsarbeitsministerium folgendes mit: 1. Trotz der Bemühungen des Reichsarbeitsministe riums sei es nicht möglich gewesen, vom Reichsfinanz- ministerium die Bereitstellung besonderer Mittel zu erlangen. Es komme deshalb auch nicht in Frage, daß nach Sachsen etwa mehrere Millionen in bar über wiesen werden könnten. 2. Infolge der Etatabstriche in: Haushalt 1929 hätten die Landesarbeitsämter sich in Höhe von etwa 8 Mill. RM. juristisch zu Notstandsarbetten gebunden, ohne daß nun die erforderliche Deckung vorhanden wäre. Es bestehe für weitere 15 Millionen eine wirt schaftliche Notwendigkeit, die Arbeiten, für die Deckung nicht vorhanden sei, nicht liegen zu lassen. Tie Rcichsanstalt solle nach Weisung des Reichs arbeitsministers nunmehr bemüht sein, die erwähnten 8 Mill. M. aus Mitteln, die bei anderen Landesarbeits ämtern noch ungenutzt lägen, nach Möglichkeit abzu decken. Im übrigen werde der Reichsfinanzminister nach dem gegenwärtigen Verhandlungsergebnis voraus sichtlich einverstanden sein, daß in Vorgriff auf Etat mittel des nächsten Haushalts das Reich bis zur Höhe von 25Mill. RM. Verpflichtungen übernehme. Das Reich werde also nicht Barmittel zur Verfügung stellen, sondern nur in den Fällen, in denen die Mittel für die zusätzliche Fördening in anderer Weise aufgebracht werden könnten, sich zur Zahlung des auf das Reich entfallenden Anteils ausdrücklich — unter Umständen in Wechselform — zur späteren Leistung verpflichten. Wenn z. B. die zusätzliche Förderung bei einer Arbeit in Sachsen 160000 M. betrage, und der sächsische Staat seinen Anteil mit 50000 M. und den Reichsanteil mit 50000 M. aufbringen könne — wir sollen also auch den Reichsantett mit aufbringen —, so werde das Reich sich verpflichten, diese 50000 M. später zu erstatten. Wie hoch dabei das Perpslichtungskontingent für die einzelnen Landesarbeitsämter, also auch für Sachsen sein werde, könne er noch nicht sagen. Dies sei von einer Zusammenstellung abhängig, die noch in der Reichsanstalt angefcrtigt werden müsse. Es heißt dann zum Schluß, daß die Erwartung oder Annahme des sächsischen Arbeitsministers, daß außer den noch Sachsen zukommenden 2 Mill. RM., für die aber, wie gesagt, bare Mittel auch nicht vorhanden sind, 3 Millionen als Sonderaktion noch zur Verfügung gestellt werden sollen, seinerseits auf einem Irrtum, auf einem Mißverständnis beruhe. Das ist der Bericht, den wir erhalten haben, und Sie sehen daraus, wie die Dinge in W-rklichkeit liegen. Das Reick, ist nicht in der Lage, 25 Mill. M. in bar an Mitteln für die wertschaffende Erwerbslosenfürsorge zur Verfügung zu stellen. 25 Mill. RM. bare Mittel im Rahmen des Reichsetats von 10 Milliarden bedeuten im Rahmen des sächsischen Etats 1,2 Mill. RM. Sie sehen daraus, daß an baren Mitteln eine katastrophale Knappheit be steht, an der man nicht vorübergehen kann. Sie sehen daraus auch die Anspannung des Reichsetats. Diese ist trotzdem vorhanden, daß die Ersparnisse aus dem Voung- Plan voi; gegen 400 Mill. RM. in diesem Jahre allem dem Reiche zugute kommen sollen. Die Länder haben für dieses Jahr infolge der DaweS-V o l leistung seinerzeit das Notopfer des Voraus von 120 Mill. RM. dem Reiche aus den Altar gelegt. Sie haben sich damit einverstanden erklärt in der Erkenntnis, daß das Reich die Hauptlast zu tragen hat und zurzeit dazu nicht imstande ist. Das Reich erwägt keine Pläne, den Ländern, wo nun die Voraussetzungen für dieses Rotopfer wenigstens für das zweite Halbjahr weggefallen sind, den Voraus zurück zugeben und ihnen damit auch eine gewisse Entlastung zu bringen. Das außerdem, nachdem das Reich in den letzten Tagen eine Anleihe von 500 Mill. RM. ab geschlossen hat. Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich diese Verhältnisse betrachten, dann werden auch Sie zugeben müssen, das; die Ansprüche an den Staat in finanzieller Beziehung ihre Grenze haben. Die sächsische Regierung wird bemüht bleiben und hofft, noch einen Weg zu finden, wenigstens geringe Mittel bereitstellen zu können, um namentlich dem Wohnungsbau aus sozialen und wirt schaftlichen Grüben unter die Arme greifen zu können. So liegen heute die Verhältnisse, und ich hielt mich für verpflichtet, daß in aller Öffentlichkeit zu sagen. Was nun den Angriff auf die Sächsische Staatsbank anbetrifft, so möchte ich heute nur der Klärung halber folgendes sagen. Die Sächsische Staatsbank ist in ihren finanziellen Dispositionen selbständig und hat auf Grund des Bank gesetzes ihre Dispositionen nach rein wirtschaftlichen und finanziellen Gesichtspunkten zu treffen. Über Kredite